J. M. Coetzee - Eiserne Zeit

Es gibt 5 Antworten in diesem Thema, welches 3.073 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von illy.

  • Kaufen* bei

    Amazon
    Bücher.de
    Buch24.de

    * Werbe/Affiliate-Links


    Zum Inhalt


    Mrs. Curren, weiß, in Kapstadt wohnend, erfährt von ihrem Arzt, dass sie nun in der Endphase ihrer Krebserkrankung angekommen ist. Zuhause entdeckt sie einen Obdachlosen, der sich auf ihrem Grundstück breit gemacht hat. Da er sich nicht vertreiben lässt, akzeptiert sie seine Anwesenheit unter gewissen Auflagen.


    An diesem Tag beginnt sie eine Art Tagebuch für ihre Tochter, die in Amerika lebt, zu schreiben. Ihre Tochter weiß nichts vom Zustand ihrer Mutter. Soll sie auch nicht. Denn sie hat geschworen, sie würde erst wieder kommen, wenn sich die Zustände in diesem Land geändert hätten. Ihre Mutter schreibt über ihr Leben, das der mit dem Haushalt verbundenen Menschen, über ihre Gefühle und ihre Einstellung zur Politik der Apartheid.


    Mrs. Curren ergreift aus einem ihr eigenen Anstandsgefühl heraus die Partei der schwarzen Bevölkerung. Einem Polizisten gegenüber sagt sie, ihr Krebs wäre die Folge ihres Ekel vor der südafrikanischen Politik. Sie nimmt kein Blatt vor den Mund.
    Ihre Hausangestellte, Florence, die zeitweise auch ihren ältesten Sohn bei sich hat, lebt mit zwei Mädchen bei Mrs. Curren.


    Bheki, Florence Sohn, und seine Freunde haben sich einer Widerstandsgruppe angeschlossen. Florence ist stolz auf ihn, denn er ist eisern. Er wird sich nicht klein machen. Er und seinesgleichen werden tun, wozu Generationen davor nicht fähig waren. Im Gegensatz zu Florence verurteilt Mrs. Curren das Verhalten der jungen Leute. Sie sind unhöflich, brutal, lassen sich nichts sagen und - sie sind zu jung für den Krieg. Zu jung zum Sterben.
    Aber sie hilft wo sie kann, wenn auch mit einer eher mürrischen Einstellung, da sie glaubt helfen zu müssen, obwohl das Jetzt und Hier nicht ihrem Einverständnis entspricht.


    Während sie ihren eigenen Kampf gegen die Apartheid führt, muss sie sich auch noch um Mr. Vercueil, den Obdachlosen, "kümmern". In den Augen der Schwarzen ist er in Nichtsnutz und so behandeln sie ihn auch. Mehrmals muss Mrs. Curren ihn gegen Florence, Bheki oder seinen Freunden in Schutz nehmen. Es gibt kein unnützes Leben, sagt sie.


    Mr. Vercueil wird noch gebraucht. Er soll für sie etwas erledigen, nach ihrem Tod. Er soll der Bote sein.
    Und auch jetzt braucht sie ihn. Ihm beginnt sie ihre Gedanken anzuvertrauen, besonders seit sie ganz allein ist. Er ist die einzige Hilfe, die sie noch hat. Und sie ist neugierig. Wer ist dieser Mann? Warum lebt er so?


    Und trotz ihrer Schmerzen schreibt sie ständig an dem Tagebuch für ihre Tochter. Es ist nicht nur ein Bericht, es ist auch
    eine (An)Klage. Und nicht nur über die Apartheid.



    Meine Meinung


    Die Schreibstil hat mir gut gefallen, sowie auch einige der Formulierungen.
    Welchen Sinn hat Nächstenliebe,wenn sie nicht von Herz zu Herzen geht?
    Stück für Stück ändern sich die Tagebucheinträge. Je mehr ihre Krankheit fortschreitet, desto mehr bröckelt auch ihre Einstellung. Anfangs wollte sie nur eine Art Erbe hinterlassen, später tut sie, was sie keinesfalls wollte - sich beklagen.


    Das Zerkauen ihrer Ansichten und Gefühle, die ständige Wiederholung, nervte mich teilweise. Das kreide ich jedoch nicht dem Autor an, sondern sehe es als das, was es ist. Die Eigenheit einer alten, einsamen Frau. Zerfressen von Schmerz und Einsamkeit. Und das wurde gut dargestellt.
    Ihr hilfloser Kampf gegen die Missstände. Hilflos, weil ungewollt und unbeachtet. Sie kämpft an so vielen Fronten...


    Zwei Formulierungen auf der Rückseite des TBs haben mich gestört. Zum einen:
    ..., ergreift aus einem gewissermaßen altmodischen Gefühl für Anstand heraus die Partei der unterdrückten Schwarzen.
    Ich kann an ihren Beweggründen nichts altmodisches feststellen. Für mich sind das gleichbleibende Werte. Es kommt vielleicht eher auf den Blickwinkel an.


    Zum anderen:
    In einer seltsamen Schicksalsgemeinschaft mit einem Obdachlosen gelingt ihr die Überwindung scheinbar unüberwindlicher sozialer und politischer Gegensätze.
    M. M. n. hat sie diese Gegensätze , in Bezug auf den Obdachlosen, nicht aktiv überwunden, sondern wurde durch ihre immer fortschreitendere Hilflosigkeit und ihre damit einhergehende Hilfsbedürftigkeit seinem Status angeglichen. Überwunden hätte sie es meiner Ansicht nach, wenn beide ihren Status behalten hätten und es trotzdem zu einer Annäherung gekommen wäre.
    Und politische Gegensätze mussten eigentlich gar nicht überwunden werden. Ihre Einstellung zur Apartheid stand zu Beginn des Romans bereits fest.



    3ratten + :marypipeshalbeprivatmaus:

  • Der Autor gehört mit seinem Nobelpreis doch zur Weltliteratur.


    Danke für die Rezi.


    Gruß, Thomas

  • Da von Coetzee schon ein Buch unter Sonstige Belletristik eingestellt wurde, habe ich es hierhin gepackt.

    Mit dem Begriff Weltliteratur habe ich leider immer so meine Probleme. :redface:


    Gruß
    yanni

  • Kaufen* bei

    Amazon
    Bücher.de
    Buch24.de

    * Werbe/Affiliate-Links


    Eine ältere Südafrikanerin schreibt an ihre Tochter in Kanada. Sie wird den Brief nicht abschicken, aber sie hat sonst niemanden, mit dem sie reden könnte. Sie hat soeben die Nachricht bekommen, dass sie Krebs hat, an dem sie vermutlich sterben wird. Am gleichen Tag quartiert sich ein Obdachloser auf ihrem Grundstück ein - sie verjagt ihn nicht, stattdessen nähern sich die beiden vorsichtig einander. Als ihre Haushälterin vom Beuch im heimatlichen Township zurückkehrt, hat sie ihren halbwüchsigen Sohn dabei, die Schulen wurden geschlossen, die Jugendlichen protestieren gegen die Schulen als Mittel der Unterdrückung – und die Erzählerin wird mit der Realität konfrontiert. Sie ist zwar stets gegen die Apartheid eingestellt gewesen, ihre Tochter hat aus diesen Gründen auch das Land verlassen, die Erzählerin hat aber bisher die ganze Situation mehr philosophisch-theoretisch betrachtet.


    Vor dem Hintergrund ihres eigenen Endes denkt die Erzählerin nach, ihr wohlgeordnetes Leben wird durcheinander gebracht. Die Handlung dient in dieser Erzählung nicht so sehr dazu, eine Geschichte voranzutreiben, sondern eher als Auslöser innerer Betrachtungen. Coetzee bezieht sich dabei mehrmals auf den Titel. Es herrscht die Eisenzeit, von mehreren Personen wird (bewundernd) gesagt, sie seien aus Eisen. Allerdings gibt es auch Kritik daran, meist von der Erzählerin. Ist „Eisern sein“ denn wirklich notwendig, es birgt schließlich immer auch die Gefahr einer Verhärtung der gesamten Gesellschaft, die dann nicht mehr zu einer weicheren Existenz zurückkehren kann. Sie unterstützt den Protest widerwillig, sie bezweifelt nicht die Notwendigkeit einer Veränderung, der Abschaffung der Apartheid, glaubt aber auch nicht, dass die (gewaltsamen) Mittel, mit denen sie konfrontiert wird, die richtigen sind. Sie wird letztendlich nicht nur wegen ihrer Krankheit im Verlauf der Geschichte immer hilfloser, sondern auch, weil sie erkennen muss, dass ihre Position von keiner Seite wirklich akzeptiert wird.


    Gerade die Gedanken, die Coetzee seine Figur über das Konzept Krieg äußern lässt, fand ich sehr interessant und auch inhaltlich größtenteils gut fand, trotzdem war mir „Eiserne Zeit“ insgesamt dann doch etwas zu philosophisch.


    3ratten + :marypipeshalbeprivatmaus: