Daniel Wallace - Big Fish

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    “Ein Abenteuer, so großartig wie das Leben selbst” - der Untertitel dieses Buches passt schon ganz gut zum Text. Während der Handelsvertreter Edward Bloom im Sterben liegt, lässt er gemeinsam mit seinem Sohn William in vielen abenteuerlichen und wunderbaren Episoden sein Leben Revue passieren. Seine Lebensgeschichten bilden einen Reigen höchst unwahrscheinlicher Erlebnisse, und ebenso wie William ist der Leser kaum in der Lage, Phantasie und Wahrheit auseinanderzuhalten.


    Märchenhaft sind sie häufig, diese Geschichten, aber auch amüsant und spannend. Edward Bloom hat in seinem Leben Riesen gebändigt, eine Stadt gekauft, eine Japanerin mit zwei Köpfen erlebt und die schönste Frau der Welt erobert. Er wollte immer ein “Big Fish” sein, ein großer Mann, und das ist ihm gelungen - ob nun in Wirklichkeit oder nur in seiner Phantasie, das muss der Leser ebenso wie sein Sohn im Laufe dieser Erzählungen selbst herausfinden. Dass er lieber in der Vergangenheit schwelgt, statt sich der - zugegebenermaßen trostlosen - Gegenwart zu stellen und bei jeder Erwähnung ernster Dinge wie z.B. seines Sterbens einen Witz auf den Lippen hat, macht die Sache dabei nicht einfacher. Auf jeden Fall wandelt sich bei William erst langsam das Gefühl, seinen Vater überhaupt nicht oder höchstens die oberste Schicht zu kennen, zu einem tiefen Verständnis dieses Mannes.


    Interessant ist der Aufbau des Buches: Die Rückblenden werden in relativ kurzen, prägnanten Anekdoten erzählt, in schlichter, beschreibender Sprache. Tiefergehend und auch stilistisch vielschichtiger sind nur die Passagen am Sterbebett Edwards; obwohl zwischen Vater und Sohn kein echtes Gespräch über die “großen Fragen” des Lebens zustande kommt, werden hier viele Dinge angesprochen, die essentiell sind: Das Verhältnis zum Tod, der Rückblick auf den Wert des eigenen Lebens, der Einfluss des einen auf den jeweils anderen. Dieser Kontrast ist reizvoll und wird am Ende in einer Schluss-Szene aufgelöst, die dieses abenteuerliche Leben zu einem mehr als harmonisch und im wahrsten Sinne des Wortes phantastischen Ende führt.


    Dieses Buch war eine mehr als kurzweilige Lektüre und doch nicht ganz das Leseerlebnis, das ich mir nach der Tim Burton-Verfilmung mit Ewan McGregor in der Hauptrolle erhofft hatte. Diese Verfilmung hat den Roman wohl erst so richtig bekannt gemacht, und für mich ist dies einer der ganz wenigen Fälle, in denen mir der Film besser gefallen hat als die literarische Vorlage. Wo in Wallaces Roman viele Episoden relativ zusammenhanglos nebeneinander stehen und so einen groben Überblick über das Leben Edward Blooms verschaffen, schafft Burton es, mit Hilfe dieser Episoden einen inhaltlichen Bogen von der Jugend bis zum Tod zu spannen.


    Dass er dabei einzelne Elemente in einen neuen Zusammenhang stellt und Verbindungen herstellt, die es im Buch nicht gibt, macht den Film deswegen nicht weniger wahr oder authentisch. Dass er Figuren, die im Buch meistens nicht mehr als eine Statistenrolle in Edwards Abenteuern spielen, immer wieder auftauchen lässt und ihnen echte Charaktere verpasst, ist einer filmischen Handlung nur angemessen und gibt dem Episodengewebe einen verbindenden Rahmen. Auch dass er einige Handlungsfäden etwas anders darstellt (wie z.B. den Kampf um seine zukünftige Braut oder - zum Niederknien schön - die Schluss-Szene) nimmt dem Film meines Erachtens nichts von seiner Qualität als Literaturverfilmung. Allerdings muss ich auch bekennen, dass ich als bekennender Burton-Fan seine leicht naiv angehauchte, aber dennoch immer hintergründige Ästhetik gerade für diesen Stoff besonders passend finde.


