Aldous Huxley - Brave New World / Schöne neue Welt

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  • London im Jahre 632 nach Ford (nach unserer Zeitrechnung 2540):


    Nach einem furchtbaren Krieg im Jahre 146 n. F. hat sich die Gesellschaft radikal geändert. Hauptziele des Staates sind nun Gemeinschaft, Gleichheit, Stabilität.


    Die Gemeinschaft drückt sich vor allem dadurch aus, dass "jeder jedem gehört" und es keine wirklichen zwischenmenschlichen Beziehungen mehr gibt. Auch die Familie wurde abgeschafft.
    Die Gleichheit findet sich nicht in der Gesamtbevölkerung, sondern innerhalb der verschiedenen Klassen, die jeweils nach den griechischen Buchstaben benannt sind. Fünf verscheidene Klassen von Menschen, von Alphas bis Epsilons, die alle genau auf ihren Zweck hin entwickelt und konditioniert werden. Man kann sie an Statur, Arbeitsstelle und Kleidung unterscheiden.
    Die Stabilität wird in dieser Gesellschaft rein künstlich erzeugt, nämlich dadurch, dass die künstlich befruchteten und in Kinderheimen aufgezogenen Menschen genau auf ihren Zweck in der Gesellschaft hin konditioniert werden und im Prinzip keine freie Meinung mehr bilden können. Der einzige, der hin und wieder den Sinn der Gesellschaft anzweifelt, ist Bernard Marx, ein Alpha-Mann, bei dessen Produktion etwas schiefgegangen ist, weshalb er auch kleiner und weniger attraktiv ist als der durchschnittliche Alpha-Mann.


    Bernard fährt mit Lenina Crowne, einer Frau, für die er sich interessiert, zu den Wilden ins Reservat. Dort leben primitive Menschen in einer Gemeinschaft, die zumindest durch ihre Werte mehr an unsere heutige Gesellschaft erinnert als die Schöne neue Welt. Dort lernen sie John und Linda kennen. Linda, selbst ursprünglich Beta-Frau, hatte sich vor vielen Jahren bei einem Ausflug ins Reservat verlaufen und wurde von ihrer Begleitung zurückgelassen. Die primitive Gemeinschaft nahm sie auf, und kurze Zeit später brachte sie John zur Welt. Weil Linda sich nie in die Gruppe einfügen konnte und sie und John daher gemieden werden, entschließen sie sich, mit Lenina und Bernard in die Zivilisation zurückzukehren. Es stellt sich jedoch heraus, dass sie auch dort nicht dazugehören.


    Auf nur ca. 240 Seiten schildert Huxley seine düstere Zukunftsvision. Der Roman wird heute vor allem noch in der Schule gelesen, wo er mit Orwells 1984 und Bradburys Fahrenheit 451 die Trias der dystopischen Romane im Englischunterricht bildet. Dort passt er auch gut hin, er ist auch im Original leicht zu lesen und natürlich schön kurz.
    Was die Botschaft des Buches angeht, so fand ich, dass Huxley zu häufig mit dem Holzhammer ankommt. Das war mir alles viel zu überzeichnet. Ich kann mich erinnern, dass mich 1984 damals viel stärker beeindruckt und bedrückt hat. Andererseits kamen mir gerade einige technische Errungenschaften sehr bekannt vor. Vielleicht steuern wir mit der modernen Reproduktionsmedizin genau in Richtung so einer Schönen neuen Welt?


    Ein lesenswertes Buch, aber für mich weiterhin eher ein "Kann" als ein "Muss".


    3ratten

  • Das Buch haben wir auch im Englischunterricht gelesen.
    Das ist schon ein paar Jahre her, deshalb weiß ich nicht mehr ganz so viel von dem, was das Buch bei mir bewirkt hat.


    Ich fand es nicht sonderlich gut, aber auch nicht wirklich schlecht, also im Großen und Ganzen ganz annehmbar.



    Ich kann mich erinnern, dass mich 1984 damals viel stärker beeindruckt und bedrückt hat.


    Das kann ich auch sagen, 1984 hat mich mehr zum Nachdenken angeregt und auch mehr berrührt.
    _Brave New World_ habe ich relativ schnell abgehakt, wohl weil, wie adia schon sagte, viele Szenen überzeichnet und überspitzt dargestellt werden, einfach zu extrem, als dass es wirklich wahr sein (oder werden) könnten.


