Doris Lessing - Das fünfte Kind

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  • Doris Lessing : Das Fünfte Kind


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    Über die Autorin:


    Doris Lessing wurde 1919 in Persien geboren und zog 1924 mit ihrer Familie nach Rhodesien. 1962 legte sie mit dem Roman -Afrikanische Tragödie- den Grundstock zu ihrem unfangreichen literarischen Werk, das sie zu einer der bedeutendsten zeitgenössischen Autorinnen machte. Seit 1949 lebt sie in England.


    Klappentext:


    Eine perfekte Familie mit vier Kindern. Aber das 5. Kind wird zum Monster, das 5. Kind zerstört das Glück. Warum? Am Ende zieht der "Troll Ben" mit einer Motorrad - Gang vergewaltigend durch ein verrotetes England. Ist das unsere Zukunft?


    Meine Meinung:
    Es beginnt sehr klischeehaft: Zwei Menschen sehen sich zum ersten Mal, verlieben sich, heiraten, kaufen ein Haus und wollen ein Haufen Kinder bekommen. Und das alles auf den ersten 10 - 20 Seiten und in einem sehr merkwürdigen Stil geschrieben.
    Nun ja :rollen:, aber was danach kommt macht das Buch - für mich - zu einem sehr guten Thriller. Ben, das fünfte Kind, ist nicht nur häßlich sondern auch äußerst boshaft und extrem kräftig gebaut. Die Geschichte gerät zu einem Alptraum, nicht nur für die Familie sondern auch für den Leser. Die Schilderungen der Wutanfälle, die zermürbende Angst, den langsamen Zerfall der Familie; die Schilderung eines Kinderheims, und vor allem die Hilflosigkeit aller Beteiligten, lassen einen verstört zurück. Ein beeindruckendes Buch, was mir noch eine ganze Weile im Gedächnis bleiben wird.

    Bewertung :


    Einzig der Anfang und das offene Ende, bei dem man nichts darüber erfährt, wie es mit Ben und seinen Eltern weiter geht, haben mich etwas gestört, aber ich vergebe dennoch,


    4ratten



    Die Fortsetzung von "Das fünfte Kind"


    Oh, gerade gesehen, es gibt einen Folgeband. :klatschen: Dann ist das mit dem offenen Ende natürlich nur halb so schlimm.


    Zwölf Jahre später erzählt Doris Lessing, eine der einflussreichsten Schriftstellerinnen des 20. Jahrhunderts, die seltsame und tragische Geschichte des fünften Kindes weiter und zu Ende.


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    PS : Ich war mir nicht sicher wohin mit dem Thread, er würde vielleicht auch unter 'Sonstiges' passen. Gegebenenfalls bitte verschieben.

    Ich hieß hier mal caithlin.<br /><br />&quot;If I had a dollar for every time i felt more emotion for a fictional character than people in real life, I could pay for the psychiatric help I obviously need.&quot;

    Einmal editiert, zuletzt von caithlin ()

  • Es ist schon einige Zeit her, dass ich dieses Buch gelesen habe.


    Mir hat es auch recht gut gefallen, es liest sich flüssig und die Geschichte ist sehr spannend, ich würde es aber dennoch nicht in die Kategorie "Thriller" einordnen.
    V.a. hat mich die Situation der Mutter betroffen gemacht. Nach 4 "braven" Kindern kommt da plötzlich Ben und wirft alles durcheinander. Ben - von Natur aus größer und stärker als alle anderen, auffällig in Aussehen und Verhalten. Mir hat das Kind furchtbar leid getan, da sein "Anders-Sein" von der Gesellschaft nicht akzeptiert wurde und die Familie bzw. die Mutter in die Isolation trieb. Ebenso Mitleid wie Bewunderung hatte ich für die Mutter übrig, die ohne Wenn und Aber zu ihrem Kind stand und die Hürden zu meistern versuchte.


    Die Fortsetzung zu diesem Buch, "Ben in der Welt" hat mir fast noch besser gefallen. Hier hat Ben seine Familie verlassen und versucht nun - mehr schlecht als recht - alleine in der Welt zurecht zu kommen. Allerdings können die beiden Bücher auch ohne Weiteres unabhängig voneinander gelesen werden.


    4ratten

    :blume:&nbsp; Herzliche Grüße!&nbsp; :blume: <br />creative


  • ich würde es aber dennoch nicht in die Kategorie "Thriller" einordnen.


    Wie gesagt, ich war mir absolut nicht sicher, wohin damit. Aber meine erste Eingebung war Thriller.



    Mir hat das Kind furchtbar leid getan ...
    ... Bewunderung hatte ich für die Mutter übrig, die ohne Wenn und Aber zu ihrem Kind stand und die Hürden zu meistern versuchte.


    Ich muss gestehen: Auf die Idee, Mitleid mit Ben zu haben, bin ich nicht ein einziges Mal gekommen. Ich fand ihn nur äußerst beängstigend.
    Auch hätte ich, im Gegensatz zu dir, der Mutter gerne den Hals umgedreht, als sie die "Schwäche" gezeigt und Ben aus dem Heim abgeholt hat. Ich konnte das absolut nicht nachvollziehen, wie sie dem Rest ihrer Familie das antun konnte. Ich meine, klar, die Zustände in dem Heim waren ziemlich heftig. Aber woher nimmt sich die Mutter das Recht, Ben zu retten aber dafür ihre Familie zu zerstören. Wiegen denn das Glück und Leben des Ehemannes und der anderen vier Kinder nicht schwerer als das eines einzigen, Ben? Immerhin hat er ja auch gezeigt, wozu er mit seiner überschüssigen Kraft fähig ist, ich habe ihn als grosse Bedrohung für andere eingestuft.

    Ich hieß hier mal caithlin.<br /><br />&quot;If I had a dollar for every time i felt more emotion for a fictional character than people in real life, I could pay for the psychiatric help I obviously need.&quot;

    Einmal editiert, zuletzt von caithlin ()

  • @caithlin: Hast Du Kinder?


    Ich kann die Angst der Mutter, ihr Verantwortungsgefühl und v.a. ihr Hin- und Hergerissen sein Ben gegenüber dennoch verstehen. Ben hat niemanden, absolut niemanden, und er ist ihr Kind! Sie kann ihn einfach nicht im Stich lassen, und schon gar nicht in diesem Heim. Leider geht der Rest der Familie flöten.
    Die Mutter entscheidet und handelt instinktmäßig, und es ist auch gut so. Egal, wie (für wen) sie sich entscheidet, es wird jedesmal schief gehen - entweder geht Ben verloren - oder die Familie zerbricht.


    Und wahrscheinlich ist die Mutter mit dieser Hoffnung, diesem Optimismus und dem Lebensgefühl behaftet (mit der wohl das Mutter-sein verbunden ist), dass am Ende doch alles gut wird und man es vielleicht doch allen Recht machen kann.


    Ich solidarisiere mich wohl deshalb mit der Mutter, weil auch sie völlig alleingelassen wird. Sie muss mit der Schuld leben, zu der auch die Schuld am Zerbrechen der Familie kommt. Vielleicht hätte man - hätte die Familie zusammengeholfen - einen Kompromiss erreicht?


    Zitat

    Wiegen denn das Glück und Leben des Ehemannes und der anderen vier Kinder nicht schwerer als das eines einzigen, Ben


    Dieser Satz stimmt mich jetzt doch einigermaßen nachdenklich. Kann man Leben gegeneinander aufwiegen? Ist ein Leben mehr wert als ein anderes? ich glaube, wir begeben uns da auf sehr gefährliches Terrain....

    :blume:&nbsp; Herzliche Grüße!&nbsp; :blume: <br />creative

  • Hallo Ihr beiden,


    es ist schon ein paar Jahre her, dass ich das Buch gelesen habe, aber ich erinnere mich noch, dass ich es sehr beklemmend fand. Alles schien so ausweglos; und man wußte doch auch nicht recht, woher Bens Bösartigkeit kam, oder?


    Ganz hin- und hergerissen war ich, als die Mutter Ben aus dem Heim geholt hat. Diese Entscheidung ist ja extrem schwierig- einerseits hat Ben die Familie ja stark beeinträchtigt, andererseits war er im Heim todunglücklich...das sind Entscheidungen, die ich niemandem wünsche. Egal, was man tut, hat man doch immer das Gefühl, einen Fehler gemacht zu haben :sauer:


    Das Ende erschien mir auch etwas offen, aber jetzt bin ich natürlich auf die Fortsetzung gespannt. Vielen Dank für den Hinweis, caithlin.


