Connie Willis - Passage

Es gibt 14 Antworten in diesem Thema, welches 4.396 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Keshia.

  • Disclaimer: Dieses Buch hat einen Preis (Locus Award) als beste "SF novel" gewonnen und deswegen schreibe ich meine Rezension unter Protest in diesem Bereich.


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    Connie Willis läuft im Allgemeinen unter der Überschrift Science Fiction, „Passage“ kann ich aber eindeutig nicht darunter einordnen, da es nicht in die Utopie/Dystopie Richtung geht, es zeitlich im „Jetzt“ spielt und auch nicht irgendwelche Wissenschaft existiert, die der real existierenden deutlich voraus wäre. Und trotz des übersinnlich wirkenden Themas „Nahtoderfahrungen“ wird im Buch jegliche Übersinnlichkeit zunächst einmal in Frage gestellt.


    Joanna arbeitet an einem Forschungsprojekt zur Erforschung von Nahtoderfahrungen. Aufgeschlossen und vorurteilsfrei interviewt sie Menschen die eine solche hatten, als sich ihr eine unglaubliche Chance bietet. Ein Neurologe hat eine Substanz gefunden, mit Hilfe derer sich exakt die gleichen Hirnwellenmuster simulieren lassen, wie bei einem Menschen, der soeben kurz vor dem Tod ein solches Erlebnis hat und möchte, dass Joanna seine Versuchspersonen interviewt, umso die individuellen Wahrnehmungen der Patienten bzw. Probanden während solcher Erlebnisses zu vergleichen. Da sie fürchterlich unter der Arbeitsweise eines konkurrierenden Forschers leidet, Dr. Mandrake, der seinen Interviewpartnern solange gut zuredet, bis sie außer dem Licht am Ende des Tunnels dann auch noch die Engel sehen, die oben an der Treppe vor dem goldenen Tor stehen, ist sie begeistert von der Idee, noch nicht von Dr. Mandrake beeinflusste Personen zu befragen.


    Der Stil ist außerordentlich amüsant und bietet einiges an wiederkehrenden Elementen, die man schon fast als Running Gags bezeichnen könnte.
    Ständig erklärt eine Person einer anderen den Weg: mit dem Fahrstuhl hoch in den 7. Stock, dann durch die Brandopferabteilung und die Treppe vor der Inneren runter in den 5. Stock…. Und ich dachte damals schon meine Uni wäre kompliziert aufgebaut. :breitgrins: Dazu besteht noch das Problem, dass Joanna bei ihren Gängen durch das Krankenhaus stets versucht bestimmten Personen wie z.B. Dr. Mandrake oder auch aufdringlichen Patienten auszuweichen, was das Krankenhaus noch mehr zu einem Irrgarten macht.


    Die Kapitel sind auf morbid faszinierende Weise mit den letzten Worten der verschiedensten Personen überschrieben und man beginnt tatsächlich darüber nachzudenken, was man selbst denn gerne als letzte Worte von sich geben würde, auch wenn „Passage“ deutlich macht, dass der Tod nicht planbar ist. Ein Buch, welches einen tatsächlich über den Tod und was danach kommt nachdenken lässt. Und auch wenn Joanna das ganze Buch hindurch versucht hinter die Bedeutung der Nahtoderlebnisse zu kommen, stellt sich die Autorin ganz eindeutig auf die Position, dass niemand weiss, was danach kommt, außer denen, die nicht mehr davon berichten können. In einem großen Gesamtzusammenhang könnte man auf dieses Buch selbst die Kriterien anlegen die medizinisch gesehen Nahtoderfahrungen ausmachen. All die Running Gags sind nur sich wiederholende Passagen, aus denen das überforderte Hirn versucht einen Sinn zu erstellen. Leider schwächelt der Roman nach 3/4 ein ganz klein wenig, ein dort aufgenommener Erzählstrang war mir dann doch etwas zu metaphysisch und widersprach meiner Meinung nach dem, was ich als „die große innere Bedeutung“ ausgemacht habe. Denn auch wenn es im ersten Augenblick nur ein mitreißender Roman ist, lädt er doch zum philosophieren ein.


    Ein wunderbares Buch, das auf faszinierende Weise Tiefgründiges höchst amüsant und leichtfüßig zusammenfügt.


    :tipp: + 5ratten


    Ich hoffe, dass sich bald ein Übersetzer dieses Buches annimmt und es noch mehr Lesern zugänglich macht.

  • Ich habe es wirklich versucht. Ganze 424 Seiten habe ich durchgehalten, der Wille war ja gegeben. Aber jetzt ist es genug.


    Ich hab noch nie zuvor ein Buch mit so vielen Wiederholungen gelesen. Aus was besteht die Handlung?


    Joanna unterhält sich mit dem schwerkranken Mädchen Maisie über historische Katastrophen.
    Joanna befragt Patienten die Nahtoderfahrungen hatten.
    Joanna versucht Mr. Mandrake aus dem Weg zu gehen.
    Joanna veranstaltet Videoabende mit ihrer Freundin Vielle.
    Joanna vergisst, ihren Pager einzuschalten.
    Joanna hat experimentell induzierte Nahtoderfahrungen.
    Joanna ist davon überzeugt, dass denen irgendeine Wahrheit zugrunde liegt.
    Dr. Wright schiebt alles auf "temporal lobe stimulation".


    Und ca. alle 40-50 Seiten wiederholt sich das Ganze. Unheimlich spannend :todmuede: Halbwegs amüsant fand ich lediglich die Passagen mit Mr. Mandrake. Ich habe den Rest noch etwas quer und die Zusammenfassung bei Wikipedia gelesen. Ich glaube ich habe nichts Großartiges verpasst. Kann gut sein, dass ich der Autorin noch eine Chance gebe, das Buch war so ja nicht schlecht, sondern einfach nur zum Gähnen.

    "Man hat in der Welt nicht viel mehr, als die Wahl zwischen Einsamkeit und Gemeinheit." A. Schopenhauer

    :blume::engel::katze:

  • Schade :traurig:


    Wenn ich mir meine Rezi von "damals" noch einmal durchlese sind mir die Wiederholungen ja durchaus aufgefallen, nur haben sie mich nicht gelangweilt, sondern eher amüsiert. Ich hoffe die Autorin kann dich (mit einem kürzeren Buch?) doch noch für sich einnehmen.


    :winken:
    Illy


  • Ich hoffe die Autorin kann dich (mit einem kürzeren Buch?) doch noch für sich einnehmen.


    Mich reizt ja The Doomsday Book sehr. Wahrscheinlich werde ich es damit probieren. Weil, wie gesagt, schlecht an sich finde ich ihr Geschreibsel ja nicht, sonst wäre ich erst gar nicht bis über die Hälfte gekommen. Nur diese Wiederholungen und die teilweise starke Vorhersehbarkeit haben zu sehr an den Nerven gezerrt.

    "Man hat in der Welt nicht viel mehr, als die Wahl zwischen Einsamkeit und Gemeinheit." A. Schopenhauer

    :blume::engel::katze:

  • (Ich bin illys Meinung - SF ist dieses Buch nur seeeehr bedingt, dahin gehört maximal Dr. Wrights Forschungsmethode!)


    Die Psychologin Joanna Lander versucht, Nahtoderfahrungen von der wissenschaftlichen Seite her zu erforschen und steht dabei in ständigem Wettstreit mit dem esoterisch angehauchten Autor Maurice Mandrake, der darin nur Metaphysisches sieht und seine Interviewpartner gerne mal dahingehend beeinflusst. Eines Tages taucht in ihrem Krankenhaus der Neurologe Richard Wright auf, der es geschafft hat, mit Hilfe eines neuen Medikaments Nahtoderfahrungen bei Testpersonen zu simulieren und gleichzeitig die Hirnaktivität auf Besonderheiten überprüft. Diese neue Fortschungsmethode möchte er nun an seinem neuen Arbeitsplatz einführen und sucht Testpersonen.


    Joanna ist davon natürlich fasziniert und stellt sich selbst als Forschungsobjekt zur Verfügung, nachdem es einige Schwierigkeiten mit den Freiwilligen gab. Was sie in diesem merkwürdigen Zwischenzustand erlebt, ist etwas ganz anderes als Maurice Mandrakes Engel - sie befindet sich an einem Ort, den sie zu kennen glaubt und hat das Gefühl, dass das eine bestimmte Bedeutung hat, die sie herausfinden muss ...


    Schwierig, das Buch zusammenzufassen, ohne zuviel zu verraten. Es geht um viel mehr als nur Wrights Experimente. Die Frage, was nach dem Tod geschieht und was Nahtoderfahrungen nun eigentlich sind, ist natürlich ein zentrales Element des Buches, das von verschiedenen Seiten her beleuchtet wird und auch nach beendeter Lektüre noch sehr zum Nachdenken anregt, aber Willis wäre nicht Willis, wenn sie nicht auch hier wieder einen ausgezeichneten Blick für den ganz normalen Wahnsinn im Alltag hätte. So ist das Krankenhaus baulich eine Katastrophe und für Neulinge ein wahres Labyrinth, die Cafeteria ist so gut wie nie geöffnet, und in vielen Fällen lassen sich ganz einfache Dinge nicht schnell erledigen, weil irgendwelche beamtig-blödsinnigen Vorschriften im Weg sind. Trotz des ernsten Themas - neben dem Tod spielt auch der Verlust der Persönlichkeit durch Demenz eine Rolle - kommt auch ein oft schwarzer Humor nicht zu kurz, und es gibt zahlreiche köstliche Popkultur-Referenzen wie herrlich giftige Seitenhiebe auf den "Titanic"-Film.


    Die Handlung nimmt dann eine für mich völlig unerwartete Wendung, und ich hatte Bedenken, sie könne in eine arg esoterische Richtung abdriften, was aber zum Glück doch nicht im befürchteten Maße eingetreten ist. Also vergebe ich guten Gewissens die Höchstwertung für ein Buch, das so ziemlich alles hat, was ich in Büchern mag: sympathische Figuren, einen tollen Stil, Ironie und Humor, eine großartige Beobachtungsgabe, Stoff zum Nachdenken und auch noch ein bisschen Medizinisches. Ach ja, und die letzten Worte berühmter (oder auch weniger berühmter) Personen als Kapitelüberschriften fand ich auch klasse, sowas trifft meinen schwärzlichen Humornerv.


    5ratten

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • Tut mir jetzt überhaupt nicht leid :breitgrins:


    Ich bin sehr gespannt auf Deine Eindrücke, wenn Du es lesen solltest.

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    Leonard Cohen





  • Ich glaube, das gibt's noch gar nicht auf deutsch. Leider ist von Willis nur extrem wenig übersetzt :traurig: (Schande!!!)

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    Leonard Cohen





  • Gut, dass im Klappentext nicht zu viel verraten wird, sonst hätte ich dieses tolle Buch vielleicht nie in die Hand genommen! Connie Willis (die mich schon mit zahlreichen anderen Büchern begeistert hat) hin oder her - sobald ich irgendwo gelesen hätte, dass

    hier eine wichtige Rolle spielt, wäre es vorbei gewesen.
    Zum Glück wusste ich es nicht und bin ganz unvoreingenommen an die Geschichte herangegangen. Am Ende musste ich mir dann auch noch ein Sachbuch über o.g. Thema kaufen, denn Connie Willis hat mich überzeugt, dass es hier noch ganz viel Wissenswertes zu entdecken gibt, selbst wenn man - wie ich - so traumatisiert von dem leidigen Film ist, dass bei der bloßen Erwähnung alle Alarmglocken läuten.


    Am Ende bin ich mal wieder total hereingefallen und konnte nicht glauben, dass dies kein Trick der Autorin ist, um ihre Leser zu schockieren:

    Damit war ich anfangs überhaupt nicht einverstanden, aber insgesamt ist es konsequent und passt zum Verlauf der Geschichte.
    Etwas nervig sind diese typischen Connie Willis-Manöver, die man auch aus ihren anderen Büchern kennt: Der Hauptcharakter benötigt dringend eine Info und wird durch alle möglichen Umstände daran gehindert... :wand: Das versetzt mich so richtig in die zermürbende Zeit vor WWW (undenkbar) zurück, als man noch nicht auf Knopfdruck sofort alle Informationen im Internet finden konnte, sondern man in Bibliotheken stöbern und Menschen befragen musste...
    Connie Willis' Charaktere sind mir in diesem Buch besonders ans Herz gewachsen; selbst Mr.Madrake, der Guru der Nahtoderfahrung, war so irre, dass er mir fast schon wieder sympathisch war. :breitgrins:
    Und, wie schon von anderen erwähnt, wird man mit der Frage konfrontiert, welche Vorstellungen man selbst mit dem Tod und dem "Danach" verbindet, aber ohne dass es zu schwere Kost wird.
    Wie gut, dass ich noch zwei Bücher von Connie Willis ungelesen im Regal stehen habe. Und die schon Gelesenen muss ich unbedingt mal wieder lesen...

  • Mir ging es genauso wie Dir. Zwar habe ich mit Deinem "Hassthema" keine Probleme, aber dennoch war ich froh, dass ich über das Buch nur so wenig wusste vor dem Lesen, weil es dadurch so viel spannender wurde. Und der entsprechende Film kam im Buch ja gar nicht gut weg :err:


    Mr. Mandrake fand ich auch lustig als Running Gag. Überhaupt hat es Willis ja immer mit ihren Running Gags (das Krankenhaus in diesem Buch war doch so eine schrecklich labyrinthartige Bausünde, und die Kantine nie geöffnet, oder?) Ich mag das :breitgrins:


    Beim Ende stimme ich Dir zu. Das fand ich in einem ihrer anderen Bücher aber noch viel schlimmer (ich verrate jetzt mal nicht, in welchem, weil ich nicht mehr weiß, ob Du es schon gelesen hast).

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen






  • Beim Ende stimme ich Dir zu. Das fand ich in einem ihrer anderen Bücher aber noch viel schlimmer (ich verrate jetzt mal nicht, in welchem, weil ich nicht mehr weiß, ob Du es schon gelesen hast).


    Ich habe "Doomsday Book", "To say nothing of the dog", "Lincolns'dreams" und "Miracles" gelesen. Ich fürchte mal, das "schlimme Ende" versteckt sich in einem der ungelesenen Bücher. :angst:
    Wobei,

  • Joanna unterhält sich mit dem schwerkranken Mädchen Maisie über historische Katastrophen.


    Ich sammele Kochbücher, Foodfotos und Zitate.


    <3 Aktuelle Lieblingsbücher: "The good people" von Hannah Kent, "Plate to pixel" von Hélène Dujardin und "The elegance of the hedgehog" von Muriel Barbery.