Auf Wunsch von yanni hier meine Rezension. Ich war mit nicht sicher, in welchen Unterforum ich den Thread einordnen sollte, aber hier schien er mir am ehesten hinzugehören. :smile:
Dorothea S. Baltenstein - Vier Tage währt die Nacht
1817 versammeln sich nach Einladung des altehrwürdigen Schlossbesitzers Sir Mortimer Pope zehn bedeutende Literaten auf der mittelalterlichen Burg des Gastgebers. Abgeschieden, irgendwo in der romantischen Natur Schottlands, wollen die sich bis dahin Fremden ein literarisches Kolloquium abhalten und sich ihre neuesten Werke präsentieren. Die Gruppe setzt sich aus den unterschiedlichsten Figuren zusammen, erzählt wird die Geschichte von Jonathan Lloyd, einem vom Schicksal gebeutelten Schriftsteller aus London. Doch noch bevor die Lesungen beginnen können, ereignet sich ein schrecklicher Unfall – oder war es gar Mord? Als dann auch noch ein Schneesturm die Flucht von der Burg unmöglich macht, spitzt sich die Situation dramatisch zu…
Der Legende nach ist die Verfasserin des Romans, Dorothea S. Baltenstein, in Schlesien geboren und beging 1920 Selbstmord. Durch zahlreiche Verstrickungen wurde ihr Manuskript nicht entdeckt, bis dann ein Berliner Lehrer namens Michael Schmid darauf stieß und es veröffentlichen ließ.
Soweit also die Legende – der Stern deckte nach Veröffentlichung von „Vier Tage währt die Nacht“ allerdings die wahre Entstehungsgeschichte auf: Lehrer Michael Schmid schrieb das Buch zusammen mit vier seiner Schülerinnen innerhalb eines Schulprojekts – und spätestens an diesem Punkt des Klappentextes wurde ich skeptisch. Ein Roman, der von fünf Personen geschrieben wurde? Vier davon auch noch Schülerinnen? Das konnte mit Sicherheit nichts Gutes bedeuten.
Die ersten fünfzig Seiten über blieb ich dann auch misstrauisch. Die Sprache war arg aufgesetzt und zu bemüht, sich der Handlungszeit 1817 anzupassen. Auch die Szenerie war mir schon aus einigen Hollywood-Horrorfilmen bekannt: eine alte Burg, ein alter Burgherr, ein Schneefall und sogar ein verkrüppelter Diener. Auch die zum Kolloquium geladenen Literaten schienen allesamt Klischees zu entsprechen; da wären eine junge schöne Dichterin, ein ständig betrunkener Nichtsnutz mit seiner geheimnisvollen, düsteren Frau, ein zerstreuter Professor, ein unverschämt gutaussehender junger Zyniker, ein französischer Graf, ein Kleriker, ein vorlauter amerikanischer Jude und Jonathan Lloyd, stets sympathischer, etwas blass gezeichneter Erzähler der Geschichte.
Wie gesagt hielt sich dieser Eindruck fünfzig Seiten lang, dann aber war ich überzeugt. Ja, die Geschichte hat ihre Längen und ist etwas zu detailverliebt, andererseits sorgt genau das dafür, dass man alle Personen deutlich vor sich sieht. Auch die geheimnisvolle Burg mit ihren vielen Facetten steht dem Leser plastisch vor Augen. Die Geschichte ist trotz der Längen sehr spannend, es werden einem viele Lösungen präsentiert, die dann wieder verworfen werden. Auf die Auflösung des Geheimnisses kann man zwar etwas verfrüht kommen, allerdings hat sich bei mir dieser Effekt doch fast bis zum Schluss hingezogen.
Insgesamt war ich trotz meiner anfänglichen Skepsis sehr positiv überrascht. „Vier Tage währt die Nacht“ ist ein dicker, detailverliebter Schmöker, der sehr gut in die Winterzeit passt und den man am Besten dicht aufeinander wegliest, sonst verliert er seine Stimmung. Dass die Geschichte so oder so ähnlich schon da war, kümmert irgendwann nicht mehr, denn der Roman ist überaus stimmungsreich. Selbst die Aufgesetztheit der Sprache lässt irgendwann nach. Alles in allem ein schöner Roman um einmal richtig abzutauchen.
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