    Trotzdem habe ich das Buch beim letzten Büchersortieren auf den Stapel der re-reads gelegt.
    Eine Lektüre losgelöst vom schulischen Zwang bringt ja bekanntlich ganz andere Eindrücke mit sich.

  • Dieses Buch habe ich vor mehr als 20 Jahren im jugendlichen Alter gelesen. Daher mag meine erst heute erfolgte Rezension etwas zu positiv gefärbt sein.


    Im Mittelpunkt des Buches steht die Frage, was den Wert menschlichen Lebens ausmacht und welche ethischen Maßstäbe zugrunde gelegt werden sollen. Auch heute kann das Buch Antworten auf Themen geben, wie die Nutzung von Embryonen als menschliches Ersatzteillager. Themen wie Gentests, die auch von Versicherungen benutzt werden, stehen vor der Tür. Aber das Buch kann auch in einem übertragenen Sinne interpretiert werden und man kann untersuchen, inwieweit muss ein Mensch in einer Gesellschaft perfekt "funktionieren". Welche Schwache verdient Unterstützung? Was bedeutet uns Solidarität?


    Dieses Buch, mit Themen, die auch in Sachbüchern behandelt werden, stimmt nachdenklich und hat mich seinerzeit nach ähnlich gelagerten Büchern suchen lassen. Letztlich hat mich dieses Buch vom Sachbuch-Leser zum Roman-Leser mutieren lassen. Es gibt ja nicht wenige, die glauben aus Romanen könne man nichts lernen. Dieses Buch zeigte mir das Gegenteil auf. Auch wenn ich heute auf subtiler aufgebaute Romane stehe, bleibt mir mein damaliges Leseerlebnis unvergesslich.


    Daher 5ratten


    Gruß, Thomas

  • Ich bin noch nicht ganz durch, aber ich bin schon etwas enttäuscht, da Schöne neue Welt ja gerne in einem Atemzug mit 1984 genannt wird, welches ich so genial wie schockierend fand.
    Die Grundidee zu Schöne neue Welt war natürlich visionär, aber die Erzählweise langweilt mich im Moment ziemlich, was ich sehr schade finde. Na ja, erst mal fertig lesen.


    Liebe Grüße,
    Polkadot

    Liest:<br />Matt Ruff - Bad Monkeys

  • Ich bin erstaunt, daß die Schöne neue Welt hier so schlecht im Vergleich zu 1984 dasteht. Mein Eindruck war nämlich genau umgekehrt: ersteres fand ich sehr interessant und durchaus vorstellbar (wobei ich dazusagen muß, daß die SnW mein erstes Buch in diese Richtung war), während mir 1984 von vorne bis hinten vollkommen unüberzeugend daherkam und mich völlig kalt ließ.

    [i]Wir brauchen aber die Bücher, die auf uns wirken wie ein Unglück, das uns sehr schmerzt, wie der Tod eines, den wir lieber hatten als uns, wie wenn wir in Wälder vorstoßen würden, von allen Mensche

  • Mir ging es genau wie Pan, "Schöne neue Welt" hat mich wesentlich mehr beeindruckt als "1984". Hinzukommt, dass ich auch "Wir" von Samjatin gelesen habe und da ist 1984 dann nur noch ein alter Hut - alles nur geklaut. Huxley hat da doch mehr eigene Ideen als Orwell und wenn man sich heutige Klonversuche anschaut, finde ich es extrem bedrückend, wie weit wir uns schon in Richtung "Schöne neue Welt" bewegt haben.

    :lesen: Naomi Novik - Uprooted


  • Hinzukommt, dass ich auch "Wir" von Samjatin gelesen habe und da ist 1984 dann nur noch ein alter Hut - alles nur geklaut.


    Das Gefühl hatte ich auch, zumal ich kurz vor 1984 noch Orwells Rezension zu Wir gelesen hatte und dann umso mehr in 1984 auf Spurensuche ging.
    Schöne neue Welt hat mich allein schon deshalb so fasziniert, weil es eine utopische Gesellschaft beschreibt, was doch ungleich anziehender ist, denn schließlich sind wir auf der Suche nach dem Glück und nicht nach dem Unglück.

