Laurence Sterne - Leben und Ansichten von Tristram Shandy, Gentleman

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    Aus der Amazon.de-Redaktion
    Ein weiteres Muß unter den Klassikern ist das Lieblingsbuch von Sigmund Freud und Thomas Mann. Es ist der Roman von Laurence Sterne Leben und Ansichten von Tristram Shandy. Gentleman. Michael Walter hat das fulminante Werk von 1.600 Seiten so herausragend übersetzt, daß er dafür mit dem Johann-Heinrich-Voß-Preis ausgezeichnet wurde.


    Ausgeschmückt ist der Band mit zahlreichen Zeichnungen von Tatjana Hauptmann, der Preis des Buches bleibt dennoch erschwinglich. Für alle Leser, die Sternes kunstvolle Abschweifungen in Anekdoten und Satiren noch nicht kennen, ist dieses Buch mit seiner besonderen Ausstattung ein gefundener Schmöker. Übrigens, für alle Sterne-Liebhaber und -Kenner: Nur in der Übersetzung von Michael Walter wurde der erotische Subtext mitübertragen.


    Meine Meinung
    Das Buch ist alles andere als eine geradlinige Erzählung einer Geschichte. Gedankliche Seitensprünge, Satzmonstrositäten, permanente Abschweifungen sind das Normale. Die zu erzählende Geschichte Nebensache. Diese Sprachspielereien haben mir gefallen (nachdem ich mich daran gewöhnt hatte).
    Das Buch besteht eigentlich aus neun Büchern. Die ersten sechs haben mir überhaupt nicht zugesagt. Zu oft war da von Onkel Tobys Steckenpferd, den Festungsbauwerken, die Rede. Dafür wurde es dann ab Band 7 bis zum Ende hin immer besser. Leider ging es danach nicht weiter (man merkt, daß dieses Ende nicht das komplette Ende des Werkes sein sollte).
    Aufgrund der Seitensprünge wird eine Unzahl von Themen abgehandelt - Religion, Philosophie, Festungsbauwesen (grrr), die Liebe, Reisebeschreibungen, etc. pp.
    Es gab immer kurze Bonmots, die mich aufhören ließen. Als kurzes Beispiel möge Folgendes gelten: Sterne resümiert darüber, das die Werkzeuge des Tötens geehrt, geschmückt, vergoldet etc. werden, aber die Werkzeuge des Zeugens nicht einmal genannt werden dürften.
    Die Kommentare in dieser Ausgabe waren äußerst hilfreich, da der historische Kontext eine nicht unerhebliche Rolle spielt.
    Das Buch hat mir in seiner Machart deutlich besser gefallen als durch den Inhalt, daher 3ratten

    "Es ist die Pflicht eines jeden, es auch auszusprechen, wenn er etwas als falsch erkennt." --- Stefan Heym, 2001

  • Hallo zusammen!


    Meiner Meinung nach eines der literarischen Meisterwerke überhaupt. Nie zuvor - und selten danach - wurde der Akt des Schreibens so ins Zentrum gerückt, Erzählzeit und erzählte Zeit gegeneinander gehalten und drucheinander gemischt (das Buch hört auf in einem Moment, der vor dem Beginn des Buches liegt - und somit noch weit vor der Zeugung des angeblichen Protagonisten, mit der das Buch anhebt, dessen Geburt wir aber erst ein paar Hundert Seiten später - nein, nicht erleben, denn Vater und Onkel verschlafen diesen Moment und mit ihnen der Leser, der sie begleitet :breitgrins: ), der Ich-Erzähler in zwei, drei Personen aufgesplittet (die alle gleichzeitig zu erzählen versuchen).


    Das Thema des Buches ist nicht die (fiktive) Autobiografie des Tristram Shandy, wie es uns der Titel verspricht. Viel wichtiger als die titelgebende Figur (die auch als Erzähl-Ich fungiert) sind sein Onkel Toby und dessen Bediensteter Korporal Trim, auch über Vater Shandys Leben und Meinungen erfahren wir mehr als über die des Erzähl-Ichs.


    Sterne spart nicht mit kleinen witzigen Seitenhieben gegen Gesellschaft und Menschheit. Für einen anglikanischen Geistlichen seiner Zeit sicher gewagtes Buch, in der Tradition eines Rabelais oder Cervantes. Auch Montaigne oder Robert Burton (The Anatomy of Melancholy), seinen rund 100 Jahre älteren Berufskollegen würde ich unter Sternes "Vorfahren" rechnen.


    Fazit: Ein äusserst lesenswertes Buch, auch wenn - nein: gerade weil - dieses Buch es seinem Leser nicht einfach macht.


    (Und lasst Euch nicht von BigBens Rezension abhalten: Sooooo viel Festungwerkswesen kommt nun auch nicht vor ... :zwinker: :smile:)


    Grüsse


    Sandhofer


    Edit: Montaigne erganzt

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen. (Karl Kraus)

    Einmal editiert, zuletzt von sandhofer ()

  • Ja. habe ich mir schon angesehen, ist nur recht teuer. Wegen Sterne würde ich das nicht kaufen, aber mit Rowohlt als Vorleser wird das schon attraktiver. :winken:

    "Es ist die Pflicht eines jeden, es auch auszusprechen, wenn er etwas als falsch erkennt." --- Stefan Heym, 2001

  • Laurence Sterne: Leben und Ansichten von Tristram Shandy, Gentleman. 9 Bände, 1609 Seiten (in der Übersetzung von Michael Walther, heute wieder bei Eichborn erhältlich.)


    Ich habe jedoch diese Ausgabe gelesen, die wohl auch die Seitenumbrüche des Originals halbwegs korrekt berücksichtigt:

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    Rezension


    Ich möchte hier der Frage nachgehen, warum man sich ein solches Lego-Modell kauft.


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    Dieser Kranwagen gehört mit über 1800 Teilen zu den komplexesten und schönsten Modellen aus dem Hause Lego. Nun kann man sich ein solches Modell aus zweierlei Gründen anschaffen. Der profane Grund ist, dass man hinterher damit spielen möchte. Nur ist das nicht ohne weiteres möglich, man muss das Modell erst stundenlang zusammenbauen, eine über 200 Seiten lange Bedienungsanleitung Schritt für Schritt befolgen, bevor man an sein Ziel gelangt. Und am Ende stellt man fest, dass dieses Modell zum Spielen eher weniger geeignet ist, dass sich schwere Lasten nicht heben lassen, der Motor viel zu laut ist und ein einfacher und robuster aufgebautes Modell, dem Spielspaß viel eher entgegenkommen würde. Man kann sich aber auch an den technischen Finessen mit zig Zahnrädern und pneumatischen Elementen erfreuen; seinen Spaß daran haben, es in stundenlanger Arbeit zusammenzusetzen um es hinterher in die Vitrine zu stellen. Und spielen lässt sich damit natürlich auch, man muss nur die Grenzen kennen.


    Nun, Bücher lese ich in erster Linie wie der Lego-Spieler. Ohne Anleitung, sprich Anmerkungen, ist man bei Sterne bei den sehr häufigen Bezügen zum Altertum und zur Literatur seiner Zeit oft verloren. Daher erhält dieses Buch von mir


    3ratten.


    Und dennoch erkennt man die Genialität des Autors als Konstrukteur, an der ein oder anderen Stelle hat man riesigen Spaß, da man doch nicht nur Spieler ist, sondern immer wieder gern der Bastler. Also das Lego-Modell erhält von mir fünf Sterne (im Buch von Sterne sind übrigens auch *** (Anzahl ausgesternt) Sterne im Text enthalten, wer es nicht glaubt, zähle selber nach), was daraus für das Buch folgt, mag sich jeder selber erschließen.


    Wer sich nun fragt, was diese Rezension mit dem Buch zu tun hat, der lese es. Die Kunst der Abschweifung sowie die Darstellung der Steckenpferde der Protagonisten gehört zu Sternes meisterhaften Künsten. Die Leserunde klärt hier über den Inhalt näher auf. Auf das Hörbuch gelesen von Harry Rowohlt - für dieses Buch kann man sich keinen anderen Sprecher wünschen - wäre ich noch neugierig.


    Schöne Grüße,
    Thomas

    Einmal editiert, zuletzt von Klassikfreund ()

  • Hallo Thomas,
    Das nenne ich mal eine interessante Rezension! :breitgrins:


    Aber nun bin ich ein wenig irritiert. Ich habe die Weltbild-Klassiker, die bisher alle vollständig waren. Nun hat meine Sterne-Ausgabe nur 600 Seiten. Gibt es einen 2. und 3. Teil? Bei Robinson Crusoe gab es bspweise nur den 1. Teil
    Zur Info: Mein Sterne hat 9 Kapitel bzw Bücher.


    Gruß,
    dumbler

  • Zur Info: Mein Sterne hat 9 Kapitel bzw Bücher.


    9 Bücher sind's, das ist ok. Und der Text bricht auch quasi mitten in Tobys Lovestory ab, da Sterne vor Beendigung des Buchs gestorben ist. (Das macht aber nichts, da das Buch sowieso nie hätte "fertig" werden können ... :zwinker: - auch wenn Sterne noch kein Lego kannte ... ). 600 Seiten könnten, je nach Seiten- und Schriftgrösse bzw. Layout, schon hinkommen. Mein englisches Taschenbuch hat etwas über 450 Seiten.


    Aber, in Anbetracht der mickrigen Anzahl Ratten, die bisher vergeben wurden, muss ich doch mal Folgendes hinzufügen:


    5ratten 5ratten :tipp:



    :breitgrins:

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen. (Karl Kraus)

  • Die Eichborn-Ausgabe hat 854 Seiten.


    Also, auch eine Ausgabe mit 600 Seiten kann da vollständig sein.


    Gruß, Thomas

  • Aber, in Anbetracht der mickrigen Anzahl Ratten, die bisher vergeben wurden, muss ich doch mal Folgendes hinzufügen:


    5ratten 5ratten :tipp:


    Ich weiß nicht ob das hilft.


    Verkäufer sandhofer: Nehmen Sie doch diesen Wagen hier.
    Käufer: Ich will doch einen Sportwagen.
    Verkäufer: Aber in diesen können Sie viel mehr einladen.
    Käufer: Ich will aber viel PS.
    Verkäufer: Der hier ist auch ökologisch sinnvoll.
    Käufer: Den will ich aber nicht.
    Verkäufer: Das ist aber der beste aller Wagen, den sie bekommen können.


    :breitgrins:


    Zugegeben: Probefahren sollte man diesen besten aller Wagen auf jeden Fall. Aber dann sollte sich jeder sein eigenes Bild davon machen.


    Gruß, Thomas

    Einmal editiert, zuletzt von Klassikfreund ()

  • Hallo zusammen,
    Vielen Dank für die rasche Antwort. Ich hatte nachgefragt, weil Thomas in seiner Rezi von 9 Bänden und 1600 Seiten sprach. War der Verlag hier mit dem Textsatz so großzügig oder wie ist der Unterschied von 1000 Seiten gerechtfertigt?


    Gruß,
    dumbler


  • Hallo zusammen,
    Vielen Dank für die rasche Antwort. Ich hatte nachgefragt, weil Thomas in seiner Rezi von 9 Bänden und 1600 Seiten sprach. War der Verlag hier mit dem Textsatz so großzügig oder wie ist der Unterschied von 1000 Seiten gerechtfertigt?


    Gruß,
    dumbler


    Ja, war er. Auf den Seiten stehen jeweils nur wenige Wörter.


  • Umgekehrt, lieber Klassikfreund, umgekehrt ...


    Tristram Shandy ist weder ölologisch noch politisch korrekt, und, um in Deinem Bild zu bleiben: Der Tristram Shandy ist der Sportwagen, der einen pfeilschnell von Ort zu Ort bringt, und wo der Genuss nicht im Ankommen an einem Ziel oder im Transport von Kind, Kegel und viel, viel Wissen besteht, sondern einfach die pure, reine Lust am Fahren ...


    Ungefähr so was - viel frische Luft, keine Möglichkeit, den Sitz zu verstellen ... Entweder man passt rein oder nicht. :breitgrins: :breitgrins: :breitgrins:

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen. (Karl Kraus)

  • Ja, umgekehrt.


    Zudem wurde er von einer internationalen Jury auch in diesem Jahr wieder unter die zehn besten Sportwagen, die je gebaut wurden, gewählt.


    Schöne Grüße,
    Thomas

  • Tristram Shandy wird übrigens als Komplettlesung ab Januar 2008 im Literaturhaus Frankfurt vollständig gelesen (wohl über einen Zeitraum von 2 Jahren). Sprecher wird Peter Heusch sein, der gerade die Komplettlesung von Prousts Auf der Suche nach der verlorenen Zeit beendet hat.


    Quelle: FAZ 19.03.2007


    Schöne Grüße,
    Thomas

  • Hier endlich auch meine Rezension:



    Inhalt


    Offiziell erzählt Tristram Shandy in diesem Buch von seinem Leben und seinen Meinungen. Tatsächlich aber erfährt man hauptsächlich die Meinungen des Vaters und des Onkels der sog. Hauptperson; aus dem Leben werden nur einige mehr oder minder tragische Episoden genannt (die Nase bei der Geburt zerquetscht, als Kind beinahe von einem Fenster entmannt,...) und erst in den letzten drei der insgesamt neun Bücher wird Tristram wirklich zur Hauptfigur des Romans.



    Meine Meinung


    Dieses Buch ist ein einziges Chaos – von einem linearen Handlungsstrang oder einer einheitlichen Erzählweise kann keine Rede sein! Man hat den Eindruck, dass Tristram Shandy wirklich einfach alles zu Papier gebracht hat, was ihm in diesem Augenblick in den Sinn kam. Im Übrigen bezweifle ich die Existenz Sternes – es geht über meine Vorstellungskraft, dass hinter dieser Figur (oder - wie sandhofer bemerkte – hinter diesen Figuren) noch ein Mensch stehen soll oder überhaupt kann! Also entweder gab es nie einen Laurence Sterne oder aber Tristram Shandy ist schlicht ein Pseudonym Sternes.
    Ich fand dieses Buch an sich nicht sonderlich schwer oder mühsam zu lesen, passagenweise waren die Sätze vielleicht etwas verschachtelt und lang, aber ansonsten war der Stil immer klar verständlich. Mein Problem liegt nicht am Werk Sternes (ja, okay, zumindest sein Name steht auf dem Umschlag :rollen:), sondern eigentlich am Herausgeber oder genauer der Herausgebensart. Ich glaube, man könnte Tristram Shandy viel mehr und auch viel leichter genießen, wenn es die einzelnen Bücher auch einzeln zu kaufen gäbe und nicht in einem Band zusammengefasst. Ich hatte beim Lesen manchmal den Eindruck, dass es mir einfach zu viel wurde. Deswegen werde ich es das nächste Mal (und es wird definitiv ein nächstes Mal geben) die neun Bücher auch einzeln lesen, um den Inhalt jedes einzelnen gebührend zu erfassen und schätzen zu lernen. Dieses Mal waren die Bücher für mich eher wie Kapitel und so hetzte ich durch das Buch, wobei mir gewiss einiges entgangen ist.
    Für mich auf jeden Fall ein tolles Buch, das noch zu mehrmaliger Wiederlektüre verpflichtet!


    4ratten


    lg,


    mondpilz



    PS: Meine Lieblingsstelle ist übrigens die Erzählung mit dem Maultier (Buch 7, Kapitel 21-25).

    Einmal editiert, zuletzt von mondpilz ()

  • Ich glaube, man könnte Tristram Shandy viel mehr und auch viel leichter genießen, wenn es die einzelnen Bücher auch einzeln zu kaufen gäbe und nicht in einem Band zusammengefasst.


    Versuch doch mal, die Erstausgabe von 1759ff zu erhalten. Da hast Du die einzelnen Bücher noch separat ... :zwinker: :breitgrins:

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen. (Karl Kraus)

  • Auf deutsch gibt es die Bücher ebenfalls getrennt antiquarisch zu kaufen. Siehe meine Besprechung.


    Zwar nur als Taschenbuch, aber die sind nett gemacht. Die gebundenen deutschen 9 Bände sind bei Haffmans erschienen und zu horrenden Preisen antiquarisch erhältlich.


    Gruß, Thomas

  • Ich könnte auch einfach immer nur eines der Bücher aus der Gesamtausgabe lesen, wenn ich sie schon habe... :hm:
    Aber wieso billig, wenn's auch teuer geht? :breitgrins:


    lg,


    mondpilz

  • Hallo,


    im Rahmen meiner Weltlesereise war "Tristram Shandy" meine zweite Station, die ich bereits im letztjährigen Spätsommer begann, aber nun erst beendete.


    Laurence Sterne: Das Leben und die Meinugen des Tristram Shandy , Gentleman


    Ein zentrales Werk der englischen Literatur, hier meine Stellungnahme:


    Inhalt:
    Der „Roman“, der zwischen 1759 und 1767 in einzelnen Büchern erschien, beschäftigt sich in seiner Haupterzählachse mit den Ereignissen und Gesprächen auf dem Landgut des Sir Walther Shandy. Zu Beginn des Romans erwartet die Familie unmittelbar die Geburt des Titelhelden … und tut dieses weiter über mehrere hundert Seiten. Nach der Hälfte des Romans ist Tristram endlich geboren, erfährt im letzten Drittel im Alter von fünf Jahren seine unfreiwillige Beschneidung und kommt am Ende gar nicht mehr als Romanfigur vor, aber als Erzähler.
    Ja, was ist eigentlich der Inhalt? Die Lust am Erzählen, an der Satire und Kritik der zeitgenössischen Literatur und insbesondere der virtuose Umgang des manchmal personalen, manchmal auctorialen Erzählers mit dem Leser. Der Erzähler nutzt dezidiert jede Chance zu einer Abschweifung, macht sich z.B. über den Enzyklopädismus der Aufklärung lustig, indem er quasi wissenschaftliche Abhandlungen ausgedachter Geistesgrößen einschaltet – wie zum Beispiel Slawkenbergius‘ Ausführungen über die Nase nebst illustrierender Erzählung.
    Eine große Rolle spielt neben dem Vater Tristrams – dem schwafelnden Sir Walther, der jeden Anlass zu exzessiven Verbalergüssen nutzt – dessen Bruder Sir Toby, der in den spanischen Erbfolgekriegen an delikater Stelle verletzt wurde und nun sein weiteres Leben mithilfe seines treuen Dieners Trim der Theorie und dem Modellbau von Festungen und deren Belagerungen widmet . Onkel Toby ist eine der liebenswertesten Figuren der Romanliteratur – von grundlegender Naivität und großem Herzen gekennzeichnet. Daneben spielen weitere Figuren eine Rolle, neben dem wunderbaren Trim die Dienerinnen, Sir Walthers stets zustimmende Ehefrau, mit der er höchst einseitige Abendgespräche, genannt „Bettgerichte“ führt, der unangepasste und scharfsinnige Pfarrer Yorick und der Quacksalber Slop, der mithilfe seiner Geburtzange den bedauernswerten Tristram verunstaltet.


    Meine Meinung:
    Es hat lange gedauert, bis ich diesen Roman bewältigt habe: Es gibt eben keine eigentliche Handlung. Man muss sich diesem Erzähler und seinen Abschweifungen ergeben und das Ganze eher als eine höchst kunstvolle Kabarettnummer ansehen, die einen durch den Kosmos der Literatur und Populärphilosphie des 18. und der vorvergangenen Jahrhunderte führt. Erst nach der Hälfte ist dies bei mir so richtig „angekommen“ und dann hat das Lesen großen Spaß gemacht. Selbst in der Übersetzung ist die Virtuosität dieses Wort- und Gedankenakrobaten jederzeit präsent. Er spielt gerne mit der Prüderie seiner Leserschaft und hält sowohl diffizile als auch deftige sexuelle Anspielungen wärend des ganzen Romans parat, ist dabei aber niemals peinlich, sondern immer witzig. Bei Sir Toby, Trim und Yorick schimmert unter aller Satire eine tiefe Menschenfreundlichkeit und Anteilnahme durch seine Darstellung: Diese Romanfiguren werde ich kaum vergessen.


    Fazit:
    Das Werk hat sich mir nicht ohne Mühe und sicherlich nur zu einem Bruchteil erschlossen, aber dieser Teil ist mir jede Mühe wert!


    HG
    finsbury

    Einmal editiert, zuletzt von finsbury ()

  • Hallo,


    ich bringe diesen Thread wieder hoch, da ich nun das komplett gelesene Hörbuch gehört habe.


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    Laurence Sterne: Tristram Shandy. Gelesen von Harry Rowohlt.


    Ich bringe die Rezi hier und nicht bei den Hörbüchern, da es mir innerlich widerstrebt, hier zwei Threads parallel zu führen.


    Rowohlt hat eine äußerst prägnante Stimme, die nicht für jedes Buch geeignet ist. Sterne palavert über neun Bände und genau dies vermittelt Rowohlt äußerst gekonnt. In der damaligen Besprechung der FAZ meinte man gar das Hörbuch des Jahres auszumachen. Vor allem wenn Rowohlt die lateinischen und französischen Stellen zitiert, ist man nie gelangweilt, auch wenn man KEIN Wort versteht! Im Buch überblättert man und liest den Kommentar mit der Übersetzung. Der Witz Sternes wird in dieser Lesung deutlich und macht in den ersten Bänden viel Spaß. Aber wie auch schon bei der Lektüre, lässt die Originalität später nach, die neun Bände oder hier 23 CDs ziehen sich doch etwas. Daher auch für das Hörbuch nicht die Höchstpunktzahl:


    4ratten


    für die Interpretation gibt es jedoch die volle Punktzahl.


    Der Preis für das Hörbuch ist natürlich recht hoch. Knapp 100,- EUR ist schon happig. Man schaue auf Ebay etc. Ich habe seinerzeit 55,- EUR für ein originalverpacktes Exemplar gezahlt, ob man das heute noch realisieren kann, weiß ich nicht. Solche Hörbücher kauft man am besten immer kurz nach dem Erscheinen, dann gibt es mehrere Angebote und auch Amazon hat einige Zeit lang nicht den UVP genommen. Optisch ist das Hörbuch im Regal auch ein Genuss. Die CDs jedes Bandes in eigener Verpackung, die auch noch mit hübschen Fotos und Zeichnungen gestaltet sind. Ganz großes Lob an den Verlag Kein & Aber.


    Schöne Grüße,
    Thomas

    Einmal editiert, zuletzt von Klassikfreund ()