    Liebe Grüße
    Manjula

  • Ich habe das Buch ebenfalls vor Jahren gelesen und kann mich Manjula nur anschließen.


    Etwas verwirrt war ich schon, weil niemand bereit war darüber zu sprechen, was mit Ben nicht stimmt. Stattdessen kommt er einfach in ein recht merkwürdiges Heim, wird sozusagen abgeschoben von der Gesellschaft. Ich glaube es war in dem Buch nicht ersichtlich wann die Geschichte spielt. Nach den Schilderungen der Ärzte etc. bin ich davon ausgegangen, dass es nicht in den 80er oder 90er spielen kann, oder liege ich da falsch?

  • Bei mir ist es leider auch schon einige Jahre her, ich war auch fassungslos, dass diese Familie so allein gelassen wurde.
    Es gab keine Hilfe von außen, keine Beratungsstellen oder ähnliches, sie mussten selber damit fertig werden und waren völlig überfordert.


    Ich kann überhaupt nicht einschätzen, in welcher Zeit das Buch spielt, aber man sollte doch bedenken, dass es sich um eine fiktive Geschichte handelt und nicht um eine tatsächliche Begebenheit.


    Aber, da stimme ich zu, es ist ein sehr aufwühlendes Buch, und egal wie sich die Mutter entschieden hätte, sie hätte es nie allen Recht machen können.

    :blume:&nbsp; Herzliche Grüße!&nbsp; :blume: <br />creative

  • Ben ist 1974 geboren, das kommt im Buch vor, auch am Ende wird gelegentlich erwähnt, in welchem Jahr die Geschichte gerade spielt.


    Ein sehr aufwühlendes Buch, ja, da muss ich auch zustimmen. Für mich (obwohl kinderlos) war die Mutter nachvollziehbar in ihrem Verhalten - ihr Kind in dieser Anstalt zu lassen und sterben zu lassen, das wäre für mich zumindest unterlassene Hilfeleistung. Hier wird von außen entschieden, dass das Leben eines Kindes nicht lebenswert ist und damit kann ich nicht einverstanden sein, schon gar nicht eine Mutter.
    Harriet ist in ihren Gefühlen extrem zerrissen, sie hat sich ein Leben als Mutter mit einer großen glücklichen Familie erträumt und Ben wirft alle diese Träume aus der Bahn. Hätte sie ihn im Heim gelassen, es hätte nicht nur ihn zerstört, sondern auch sie selbst. Alle anderen der Familie können dies mit etwas mehr Distanz sehen, doch Harriet war schon in der Schwangerschaft viel hautnaher dabei, trotz ihres Hasses kann sie ihr Kind nicht verstoßen.


    Ein berührendes Buch, wie creative schon sagte: fiktional, Gottlob, ich denke nicht, dass Kinder wirklich bösartig geboren werden.


    Katia

  • Hallo,


    „Das fünfte Kind“ erzählt die Geschichte von David und Harriet, die ihr Glück planen, in dem sie sehr viele Kinder in die Welt setzen wollen, ihren Schwerpunkt auf das Glück im Kreise der Familie setzen. Mit dem fünften Kind aber, offenbar einer genetische Verirrung, ein Überbleibsel einer „genetischen Saat“ einer Kreatur, eines Urahn des Menschen, kommt ein Kind zur Welt, dass die Familie zum Zusammenbruch führt – Ben, so heißt er, ist böse, hat ein unmenschliches Aussehen, ist bärenstark aber einfältig im Verstand.


    Unsere Geschichte beginnt in den sechziger Jahren. Wird in diesem Jahrzeht die sexuelle Freiheit gepredigt, so interessiert Harriet und David dieses gar nicht. Für sie gilt, eine Familie mit fruchtbarem Nachwuchs zu gründen. Selbstverständlich geht Harriet jungfräulich in die Ehe. Sie ist halt altmodisch, ihr Arzt übrigens auch. Und so kaufen sie ein dreistöckiges Haus, wohlgemerkt ein viktorianisches, und zeugen ein Kind nach dem anderen. Die Pille ist tabu, man will doch der Natur seinen Lauf überlassen. Mit Ben, der Anfang der siebziger Jahre geboren wird, macht ihr Familienglück eine Kehrtwendung.


    Doris Lessing spiegelt in dem Roman die damalige Zeit wieder. Damals wurde leichtfertig den Eltern alle Schuld zugeschoben, wenn ein Kind sich nicht so entwickelte, wie es sich entwickeln sollte. Ein bekanntes Beispiel dafür ist die Hölderlin-Biografie von Pierre Bertaux, der Hölderlins Mutter als „schizophrenogen“ degradierte, ohne eine plausible medizinische Begründung vorzuweisen. In unserem Roman wird, wenn es um Bens Entwicklung geht, Harriet alle Schuld aufgeladen. Übrigens, nachdem das Malheur mit Ben passiert ist, nimmt sie sogar die Pille.


    Im Jahre 2003 las ich den Roman erstmals. Für mich ist er heute noch interessanter geworden, weil ich meine Aufmerksamkeit besonders auf die soziologischen Aspekte gelegt habe.


    Liebe Grüße
    mombour

    Einmal editiert, zuletzt von mombour ()

  • Ich habe "Das fünfte Kind" vor ein paar Jahren gelesen und es hat mir sehr gut gefallen. Ich fand es spannend und interessant, der Konflikt der Mutter war mitreißend dargestellt und ihre Zerrissenheit für mich sehr gut nachvollziehbar. Ihre Entscheidung, ihn aus der Klinik zu holen, hat mich zwar in dem Moment schockiert und ich habe nur gedacht "oh, nein, jetzt zerstört sie ihre ganze Familie", aber ich denke, sie konnte nicht anders. Wenn sie ihn dort gelassen hätte, wäre sie emotional vor die Hunde gegangen. Und ihre Familie wäre genauso zerbrochen.


    Mir war Ben unheimlich, wobei ich eine Erklärung/vielleicht einen medizinischen Ansatz vermisst habe, warum er von Anfang an so war. Ich glaube aber, dass angedeutet wurde, dass er ein Atavismus sein soll. Da bin ich mir jetzt aber nicht sicher. Dafür ist es schon zu lange her, dass ich es gelesen habe.



    Alles in allem ein Buch, was ich mit großem Genuss gelesen habe.

  • Ich habe das Buch auch mal vor Jahren gelesen und fand es genial!!


    Viel besser als die Fortsetzung "Ben. In der Welt" (Ich glaube, das der Punkt dazwischen gehört, bin mir aber nicht sicher.)


    Ich habe das Buch mit 12 Jahren gelesen, weil es bei meiner Mutter auf dem Nachttisch lag. Meine Mutter hatte früher mal mit behinderten Kindern gearbeitet, und fasste das Buch so zusammen: "Es geht um eine Mutter, die nicht damit zurecht kommt, dass ihr Kind ein behindertes ist."


    Nachdem ich das Buch gelesen hatte - und besonders dann Jahre später die Fortsetzung - bin ich mir immer noch nicht sicher, ob man das im Rahmen der Geschichte so interpretieren kann - in der Geschichte wird Ben ja von anderen und in der Fortsetzung auch irgendwie von sich selbst als Atavar (im Sinne von Rückschlag auf frühere Ahnen) gesehen, an eine "richtige Behinderung" denkt ja niemand. (Im Gegenteil: In Teil 1 wird ja Ben ganz offen mit der liebenswerten Cousine-oder-was-auch-immer verglichen, die am Downsyndrom leidet.)


    Eigentlich ist Ben ja auch eher Sündenbock als "Täter"; das Auseinanderbrechen der Familie wird auf ihn abgewälzt, ohne das je versucht wurde, ihn ernsthaft zu integrieren - man hat ja eher das Gefühl, die Familie verteidigt ihr "warmes Nest", ihre eingefahrenen konservativen Traditionen "gegen" das Verhalten und die Bedürfnisse dieses sonderbaren Kindes (z. B. als Ben in das Zimmer gesperrt wird, dessen Fenster zuvor vergittert wurde, und nun wütend an den Stäben rüttelt, während alle anderen im Wohnzimmer versuchen, sein Wutgeschrei zu überhören).


    Jedenfalls finde ich die Frage interessant: Ist Ben nur eine "literarische Konstruktion", um das Auseinanderfallen der Familie zu begründen, soll er tatsächlich ein "Rückschlag" sein oder einfach ein behindertes Kind, dessen Behinderung mit obskuren Erklärungsversuchen ignoriert wird (wobei es ja tatsächlich Behinderte gibt, die wesentlich älter aussehen, als sie sind)????

  • Ich hatte einige Schwierigkeiten mit diesem Buch. Die Mutter Harriet fand ich noch einigermaßen glaubwürdig, aber der Vater und vor allem Ben, das 5. Kind, kamen mir vor wie Gestalten aus einem schlechten Groschenroman.


    Ich kann die Reaktion der Mutter gut verstehen, als sie Ben in diesem Heim vor sich hin vegetieren sah und sofort beschloss, ihn mitzunehmen, selbst in Anbetracht der Tatsache, wie sehr ihr Sohn das Familienleben beeinträchtigen würde. Weniger verständlich ist mir allerdings, warum sie und ihr Mann nichts unternahmen, um Ben in irgendeiner Weise zu fördern. Die fraglichen Lebensjahre des Jungen lagen zwischen 1980 und etwa 1990, also einer Zeit, in der es durchaus die Möglichkeit gab, sich mit solchen Kindern fachkundig zu befassen. Stattdessen wird ein Heim beschrieben, in dem Zustände herrschen, wie man sie vielleicht vor mehreren Jahrzehnten einmal vorgefunden hat, aber sicher nicht in den 80er Jahren.


    Der Stil der Geschichte gefiel mir nicht besonders. Er war meist sachlich und nüchtern, aber in dem Ausmaß, dass immer eine gewisse Distanz erhalten blieb, und rutschte manchmal in triviale Schichten ab. Allein, wie die Eltern allen Ernstes überlegen, ob sich bei Ben ein Gen erhalten hat, das sich seit Jahrhunderten nicht mehr weiterentwickelte und ihn deshalb auf lebensnotwendige Fähigkeiten reduziert :entsetzt:. Ich hatte das Gefühl, sie sprechen von einem Neandertaler. Es fällt schwer zu glauben, dass ein Ehepaar, das sich viele Kinder wünscht, derart emotionslos von seinem Sohn spricht und ihn einfach als hoffnungslos abhakt, keinen Versuch unternimmt, ihm Hilfe von außen zukommen zu lassen.


    Das Thema an sich finde ich sehr interessant. Der Zwiespalt einer Mutter, die sich in der Pflicht sieht, als Einzige für ein ungeliebtes Kind etwas zu tun, auch wenn die restliche Familie dabei auseinander bricht, bietet mehr Möglichkeiten. Zeitweilig wurde gut und eindringlich beschrieben, unter welchem Druck und welcher Zerrissenheit die Familie leidet. Die Ohnmacht des Vaters blieb jedoch außen vor. Im normalen Leben kann eine solche Konstellation äußerst negative Folgen mit sich bringen. Als Leser bekommt man Gelegenheit, sich ausreichend Gedanken über diese Folgen von Kindesvernachlässigung zu machen, das Buch endet nämlich sehr abrupt ohne richtiges Ende.


    Die Fortsetzung werde ich mir ersparen. 2ratten


    Grüße
    Doris

  • Ich habe das Buch vor ein paar Monaten gelesen, allerdings auf Englisch.
    Mein Englisch ist wirklich nicht gut, aber ich wollte es trainieren. Umso überraschter bin ich gewesen, das es das Buch geschafft hat mich zu fesseln. Die Geschichte ist einfach so an mir vorbei geflogen.


    Ben war für mich, ähnlich wie für die Eltern selber ein Störfaktor. Ich konnte mit ihm nichts anfangen. Er wirkte kalt, fremd aber auch in-sich verloren auf mich.
    Ob ich die Entscheidung Harriets, ihn zurück zu holen nachvollziehen kann weiß ich selber nicht. Eine schwierige Situation die auch schwierig und auf ganz spezielle Weise umgesetzt und beschrieben wurde.....


    Ich würde 3 Ratten geben
    3ratten

    Ich bin, was du träumst.<br />Ich wache immer über dich.<br />Ich bin, was deine Hand lenkt.<br />(gez. Seele)

  • Handlung:
    Als die beiden Außenseiter Harriet und David zueinanderfinden und sich ineinander verlieben, könnten sie nicht glücklicher sein.
    Sie beschließen zu heiraten und viele Kinder zu bekommen.
    Ein großes Haus wird gekauft und bald tummeln sich darin die Familienmitglieder und Verwandten von Harriet und David.
    Ihr erstes Kind wird geboren und es folgen noch weitere, die zum Glück der Großfamilie beitragen.
    Dann wird Harriet wieder schwanger. Diese Schwangerschaft ist für die zufriedene Mutter komplett anders und auch die Geburt von Ben ändert nichts an diesem Zustand.
    Ben ist gemein zu allem und jedem, ist bösartig und akzeptiert niemanden. Wird durch sein finsteres Wesen die Familie für immer auseinanderbrechen?


    Meine Meinung:
    "Das fünfte Kind" handelt von Liebe, Hass und Unsicherheit. Harriet und David sind verliebt, glücklich und voller Hoffnung. Sie glauben, sie könnten alles schaffen, komme was wolle.
    Auch ihre Familien stehen hinter ihnen, aber nur, bis die ersten Probleme auftauchen.
    Ein schwererziehbares Kind, das niemanden toleriert und nur Böses im Sinn hat, kann eine große Herausforderung sein. Leider kommt Harriet, die versucht, das Gute in ihrem Sohn zu finden, niemand zur Hilfe. Sie wird nur verurteilt und im Stich gelassen.
    Doris Lessing ist mit diesem Roman ein wundervolles Werk gelungen, in dem sie vom Zusammenhalt und Auseinanderbrechen einer Familie erzählt, von Hoffnung und Hoffnungslosigkeit und Glück und Unglück.
    Man kann mit Harriet und David mitfühlen, kann sie beide und auch das Verhalten der restlichen Familie verstehen. Alle Charaktere sind schlüssig und handeln im Großen und Ganzen nicht unverständlich.
    "Das fünfte Kind" ist teilweise leichte Lektüre für zwischendurch und teilweise ein erschreckender beängstigender Roman über die menschlichen Abgründe der Seele.

  • Hallo Ihr,


    die Rezi hört sich sehr vielversprechend an.


    Das Buch habe ich schon lange, leider bisher noch ungelesen - da es nicht soooo dick ist, sollte ich mir überlegen, es zwischen den anderen Büchern noch zu lesen.



    Schließlich kommen jetzt viele Feiertage.



    Liebe Grüße


    gretchen :winken:


  • Solltest du unbedingt machen. Es ist spannend geschrieben und berührt eben auch. Und mMn ist es auch leicht zu lesen, also wenn du es mal in die Hand genommen hast, legst du es nicht mehr beseite.


  • Ich kann die Reaktion der Mutter gut verstehen, als sie Ben in diesem Heim vor sich hin vegetieren sah und sofort beschloss, ihn mitzunehmen, selbst in Anbetracht der Tatsache, wie sehr ihr Sohn das Familienleben beeinträchtigen würde. Weniger verständlich ist mir allerdings, warum sie und ihr Mann nichts unternahmen, um Ben in irgendeiner Weise zu fördern. Die fraglichen Lebensjahre des Jungen lagen zwischen 1980 und etwa 1990, also einer Zeit, in der es durchaus die Möglichkeit gab, sich mit solchen Kindern fachkundig zu befassen. Stattdessen wird ein Heim beschrieben, in dem Zustände herrschen, wie man sie vielleicht vor mehreren Jahrzehnten einmal vorgefunden hat, aber sicher nicht in den 80er Jahren.


    Die Mutter war für mich die unsympathischste Figur im Buch, gerade wegen dem, was du hier ansprichst: Dem "normalen" Sohn Paul lassen sie eine Psychotherapie zukommen, für den "Gremlin" Ben zahlt es sich anscheinend nicht aus, weil er ja so "menschenunähnlich" ist. Gleichzeitig beschwert man sich über sein Verhalten.
    Harriet ist eine Figur, an der ich mich wirklich sehr stoße: Sie wird im denkbar schlechtesten Fall schwanger und anstatt sich das einzugestehen empfindet sie das Kind als schuldig, noch bevor es geboren ist. Meiner Meinung nach bildet sie sich einiges ein, beginnend bei den brennenden Schmerzen im Unterleib. Kein Wunder, dass sich Ben zwischendurch selbst nur noch "armer Ben" nennt - das Buch beschreibt die Gehirnspinnste dieser Frau, aber ab und zu klingt durch, was die Außenwelt denkt fernab der Familie.
    Der Arzt und die Psychologin sind überzeugt davon, dass der kleine, vom Denken her etwas beeinträchtigte Junge so geworden ist, weil er von seiner Familie von Anfang an keine Liebe erfahren hat. (Auch autistische Kinder reagieren auf Umarmungen nicht, was aber längst nicht heißt, dass man ihnen deswegen alle Zuneigung verwehren sollte, oder?)
    Dieses "Unausgesprochene", das Harriet an anderen Menschen immer wieder bemerkt, deutet sie auch nach ihrer Weise etwas falsch, so wie ich das sehe. Darin spiegelt sich gewiss auch ein Schock darüber, wie sie über ihren eigenen Sohn spricht z.B. wieder, nicht nur "Grauen" vor ebenjenem Kind.
    Dann auch immer wieder die Untätigkeit dieser Frau: Sie ist von den Schwangerschaften, die sie selbst gewollt hat, überfordert und Verwandte müssen einiges übernehmen. Als ihr Mann dann in richtigen Arbeitsstress gerät um die teuren Maßnahmen zur vergeblichen Wiederherstellung des Familienglücks zu bezahlen, kommt die Gute nicht auf die Idee, sie könne arbeiten gehen, obgleich es nicht einmal mehr wirklich Kinder zum Aufpassen gäbe. Damit würde sie ja sogar ihrer Vereinsamung entgegenwirken können...
    Stattdessen tut sie nie was Nennenswertes, lässt sich später sogar von Bens Freunden einschüchtern. Und hofft stets auf ein Wunder...



    Eigentlich ist Ben ja auch eher Sündenbock als "Täter"; das Auseinanderbrechen der Familie wird auf ihn abgewälzt, ohne das je versucht wurde, ihn ernsthaft zu integrieren - man hat ja eher das Gefühl, die Familie verteidigt ihr "warmes Nest", ihre eingefahrenen konservativen Traditionen "gegen" das Verhalten und die Bedürfnisse dieses sonderbaren Kindes (z. B. als Ben in das Zimmer gesperrt wird, dessen Fenster zuvor vergittert wurde, und nun wütend an den Stäben rüttelt, während alle anderen im Wohnzimmer versuchen, sein Wutgeschrei zu überhören).


    Jedenfalls finde ich die Frage interessant: Ist Ben nur eine "literarische Konstruktion", um das Auseinanderfallen der Familie zu begründen, soll er tatsächlich ein "Rückschlag" sein oder einfach ein behindertes Kind, dessen Behinderung mit obskuren Erklärungsversuchen ignoriert wird (wobei es ja tatsächlich Behinderte gibt, die wesentlich älter aussehen, als sie sind)????


    Das ist für mich das Geniale an dem Buch: Die Autorin beschreibt auf nachvollziehbare Weise die Sicht einer Frau, die sogar in ihrem näheren Umfeld eine andere Mutter mit behindertem Kind hat, aber trotzdem keine Rückschlüsse auf ihr eigenes "Monster" zu ziehen imstande ist. Die Fortsetzung kenne ich zwar noch nicht, aber ich finde du hast mit beidem Recht: Für die Familie ist Ben eine "Konstruktion" auf der ihr Unglück fußt, ganz für sich ist Ben ein Kind mit ungeheurer Wut darüber, dass die Behinderung in ihm ignoriert und er als grundauf böse ausgelegt wird.


    ...diese Harriet... Ich könnte mich noch Stunden über ihr widersprüchliches Verhalten aufregen, so sehr ist mir der Roman unter die Haut gegangen... Er ist fesselnd erzählt, finde ich.

    Wie wenig du gelesen hast, wie wenig du kennst - aber vom Zufall des Gelesenen hängt es ab, was du bist.<br />- Elias Canetti

    Einmal editiert, zuletzt von Bücherdiebin ()

  • Meine Meinung:


    Das fünfte Kind ist ein sanft beginnender Roman, der im Verlauf immer erschreckender und fesselnder wird. Lessing beschreibt ein Ehepaar dessen Traum es es ist, eine große Familie in ihrem großen Haus zu vereinen und alles scheint auch wunderbar zu klappen, bis das fünfte Kind Ben kommt. Lessing schildert auf sehr eindringliche Weise, wie dieses von grundauf böse Kind die bisher heile Welt der Familie durchbricht und zunichte macht.


    Die Autorin focusiert sich hauptsächlich auf die Mutter und Ben und wie die anderen Familienmitglieder auf diese reagieren. Sie zeigt wie empfindlich die Institution Familie sein kann. Harriet und David schaffen es am Anfang ohne Probleme ihre zuvor eher für sich allein lebende Familie unter ihrem Dach zu vereinen. Auch die ersten vier Kinder fügen sich schnell in die Familie ein und bereichern diese. Alles scheint perfekt zu sein, bis Harriet zum fünften Mal schwanger wird. Schon während dieser Schwangerschaft fängt das Gerüst langsam an zu rütteln, jedoch wird dies erst richtig schlimm, als Ben auf der Welt ist.


    Schön beschrieben empfand ich das zweispältige Verhältnis von Harriet zu Ben. Einerseits kann sie seine Nähe nicht ertragen, andererseits ist er dennoch ihr Sohn, für den sie sich das Beste erhofft. David scheint sich zu Ben von Anfang distanzieren zu können. Ihm wird schnell klar, dass Ben die Familie und vor allem den anderen Kindern schadet und versucht etwas zu unternehmen, jedoch scheint zu diesem Zeitpunkt die Kommunikation mit Harriet schon schwierig zu sein.
    Das distanzierte Verhältnis von Harriet und David spiegelt sich auch im Erzählstil der Autorin wider. Anfangs beschreibt sie alles was die beiden erleben sehr nah und nachvollziehbar, zum Ende des Buches wird eher aus der Ferne berichtet. Alles rückt mehr und mehr von einander ab.


    Insgesamt war dieses Buch eine sehr eindringliche Lektüre, die ich nicht so bald vergessen werde.


    5ratten

    Wer Bücher kauft, kauft Wertpapiere! - Erich Kästner<br /><br />SLW 2016 9/30

  • Meine Meinung
    Mir wurde dieses Buch von einer sehr guten Freundin empfohlen und ich habe es nicht bereut, auf sie gehört zu haben.


    Die Autorin erschafft eine Atmosphäre, der man sich schwer entziehen kann und ich schwankte ständig zwischen Mitleid, Unverständnis, Traurigkeit und Angst. Man erlebt ja zunächst eine junge Familie mit, die glücklicher nicht sein könnte. Doch schon vor der Geburt des fünften Kindes zeigen sich erste Risse. Mutter Harriet ist eindeutig überfordert, kann sich das aber selbst nicht eingestehen. Ich muss sagen, dass Harriet mir auf Grund ihres Verhaltens selten Mitleid abringen konnte. Die Familie wird von Davids Vater finanziert, Harriets Mutter ist eine ständige kostenlose Haushaltshilfe und dennoch müssen noch mehr Kinder gezeugt werden? Da passt doch irgendwas nicht zusammen.


    Richtig interessant wurde es, als Harriet mit Ben, dem fünften Kind, schwanger wurde. Man erlebt das meiste aus der Sicht Harriets mit und ich muss sagen, dass ich von der Vielschichtigkeit begeistert war. Letztendlich weiß man als Leser ja nie, was man glauben soll. Bildet Harriet sich alles nur ein? Ist Ben einfach ein behindertes Kind und niemand kann damit umgehen? Oder steckt wirklich etwas Urtümliches, Rohes in Bens Wesen? Ich war mir bis zum Schluss nicht sicher und wenn ich mir die verschiedenen Meinungen hier so anschaue, ging das wohl nicht nur mir so. Diese Erzählweise fand ich wirklich spannend, zumal auch die Reaktionen aus Harriets Umfeld so unterschiedlich sind bzw. ja auch da nie wirklich offen darüber gesprochen wird.


    Dieses Buch zeigt wieder einmal hervorragend, dass Eindrücke immer subjektiv sind, dass man als Mensch dieser Einschränkung aber auch nicht entgehen kann. Und obwohl das Buch schon einige Jahre auf dem Buckel hat, ist es doch immer noch aktuell: Vorurteile, Außenseitertum und Überforderung im Alltag sind Themen, die gerade in unserer Gesellschaft stark vorhanden sind, aber gerne mal totgeschwiegen werden.


    Nur der Schluss hat mich etwas enttäuscht. Das Ende war ja sehr abrupt, das hätte man vielleicht auch anders lösen können.


    Insgesamt aber ein empfehlenswertes Buch, das sehr zum Diskutieren und Mutmaßen einlädt.
    4ratten + :marypipeshalbeprivatmaus:

    "Bücher lesen heißt wandern gehen in ferne Welten, aus den Stuben über die Sterne." (Jean Paul)

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