    [i]Wir brauchen aber die Bücher, die auf uns wirken wie ein Unglück, das uns sehr schmerzt, wie der Tod eines, den wir lieber hatten als uns, wie wenn wir in Wälder vorstoßen würden, von allen Mensche


  • Schöne neue Welt hat mich allein schon deshalb so fasziniert, weil es eine utopische Gesellschaft beschreibt, was doch ungleich anziehender ist, denn schließlich sind wir auf der Suche nach dem Glück und nicht nach dem Unglück.


    Genau das ist ja die interessante Frage in diesem Roman, wie weit darf man gehen, um Glück zu ermöglichen. Die in Schöne Neue Welt angesprochenen Themen halte ich auch für viel näher an der Wirklichkeit als die totalitären Szenarien eines 1984.


    Gruß, Thomas

  • Die in Schöne Neue Welt angesprochenen Themen halte ich auch für viel näher an der Wirklichkeit als die totalitären Szenarien eines 1984.


    Ich hätte nun gesagt, dass die Brave New World visionärer ist, deshalb allgemeingültiger. Nineteen Eighty-Four aber beschreibt, nur wenig geändert, genau die Situation und die Vorgehensweise des stalinistischen Regimes, ist also viel näher an der Wirklichkeit, finde ich ;).

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen. (Karl Kraus)


  • die Vorgehensweise des stalinistischen Regimes, ist also viel näher an der Wirklichkeit, finde ich ;).


    Nicht an unserer westlichen Wirklichkeit.


    Gruß, Thomas

  • Ich kenne das Buch noch aus meiner Schulzeit. Damals hat mich der "Wilde" und sein auf Shakespeare gestützter Fanatismus, mehr entsetzt, als die sogenannte Zivilisation.
    Gruß Ramon

  • Ich klatsche hier mal meine Rezi für den SLW 2007 zu euch dazu :breitgrins:


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    252 Seiten


    Inhalt

    Die "schöne neue Welt", die Huxley in diesem Roman beschreibt, ist die Welt einer konsequent verwirklichten Wohlstandsgesellschaft "im Jahre 632 nach Ford", einer Wohlstandsgesellschaft, in der alle Menschen am Luxus teilhaben, in der Unruhe, Elend und Krankheit überwunden, in der aber auch Freiheit, Religion, Kunst und Humanität auf der Strecke geblieben sind. Eine totale Herrschaft garantiert ein genormtes Glück. In dieser vollkommen "formierten" Gesellschaft erscheint jede Art von Individualismus als "asozial", wird als "Wilder" betrachtet, wer - wie einer der rebellischen Außenseiter dieses Romans - für sich fordert: "Ich brauche keine Bequemlichkeit. Ich will Gott, ich will Poesie, ich will wirkliche Gefahren und Freiheit und Tugend. Ich will Sünde!"


    Huxley schrieb dieses Buch Anfang der dreißiger Jahre. In seinem Essayband "Dreißig Jahre danach" ("Brave New World Revisited") konnte er seine Anti-Utopien an der inzwischen veränderten Welt messen. Er kommt darin zu dem Schluss: sozialer und technischer Fortschritt und verfeinerte methoden der psychologischen Manipulation lassen erwarten, dass diese grausige Voraussage sich in einem Bruchteli der veranschlagten Zeispanne verwirklichen werde.



    Meinung


    Absolut geniales Buch! Teilweise erschreckend, wenn zum ersten Mal Worte wie "die sexuellen Spiele der Kinder" auftauchen.
    Huxley zeichnet durch seine Figuren genau das Für und Wider einer solchen "genormten" Gesellschaft. Was vorher war vs dem, was jetzt ist. Eintausch von Unglück gegen Glück, von Unzufriedenheit gegen Zufriedenheit, von Einsamkeit gegen Zusammengehörigkeit ('Jeder ist seines Nächsten Eigentum') und welche Folgen das alles hat, wie wenig ein Menschenleben noch wert ist, wie wenig ein Mensch noch Mensch ist.
    Utopien bleiben nicht Utopien. Keiner hat früher gedacht, dass die Menschheit mal durch die Lüfte fliegen wird. Erschreckend, wenn auch diese Utopie einmal wahr werden sollte. Wo Menschen gezüchtet werden, Familie nichts mehr bedeutet, "Mutter" ein Schimpfwort ist und der Mensch sich selbst nicht einmal mehr halb so viel wert ist, wie für uns heutige Menschen das Leben von Krabbeltieren.


    Ich fand das Buch einfach genial und würde es immer weiterempfehlen!
    Im Gegensatz zu euch hab ich allerdings auch keine Vergleichsmöglichkeiten, da ich in dieser Richtung für gewöhnlich keine Bücher lese.


    Ich vergebe:
    5ratten

    :leserin: Ozzy Osbourne - I Am Ozzy<br /><br /><br /><br />Never trust anything that can think for itself, if you can&#39;t see where it keeps its brain

  • Ich habe das Buch auf englisch gelesen und fand es sehr gut. Im Vergleich zu 1984 kann ich nur sagen, dass ich von 1984 erschütterter war, vielleicht auch, weil man weiß, dass vieles davon schon passiertIST. während zu meiner Schulzeit vieles von schöne neue Welt noch nicht vorstellbar war. (ich würde Spermien immer noch nicht erwärmen, aber gut...). Heute finde ich beide auch als Zukunftsvision durchaus reaistisch und bedrückend. Letztlich können wir- wenb auch auf ganz andere Weise-mit der modernen Reproduktionsmedizin schon vieles von dem erreichen, was Huxley beschreibt.

    Gib dem Leben Farbe, bring dich ein mit einem Wort, einem Lächeln.

  • Ich lese das Buch gerade und was mich stört und was ich auch verwirrend finde ist, dass das Buch in meiner Übersetzung in Berlin spielt. Am Anfang des Buches ist eine Anmerkung, dass die Geschichte nicht ortsgebunden wäre und deshalb zum besseren Verständnis vom Englischen ins Deutsche gelegt worden ist, aber ich weiß ja nicht .... Irgendwie denke ich beim Lesen immer an England und wenn dann mal wieder das Wort "Berlin" auftaucht, bin ich völlig überrascht. Und ich frage mich, ob dieses Umbetten notwendig war. Ich hätte die Geschichte lieber original gelesen. Hat es hier jemand in Deutsch gelesen? Ist das bei allen Übersetzungen so? Sehr suspekt!

    Das Wertvollste, das ein Mensch dir schenken kann, ist seine Zeit, denn sie ist unwiederbringlich verloren.

  • Ich finde es auch ganz eigenartig, dass das Buch in der deutschen Übersetzung in Berlin spielt. Hab es in der Schule in englisch gelesen und wollte Jahre später mal in die deutsche Version reinschauen. Hab es dann aber bleiben lassen weil mich das so genervt hat.
    Ich frag mich auch, ob es sich hier um einen Sonderfall handelt oder ob das öfter vorkommt. :confused:

  • Ich frag mich auch, ob es sich hier um einen Sonderfall handelt oder ob das öfter vorkommt. :confused:


    Hin und wieder. V.a. bei älteren Übersetzungenin der Science Fiction. (Mit "älter" meine ich so die 80er des letzten Jahrhunderts.) Joe Haldemans "Forever War" z.B. wurde um 20 Jahre nach vorne versetzt, wenn ich mich recht erinnere, und so der Ausgangspunkt (die traumatischen Erlebnisse des Vietnamkriegs) schlicht und ergreifend gestrichen ...

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen. (Karl Kraus)

  • Meine Meinung:


    Ich fand "Schöne neue Welt" genial! Kaum zu glauben, dass der Roman im Jahr 1932 geschrieben wurde und ich bin sehr beeindruckt von der visionären Kraft dieses Autors. Denn manche Szenen sind aus unserer heutigen Sicht durchaus vorstellbar, zumindest was die technische Machbarkeit und den Stand der Wissenschaft betrifft.


    Mich hat das ganze Szenario sehr nachdenklich gestimmt und Überlegungen in vielerlei Richtungen angeschoben. Erschreckend fand ich die Selbstverständlichkeit, mit der diese fiktive Gesellschaft der Zukunft ihre Normung auf Glück und Gleichstand akzeptiert, und zwar auf allen Ebenen. Alle Bedürfnisse werden sofort und gezielt gestillt, das Leben durchläuft vom ersten Moment an eine präzise Planung, die niemals von der Norm abweicht, und Fehlfunktionen der menschlichen Seele werden mit Drogen übertüncht.


    Das ungute Gefühl beim Lesen hat mich nie ganz verlassen, selbst als Figuren ins Spiel kamen, die nicht nach Normung tickten, sondern ihr Heil bei Shakespeare suchten. Seine Poesie steht im krassen Gegensatz zu den Aufzählreimen des Systems, mit denen die Menschen von Kindheit an beeinflusst werden.


    Die Verlagerung des Schauplatzes der deutschen Fassung von London nach Berlin hat mich nicht gestört; für mich hat die Geschichte funktioniert, so wie sie ist, und zwar ganz unabhängig vom Ort. Da auch die Namen der Protagonisten eingedeutscht wurden, ergibt sich für mich ein rundes Bild. Sprachlich fand ich das Werk außergewöhnlich, und insbesondere der zeitweise sehr rasche Perspektivenwechsel brachte eine faszinierende Eigendynamik mit ins Spiel.


    "Schöne neue Welt" ist eine Lektüre der anspruchsvolleren Art und hat mir keinesfalls Unterhaltung, aber dafür sehr viel Stoff zum Denken und Nachsinnen gebracht. Am Ende steht die Frage, ob immerwährendes Glück ein Segen oder ein Fluch ist und ob die Aufgabe jeglicher Individualität nicht ein zu hoher Preis für dieses Ziel ist.


    5ratten


    Viele liebe Grüße :winken:
    Miramis

    :lesen: Kai Meyer - Die Bibliothek im Nebel

  • Die Frage, die sich mir stellte, nachdem ich Brave New World gelesen hatte, war ob in einer Utopie alle Menschen glücklich sein müssen bzw. ob eine Utopie dann überhaupt realisierbar wäre und in Bezug auf BNW natürlich ob sie überhaupt erstrebenswert wäre. Die Menschen sind zwar alle glücklich, verlieren aber jede Form von Individualismus und Selbstbestimmung.

  • Die Menschen sind zwar alle glücklich, verlieren aber jede Form von Individualismus und Selbstbestimmung.


    Ein Zug, der sich (seit Platon und Morus) durch die gesamte utopische Literatur zieht ...

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen. (Karl Kraus)


  • Die Frage, die sich mir stellte, nachdem ich Brave New World gelesen hatte, war ob in einer Utopie alle Menschen glücklich sein müssen bzw. ob eine Utopie dann überhaupt realisierbar wäre und in Bezug auf BNW natürlich ob sie überhaupt erstrebenswert wäre. Die Menschen sind zwar alle glücklich, verlieren aber jede Form von Individualismus und Selbstbestimmung.


    Diese Utopie zeigt meiner Meinung nach auf sehr eindrückliche Weise, dass es eine „perfekte“ Kultur kaum geben kann. Der Störfaktor Mensch bleibt unberechenbar.


    Als ich dieses Buch vor etlichen Jahren las, empfand ich es als wunderbares Plädoyer für die Menschlichkeit im wörtlichen, nicht idealisierten Sinne. Das hier dargestellte Glück ist ja nur ein vermeidliches, im Endeffekt bloß ein seichtes Dahinleben. Huxley hat schon weit gedacht, indem er mit Soma und Fühlkino den Menschen in seiner Geschichte intensive Momente gab - und doch hat es nicht gereicht. Das macht „Brave New World“ für mich so realistisch und so wunderbar. Das Realistische daran ist eher eine Hoffnung; das Wunderbare eben diese Hoffnung, dass eine völlige Normierung und Reduzierung des Menschen auf wenige, kontrollierbare Faktoren nicht möglich ist.


    Der Auftritt des Wilden hat mich als jugendliche Leserin schwer beeindruckt und mich beim Lesen in eine regelrechte Euphorie versetzt. Dieses vehemente Einfordern dessen, was den Menschen eben zum Menschen macht, mit all seinem Guten und Schlechten, empfand ich als sehr bewegend.

    Brave New World war eines meiner ersten „richtigen“ Bücher und ich bin heute sehr froh darüber, dass ich zu Beginn solches Glück mit der Auswahl meiner Lektüre hatte. Vielleicht wäre ich sonst niemals eine Leseratte geworden.


    Muss ich unbedingt mal wieder lesen :smile:


    5ratten