Jusuf Naoum – Nacht der Phantasie. Kaffeehausgeschichten

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    Hier sind zwei Bücher zusammengefaßt, nämlich Die Kaffeehausgeschichten des Abu al Abed und Nacht der Phantasie. Der Kaffeehauserzähler Abu al Abed lädt ein. In beiden erzählt Abu al Abed, aber die Geschichten unterscheiden sich in ihren Inhalten und die Rahmenhandlungen in ihrer Struktur.


    Im ersten Teil geht Abu al Abed allabendlich in das Kaffeehaus, um eine Stunde lang seine Geschichten zu erzählen. Dafür wird er vom Kaffeehausbesitzer bezahlt. Den Tag verbringt er vor allem damit, sich neue Geschichten auszudenken. Das ist nicht einfach, denn die Gäste sollen ja unterhalten und vor allem an das Kaffeehaus gebunden werden, weshalb auch Cliffhanger eine wichtige Rolle spielen. Abu al Abeds Geschichten sind immer etwas absurd, zusammenfabuliert, vereinen moderne Elemente mit Tausendundeine-Nacht-Atmosphäre. So schreckt er auch nicht davor zurück, sich in einer Geschichte von Nancy Reagan ins Weiße Haus einladen zu lassen und den deutschen Bundeskanzler dort kellnern zu lassen :breitgrins: Oder Sindbad, den Luftfahrer, seinen fliegenden Teppich in einem See bei Berlin verlieren zu lassen.


    Der zweite Teil umfaßt eine Nacht. Abu al Abed hat alle Nachbarn eingeladen, weil er aus dem fernen Alemanya ein Buch geschickt bekommen hat, das seine Geschichten enthält und ihn auf dem Umschlag zeigt. Zwar kann er die fremden Schriftzeichen nicht lesen, aber der Begleitbrief von Jusuf, genannt Abu al Sus, einem Jungen aus dem Viertel, der schon lange in Deutschland lebt, klärt ihn über den Inhalt auf. Das muß natürlich gefeiert werden. Die ganze Nacht erzählt Abu al Abed Geschichten, die sich vor allem um Abu al Sus drehen und damit eine Menge Dorfklatsch transportieren. Dabei wird der Geschichtenerzähler immer wieder unterbrochen, weil natürlich jeder Nachbar auch seine Ansichten, Meinungen und Erinnerungen kundtun muß. Und sobald wahlweise Politik oder Religion ins Spiel kommen, geraten unweigerlich der Bürgermeister, der christliche Schulmeister und der muslimische Scheich aneinander, was aber sofort zur nächsten Geschichte führt. Der Leser bekommt hier einen Einblick in die libanesische Gesellschaft um 1960 herum.


    Inwieweit es sich bei Abu al Sus wirklich um Jusuf Naoum selbst handelt, wieviel davon Dichtung und wieviel Wahrheit ist, klärt auch das Nachwort des Autors nicht. Dort gibt er noch einige Informationen zur Institution des Geschichtenerzählers, die inzwischen vom Fernsehen verdrängt wurde, und erzählt, wie Abu al Abed Kaffeehauserzähler wurde.


    3ratten + :marypipeshalbeprivatmaus:


    Schönen Gruß,
    Aldawen


  • Schreibt Jusuf Naoum eigentlich auf deutsch?


    Das Buch enthält zumindest keine Hinweise auf eine Übersetzung. :zwinker: Ich halte das auch für sehr wahrscheinlich, weil er laut Autorenportät 1964 im Alter von 23 Jahren nach Deutschland kam und seitdem hier lebt.

  • Damit ich meine Liste für die Lese-Challenge um einen Link erweitern kann, muss ich auch mal meinen Senf abgeben. :zwinker:


    Das Wichtigste zum Buch hat Aldawen ja bereits geschreiben. Ich war leider von den Geschichten ein wenig enttäuscht. Ich habe etwas klassischere Erzählungen erwartet, und gerade im ersten Teil fand ich die Einmengung morderner Elemente sehr gewöhnungsbedürftig. Im zweiten Teil gefielen mir die Einblicke in die Gesellschaft, sei es innerhalb der Geschichten oder der Rahmenhandlung. Insgesamt also gute Unterhaltung, die mich aber nicht begeistern konnte.


    3ratten

    "Natürlich kann man sein ohne zu lesen, ohne Bücher, aber ich nicht, ich nicht." J. L. Borges