Souad - Bei lebendigem Leib

Es gibt 8 Antworten in diesem Thema, welches 4.414 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Doris.

  • Hallo! :winken:


    Heute will ich mich mal an meine erste Rezension wagen, denn dieses Buch hat mich unglaublich beeindruckt.


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    Klappentext


    Souad ist ein Mädchen von siebzehn Jahren, als ihre Eltern sie zum Tode verurteilen. Weil sie schwanger wurde, hat sie Schande über die Familie gebracht - was im Westjordanland einen "Ehrenmord" rechtfertigt. Ihr Schwager vollstreckt das Urteil. Er übergießt die junge Frau mit Benzin und verbrennt sie bei lebendigem Leib.
    Wie durch ein Wunder hat Souad den heimtückischen Ehrenmord-Anschlag überlebt. Nun legt sie Zeugnis ab - im Gedenken an die zahllosen Mädchen und Frauen, die nicht so viel Glück hatten wie sie. Und um die Weltöffentlichkeit auf diese grausame archaische Tradition hinzuweisen.


    Meine Meinung


    Was für ein wahnsinniges Buch. Noch nie zuvor hat mich ein Frauenschicksal so mitgerissen und dermassen aufgeregt. Was Souad erlebt hat ist wirklich ungeheuerlich, entsetzlich, schockierend und mehr als einmal musste ich das Taschentuch zücken. Schon beim Bild auf dem Umschlag läuft es mir kalt den Rücken runter. :entsetzt:


    Der Schreibstil ist sehr einfach gehalten. Es scheint, als würde Souad neben einem sitzen und ihre Geschichte erzählen. Immer wieder blitzen Erinnerungen auf. Sehr gut hat mir auch gefallen, dass ihre Retterin selbst zu Wort kommt und über ihre Arbeit berichtet.


    Von mir gibt es dafür


    5ratten



    PS: Bei Amazon gibt es übrigens eine Leseprobe. :winken:

    Einmal editiert, zuletzt von Alfa_Romea ()

  • Zitat von "Thanquola"

    Hallo! :winken:


    Heute will ich mich mal an meine erste Rezension wagen, denn dieses Buch hat mich unglaublich beeindruckt.


    Na, und für die erste Rezension ist sie auch sehr schön geworden.
    Ich habe während das Buch geschrieben wurde ein Interview mit der Autorin gesehen, das war schon heftig.
    Ich bin mir nur noch nicht sicher, ob ich das Buch wirklich lesen möchte.
    Darf ich fragen wie es dir nach Beendigung des Buches ging?

  • Hallo Papyrus! :winken:


    Hmm, also ich muss schon sagen, dass ich nach dem Lesen ganz schön aufgewühlt war. Man kann sich nur wundern, durch was für eine Hölle diese Frau gegangen ist. Andererseits kommt natürlich auch eine enorme Wut und Abscheu hoch, wie sich die Männer in diesem Land nur so verhalten können und das als völlig normal empfinden. :entsetzt: Als Europäerin ist das ziemlich schwer nachzuempfinden. Andererseits war ich erleichtert, nicht unter solchen Umständen leben zu müssen. Und wenn man sich mal vor Augen hält, über was man sich hier so Sorgen macht - da kommt man sich regelrecht lächerlich vor.


    So schnell vergisst man das Buch nicht, mich beschäftigt es immer noch. Ich habe auch sehr lange mit meinem Schatz darüber diskutiert. Man muss sich auch mal vor Augen halten, dass das Buch nach wie vor aktuell ist (Souad ist heute über 40). Und wer dann denkt: "Ach, das ist ja so weit weg, bei uns gibts das nicht" : Erst kürzlich hat es in Deutschland einen "Ehrenmord" gegeben.


    Ansonsten kann ich nur sagen: Das Buch ist wirklich nichts für schwache Nerven, aber es ist absolut lesenswert.

  • Ich kann Thanquola nur Recht geben. Ich habe mir das Buch gestern gekauft und heute zu Ende gelesen, ich habe es mehr oder weniger in einem durch gelesen, weil ich nicht mehr aufhören konnte.


    Man kann sich gar nicht vorstellen, wie eine Familie oder eine Mutter so etwas ihrer Tochter antun kann. Aber diese Menschen wachsen auf damit, dass es normal ist. Sie kennen nichts anderes. Was mich aber am meisten aufgeregt hat, war und ist die Tatsache, dass immer nur die Frau bestraft wird. Der Mann, der sie geschwängert hat, macht sich aus dem Staub, obwohl er ihr die Ehe versprochen hat. Ihm wird nichts getan, aber sie wird wegen einer "Ehre" verbrannt.


    Das Buch soll die Welt aufrütteln und den Männern endlich klar machen, dass es so nicht gehen kann.


    Aber das wird nicht so schnell geschehen, denn im Endeffekt versteckt sich Souad heute noch, man weiß nicht wo sie wohnt - irgendwo in Europa und sie gibt im ganzen Buch auch den Namen ihres Heimatortes nicht bekannt aus Angst vor weiteren Verfolgungen ihrer Familie, denn wenn die merken, dass sie noch lebt, ist sie ihres Lebens nicht mehr sicher.


    Katrin

  • Ich danke euch beiden für eure ausführliche Stellungnahme, ich möchte das Buch nicht lesen (ich glaub dann rege ich mich zu sehr auf).


    Schade dass es solche Zustände gibt um überhaupt Bücher dieser Art schreiben zu müssen :sauer:

  • Beim Lesen hatte ich das immer stärker werdende Gefühl, dass Westjordanien das Schlaraffenland für alle prügelwütigen Männer ist.
    :grmpf:


    Ich hatte von diesem Buch schon viel gehört und wusste daher auch, worauf ich mich einlasse. Aber es hat mich trotzdem geschockt.


    Der junge Mann, der Souad geschwängert hatte, wusste, was ihr bevorsteht, wenn es herauskommt / wenn er sie nicht heiratet. Trotzdem hat er sich aus dem Staub gemacht, was für ein Arsch. Nun ja, dann wird halt noch eine Frau umgebracht, was soll's, gibt ja viele davon, die sind eh nichts wert... Ich könnte in die Luft gehen, wenn ich daran denke.


    Eine tolle Ehre ist das; die kann man nicht erwerben, die kann man nur verlieren und später - vielleicht - durch Mord wieder herstellen.
    Und wenn ich noch hundert Jahre leben sollte, ich werde so etwas nie verstehen.


    ***
    Aeria

  • Ich fand das Buch auch ziemlich heftig, aber ich wusste was da auf mich zukommt. Wir haben das Thema Ehrenmord in der Schule behandelt und als ich dafür recherchiert habe, habe ich ein Interview mit der Autorin gelesen. Ich fand das ziemlich übel. Aber ich finde wir haben uns im Unterricht ganz gut damit auseinandergesetzt und als mir jetzt das Buch ins Auge stach, habe ich es natürlich sofort mitgenommen und gelesen. Ich finde es außerordentlich mutig sowas zu schreiben. Und ich finde außerdem, dass es sehr gut geschrieben ist. Man merkt, dass das alles wirklich passiert ist und immer noch passiert. Es klingt nicht wie irgendeine abgedrehte Geschichte, die sich jemand ausgedacht hat. Ich finde besonders gut, dass vieles so detailiert beschrieben ist. Es ist sehr grausam, aber so bekommt man einen besseren Eindruck von der Brutalität und dass das keine so große Ausnahme ist, was ihr da passiert ist. Man erfährt die ganze Wahrheit und wird damit aufgeweckt, sich mit solchen Themen auseinanderzusetzen. Ein wahrhaft gelungenes Werk.

  • Hallo!


    Ich konnte Bei lebendigem Leib auch nicht mehr aus der Hand legen. Natürlich hatte ich vor der Lektüre schon von Ehrenmorden und auch von Frauen, denen "Unfälle" mit Feuer passieren gehört. Darüber zu lesen ist aber etwas ganz anderes. Auch wenn es mir stellenweise so vorkam als ob Souad über eine völlig Fremde reden würde hat mich ihre Erzählung gefesselt. Auf dem ersten Seiten scheint es als ob es nur der Vater wäre, der den Mädchen das Leben zur Hölle macht. Aber dann stellt sich heraus, dass die Mutter auch nicht besser ist. Manches, was sie tut kommt mir sogar noch schlimmer vor als die Schläge des Vaters. Ich habe mich gefragt, ob sie ähnlich verbohrt wie der Vater war oder ob sie aus Verzweiflung gehandelt hat um selbst nicht noch mehr Schläge zu bekommen. Nachdem ich aber gelesen habe


    Bei Souad kann ich nicht verstehen, warum sie sich auf Faiez eingelassen hat. Konnte sie sich nicht vorstellen, wie die Sache enden wird? Damit meine ich nicht die Schwangerschaft, sondern die Lebensgefahr, in der sie von Anfang an schwebte. Souad kam mir nie mutig oder aufsässig vor. Diese Affäre hat so gar nicht zu ihr gepasst auch wenn Faiez ihr versprochen hat, mit dem Vater zu sprechen. Auch die Tatsache, dass sie im Krankenhaus nur zum Sterben abgelegt wurde und niemand ihr helfen wollte hat mich schockiert und ich frage mich, wie weit sich die Zustände und die Einstellung der Menschen geändert seit ihrem Erlebnis. Ich fürchte, dass sich nicht viel in den Köpfen bewegt hat.


    Ich kann Bei lebendigem Leib nicht uneingeschränkt weiterempfehlen. Nicht weil das Buch so schlecht ist, aber weil es so erschütternd ist.
    5ratten


    Liebe Grüße
    Kirsten

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.

  • Souads Geschichte geht wirklich zu Herzen. Die Umstände, unter denen sie aufwuchs, sind aus europäischer Sicht einfach erschreckend. Als Mädchen gilt sie weniger als eine Kuh, die immerhin Milch gibt, und entsprechend wird sie auch behandelt. Schon das kleinste Vergehen zieht unmenschliche Bestrafung nach sich. Die Maßstäbe setzt nicht nur die Familie, sondern das Dorf, in dem sie lebt, und dabei wird die Ehre ganz besonders hoch eingeschätzt. Doch Souad erzählt nicht nur von körperlicher Züchtigung, sondern auch von Kindstötung, ständiger Todesangst und Mord. Mit den andauernden Ängsten, denen sie ausgesetzt war, musste sie alleine fertig werden, denn selbst innerhalb der Familie hatte sie niemanden, dem sie sich anvertrauen konnte. Und über alldem schwebt im Hintergrund immer die Auffassung, dass alles seine Berechtigung hat, weil es in ihrem Land so Sitte ist.


    Ihrer Einsamkeit verliebt sich Souad in Faiez, ohne ihn kennen. Sie erhofft sich, dass er sie heiratet, damit aus ihrer Isolation holt, und sie gewisse Rechte erlangt, die ihr als Ehefrau zustehen. Und damit gerät ihr Stein ins Rollen.


    Wie sehr Souad diese zweifelhaften gesellschaftlichen Werte verinnerlicht hat, kommt selbst bei dem Abstand von vielen Jahren, die zwischen ihren Erlebnissen und dem Schreiben des Buches liegen, noch deutlich zum Ausdruck. Besonders für ihren Bruder, der letzten Endes auch nicht anders ist als der Vater, empfindet sie noch Liebe. Erst in ihren späteren Jahren in der Schweiz beginnt ein langsames Umdenken, doch der Neuanfang ist mehr als schwer für sie, nicht zuletzt weil sie durch ihre Brandwunden auch innerlich gezeichnet ist. Wirklich ankommen wird sie in ihrem neuen Leben aber nie, weil gerade durch die Veröffentlichung dieses Buches die Angst geschürt wird, dass der Ehrenmord an ihr doch noch vollzogen werden könnte.


    Der Großteil des Buches wird von Souad erzählt, aber es kommt auch Jacqueline zu Wort, die Souad im Namen von Terre des Hommes außer Landes brachte. Leider erfährt man über die daran anschließende Zeit verhältnismäßig wenig. Mich hätte interessiert, wie Souads Eingliederung in die westliche Welt im Einzelnen stattgefunden hat.


    Stilistisch darf man keine hohen Erwartungen hegen. Das Buch ist sehr schlicht geschrieben, genau so, wie man es von jemand erwartet, für den Sprache jahrelang ein rein mündliches Kommunikationsmittel war, aber die erschütternden Ereignisse sprechen für sich.


    4ratten