Siri Hustvedt - Die Leiden eines Amerikaners

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  • Siri Hustvedt
    Die Leiden eines Amerikaners
    OT: The Sorrows of an American
    416 Seiten
    ISBN 978-3498029852



    Auch in ihrem neuen Roman entführt uns Siri Hustvedt – wie schon in ihrem Bestseller „Was ich liebte“ - in die Künstlerszene von New York. Waren es einst die Maler, so finden wir uns in „Die Leiden eines Amerikaners“ in der Welt der Schriftsteller – direkt und indirekt - wieder.


    Der Icherzähler Erik ist Psychiater und geschieden. Er ist eine sehr sensible Person und daher gehen ihm die Probleme seiner Patienten oft näher als ihm lieb ist. Auch der Tod seines kürzlich verstorbenen Vaters nagt an ihm. Gemeinsam mit seiner Schwester Inga, die den Verlust ihres Gatten, des Schriftstellers Max, verarbeiten muss, macht er sich daran, den Nachlass des Vaters zu durchstöbern. Dabei stoßen sie auf ein Konvolut von Briefen, die tieferen Einblick in das bewegte Leben des Vaters – eines Nachkommen norwegischer Einwanderer – geben. Die Reise in die Vergangenheit des Vaters ist zugleich eine Reise in die Geschichte der USA .
    Gekonnt verknüpft Hustvedt die Vergangenheit mit der Gegenwart, spielt mit Zeitebenen und Schicksalen. Im Mittelpunkt stehen Menschen und ihre Beziehungen zueinander. So wird Eriks neu zugezogene Nachbarin, die alleinerziehende Miranda mit ihrer Tochter Eglatine, von ihrem Ex-Mann wie von einem Stalker beobachtet, Eriks Nichte Sonia trägt seit dem 11. September Ängste und traumatische Gefühle mit sich und ist unfähig, darüber zu sprechen. Die Personen in Hustvedts Roman haben allesamt Verluste erlitten und versuchen, durch das Aufspüren der eigenen Wurzeln diese Verluste zu verarbeiten und eine eigene Identität zu finden.


    Nüchtern, sachlich und ehrlich beschreibt Hustvedt ihre Personen. Die Charaktere sind keine Helden, auf Effekte und Überraschungsmomente wird verzichtet. Liebhaber von komplexen, ruhigen Familiengeschichten werden an diesem Buch Freude haben.


    3ratten


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  • Ich bin ein großer Fan von Siri Hustvedts Romanen, "Was ich liebte" zählt zu meinen absoluten Lieblingsbüchern. Und doch fällt es mir immer wieder schwer, etwas über ihre Werke zu schreiben und meine Meinung in Worte zu fassen. Wer "Was ich liebte" mag, kann "Die Leiden eines Amerikaners" jedenfalls auch guten Gewissens lesen. Denn das Buch ist irgendwie genau so und auch irgendwie ganz anders.


    Auch hier befinden wir uns in der New Yorker Künstlerszene. Im Mittelpunkt des Geschehens steht der Psychologe Erik, dessen Vater kürzlich verstorben ist. Beim Aussortieren seiner persönlichen Dokumente findet Erik eine geheimnisvolle Notiz, die mit der Jugend des Vaters in Verbindung zu stehen scheint. Erik liest die Tagebücher seines Vaters und forscht nach der ihm unbekannten Frau, mit der sein Vater ein Geheimnis hatte, das er bis zu seinem Tod bewahrte. Erst im Nachwort erfährt der Leser dann, dass Siri Hustvedt die Tagebucheinträge des verstorbenen Vaters, in denen er von seiner Jugend und von Kriegszeiten erzählt, fast unverändert aus den Tagebüchern ihres eigenen Vaters übernommen hat.


    Zusätzlich zu dieser Reise in die Vergangenheit begleiten wir Erik auch in seiner Gegenwart, in der er sich liebevoll um seine Schwester, die nicht nur den Vater, sondern auch ihren Ehemann vor kurzem verloren hat, und seine Nichte kümmert, sich in seine Untermieterin verliebt und einige schwierige Patienten betreut. Witzig fand ich, dass Siri Hustvedt eine der Hauptpersonen aus "Was ich liebte", Leo Hertzberg, in diesem Buch kurz bei einer Dinnerparty auftreten lässt.


    Nach der Lektüre dieser knapp über 300 Seiten fühlte ich mich, als hätte ich ein 1000-seitiges Mammutwerk gelesen. Und ich habe auch ungewöhnlich lang an diesem doch recht dünnen Buch gelesen. Das liegt vermutlich daran, dass Siri Hustvedt unglaublich dicht schreibt und auch viele Themen und Personen in ihre Bücher packt. Das mag für den unkonzentrierten Leser ein großer Nachteil sein, doch ich finde es immer wieder faszinierend, wie komplex ihre Geschichten aufgebaut sind. Man bekommt nicht nur einen kleinen Ausschnitt aus dem Leben einer Person beschrieben, sondern lernt die gesamte Welt der Hauptpersonen kennen.


    Den auftretenden Personen entsprechend wird viel über Literatur, Philosophie und Psychologie gesprochen und nachgedacht. Diese Gedanken sind durchaus melancholisch bis traurig, da in diesem Roman niemand wirklich glücklich ist. Unerfüllte Liebe, Trauer und Einsamkeit sind an der Tagesordnung, trotzdem ist es kein deprimierendes Buch, das die Stimmung des Lesers ins negative zieht. Eriks innere Monologe sind auch hin und wieder ganz unterhaltsam und erheiternd zu lesen.


    Das Ende ist anders, als ich erwartet hatte, ich kann mir aber auch gut vorstellen, dass Siri Hustvedt hier mit den Erwartungen des Lesers spielt und absichtlich enttäuscht. Ich bin auf jeden Fall begeistert von diesem Buch und freue mich, dass ich noch einige Werke Siri Hustvedts vor mir habe! 5ratten

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