Historische Genauigkeit - ein Muss im historischen Roman?

Es gibt 289 Antworten in diesem Thema, welches 70.658 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Teres.

  • Hallo, Nimue!


    Zitat von "nimue"

    Dessen bin ich mir sogar sicher. Lass das Buch einen Amerikaner lesen (oder einen Jugendlichen im Jahre 2020) und er wird den Fehler nicht bemerken ;)


    Da deutsche Romane so gut wie nie in den englischsprachigen Raum verkauft werden*, kann man nicht auf soviel mangelnde Bildung hoffen. ;)
    Liebe Grüße, :blume:
    Iris :sonne:
    -------
    *) [size=9px]80 Ausnahmen im Jahr gegenüber einer fünfstelligen Zahl von Lizenzpublikationen aus dem englischsprachigen Raum bestätigen diese Regel.[/size]

  • Zitat von "Iris"

    Da deutsche Romane so gut wie nie in den englischsprachigen Raum verkauft werden*, kann man nicht auf soviel mangelnde Bildung hoffen. 80 Ausnahmen im Jahr gegenüber einer fünfstelligen Zahl von Lizenzpublikationen aus dem englischsprachigen Raum bestätigen diese Regel.


    Aber hallo, die Zahl klingt ja fürchterbar. Ist das nun eine Frage der Statistik, weil
    1. in Angelsachsen mehr Bücher geschrieben werden, einfach weil es mehr Menschen und damit Autoren gibt?
    2. in Angelsachsen überhaupt viel mehr geschrieben wird und Deutsche schreibfauler sind
    oder ist es
    3. eine Frage unserer Vorlieben?


    Zitat von "Iris"

    Mit Verlaub, wenn man sich die Quellen mal sehr genau anschaut, dann entlarvt sich die Legende von dieser "Päpstin" sehr schnell als eine griffige Kolportage auf der Basis von zwei frühmittelalterlichen Pamphleten aus der Feder der "spin doctors" von Gegenpäpsten. :zwinker:


    Oha, ich war der Meinung, dass an Johanna mit den üblichen Abstrichen (siehe die Diskussion um die Medien als Quelle) ein Funken Wahrheit ist.


    Ich komme um den Eindruck nicht herum (gerade wenn ich Deine Posts verfolge), dass sich mir eine ganze Reihe von Hintergründen nur erschließen, wenn ich mich auf Sekundärliteratur einlasse - und zwar mehr als nur ein bis zwei Titel, Recherche bei Bibliotheksbesuche eingeschlossen. Täuscht der Eindruck?

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  • Hallo, Bettina!


    Zitat von "Bettina"

    Aber hallo, die Zahl klingt ja fürchterbar. Ist das nun eine Frage der Statistik, weil
    1. in Angelsachsen mehr Bücher geschrieben werden, einfach weil es mehr Menschen und damit Autoren gibt?
    2. in Angelsachsen überhaupt viel mehr geschrieben wird und Deutsche schreibfauler sind
    oder ist es
    3. eine Frage unserer Vorlieben?


    Es ist einerseits eine Frage der Größe des Sprachraums; das Englische als Weltsprache wird nun mal in aller Welt gelesen.
    Andererseits hat das ganze sehr viel mit der Kommerzialisierung, die den Buchmarkt beherrscht. Die bedeutenden Verlage sind heute zumeist Teile von multinationalen Medienkonzernen, und solche "Monstren" werden aufgrund der laschen Gesetzgebung in den USA vorzugsweise von dort aus geführt.
    Zudem ist es zwar nicht billiger aber hinsichtlich der Projektkalkulation übersichtlicher, wenn man mit Lizenzen arbeitet: Das Manuskript ist fertig, der Autor hat (man bedenke das US-Copyright im Vergleich zum europäischen, speziell deutschen Urheberrecht) nix mehr mitzureden, häufig ist das Projekt bereits mit einem gewissen Erfolg gelaufen, es muß kein neues Marketingkonzept entwickelt werden ...
    Angesichts des extremen Drucks, den die Konzernleitungen im Hinblick auf Maßnahmen zur Kostensenkung ausüben, hat ein Projekt, das man mit einer übersichtlichen kleinen (aus Text- und Bildbausteinen zusammengesetzten) PowerPoint-Präsentation vorstellen kann, bessere Chancen als eine Autorin mit bislang unveröffentlichtem Manuskript, die womöglich noch Zicken macht, wenn sie den Krimi zur Schmonzette umschreiben soll, weil sich bei Autorinnen Schmonzetten einfach besser vermarkten lassen als Krimis. ;)


