Wolfram Fleischhauer: Drei Minuten mit der Wirklichkeit

Kann mir jemand mehr über "Drei Minuten mit der Wirklichkeit" von Wolfram Fleischhauer erzählen?

Es liegt schon eine Weile auf meinem SUB, aber ich konnte mich noch nicht so wirklich dafür entscheiden. Gerade habe ich gelesen, dass es jemand bei den Lieblingsbüchern aufgezählt hat. Sollte ich mich demnächst mal darüber her machen, oder lieber doch nicht? Der Klappentext reizt mich gar nicht so sehr, ich habe es geerbt. Aber von dem Autor wollte ich sowieso gerne etwas lesen, von daher habe ich es gerne geerbt. Jetzt ist nur die Frage, wie lange es noch subt. Überzeugt mich jemand, es demnächst anzufangen?

Wirklich überzeugen kann ich dich wohl nicht, denn ich habe es selbst noch nicht gelesen - musste jetzt aber antworten, weil ich es mir gerade vor einer Woche selbst gekauft habe und es mich seitdem anlacht. Ich habe von Wolfram Fleischhauer bisher 'Die Purpurlinie' und 'Das Buch in dem die Welt verschwand' gelesen und war besonders von Letzterem ziemlich begeistert, weshalb 'Drei Minuten mit der Wirklichkeit' nicht schlecht sein kann, hoffe ich zumindest.
Ich bin jedenfalls schon sehr gespannt darauf!

@Likimeya
Ich habe es bei meinen Lieblingsbüchern aufgezählt.
Ich würde es an Deiner Stelle keinen Tag mehr subben lassen. Das Buch ist wirklich toll und ich bin nicht die Einzige die das findet .
Lass Dich nicht vom Klappentext abschrecken, ich habe auch gedacht das mich die Geschichte nicht so wirklich interessiert. Aber ich habe mich geirrt.
Es gibt hier einen Rezi-Thread über das Buch, den ich aber jetzt nicht schaffe zu verlinken*hm*. Schau doch mal unter "Suche".
War das jetzt überzeugend genug?*grübel*
Aber im Rezi-Thread habe ich mich ja auch geäußert.

Grüße
Flor

Ups Das mit der Suche sollte ich nochmal üben. Den hatte ich nicht gefunden. Vielen Dank fürs Verlinken.

Auf jeden Fall habt ihr mir schon richtig Lust auf das Buch gemacht. Es kommt auf die Auswahlliste für die Reise *g*

Zitat von Likimeya

Ups Das mit der Suche sollte ich nochmal üben. Den hatte ich nicht gefunden. Vielen Dank fürs Verlinken.

Habe dich gleich mal angehängt!

Ich hab es mittlerweile gelesen, gerade eben hab ich es erst weggelegt.

Ich weiß nicht, wie Fleischhauer das macht, aber seine Bücher (drei habe ich bisher gelesen) lesen sich so unglaublich flüssig und gut, dass ich mich zwischendurch stoppen muss, um nicht das komplette Buch in einem Rutsch zu lesen. Das wäre nämlich wirklich schade, denn ich finde auch, dass doch so einiges an Hintergründigem und Leisem mitschwingt, das ich nicht recht benennen kann, das aber doch zum Nachdenken anregt. Gerade das ist es auch, was 'Drei Minuten mit der Wirklichkeit' nicht zum Kitschroman werden lässt, was sich anhand des Klappentextes doch befürchten ließ. Wie bei seinen anderen Büchern gefiel mit hier auch wieder die Vermischung von Fiktion und realen Fakten, die Charaktere waren schön gezeichnet, und die scheinbar für Fleischhauer typischen Twists im Plot waren gut wie immer - obwohl ich zu Letzterem nicht viel sagen kann, denn eine Freundin hatte mir schon vor Monaten das Ende des Buches verraten. Der Schluss konnte mich so nicht mehr überraschen, der tolle Schreibstil dafür aber immer wieder.

Damián über Tango:

Zitat

Es gibt keine Regeln, aber es gibt Codes. Es ist wie im Zauberwald im Märchen. Du kannst durchlaufen und nur den Wald sehen. Dabei machst du eigentlich nichts falsch, und es passiert dir auch nichts. Wenn du aber die Geheimsprache kennst, dann liegt hinter jedem Baum eine Überraschung, eine selbständige kleine Welt, die du dort nie vermutet hättest. Aber ohne die Geheimsprache kommst du dort nicht hin."

Anfangs fühlte ich mich noch wie der unbedarfte Spaziergänger, glaube aber am Ende des Romans mehr Verständnis für den Tanz erlangt zu haben.

Dass Fleischhauer eine erzählende Form gewählt hat, um seinem Publikum den Tango und die Kultur Argentiniens näher zu bringen, gefiel mir sehr gut. Immerhin lebt beides von Ausdruck und Stil - sind sie gut, fesseln sie den Leser und vermögen mit Hilfe fiktiver Charaktere eine bestimmte Stimmung zu erzeugen und eine Botschaft zu übermitteln.

Giulietta war mir nicht immer symphatisch, weckte aber zumindest ein starkes Interesse an ihren Beweggründen. Dafür schwebte Damián, der rätselhafte, charismatische Damián immer über der Handlung. So sehr, dass ich am liebsten fortwährend vorgeblättert hätte, ob (bzw. wann) er wieder in Giulettas Leben auftaucht.

Vorteil beim Lesen war sicher, dass ich nicht so unbedarft wie Giulietta war und mehr über die Geschichte des Landes Argentinien wußte.

Einige kleine Ungereimtheiten haben sich für mich nicht geklärt (fallen aber nicht besonders ins Gewicht, weil ich mich so gut unterhalten fühlte!):

1. An Giulettas Stelle hätte ich definitiv versucht, mir mehr Informationen über das Land zu besorgen, aus dem mein Geliebter kommt.

2. Perfekt wäre sicher gewesen, wenn Wolfram seine Handlung in die Vorgaben des Tangos verpackt hätte. Um keinem das Ende vorweg zu nehmen, spoiler ich den folgenden Teil.

Mit diesen beiden Motiven hätte man noch mehr spielen können und so evtl. ein noch intensiveres Gefühl erzeugen können.

3. Für mich hätte es

Aber das nur so am Rande...
Bin ja froh, dass der Roman so ist wie er ist!

Definitiv einer meiner Lesehöhepunkte des Jahres! Und besser als "Die Purpurlinie" vom gleichen Autoren, das mich schon ziemlich beeindruckte. Der Leser erlebt mit Giulietta ein Wechselbad der Gefühle. "Drei Minuten in der Wirklichkeit" spricht das Herz und Hirn an. Zum Ende hin fließt die ein oder andere Träne, zwischendurch überfällt einen die Sehnsucht nach der perfekten Liebe, und im nächsten Moment überrollt einen ein Gefühl der Empörung...

Wirklich schön erzählt!

Dieses Buch hat mich von Anfang an gefangen genommen, so dass ich mich zwingen musste, es abends wieder zur Seite zu legen.

Es ist wunderbar zu sehen, welche Entwicklung Guiletta im Verlauf des Buches mitmacht, wie sie von der „kleinen“ Tänzerin und Papas Liebling zur erwachsenen Frau wird (auch wenn sich das jetzt kitschig und abgedroschen anhört, es musste so gesagt werden), wie sie sich der übermäßigen Fürsorge des Vaters erwehrt und wie sie sich allein in Argentinien auf die Suche nach Damián macht und einige seltsame Dinge erlebt. Und auch Damián ist eine faszinierende Pesönlichkeit, nicht nur als Tänzer, die ganze Figur ist einfach großartig gezeichnet.

Man kann sämtliche Empfindungen der Protagonisten nachvollziehen und im wahrsten Sinne „mit fühlen“, das Glück, welches Gulietta und Damián enpfinden, und auch die tiefe Traurigkeit, die immer wieder spürbar ist.

Dies Buch ist einfach alles. Ein Krimi, ein Buch über die Hintergründe des Tangos mit faszinierenden Beschreibungen des Tanzes, ein Ballettbuch, ein Politthriller, eine Familiengeschichte und, vor allem, eine wunderbar zarte Liebesgeschichte!

„Drei Minuten mit der Wirklichkeit“ war mein zweites Buch von Wolfram Fleischhauer, aber es wird gewiss nicht mein letztes gewesen sein.

Habe mir das Buch letztens gekauft und warte nur mehr darauf, dass ich es endlich lesen kann.
Nach euren Rezis habe ich richtig Lust darauf.

Katrin

Ich hab das Buch heute in einem Rutsch gelesen, nachdem ich es gestern angefangen hatte.

Danach habe ich erst mal meinen Nachholbedarf "Geschichte Südamerikas" gedeckt. Meine Geschichtsbücher waren leider wenig aussagekräftig, so dass ich mich dann im Internet schlau machen musste. Ich hatte nur ein sehr rudimentäres Wissen - Militärputsch, Peron etc.. Diese ganzen Feinheiten und was dahinter steckte, einfach haarsträubend.

Was für ein Buch!

Mit Giuletta konnte ich zwar bis zum Ende nichts anfangen, das hat aber meinem Lesevergnügen nicht geschadet. Dafür war natürlich der männliche Protagonist natürlich herzallerliebst!
Ihr Fanatismus, was das Tanzen (das Ballett) betrifft; ihre Naivität... alles nicht so ganz meine Welt.

Schlimmer Spoiler, bitte keinesfalls lesen, wenn ihr das Buch noch nicht kennt!!!

Man merkt beim Lesen auf jeden Fall, dass der Autor selbst Tänzer ist, die Tanzszenen sind sehr authentisch, aber trotzdem nicht zu dominant. Die Atmosphäre in Argentinien, zwischendurch meinte ich beim Lesen regelrecht die Schwüle zu spüren. Und auch die Stellen, die in Deutschland spielten waren so gut nachzuvollziehen - Berlin, der Osten... einfach toll!

Ebenso starke Nebencharaktere, von den Leuten aus der Tanzabteilung, bis zu den Verwandten und anderen Nebenfiguren. Einfach grandios geschrieben. Ich bin ganz überwältigt!

Dieser Fleischhauer hat mir jedenfalls nochbesser gefallen, als Das Buch in dem die Welt verschwand, daher eine Höchstwertung von mir und ein klarer Fall für meine Jahres-Best-Liste!

Als nächstes, werde ich Die Frau mit den Regenhänden nochmal in Angriff nehmen und überprüfen, was mich damals so negativ gestimmt hat.

Ich habe das Buch am Wochenende in einem Rutsch gelesen - anders wird man ihm nicht gerecht, denn man muss richtig eintauchen, untertauchen, sich treiben lassen. Es hat mich wieder fasziniert, auf welche Weise Fleischhauer drei Romane miteinander verknüpft, die Liebesgeschichte, den Künstlerroman und den Politthriller, und daraus ein geniales Ganzes macht.

Die Beschreibungen der Tanzszenen habe ich atemlos gelesen; schon allein für diesen kleinen Blick in die fremde, faszinierende Tangowelt hat sich das Lesen gelohnt. Und dann ist da noch die zu Herzen gehende Liebesgeschichte, die Giulietta, immerhin erst 19 Jahre alt, als Frau und als Künstlerin reifen lässt. Wie Giulietta ihre Gefühle und das Leben kennen lernt, das sich nicht nur im Tango spiegelt, sondern von ihr wirklich erlebt und erlitten wird, ist immer glaubhaft. Der politische Hintergrund hat mich nicht überrascht, ich dachte mir, dass es darauf hinaus liefe. In den 70er Jahren waren die südamerikanischen Militärdiktaturen ein großes Thema besonders bei jungen Menschen, und wir waren fassungslos, dass solche Verbrechen 30 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges nicht nur wieder möglich waren, sondern von der Weltöffentlichkeit geduldet wurden. Der schwärzeste Tag war für mich, als die deutsche Fußballnationalmannschaft nach Argentinien zur Fußball-WM aufbrach und mit Udo Jürgens sang "Buenas Dias, Argentina". Ich erinnere mich gut und mir ist beim Lesen wieder kalt geworden.

Das Ende hat mich ein klein wenig enttäuscht, denn es war doch ein wenig dick aufgetragen. Trotzdem: ein Buch, das dem Leser alles bietet, ihn betroffen und nachdenklich zurück lässt; aber auch zufrieden und ein wenig glücklich, denn Drei Minuten mit der Wirklichkeit ist ein großes Leseerlebnis.

Schöne Rezi qantaqa :smile:

Zitat von qantaqa

Ich habe das Buch am Wochenende in einem Rutsch gelesen - anders wird man ihm nicht gerecht, denn man muss richtig eintauchen, untertauchen, sich treiben lassen.

So ging es mir auch.
Nur das mir das Ende besonders gut gefallen hat. Das Ende,bzw. die Folgen die die Entscheidung haben wird,
beschäftigen mich bis heute, 1 1/2 Jahre nach dem lesen. Und Damian ist einfach mein Romanheld

Ich kann mich der allgemeinen Begeisterung zu diesem Buch nur anschließen:

Ein typischer Fleischhauer. Auf ganz wunderbar erzählte Art wird der Leser, wie schon bei "die Frau mit den Regenhänden", mit einer unglaublichen Geschichte konfrontiert. Ein Buch welches sich zu Lesen lohnt.

Hier ist noch eine begeisterte Leserin.

Es gibt viele Bücher, die mir gut gefallen, aber nur wenige, die mich so fesseln und berühren wie "Drei Minuten mit der Wirklichkeit". Schon von Beginn an entwickelt die Geschichte einen unglaublichen Sog, dem ich mich nicht entziehen konnte, sodass ich jede freie Minute genutzt habe, um zu lesen. Die Liebesgeschichte zwischen Giulietta und Damián (was für ein Mann ) hat mich gerührt, die Tanzszenen begeistert (man merkt, dass der Autor selbst Tango tanzt) und der politische Hintergrund erschüttert. Einige Wendungen konnte ich zwar erahnen, aber das hat dem Lesevergnügen keinen Abbruch getan. Die Lektüre lässt mich nachdenklich, aber auch sehr zufrieden (ich mochte das Ende) zurück. Definitiv ein Buch, das mich bewegt hat.

Aus vollster Überzeugung kann ich hier vergeben. Von Wolfram Fleischhauer werde ich mit Sicherheit noch mehr lesen!

Auf der Suche nach Liebesromanen bin ich auf das Buch "Drei Minuten mit der Wirklichkeit" gestoßen. Da ich eigentlich keine Mischung aus Liebesroman und Krimi mag, aber die Buchbeschreibung echt interessant klingt, nun meine Frage: Zu wieviel Prozent ist das Buch Liebesroman und zu wieviel Prozent Krimi?
Vielen Dank für Eure Hilfe.

Genaue Prozentangaben könnte ich da nicht nennen. Außerdem gibt es keine klassischen Krimielemente wie z.B. einen ermittelnden Kommissar. Die Liebesgeschichte nimmt schon einen großen Raum ein, daher kann ich dir das Buch ohne Probleme ans Herz legen. Du verpasst sonst eine der schönsten Geschichten, die ich je gelesen habe.

Ein Mann sitzt gefesselt in der Wohnung seiner Tochter, gefesselt von ihrem rätselhaften Freund, der spurlos verschwunden ist. Kurz darauf reist Giulietta ihm hinterher, in seine Heimat Argentinien.

Giulietta ist Ballettänzerin und gerade auf der Suche nach dem perfekten ersten Engagement, als sie den faszinierenden Tangospezialisten Damián kennenlernt und sich mit ihm in eine stürmische Beziehung stürzt. Eines Tages kommt es zu dem Vorfall zwischen Damián und ihrem Vater, Damián verschwindet, und Giulietta beschließt, ihn in seinem Heimatland zu suchen. Gleichzeitig ist dies auch ihre Chance, ihrem Vater zu entfliehen, dessen Nähe sie allmählich erdrückt.

Ohne Spanischkenntnisse und ohne großen Plan versucht sie, sich mit den spärlichen Anhaltspunkten, die sie hat, in Buenos Aires zurechtzufinden - und in der Welt des Tango, dieses Tanzes, der ihr rätselhaft und fremd ist, während er für Damián alles bedeutet ...

Giuliettas Suche nach Damián ist auch eine Suche nach ihrer eigenen Familiengeschichte - ihr Vater verließ in den 70er Jahren die DDR, die er heute noch glühend hasst, doch mehr weiß sie nicht über seine Vergangenheit, über diesen Mann, der ihr mittlerweile so unangenehm ist. Auch ihre Beziehung zu Damián ist von Extremen geprägt, gipfelnd in seinem Angriff auf Giuliettas Vater und dem anschließenden Verschwinden.

In Argentinien setzt sich Giulietta mit dem Tango auseinander, weil sie nicht nur hofft, Damián in einer der vielen "milongas", den legendären Tangolokalen von Buenos Aires, wiederzufinden, sondern auch, ihn besser verstehen zu können, wenn sie in die Welt dieses melancholischen Tanzes eintaucht. Das fällt ihr jedoch relativ schwer - wie auch mir als Leserin. Die teils recht langen Exkurse in die Geschichte und Besonderheiten des Tangos sind nicht uninteressant, auf Dauer aber für Nicht-Tangotänzer etwas anstrengend. Man fühlt sich als Leser genauso fremd wie Giulietta in der heißen, vollen, andersartigen Großstadt.

Irgendwann, relativ spät, kommt dann jedoch ein Schwenk im Plot, der mich gefesselt hat. Puzzleteile fallen an ihren Platz, der Tango spielt zwar noch eine Rolle, aber nicht mehr so beherrschend, und die Familiengeschichten von Giulietta und Damián klären sich gleichermaßen auf, in eine Richtung, mit der ich zuvor überhaupt nicht gerechnet habe.

Das ganze Buch ist perfekt durchkonstruiert, kunstvoll gebaut, nichts, was zufällig aussieht, ist es wirklich - wie auch beim Tanz, bei dem jede Geste, jede Bewegung bedeutungsvoll und geplant ist. Ein bisschen fehlt deshalb die Lockerheit beim Erzählen, doch auch wenn zwischendurch das Konstruktionsgebälk etwas zu stark hinter den Geschehnissen knirscht, werden die Handlungsfäden so raffiniert und glaubwürdig miteinander verknüpft, dass das zum Ende hin, wenn das Buch an Fahrt und Spannung gewinnt, kaum noch eine Rolle spielt.

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