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Inhalt: 1968 zieht ein alter, offensichtlich verarmter Mann in ein Zimmer in einem Seouler Mietshaus. Seine Nachbarn finden ihn merkwürdig, weil er nicht mit ihnen spricht. Drei Jahre später stirbt er nach einem Schlaganfall, in einem Notizbüchlein finden die Nachbarn drei Adressen, an die sie Telegramme schicken. Zur Totenwache kommen ein älterer Herr, und zwei Frauen, eine ältere und ein jüngere. Und wer war nun dieser Mann?
Han Yongdok ist Gynäkologe und Professor am Universitätskrankenhaus in Pjöngjang, als der Korea-Krieg ausbricht. Als fast alle Kollegen zur Front abkommandiert werden, er aber nicht, ahnt er, daß er als unsicherer Kantonist gilt. Er wird mit seinem Freund Soh an ein anderes Krankenhaus versetzt, die offizielle Richtlinie sieht vor, daß Parteikader bevorzugt behandelt werden, alle anderen, vor allem Kinder, haben Pech gehabt. Han ignoriert diese Vorschriften immer wieder, wird verhaftet, zum Tode verurteilt, entgeht aber durch Zufall der Erschießung mit nur einer leichten Verletzung. Eigentlich will er mit seiner Familie über den Fluß Daedong in den Süden fliehen, aber die Mutter fühlt sich dazu nicht in der Lage, und so läßt er sie, seine Frau und die Kinder zurück, will sie später nachholen. Das ist auf Grund der politischen Verhältnisse aber nicht mehr möglich.
In Seoul lebt er zunächst bei seiner Schwester, hat Schwierigkeiten, eine Anstellung zu finden und eröffnet schließlich mit zwei Schwindlern eine illegale Praxis. Mit seinen Skrupeln wird er den beiden schnell lästig, und um ihm einen Denkzettel zu verpassen, denunzieren sie ihn als nordkoreanischen Spion. Seine Schwester und sein alter Freund Soh machen ihn schließlich in den Folterkellern des Geheimdienstes aus, Han kommt auch frei, weil es keine ausreichenden Beweise gibt, aber er ist ein gebrochener Mann.
Meine Meinung: Die Art, wie Hwang Sok-yong diese Geschichte erzählt, hat mich beeindruckt. Die Sprache ist ausgesprochen nüchtern, aber gerade weil damit nicht auf die Tränendrüse gedrückt wird, wirkt das Geschehen noch beklemmender. Die Mechanismen, die in Zeiten des Krieges bzw. politischer Spannungen unter autoritärem Regime greifen, zeigen sich in der kurzen Geschichte des Herrn Han exemplarisch und das verleiht ihr eine gewisse Allgemeingültigkeit. Darunter wie unter der Kürze des Textes (inklusive Nachwort nur rund 130 Seiten) leidet jedoch ein wenig die Charakterzeichnung, viel kann man über die meisten Figuren nicht erfahren, sie entfalten kaum Persönlichkeit. Ich hätte mir daher schon gewünscht, daß entweder der spezifisch koreanische Hintergrund etwas ausführlicher dargestellt gewesen wäre (Anfang der 1970er Jahre brauchte das koreanische Publikum als erster Adressat diese Infos aber sicher nicht), oder daß gerade wegen dieser Übertragbarkeit eine zweite, abstraktere Inhaltsebene stärker zum Tragen gekommen wäre. Hier wurde etwas verschenkt, um es zu wirklich bleibender Literatur zu machen – nichtsdestotrotz ist es lesenswert.
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Schönen Gruß,
Aldawen
Land im Betreff hinzugefügt.