Ödön von Horvath - Jugend ohne Gott

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    Zum Inhalt:


    „Alle Neger sind hinterlistig, feig und faul“ schreibt ein Schüler zu dem von der Aufsichtsbehörde vorgegebenen Thema „Warum müssen wir Kolonien haben“.
    Der Lehrer, alleinstehend, 34 Jahre alt, schließt sich dieser aus Vorurteilen bestehenden Gesellschaft mit seinem Denken nicht an, doch nach außen „macht er mit“, weil er Angst um seinen Job hat. Seine Antwort „Neger sind auch Menschen“ bringt ihn in größte Schwierigkeiten mit den Eltern und auch den Spitznamen „Neger“ unter den Schülern.


    Mit großem Bedenken beobachtet er die Verrohung der Jugend („alles Denken ist ihnen verhasst. Sie pfeifen auf die Menschen! Sie wollen Maschinen sein, Schrauben, Räder, Kolben, Riemen - doch lieber als Maschinen wären sie Munition: Bomben, Schrapnells, Granaten. Wie gerne würden sie krepieren auf irgendeinem Feld! Der Name auf einem Kriegsdenkmal ist der Traum ihrer Pubertät“), die Vorgabe durch die Medien „was zu denken ist“. Verstärkt wird dieser Verlust der Individualität dadurch, dass die Schüler nur Großbuchstaben statt Namen („Nummern“) haben. Das sogenannte „Zeitalter der Fische“ ist im Anbruch.


    Er begleitet seine Schüler auf ein von der Regierung verordnetes Ferienlager zur körperlichen Ertüchtigung. Als dort ein Mord geschieht, in den auch er gewissermaßen am Rande verwickelt ist, tritt er aus seiner Introvertiertheit und Phlegmatik heraus, springt über seinen Schatten und kämpft offen für die Wahrheit und Fairness, ohne Rücksicht auf Verluste.


    Der Lehrer hadert mit Gott, kann nicht begreifen, warum Gott solche Zustände zulässt. Doch während des Romans ändert sich auch sein Gottesbild.





    Ödön von Horvath:


    Geb. am 9.12.1901, als unehelicher Sohn des ungarischen Diplomaten Dr. Edmund Josef Horvath und der Maria Hermine Prehnal im ungarischen Fiume (heute: Rijeka, Kroatien)


    Er besucht Schulen in Budapest, Wien und München, studiert Germanistik in München.


    Er lebt in Berlin, Salzburg und Murnau (Oberbayern).


    1927
    Seine frühen Theaterstücke, wie "Revolte auf Côte 3018", zeigen seine Hinwendung zur Volkskultur und politischen Geschichte Deutschlands.
    Aufgrund des Erstarkens der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) warnt Horváth in seinen Stücken zunehmend vor den Gefahren des Faschismus.


    1930
    Veröffentlichung des Romans "Der ewige Spießer".



    1931
    Uraufführung der bedeutendsten Theaterstücke Horváths - "Italienische Nacht" und "Geschichten aus dem Wienerwald" - in Berlin. Durch den Erfolg dieser Stücke wird Carl Zuckmayer auf Horváth aufmerksam. Zwischen beiden entwickelt sich eine Freundschaft.
    Horváth erhält für "Geschichten aus dem Wienerwald" den Kleist-Preis.



    1933-1938
    Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten übersiedelt Horváth nach Wien. Er schreibt weiterhin Theaterstücke und Romane.



    1937
    Uraufführung der Komödie "Figaro lässt sich scheiden" in Prag.
    Veröffentlichung des gegen die Diktatur gerichteten Romans "Jugend ohne Gott" in Amsterdam.



    1938
    Nach dem "Anschluß" Österreichs emigriert Horváth nach Paris.
    Er veröffentlicht den Roman "Ein Kind unserer Zeit" in Amsterdam und New York.
    1. Juni: Ödön von Horváth wird auf den Champs-Élysées während eines Gewitters von einem Ast erschlagen.


    Meine Meinung:


    Für mich eines der wichtigsten Werke der Zwischenkriegsliteratur, das in keinem Schulunterricht fehlen darf und auch beim dritten Wiederlesen immer noch wahnsinnig viel hergibt. Ein Buch, das von Erzähltechnik und Stil sehr einfach geschrieben ist, mit seinen knapp 150 Seiten rasch ausgelesen ist, aber über das man stundenlang sinnieren und interpretieren kann. Über Mitläufertum, über den Mut, den Mund aufzumachen, über die Gefahr der Anonymität und der Gleichgültigkeit über die Gefahr der Manipulation, etc.



    ABSOLUT EMPFEHLENSWERT!!

    :blume:&nbsp; Herzliche Grüße!&nbsp; :blume: <br />creative

    Einmal editiert, zuletzt von fairy ()

  • Ich schließe mich creatives Meinung voll an. Das Buch habe ich als Jugendliche mehrmals gelesen, und kaum ein Buch hat einen derart tiefen Eindruck auf mich gemacht! Ich müsste es unbedingt mal wieder lesen.

    Wir sind irre, also lesen wir!

  • Hallo creative,


    eine sehr schöne Rezension :blume: "Jugend ohne Gott" habe ich vor Jahren gelesen und es hat mir gefallen, hat mich auch nachdenklich gestimmt. In jedem Fall empfehlenswert!


    Liebe Grüße
    Manjula

  • Ich habe Jugend ohne Gott vor etwa zwei Monaten gelesen und war beeindruckt vom Tempo und von der Klarheit der Sprache. Ich habe in der Monatszusammenfassung geschrieben, Bernhard Schlink sei sein schrecklicher Vorleser vor dem Hintergrund dieses intelligenten Buches kaum zu verzeihen. Während Schlink nämlich versucht, eine Rechtfertigung für Mitläufertum zu finden (ein Ansatz, der mir schon an sich nicht einleuchtet und höchst unsympathisch ist), zeigt uns Horváth, wie auch die kleinste Geste der Zivilcourage, groß(artig)e Auswirkungen haben kann.
    Das Zeitalter der Fische ist angebrochen, was für ein einprägsames Bild.
    Ein grandioses Buch!

  • Es ist ein Buch über Klassenunterschiede und Rassendiskriminierung, über Ethik und Moral, über Gott und Gottlosigkeit, über Gerechtigkeit und Verlogenheit, über die Jugend, die nicht denkt, und über Erwachsene, die denken zu denken; verpackt in 148 Seiten.
    Ich bin nicht so sehr angetan von dieser Lektüre, weil mir ehrlich gesagt, die nicht endene Moralpredigt irgendwann zu viel wurde. Meiner Meinung nach ist dieses Buch das beste Beispiel dafür, wie man der Jugend „Keine-Lust-auf-mehr-Literatur“ vermitteln kann.
    Aber vielleicht ist das nur meine Meinung, aber der ständige Fingerzeit finde ich abschreckend. Sittenverfall kann man auch anders darstellen.


    Über die Sprache: Stellenweise hat sie mir gut gefallen, wenn der Autor Metaphern verwendet wie: „die Lüge tanzt mit der Gerechtigkeit“, ansonsten fand ich sie eintönig, bisweilen einschläfernd.


    Mir hat das Buch nicht gefallen.

  • Hallo Heidi Hof!


    Welche Moralpredigt denn? Ich meine, ja, das Buch behandelt Moral und den Verfall der Moral (im "Dritten Reich"), aber es gibt doch gerade keinen Zeigefinger, sondern eine ausgesprochen schwache und lamge Zeit sehr feige Hauptfigur, die aber demonstriert: selbst mit dem bisschen Courage und trotz der vielen Verfehlungen ist es möglich, positiv Einfluss zu nehmen. Wo siehst du da denn den Zeigefinger?


    fragt sich B.

  • Zitat von "Bartlebooth"

    Hallo Heidi Hof!


    Welche Moralpredigt denn? Ich meine, ja, das Buch behandelt Moral und den Verfall der Moral (im "Dritten Reich"), aber es gibt doch gerade keinen Zeigefinger, sondern eine ausgesprochen schwache und lamge Zeit sehr feige Hauptfigur, die aber demonstriert: selbst mit dem bisschen Courage und trotz der vielen Verfehlungen ist es möglich, positiv Einfluss zu nehmen. Wo siehst du da denn den Zeigefinger?


    fragt sich B.


    Moralpredigt und Fingerzeig in dem er in den knappen 148 Seiten alles aufgreift was in einer Gesellschaft nur "stinken" kann. Das ist mir einfach zu mager, und vermittelt extrem das Gefühl, jetzt schlage ich mal alles in die Pfanne.
    Zudem sehr heuchlerisch, weil ich dem Protagonisten keinen Augenblick abnehme, dass er ja ach so ein guter Mensch nun wird.


    Außerdem finde ich von Bernhard Schlink "Der Vorleser" wesentlich besser. Schlink sucht sich zum Glück nur ein Thema, und keine Themenverzettelung, und arbeitet dieses sehr anschaulich aus. Seine Sicht von Schuld und Sühne ist gut nachzuempfinden und sprach mich sehr an.

  • Hallo Heidi Hof,


    "alles, was in einer Gesellschaft stinken kann" bekommt nicht einmal Horváth auf 150 Seiten; da würde mir schon noch einiges einfallen, was er nicht thematisiert.
    Du solltest vielleicht auch ein bisschen Distanz zur Fiktion aufbauen. "JoG" als "heuchlerisch" zu bezeichnen, finde ich etwas eigenwillig. Es geht außerdem gerade darum, dass der Protagonist eben kein besonders guter Mensch ist, sondern in eklatanter Weise moralisch gefehlt hat. Noch amEnde Fragt der N den Lehrer: "Warum denken Sie nur an sich? [...] Aber der Fisch, Herr lehrer, und Sie, das ist jetzt ein und dasselbe." (S.148 der Suhrkamp-Ausgabe). Und der Lehrer bekennt drei Seiten vor Schluss noch seine Mitschuld am Bösen (154). Nach einer totalen Läuterung zum "ach so Guten" sieht das für mich nicht aus. Schwarzweißmalerei kann man dem Text demnach schwerlich vorwerfen.


    "Der Vorleser" ist ein Zeitgeist-Buch, das deshalb sein Publikum gefunden hat. Mich gruselt dieser Erfolg eines hochgradig verharmlosenden Buches. Gewissermaßen ist es das Negativ von Horváth. Wo Horváth deutlich benennt, was nicht stimmt (und er schrieb "Jugend ohne Gott" ja 1937, was man nicht vergessen sollte, es geht hier also nicht um ein Besserwissen aus dem sicheren Nachkriegsdeutschland heraus), ist Schlink 50 Jahre nach Kriegsende dabei, moralische Verfehlung in bedenklicher Weise zu bagatellisieren. In diesem Fall bin ich gerne auf Seiten des Moralisten, auch wenn ich Horváth aus den genannten Gründen keineswegs als solchen empfinde.


    Herzlich, B.

  • Hallo Bartlebooth


    Du darfst mich dennoch einfach nur Heidi nenen :zwinker:


    Lass es doch einfach dabei, dass ich das Buch nicht besonders mag. Auch langatmige Diskussionen würden mich jetzt nicht anders stimmen.


    Allerdings möchte ich ein Wort noch zu Schlink sagen.
    Du nennst es verharmlosenden Zeitgeist, dem möchte ich widersprechen. Mir ist sehr wohl bewusst welche Greuel sich alles abspielten, und ich finde es entsetzlich. Doch ich empfinde es auch als entsetzlich, dass sich meine Generation und die heutige Jugend immer noch dafür verantworten müssen. Die Schuld wird uns wohl noch bis in alle Ewigkeit verfolgen, und das ertrage ich nicht. Meiner Meinung nach ist es genau das, was Schlink in den Vordergrund stellt, eine Schuld, die selbst die heutige Jugend zerdrückt und quält.
    Um vorweg zu nehmen: Ich bin kein Antisemit! Das habe ich mir schon so manchmal anhören müssen.
    Ich denke (ich lese auch sehr viel darüber), dass wir die Vergangenheit immer vor Augen haben müssen, wir uns dennoch von dieser Schuld befreien müssen, auch im Hinblick auf eine bessere Zukunft.
    In der Unfreiheit kann man nichts bewegen :zwinker:

  • Zitat von "Heidi Hof"

    Hallo Bartlebooth
    Lass es doch einfach dabei, dass ich das Buch nicht besonders mag. Auch langatmige Diskussionen würden mich jetzt nicht anders stimmen.


    Hallo Heidi,


    ich erlaube mir, in einem Diskussionsforum nicht nur Statements abzugeben, sondern auch zu diskutieren und zu argumentieren. Ob du das Buch nicht magst ist eins, aber deine Vorwürfe von "Moralpredigt", "Heuchelei" oder Wandel zum "ach so Guten" lassen sich mit einem Blick in den Text eben widerlegen. Und das in diesem Ordner zu tun, ist mir wichtig.


    Noch einmal zum Schlink: Es gibt einen moralphilosophischen Unterschied zwischen Schuld und Verantwortung. Ich trage als Anfang 30jähriger keine Schuld an den Verbrechen des Naziregimes, aber als Deutscher sollte ich Verantwortung übernehmen, indem ich mir dieser Taten besonders bewusst bleibe. An Verantwortung kann ich überhaupt nichts "Erdrückendes" finden.


    Herzlich, B.

  • Hallo ihr beiden!


    Ich verfolge diese Diskussion mit großem Interesse. Leider kann ich zum Vergleich mit Bernhard Schlink gar nichts sagen, weil ich "Der Vorleser" wohl auf meinem SUB haben, ihn aber (noch) nicht gelesen habe.
    @ Heidi, es geht hier nicht darum, dass wir dich "überreden" wollen, dass dir das Buch dann doch gefällt. Keineswegs, erstens weil man das nicht kann, weil das subjektive Eindrücke und Meinungen sind, andererseits, weil ich es auch nicht will.


    Aber ich finde es immer interessant, was genau anderen an den Büchern gefällt/missfällt, und dazu ist das Forum schließlich auch da.


    Schade, Heidi, dass du dich mit diesem Buch nicht so anfreunden konntest. Wie oben schon erwähnt, hat es mir ausgesprochen gut gefallen.


    Ich finde es auch absolut bemerkenswert, dass Horvath diesen Roman 1937 geschrieben hat. Leider verstarb er viel zu früh im Jahr 1937 sodass er die traurige Gewissheit, wie Recht er doch hatte, nicht mehr erfuhr. Diese Vorahnung, in welche Richtung die Gesellschaft ging, das faszinierte mich von Anfang an an diesem Buch, und darin liegt für mich auch die Bedeutung.


    Und wie B. schon erwähnte, Schlink sieht alles im Nachhinein (wo dann meist alle gescheiter sind).



    Zitat von "Heidi Hof"

    Meiner Meinung nach ist dieses Buch das beste Beispiel dafür, wie man der Jugend „Keine-Lust-auf-mehr-Literatur“ vermitteln kann.


    Dem kann ich leider nicht zustimmen. Ich glaube, dass es ein Buch ist, das sehr wohl auch junge Leute faszinieren kann. Für alle, die nicht gerne interpretieren ist es eine spannende Geschichte, die auch nur mit eher oberflächlichem Lesen ein bisschen zum Nachdenken anregt, für alle, die mehr Tiefgang suchen, gibts hier unendlich viele Ansätze (z.B. "Das Zeitalter der Fische", die Haltung und Wandlung des Lehrers, die doch eigenartige Namensgebung, etc.)


    Für mich ist und bleibt es ein großartiges Buch! :bang:

    :blume:&nbsp; Herzliche Grüße!&nbsp; :blume: <br />creative

  • :urlaub:


    Ich glaube, dass es dasc erste Buch war, was mich mit meinen zarten 15 jahren so tief berührt hat. Es ist echt der Wahnsinn.

  • Hallo ihr Zwei


    Ich bin ein Hobby-Literatur-Leser und ich interessiere mich sehr für Literatur.
    An einer anderen Stelle, Creative weiß bestimmt worauf ich nun hinaus möchte, gab es schon einmal eine Diskussion, wie man an Literatur herangehen sollte.
    Ich habe bei Euch beiden den Eindruck, dass Ihr euch von der Vielfalt der Interpretationsmöglichkeiten überwältigen lasst, ohne auf das eigentlich geschriebene Wort einzugehen.
    Horvárth beschreibt hier einen Protagonisten, der auf den ersten 40 Seiten herüber kommt, als ob er ein wirklich anständiger Kerl wäre. Alle Anderen (Jugend, Direktor und Eltern) stehen in seinem Schatten „Neger sind auch Menschen“.
    Dann wird der Protagonist durchleuchtet, und es kommen schändliche und heuchlerische Charaktereigenschaften zu Tage. Und er ist gottlos!
    Doch wie kommt es zu diesem Sinneswandel? Wie beschreibt es der Autor, dass er wieder zu Gott findet? Im Suff, nicht wahr?
    Danach gesteht er sein Verschweigen, und deckt den Fall auf.
    Diese Entwicklung finde ich sehr fragwürdig, schrecklich, unreal, ach einfach absurd.
    Ich bin damit nicht einverstanden, ich finde es heuchlerisch. Bei mir kam keine Lust zur Interpretation auf, weil ich die ganze Vielfalt und die Handlung einfach nur zuwider fand.


    Bitte jetzt nicht böse sein, aber tut mir mal den Gefallen und haltet euch das mal vor Augen.
    Ich weiß, über dieses Buch kann man, wenn man möchte, Bücher schreiben, weil Horvárth so viel anspricht, aber …



    Hallo Bartlebooth


    Und dann wieder ein Wort zu Schlink:
    Schlink schreibt nicht über die unmittelbare Schuldfrage, das ist einfach falsch. Schlink schreibt über Generationen, die das Gräuel nicht mehr miterlebt haben, und dennoch mit dieser Schuld (von außen) belastet werden. Es handelt sich um die mittelbare Schuldfrage, die keine ist, denn wie du schon selber sagst: Unsere Generation trägt Verantwortung und hat keine Schuld mehr.
    Leider ist es heute noch immer so, dass uns leider einige Juden immer noch beschuldigen. Und ich habe es selber in den Niederlanden erlebt, dass ich als Deutsche als Nazi beschimpft wurde. Um diese Schuldfrage geht es in diesem Buch, und nicht um die unmittelbare Schuld, hier sind die Meisten schon verstorben.


    Bitte, wirklich jetzt nicht sauer sein, das ist nur meine Meinung ;)

  • Hallo Heidi,


    Zitat von "Heidi Hof"

    Schlink schreibt nicht über die unmittelbare Schuldfrage, das ist einfach falsch.


    Ach so? Der Text sagt etwas anderes. Schlink beschreibt im zweiten Teil des "Vorlesers" doch ohne jeden Zweifel den Prozess gegen eine ehemalige KZ-Aufseherin. Hier geht es selbstverständlich um die Schuldfrage (sie selbst war Aufseherin). Er beschreibt zweitens die Reflexion des Prozesses durch ihren ehemaligen jugendlichen Liebhaber. Und diese sind, das bestätigen dir auch Zeitgeschichtler, die sich mit Tradierungsprozessen in Bezug auf die Nazizeit befasst haben, wenigstens bedenklich, weil sie ihrerseits nicht mehr reflektiert werden. Ich gebe unten mal ein neueres Buch an, das sich mit dieser Thematik auseinandersetzt.


    Über die Frage der Verantwortung können wir uns auf der Basis, die du anbietest, nicht verständigen. Beschuldigungen einzelner Menschen wirst du nicht verhindern können, aber im öffentlichen Diskurs (wie zB der Walser-Bubis-Debatte) geht es nicht um Schuld, sondern um Verantwortung, die zurückgewiesen wird. Und dafür sehe ich nicht nur keine Notwendigkeit, ich halte diese Entwicklung für brandgefährlich.


    Zitat

    Ich habe bei Euch beiden den Eindruck, dass Ihr euch von der Vielfalt der Interpretationsmöglichkeiten überwältigen lasst, ohne auf das eigentlich geschriebene Wort einzugehen.


    Was ist denn das "eigentlich geschriebene Wort"?

    Zitat

    Dann wird der Protagonist durchleuchtet, und es kommen schändliche und heuchlerische Charaktereigenschaften zu Tage. [...] Doch wie kommt es zu diesem Sinneswandel?


    Zu welchem Sinneswandel? Es gibt keinen Sinneswandel, sondern es wird gezeigt, wie der Lehrer die Kraft nicht ausfbringt zu seiner spontan gemachten kleinen Auflehnung weiterhin zu stehen. Das ist kein "Sinneswandel", sondern (bis zu einem gewissen Grad nachvollziehbare) Feigheit. Und wie der Lehrer mit seiner eigenen Feigheit (nicht) zurechtkommt und mit ihr umgeht, sie am Ende zum Teil überwindet, das wird im folgenden - sehr differenziert, wie die Zitate vom Ende des Buches, die ich angeführt habe, zeigen - beschrieben.


    Du kannst schwerlich einen Text lesen, ihn verwerfen und dann (ohne Beleg im Text!) sagen, was du in ihm liest, sei "das eigentlich geschriebene Wort". Deine Meinung in allen Ehren, aber ohne eine nachvollziehbare Begründung (und zu der gehört bei Literaturbetrachtung unbedingt ein Textbeleg) ist eine Meinung erstmal nur eine Behauptung.


    Herzlich, B.

  • Ich habe dieses Buch in der 9.Klasse vor drei Jahren gelesen. Ich habe es förmlich verschlungen, so angetan war ich von der Lektüre dieses von Ödon von Horvath geschriebenen Werkes.
    Ich finde diesen Transfer von der damaligen Zeit, den Horvath in seinem Roman gestaltet, sehr fasznierend. Ich liebte die Gedankengänge, die der Autor den Charakteren zugewiesen hat, weniger weil ich ihnen zustimme (nein, das auf keinen Fall), sondern weil sie gerade so unverständlich sind.


    Wunderbar...



    :laola:

  • Dieses Buch! Es war einer der besten Schullektüren, die ich bisher gelesen habe. Ich glaube, ich habe es in der 9. Klasse gelesen und ich fand es ganz und gar nicht einschläfernd, das Gefühl einer übersteigerten Moralpredigt kam bei mir und meinen Mitschülern auch nicht auf.


    Für dieses Buch bin ich meinem damaligen Deutsch-Lehrer immernoch dankbar.


    Lg, Bella*

  • Ich weiß nicht so recht, was ich von diesem Buch halten soll. Die Geschichte finde ich gut, aber der Schreibstil lässt alles so unwirklich und die Charaktere so flach erscheinen. Ich kann mich mit Horvaths Sprache nicht anfreunden - sie lässt den Leser außen vor. Ich persönlich konnte mich praktisch gar nicht mit den Protagonisten identifizieren. Außerdem steht die Moralpredigt zu offensichtlich im Vordergrund.

    [i]Wir brauchen aber die Bücher, die auf uns wirken wie ein Unglück, das uns sehr schmerzt, wie der Tod eines, den wir lieber hatten als uns, wie wenn wir in Wälder vorstoßen würden, von allen Mensche

  • Also die Sprache und der flotte Handlungsablauf haben mir sehr zugesagt. Die Problematik, die Horvath anspricht, die Interaktion zwischen Jugend und Medien ist mehr als aktuell. Nur erscheint mir Gott zu häufig. Da habe ich immer einen schalen Beigeschmack. Und die Gedankenwelt des Lehrers bezüglich des Mädchens erscheint mir mehr als schleierhaft. Sie ist noch minderjährig und er denkt über Liebe zu ihr nach? Da kann was nicht stimmen!
    Das Buch erhält von mir 4ratten

    "Es ist die Pflicht eines jeden, es auch auszusprechen, wenn er etwas als falsch erkennt." --- Stefan Heym, 2001

  • "Lauter missleitete Töchter der Eva"


    Das einzige, was mir am Buch gefallen hat, sind die vernichtenden Reflexion über Frauen und der Anfang des Buches. Das weitere Geschehen ist mir künstlich und langweilig gekommen - ein seltsames Mitglied der Exilliteraturgattung. Oder ist es meine allgemeine Aversion gegen Schullektüre?


    Wenn Exilliteratur, dann die Family Mann=)

  • Normalerweise war ich immer so eine, die "Pflichtlektüren" in der Schule eher skeptisch betrachtete, weil sie in Verbindung mit Schule automatisch als schlecht empfunden wurden (zumindest war das bei uns in der Klasse so).
    Doch bei Jugend ohne Gott wurde mein Geschmack vollends getroffen. Ich habe dieses Buch sehr gerne gelesen und ich weiß auch noch, dass ich davon mehr als nur schockiert war, weil mir die Problematik in diesem Buch sehr ans Herz ging.
    Dieses Buch muss ich mir unbedingt noch selbst zulegen und nochmals lesen! :)

    :leserin: [color=#CC0077]<br />Leo Tolstoi - Anna Karenina<br />Geneva Lee - Royal Passion<br />Frank Schätzing - Tod und Teufel<br />Patrick Rothfuss - The Name of the Wind<br />Maggie Stiefvater - The Raven Boys