    Was immer man auch zuerst gelesen oder gesehen hat - sowohl Buch als auch Film sind in diesem Fall einen näheren Blick wert!



    EDIT: Betreff angepasst. LG Seychella

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    Einmal editiert, zuletzt von Seychella ()

  • Eine schöne Rezi & Filmvergleich!
    Allerdings frage ich mich, wieso das Buch unter der Rubrik "Fantasy" eingeordnet ist. Laut deiner Beschreibung klingt es für mich wie ein "normaler" Roman, in dem der Erzähler (der Vater) seiner Phantasie freien Lauf lässt und Lügengeschichten über sein Leben erzählt.

    Wir sind irre, also lesen wir!


  • und für mich ist dies einer der ganz wenigen Fälle, in denen mir der Film besser gefallen hat als die literarische Vorlage.


    Tim Burton ist halt ein ganz, ganz grosser Meister...




    Allerdings frage ich mich, wieso das Buch unter der Rubrik "Fantasy" eingeordnet ist. Laut deiner Beschreibung klingt es für mich wie ein "normaler" Roman, in dem der Erzähler (der Vater) seiner Phantasie freien Lauf lässt und Lügengeschichten über sein Leben erzählt.


    Ich kann mich an ein Interview mit Tim Burton erinnern, in dem er sagte, dass ihn am Big Fish-Projekt besonders reizt, dass man die Geschichte keinem Genre zuordnen kann. Ein "normaler" Roman ist es sicherlich nicht. Mit Riesen, zweiköpfigen Menschen, Hexen usw. enthält die Geschichte viele Märchen und Fantasy-Elemente - dennoch ist es kein herkömmlicher Fantasy-Roman und ein Märchen ist es auch nicht... Aber ich denke, von allen Genres passt "Big Fish" hier am besten rein.

  • Saltanah: Klassische Fantasy ist es sicher nicht, aber unter dem Oberbegriff "Phantastik" würde ich es auf jeden Fall einordnen. Wie Trugbild schon sagte, sehr viele Elemente des Romans sind nun mal einfach nicht aus dem wirklichen Leben gegriffen :winken:

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  • Zunächst einmal: Ich kenne den Film nicht, hatte von daher keine Idee, was mich in diesem Buch erwartet und auch keine Bilder im Kopf, die ich wiederfinden wollte. Ich war also völlig unvorbelastet, was diesen – hm, ich bin nicht mal sicher, ob ich es so nennen will – Roman anging. Für die Bezeichnung als Roman stört mich eigentlich der innere Aufbau, denn es ist mehr eine Ansammlung von Geschichtchen und Anekdoten, die eher zufällig den gleichen Handelnden in der Person von Edward Bloom haben. Wenn es verschiedene Protagonisten wären, würde das an diesen Geschichten nichts wesentliches ändern. Und wenn es überhaupt einen roten Faden darin gibt, dann ist dieser so dünn, daß der leichteste Windhauch ihn durchpusten könnte.


    Das wäre nicht weiter schlimm, könnte sogar trotz allem reizvoll sein, wenn nicht etwas weiteres hinzukäme. Wallaces Erzählton schwankt zwischen modern und Märchen, ohne daß dahinter ein erzählerisches Konzept deutlich wird. Die Wahl wirkte auf mich jeweils völlig willkürlich, auch wenn oder gerade weil dadurch das Märchenhafte gebrochen bzw. das Moderne ins Märchenhafte verschoben wurde. Für mich war es meist einfach die falsche Wahl, weil es an „unpassenden“ Stellen passierte und keiner, nennen wir es mal: Dramaturgie (jedenfalls keiner für mich erkennbaren) folgte.


    Mit genau dem tatsächlichen Ende hatte ich auch schon etwa zur Mitte hin gerechnet, weil die Andeutungen nun wirklich überreichlich vorhanden waren, und wäre das Büchlein nicht so relativ dünn, dann hätte es wohl auch zu einem Abbruchkandidaten werden können. Insgesamt hinterläßt das Buch einen Eindruck zwischen ziemlich schwach und belanglos, daran ändern auch die wenigen guten Szenen zwischen William und seinem Vater nichts mehr.


    1ratten + :marypipeshalbeprivatmaus:


    Schönen Gruß
    Aldawen