SLW 2007 - Buch 10
Benita Eisler: Byron - Der Held im Kostüm
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Lord Byron ist einer der bekanntesten Dichter der englischen Romantik und mit Sicherheit der Berüchtigtste. Mit 24 wird er durch die Veröffentlichung von „Childe Harold’s Pilgrimage“ schlagartig berühmt und setzt Verkaufsrekorde. Doch nicht nur als Autor macht er von sich reden. Seine diversen Affären mit verheirateten Frauen waren bald Bestandteil des Tratsches der besseren Gesellschaft. Nach einer völlig katastrophal verlaufenden Ehe droht seine Frau Annabella seine sexuelle Beziehung zu seiner Halbschwester Augusta und andere delikate Details seines Privatlebens zu enthüllen. Da Inzest hart bestraft wurde, hätte ihn das ins Gefängnis bringen können. 1816, mit 28 Jahren, verlässt er England vorsichtshalber.
In der Schweiz trifft er auf die Shelleys mit denen er einen verregneten Sommer am Genfer See verbringt. In dieser Zeit kommt es zu dem berühmten Dichterwettstreit aus dem unter anderem Mary Shelleys Frankenstein hervorgeht. Byrons weiterer Weg führt ihn durch Italien und schließlich nach Griechenland wo er sich dem griechischen Freiheitskampf anschließt. Doch schon kurze Zeit später erkrankt er und stirbt (vermutlich an den Folgen des Aderlasses) 1824 im Alter von nur 36 Jahren.
(Lord Byron bei Wikipedia)
Wie ich es auch drehe und wende, so wirklich glücklich werde ich mit Benita Eislers hochgelobter Biographie nicht. Dabei ist sie sehr ausführlich (über 800 Seiten) und man merkt ihr an, dass ihr intensive Recherchen zugrunde liegen. (Wie gut die wiederum sind, kann ich nicht beurteilen, schließlich bin ich kein Experte auf diesem Gebiet.)
Aber gerade diese Ausführlichkeit ist manchmal schon fast zu viel, denn obwohl Byrons Leben nun alles andere als langweilig ist, durchgehend vermag diese Biographie nicht zu fesseln. Ich musste viele Pausen einlegen und habe das Buch über das Jahr verteilt gelesen.
Ein absoluter Wehrmutstropfen und vielleicht mein einziger wirklich großer Kritikpunkt sind Benita Eislers manchmal arg gewagte Schlussfolgerungen, die als Tatsachen präsentiert werden, ohne dass sie Anhaltspunkte geliefert hätte, die erklären wie sie dazu kommt. Zum Beispiel behauptet sie, der jugendliche Byron hätte seinem Geliebten, dem Chroknaben Edlestone gegenüber väterliche Gefühle gehabt, die den Reiz des Verbotenen gesteigert hätten, weil zur Homosexualität auch noch das Verbrechen des Inzest gekommen sei. Wie sie zu dieser Aussage kommt belegt Benita Eisler leider nicht. Sollte es ein Rückschluss von Byrons späterer Beziehung zu seiner Halbschwester Augusta gewesen sein, wäre das doch reichlich plump. Lord Byrons Leben bietet nun wirklich genug an Skandalösem und Delikatem, ohne dass man das auch noch mit solchen Mutmaßungen garnieren muss.
Was mir gut gefallen hat, ist, dass Benita Eisler sehr viel aus Byrons Werk zitiert und die Hintergründe ihrer Entstehung erklärt. Viele von Byrons Werken, gerade Satiren wie „Vision of Judgement“ erschließen sich erst dann richtig wenn man die hirstorischen und gesellschaftlichen Hintergründe kennt. Byron hat Personen des öffentlichen Lebens immer gerne in seinen Werken attackiert und verspottet wenn sie etwas gesagt oder getan hatten oder für etwas standen, das er ablehnte. Auch seine eigenen Erlebnisse fließen immer wieder stark in sein Werk ein. Diese Biographie hat mir Lust gemacht mal wieder meine Werksausgabe aus dem Regal zu holen und ein wenig darin zu schmökern.
Trotzdem, richtig begeistert hat mich Benita Eislers Buch nicht. Ich bin mir sicher, dass es unter den vielen anderen Biographien die ein oder andere gibt, die den Menschen und Dichter Byron besser portraitiert.