    Okay, das ist sehr hart, aber es steckt viel Wahres drin. :breitgrins:
    Verlage sind nun mal keine Wohltätigkeitsorganisationen, sondern Wirtschaftsunternehmen.


    Zitat

    Oha, ich war der Meinung, dass an Johanna mit den üblichen Abstrichen (siehe die Diskussion um die Medien als Quelle) ein Funken Wahrheit ist.


    Ich zitier mal aus dem Biographisch-bibliographischen Kirchenlexikon:

    Zitat

    JOHANNA, angebliche Päpstin, auch Agnes, Gilberta, erst bei Martin von Troppeau als J. bezeichnet, soll zwischen Leo IV. (855) und Benedikt III. (858) regiert oder um 1100 gelebt haben. - Die Fabel über die Existenz einer Päpstin taucht erstmals in der »Chronica universalis Mettensis« des Jean de Mailly Mitte des 13. Jahrhunderts auf. Doch erst mit der Chronik des Dominikaners Martinus Polonus oder Martin von Troppeau fand sie erhebliche Verbreitung. Dessen Version erzählt von einem Mädchen aus Mainz oder England, das in Athen ein Studium absolviert habe und dann als Mann verkleidet nach Rom gekommen, dort durch ihr Wissen aufgefallen und schließlich nach dem Tod Leos IV. 855 als Johannes Anglicus zum Papst gewählt worden sei. Nach zweieinhalbjähriger Regierungszeit habe sie während einer Prozession zum Lateran ein Kind geboren, sei noch an Ort und Stelle gestorben und begraben worden. Die Fabel über die angebliche Päpstin hat mehrere Versionen hervorgebracht. Der frühere, von Mailly verfaßte Text schildert, wie J. vom Notar der Kurie zum Kardinal und schließlich zum Papst aufgestiegen sei. Im Begriff, ein Pferd zu besteigen, gebar sie einen Knaben, worauf man sie mit ihren Füßen an den Schweif eines Pferdes binden, schleifen und vom Volk steinigen ließ. Doch auch die Martin-Handschrift selbst zeigt Abweichungen: In einer Variante wird berichtet, daß die Päpstin nach ihrer Niederkunft abgesetzt worden sei, ein Leben in Buße begann, bis ihr Sohn Bischof in Ostia geworden war. Nach ihrem Tod soll man sie in der dortigen Kathedrale beigesetzt haben. Der mittelalterlichen Chronik der Äbte von Kempten zufolge soll ihr sogar ein böser Geist erschienen sein, der ihr mit der Aufdeckung ihrer Identität drohte, es sei denn, sie schließe sich ihm und seiner Gesellschaft an. Ein Engel oder eine Offenbarung ließ ihr dann die Wahl, entweder - und diesen Weg wählte sie - Schmach zu erdulden oder für immer verdammt zu sein. Spekulationen über den Ursprung der Legende kamen schon früh auf. Bereits im 15. Jahrhundert äußerten Enea Silvio Piccolomini und Platina, im 16. Jahrhundert Aventinus, O. Panvinio, R. Bellarmin und D. Blondel Zweifel. Mögliche Hintergründe gibt es viele: Zum einen - dies ist die verbreitetste These - mag ihr eine römische Volkssage zugrunde liegen. In einer engen römischen Gasse befand sich eine heute verschwundene, verstümmelte antike Statue (Mithrapriester?) mit Knabe, die vom Volk als weibliche Figur und die bei ihr befindliche Inschrift als Grabinschrift der Päpstin gedeutet wurde. Ein weiterer Ursprung könnte in der Erinnerung an die Herrschaft der Theodora und Marozia im 10. Jahrhundert sein, oder eine Satire auf Johann VIII. und seine Weichheit, sowie die allegorische Verarbeitung der Entstehung und Verbreitung der pseudoisidorischen Decretalen. Die angebliche Päpstin Johanna war gerade in der Reformation ein willkommenes Mittel im Kampf gegen das Papsttum, zumal sie schon Hus auf der Konstanzer Synode als Hauptargument in den Kontroversen über Recht und Umfang der Papstgewalt gedient hatte. So fand die Fabel ihren Niederschlag auch in vielen illustrierten Flugblättern der Reformationszeit.


    (Quelle, dort ist auch weiterführende Literatur angegeben)


    Ich gebe unumwunden zu, daß auch ich mich mal fürchterlich über solche Artikel aufregen konnte, die für mich Beispiele der jahrtausendealten Männerverschwörung gegen die Frauen und ihre Spiritualität etc. waren. Ich habe mich durch sehr, sehr viele Quellen gewühlt, habe mich auch mit Heide Göttner-Abendroth etc. beschäftigt und wurde immer skeptischer. Zumal die Figuren Theodora und Marocia zunehmend interessanter wurden -- zwei Frauen, Mutter und Tochter, die auf raffinierte Weise die Geschiche Italiens und des Papstums samt Kirche lenkte. Und nie wurde das bestritten!


    BTW: Eric Walz aus Berlin hat einen Roman über die beiden, vor allem über Marocia geschrieben, der wirklich gelungen ist und trotz des Titels weitgehend ohne die üblichen Versatzstücke des historischen Frauenromans auskommt.


    Zitat

    Ich komme um den Eindruck nicht herum (gerade wenn ich Deine Posts verfolge), dass sich mir eine ganze Reihe von Hintergründen nur erschließen, wenn ich mich auf Sekundärliteratur einlasse - und zwar mehr als nur ein bis zwei Titel, Recherche bei Bibliotheksbesuche eingeschlossen. Täuscht der Eindruck?


    Manche Dinge -- und das sind ausgerechnet die umstrittensten -- erfordern wirklich gründliche Arbeit. Ich hab mir ja auch so ein Thema ausgesucht, das aus Gründen des deutschen "nation building" einen ewig langen Rattenschwanz der hanebüchensten Thesen hinter sich herschleppt ... In diesem Fall stehe ich allerdings nicht auf Seiten der "Tradition". ;)


    Sorry wegen des Riesenpostings ... :winken:
    Liebe Grüße, :blume:
    Iris :sonne:

  • Bücher wie die Päpstin können mir gestohlen bleiben, sie können ruhig als Kuriosität existieren.


    Sorgen machen mir nur Menschen, die dieses Buch und ähnliche Fantasyschmöker, verpackt als angeblich "gut recherchierter Roman", für wahr, die Existenz Johannas für wahrscheinlich halten.


    Dahinter steckt zweifelsohne der Wunsch vieler Frauen, dass es schon damals Frauen gegeben hat, die es der angeblich harten Männerwelt, am Besten gleich den männerdominaten Vatikan, so richtig gegegben hat. ;)


    Man merkt ja schon daran, wie Cross das Buch aufgebaut hat. Zugegeben, sehr geschickt.


    Sie hat meines Erachtens ziemlich bewusst, die Geschichte so hingedreht, dass die Frauen damals keine Bildung haben durften, was historisch gesehen natürlich nicht stimmt, um die Geschichte von der hyperintelligenten, aber gedemütigen und unterdrückten Johanne perfekt zu konstruieren.


    Wenn man gemein sein könnte, kann man auch von Leserbetrug zu Gunsten des Kommerz sprechen, aber da ich ganz ein braver bin, wage ich das nicht zu behaupten.


    Wie ich mich nun elegant aus der Affäre gezogen habe ... :breitgrins:

  • :blume: Iris, vergiss das Sorry, ich wollt's ja so haben... Gerade bei so einem Roman mit angebundenem Hype ist es vielleicht doppelt schwer, den Kern heraus zu lesen. Nun, mit Deiner Skepsis geimpft, dass gerade medienintensive Romane bevorzugt schludrig sind, künftig vielleicht nicht mehr.


    Ich habe einfach keinen Grund gesehen, den Anhängern der Legende weniger Glauben zu schenken als den Gegnern der Legende. Plausibel waren die angeführten Hinweise allemal - sei es eine Statue oder die nachträgliche Namensänderung eines Papst Johannes (von XX auf XXI) oder verschiedene Zitate aus alten Büchern oder die Theorie, dass einige Jahre in der Zeitrechnung fehlen könnten (was ja zudem Johanna-neutral war, weil das ein ganz anderes Feld ist). Die Gegner waren aber genauso plausibel...


    Zitat von "Iris"

    Ich gebe unumwunden zu, daß auch ich mich mal fürchterlich über solche Artikel aufregen konnte, die für mich Beispiele der jahrtausendealten Männerverschwörung gegen die Frauen und ihre Spiritualität etc. waren.


    Die Phase hab' ich verpasst :zwinker: War für mich auch kein Grund, an Johanna zu glauben. Wobei ich mich aber hin und wieder mit sowas auseinander gesetzt habe, weil ich als (studierte) Frau alls mal zu solchen Themen angehauen wurde.

    ☞Schreibtisch-Aufräumerin ☞Chief Blog Officer bei Bleisatz ☞Regenbogen-Finderin ☞immer auf dem #Lesesofa

  • Hi!


    Noch zur Robin-Hood-Legende. Wie Iris das ableitet, so könnte ich mir das schon vorstellen. Einen Robin of Locksley hat es soweit ich weiß nie gegeben. Die ganze Geschichte vom Grafen, der sich mit Bauern gemein macht und stets vom Galgen bedroht ist, ist mir auch relativ suspekt.
    Dazu kommt noch die Löwenherz-Legende, der monatelang im geheimen auf Dürnstein gefangengehalten wurde, bis Blondl ihn per Lied gefunden hat, blablabla.
    Auf Dürnstein war er nur sehr kurz - was dort dem Tourismus zuliebe natürlich verschwiegen wird :breitgrins: -, weil Leopold V von Österreich ihn bald an Kaiser Heinrich VI übergeben mußte. Und er ist natürlich auch nicht im geheimen nach England zurückgeschlichen. Und wenn die Engländer dieser Zeit unter der Herrschaft gelitten haben, dann weniger weil John I Lackland so ein Schwein war, sondern weil man ihnen das Lösegeld für ihren König abgepreßt hat.


    Nur, um zum Thema zurück zu kommen. Wenn man einen Robin-Hood-Roman schreibt, dann gehört das halt alles hinein, ob authentisch oder nicht, weil es nun mal eine Legende ist. Wo da die Grenze zum historischen zu ziehen ist ...


    Bye,


    Grisel

  • Hallo, Bettina!


    Zitat von "Bettina"

    Gerade bei so einem Roman mit angebundenem Hype ist es vielleicht doppelt schwer, den Kern heraus zu lesen. Nun, mit Deiner Skepsis geimpft, dass gerade medienintensive Romane bevorzugt schludrig sind, künftig vielleicht nicht mehr.


    Naja, der Hype kommt immer erst mit dem Erfolg, und Ecos Name der Rose wurde auch mächtig "gehypet". Man sollte halt seine Meinung nicht davon abhängig machen, was die Werbung erzählt -- aber das wissen wir ja eh, da erzähl ich nix Neues. :)


    Zitat

    Wobei ich mich aber hin und wieder mit sowas auseinander gesetzt habe, weil ich als (studierte) Frau alls mal zu solchen Themen angehauen wurde.


    Das geht wohl allen Frauen während des Studium mal so.
    Meine Magisterarbeit habe ich über Sappho geschrieben, vielmehr über die Sapphoforschung von etwas 1890-1990. Als das Thema durch war, hat mich mal eine Kommilitonin angestubst und gefragt, ob das stimme, daß ich in Scheidung liege? Ich war platt -- allein aufgrund der Themenwahl war schon klar, daß ich homosexuell sein müsse! :breitgrins:
    Liebe Grüße, :blume:
    Iris :sonne:

  • Zitat

    Naja, der Hype kommt immer erst mit dem Erfolg, und Ecos Name der Rose wurde auch mächtig "gehypet". Man sollte halt seine Meinung nicht davon abhängig machen, was die Werbung erzählt -- aber das wissen wir ja eh, da erzähl ich nix Neues.

    ´


    Du willst Gott aber nicht mit dem Teufel vergleichen? :breitgrins:


    Ecos Roman ist einer der historisch korrektesten Romane, den ich je gelesen habe. ;)


    Eine Blume für dich. :blume:


    ;) Gruß

  • Hallo, His!


    Zitat von "Historikus"

    Ecos Roman ist einer der historisch korrektesten Romane, den ich je gelesen habe. ;)


    Und daß sie eine Hexe verbrennen, ist dir nicht aufgefallen? :zunge:


    Oder die mörderischen Kamine in der armenischen Burg im Baudolino?


    Da beides klare Reminiszenzen sind und damit literarisches Konzept, hab ich allerdings kein Problem damit.
    Liebe Grüße, :blume:
    Iris :sonne:

  • Guten Morgen!


    Grisel: Hui, darf ich dein Robin-Hood-Posting kopieren und drüben im anderen Thread anhängen? Büddö! :breitgrins:


    Historikus: Also das mit dem Namen der Rose ist so eine Sache ... es gehört auf alle Fälle zu meinen absoluten Non-plus-ultra-Lieblingsbüchern. Aber als "historischer" Roman dürfte er - eben mangels Korrektheit! - nur begrenzt etwas taugen. Davon haben mich Leute aus dem Klassikerforum (Sandhofer? Hubert? *grübel*) im Laufe einer Diskussion vor einiger Zeit überzeugt.
    Und zwar geht es dabei weniger um die geschichtlichen Hintergrunddaten, die Eco seitenweise einstreut, die sind natürlich richtig. Aber von Iris' Einwand mit der Hexenverbrennung einmal abgesehen, stimmt anscheinend einfach die geistige Haltung, die Denkweise der Figuren überhaupt nicht mit der Epoche überein, in der die Handlung angesiedelt ist. Da werden den Figuren Denkmuster und Weltanschauungen aus viel, viel späteren Jahrhunderten "ins Hirn gelegt".


    Hab mal im Archiv gewühlt, aber irgendwie finde ich diese eine Stelle gerade nicht - nur andere Diskussionen über das Buch, in denen es teilweise hoch gelobt, teilweise ziemlich hart kritisiert wird. Schade, war echt interessant damals ...


    Naja, wie gesagt: für mich ist das kein Grund, das Buch nicht trotzdem absolut spitzenmäßig zu finden. Nur würde mich interessieren, ob Eco diese Verdrehungen als Kunstgriff eingesetzt hat, oder weil er es nicht besser wusste.
    Bin auch schon gespannt aufs zweite Lesen - irgendjemand hat gemeint, da springt einem dann an allen Ecken und Enden der nach strengen (literarischen) Regeln konstruierte "Gelehrtenroman" entgegen. Man wird sehen - ich liebe dieses Buch jedenfalls! :sonne:


    Ciao,
    Bluebell

    [color=darkblue]"Date a girl who reads. Date a girl who spends her money on books instead of clothes. She has problems with closet space because she has too many books. Date a girl who has a list of b

  • Hallo, Bluebell!


    Zitat von "Bluebell"

    Und zwar geht es dabei weniger um die geschichtlichen Hintergrunddaten, die Eco seitenweise einstreut, die sind natürlich richtig. Aber von Iris' Einwand mit der Hexenverbrennung einmal abgesehen, stimmt anscheinend einfach die geistige Haltung, die Denkweise der Figuren überhaupt nicht mit der Epoche überein, in der die Handlung angesiedelt ist. Da werden den Figuren Denkmuster und Weltanschauungen aus viel, viel späteren Jahrhunderten "ins Hirn gelegt".


    Oha, da fürchte ich, sind die Herren gewaltig auf dem Holzweg und schlichtweg einem aus dem deutschen Idealismus stammenden Geschichtsbild (Hegel etc.) aufgesessen. ;)
    Das würde jetzt eine gewaltige Diskussion lostreten, aber ich kann nur sagen, daß Eco sich im "Geist des Mittelalters", speziell dem des 13./14.Jhs., sicher um Lichtjahre besser auskennt als diese Kritiker. ;)
    Ich habe den Krempel ernsthaft studiert samt Quellenkunde und Deutungsgeschichte (gerade letzteres ist immer sehr aufschlußreich, da man erkennen kann, wie viele schlecht geschliffene Brillen wir auf der Nase sitzen haben, wenn wir etwas lesen!), und ich muß feststellen sagen, daß ich an Umberto Ecos Kenntnisstand im Leben nicht auch nur annähernd rankommen werde.


    Ecos historische Ungenauigkeiten sind Vexierspiele mit der Gegenwart (Im Baudolino wird sogar auf Mike Tysons Ohrenbiß angespielt!), das Spiel mit der Hexenverbrennung (auch hier bleibt er interessanterweise im Geist der Zeit, da er die Hexerei in die Vorstellungen der frühen Inquisition über die Ketzerei einpflanzt) ist ein Spiel mit dem modernen Vorurteil. Und die Konstruktion der mörderischen Kamine auf der Burg des armenischen Fürsten ist glasklar eine Hommage an Edgar Allan Poe.


    Zitat

    Bin auch schon gespannt aufs zweite Lesen - irgendjemand hat gemeint, da springt einem dann an allen Ecken und Enden der nach strengen (literarischen) Regeln konstruierte "Gelehrtenroman" entgegen.


    Richtig -- und zugleich wird in Der Name der Rose genau dieser Professorenroman des 19. Jhs. aufs feinste parodiert. Aber ich fürchte, daß ist einigen Klassikerfans dann doch zu postmodern-verspielt -- dabei ist das ganz typisch für die mittelalterliche Dichtung und Philosophie.


    Icherlich kenne ich mich in vielem, was Klassiker angeht, bei weitem nicht so gut aus wie sandhofer und Hubert (?), aber in diesem Falle protestiere ich energisch. ;)
    Liebe Grüße, :blume:
    Iris :sonns:

  • Hallo zusammen!


    Zitat von "Bluebell"

    Aber als "historischer" Roman dürfte er - eben mangels Korrektheit! - nur begrenzt etwas taugen. Davon haben mich Leute aus dem Klassikerforum (Sandhofer? Hubert? *grübel*) im Laufe einer Diskussion vor einiger Zeit überzeugt.


    Historische Korrektheit ist nicht mein Ding ... Mein Vorwurf an Eco ist ein anderer.


    Zitat von "Bluebell"

    irgendjemand hat gemeint, da springt einem dann an allen Ecken und Enden der nach strengen (literarischen) Regeln konstruierte "Gelehrtenroman" entgegen. Man wird sehen - ich liebe dieses Buch jedenfalls! :sonne:


    Das nun könnte ich gewesen sein. Das werfe ich dem Buch nämlich vor: Der aufmerksame Leser sieht allenthalben die Löcher, wo der konstruierende Autor seinen Zirkel eingesteckt hat ...


    Zitat von "Iris"

    zugleich wird in Der Name der Rose genau dieser Professorenroman des 19. Jhs. aufs feinste parodiert. Aber ich fürchte, daß ist einigen Klassikerfans dann doch zu postmodern-verspielt -- dabei ist das ganz typisch für die mittelalterliche Dichtung und Philosophie.


    Was meinst Du genau? Parodie und Verspieltheit typisch für mittelalterliche Dichtung und Philosopie? Kannst Du mir das genauer erklären?


    Zitat von "Iris"

    Icherlich kenne ich mich in vielem, was Klassiker angeht, bei weitem nicht so gut aus wie sandhofer und Hubert (?), aber in diesem Falle protestiere ich energisch.


    Wogegen?


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen. (Karl Kraus)

  • Hallo, Sandhofer!


    Zitat von "sandhofer"

    Was meinst Du genau? Parodie und Verspieltheit typisch für mittelalterliche Dichtung und Philosopie? Kannst Du mir das genauer erklären?


    Wenn du mittelalterliche Literatur, Dichtung sowie Philosophie, kennst, dann weißt du, was ich meine.
    Ich fange hier allerdings keine Diskussion über mittlalterliches Denken und seine Umsetzung in Der Name der Rose an -- das ist nicht das Thema dieses Threads.
    Fruchtlose Endlosdebatten, bei denen man Standpunkt gegen Standpunkt setzt, um sich dann wüst zu beharken, sind nicht mein Ding.


    Zitat


    Wogegen?


    Gegen die Behauptung, Eco pfropfe in Der Name der Rose den Figuren anderes (späteres) Gedankengut auf. Aber auch das ist ebenfalls nicht das Thema dieses Threads.
    Liebe Grüße, :blume:
    Iris :sonne:

  • Hi Bluebell!


    Zitat von "Bluebell"


    Grisel: Hui, darf ich dein Robin-Hood-Posting kopieren und drüben im anderen Thread anhängen? Büddö! :breitgrins:


    Klar! Aber schnapp Dir auch die Spekulationen von Iris' über die Entstehung der Legende, das fand ich sehr gut.


    Bye,


    Grisel

  • Huhu,


    Zitat von "Iris"

    Ich fange hier allerdings keine Diskussion über mittlalterliches Denken und seine Umsetzung in Der Name der Rose an -- das ist nicht das Thema dieses Threads.
    Fruchtlose Endlosdebatten, bei denen man Standpunkt gegen Standpunkt setzt, um sich dann wüst zu beharken, sind nicht mein Ding.


    Och..ihr dürft hier ruhig darüber diskutieren - ich finde sogar, dass das nicht ganz so OT ist. Und die Endlosdebatte haben wir hier eh schon eine Weile. Wäre doch schön, wenn mal frischer Wind reinkommen würde ;)


    Liebe Grüße
    nimue

    Rechtsextremismus ist wieder salonfähig gemacht worden, durch CDU/CSU und FDP.

  • Hallo, Nimue!


    Zitat von "nimue"

    Och..ihr dürft hier ruhig darüber diskutieren - ich finde sogar, dass das nicht ganz so OT ist. Und die Endlosdebatte haben wir hier eh schon eine Weile. Wäre doch schön, wenn mal frischer Wind reinkommen würde ;)


    Sorry, aber auf diese Debatte habe ich keine Lust. Ich habe die entsprechenden Postings in anderen Foren gelesen und weiß deshalb, daß ich mir einen Wolf tippen würde für nix und wieder nix. ;) Wir müssen hier keine Gefechte austragen wie im Literaturcafé -- zumindest ich möchte das nicht.
    Liebe Grüße, :blume:
    Iris :sonne:

  • Hallo zusammen!


    Zitat von "Iris"


    Wenn du mittelalterliche Literatur, Dichtung sowie Philosophie, kennst, dann weißt du, was ich meine.


    Ich kenne nur weniges. Und eigentlich nichts, das ich jetzt als parodistisch-verspielt in Erinnerung hätte. Wenn ich Dich denn richtig verstanden habe ...


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen. (Karl Kraus)

  • Zitat von "sandhofer"


    Ich kenne nur weniges. Und eigentlich nichts, das ich jetzt als parodistisch-verspielt in Erinnerung hätte. Wenn ich Dich denn richtig verstanden habe ...


    Wenn du "nur weniges" kennst, dann frage ich mich ernsthaft, wie du zu deinem Urteil über Ecos Name der Rose kommst.
    Was parodistisch-verspieltes angeht, verweise ich dich einfach mal auf die Spruch- und Lieddichtung. Daneben gibt es die sogar in der Epik widerspiegelt (Trojadichtung, Alexanderroman).
    Liebe Grüße, :blume:
    Iris :sonne: