Hallo allerseits
Ich lese gerade das Buch "Schnee" von Orhan Pamuk und habe vor, von Zeit zu Zeit hier meine Eindrücke niederzuschreiben, nur grobe Eindrücke, keine Angst:))
Orhan Pamuk ist seit einiger Zeit öfters in den Medien vertreten, weil er sich vor Gericht verantworten muss bzw. sogar in U-Haft ist. Er hat die Türkei beschuldigt, Völkermord an den Armeniern begangen zu haben. Die türkische Regierung liebt solche Anschuldigungen nicht und daher die Schwierigkeiten des besagten Autors.
Mehr weiß ich über den Fall noch nicht und werde daher auch hier keine Spekulationen anstellen.
Mir geht es nur um dieses Buch.
Der Held der Geschichte ist der Schriftsteller Ka, die Geschichte wird von seinem Freund erzählt, der selbst noch nicht in Erscheinung getreten ist.
Ka ist in einem kleinen Dorf in der Türkei geboren, in Istanbul aufgewachsen und als junger Mann nach Frankfurt gezogen. Er ist Dichter.
Er ist jetzt wegen der Beerdigung eines Familienmitglieds in die Türkei gefahren und nach der Beerdigung ist er, unter dem Vorwand, als Journalist über die Wahlen und die Selbstmorde junger Frauen für eine große Zeitung schreiben zu wollen, nach Kars gereist.
Kars liegt ziemlich im Osten der Türkei, dort ist es sehr kalt und "zur Zeit" schneit es unaufhörlich - daher auch der Name des Buchs.
Dies zur Situation - ich möchte keine Inhaltsangabe geben.
Einige Eindrücke:
- Ka will und soll in seiner Eigenschaft als Journalist politisch wichtige Leute und die Familien der Selbstmörderinnen interviewen. Einer der ersten, mit dem er spricht, verschafft ihm Polizeischutz. Begründung: Es wäre zwar nicht gefährlich, Fragen zu stellen, aber besser die Polizei ist dabei und weiß, was gefragt wird!
- Ka besucht auch einen ehemaligen Freund, heute Vorsitzender einer islamistischen Partei, Bürgermeisteranwärter mit großen Chancen. Da kurz vor diesem Besuch ein Attentat auf den Rektor einer Schule verübt wird und Ka Augenzeuge der Tat war, werden beide zwecks Verhör von der Polizei mitgenommen. Der Freund von Ka wird bei der Polizei geschlagen und Ka hat das Gefühl, dass sein Freund sich dessen vorher bewusst gewesen war. Schlimmer noch - er hat es vorher akzeptiert. Und das, obwohl er von dem Attentat überhaupt nichts wusste und auch n ichts damit zu tun hatte.
Später wird Ka von einem Scheich befragt, warum wohl sein Freund geschlagen wurde und er nicht ..... ganz einfach: sein Freund hat keine "Beziehungen". Von Ka wird einfach angenommen, dass er einflussreiche Freunde haben könnte (da er in Istanbul aufgewachsen ist).
Schlimm finde ich die Vorstellung, dass Misshandlungen stattfinden, dass sie akzeptiert werden, dass darüber geschrieben wird, als ob es normal sei....
Der besagte Scheich mit einem unaussprechlich langen Namen ist offensichtlich ein Mann, zu dem viele Bedrückte gehen. Sie besuchen ihn, küssen ihm die Hand, setzen sich auf eine lange Bank zu vielen anderen und reden, untereinander, mit dem Scheich, wenn sie an der Reihe sind oder auch gar nicht.
Der Scheich schaut in ihre Seelen, erkennt ihre Ängste, gibt ihnen Trost dadurch, dass er sie versteht.
Ich habe mit einem Arbeitskollegen (der Wurzeln in der Türkei hat) darüber gesprochen und er hat mir erklärt, dass diese Scheichs oft sehr arme Leute sind, die die Gabe haben, Dinge zu sehen, die andere nicht erkennen. Sie haben keinen Schleier vor Augen und sehen in die Herzen anderer Menschen. Sie holen andere Menschen zu sich, nur um zu reden. Er hat mir also etwa dasselbe erklärt, das auch im Buch stand.
Ich war von der (falschen) Vorstellung ausgegangen ein Scheich müsse ein Königreich oder so etwas haben.
Mein Kollege sagte mir, dass diese Scheichs in der Türkei "Derwisch" genannt werden.
Vielleicht hätte der Übersetzer diesen Namen beibehalten sollen ....
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Gut, das wärs für heute.
Wünsche eine gute Nacht.
Daniela