Katharina Hacker - Eine Art Liebe

Es gibt 23 Antworten in diesem Thema, welches 6.574 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von dubh.

  • Hallo!


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    Inhaltsangabe (von http://www.suhrkamp.de:(


    Eine deutsche Studentin, die im heutigen Israel ihren Weg zu finden sucht, erzählt die Geschichte dreier Personen; eine Geschichte, die Vergangenheit und Gegenwart verbindet. Sie erzählt von Jean, einem französischen Trappistenmönch, der unter seltsamen Umständen in Berlin umgekommen ist, von Moshe, der als Kind unter anderem Namen in Frankreich die Nazi-Herrschaft überlebt hat, und vom eigenen Entschluß, die dunkle Vergangenheit auszuleuchten. Das Rätsel um Jeans Tod ist der Anlaß für die Recherche der Erzählerin und der Beginn aufkommender Fragen über Freundschaft und Verrat.



    Teilnehmer:


    dubh
    Tantus
    tina
    Saltanah



    Eine kurze Bitte: Damit das ein bisschen angenehmer zu lesen ist, postet erst, wenn ihr angefangen habt. Die Beiträge "Buch liegt bereit, ich fange heute Abend an" ziehen das ganze immer so sehr in die Länge.


    Interessant für Leserunden-Neulinge ist sicherlich die Leserunden-FAQ. Dort findet ihr auch Informationen z.B. zu Spoilern etc.


    Viel Spaß!

    [size=9px]&quot;I can believe anything, provided that it is quite incredible.&quot;<br />~&quot;The picture of Dorian Gray&quot;by Oscar Wilde~<br /><br />:leserin: <br />Henry Fielding - Tom Jones<br /><br />Tad Williams - The Dragonbone Chair<br /><br />Mark Twai

  • Hallo allerseits :winken: !


    Viel habe ich heute nicht gelesen, bin erst im 2. Kapitel und kann daher noch nicht so viel zu dem Buch sagen.


    Die Ich-Erzählerin (ca. 30 nehme ich an) ist eine deutsche Schriftstellerin, die einige Jahre in Jerusalem studiert und dort immer noch Freunde hat. Sie soll die Lebensgeschichte Jeans, eines französischen Mönchs schreiben, der vor kurzem verstorben ist. Er war ein Freund von Moshe, einem deutschen Jude, der als Kind in einem katholischen Internat versteckt die Nazi-Zeit überlebt hat, und der dort Jean kennengelernt hat.


    Die Ich-Erzählerin erzählt von 3 Zeitebenen: der Gegenwart (1999), ihrer Studienzeit in Jerusalem (1990-93) und der Nazizeit. Es gefällt mir gut, wie sie zwischen den Zeiten hin und her springt, und wir die Puzzelteile erst nach und nach zu einem Bild zusammensetzen können. Sonderbar ist, dass sie, die doch ein Buch über Jean schreiben soll, diesen noch kaum erwähnt hat, sondern hauptsächlich von Moshe erzählt.


    Ein Satz im 1. Kap. (S. 40) hat mich auf eine vielleicht völlig abwegige und auf jeden Fall dem Klappentext widersprechende Idee gebracht. Dort steht, kursiv gedruckt, was ich als Zeichen dafür nehme, dass Moshe diese Zeilen geschrieben hat: Jean hat seine Kapuze auf, ich möchte sie zurückschlagen, damit ich sein Gesicht sehe, unser Gesicht.
    Unser Gesicht? Kann es eventuell sein, dass Jean gar nicht wirklich existiert, dass er nur Moshes Alter Ego ist, das Ich, das er hätte werden können, wenn er im Kloster geblieben und nicht nach Israel ausgewandert wäre? Hat er vielleicht sein Leben lang in seiner Phantasie ein Doppelleben geführt, und "Jeans" Leben fabuliert? Immerhin hat er sein Leben in Israel nur als Zwischenspiel angesehen, nicht als sein "eigentliches" Leben, zu dem er im Gegensatz zu der Erzählerin jedoch nie zurückgekehrt ist. Jeans "Tod" könnte in diesem Zusammenhang Moshes Erkenntnis sein, dass es zu spät für ihn ist, nach Frankreich ins Kloster zurückzukehren.
    Unterbauen könnte man diese Hypothese durch einen weiteren Notizzettel, auf den Moshe geschrieben hat: Ich bin sicher, dass Jean alles weiß, das ich vergessen habe, selbst Dinge, von denen er nicht wissen kann, weil ich sie nicht erzählt habe und weil er nicht dabei war. (Kap. 2, S. 44) (Hat er sich vielleicht schon als Kind "gespalten", in einen jüdischen Moshe- und einen katholischen Jeanteil?)
    Auch dass er als Katholik zur Tarnung Jean Marie genannt wurde, könnte ein Hinweis sein.


    Wahrscheinlich leige ich mit dieser Hypothese total falsch, aber interessant finde ich sie.

    Wir sind irre, also lesen wir!

  • Hallo Satlanah,


    ich bin im ersten Kapitel und ich denke ebenfalls, daß Jean und Moshe ein und dieselbe Person sind und Jean ein Chrakater ist, mit dem Moshe abschließen muß um weiter leben zu können, um nicht von einem inneren Zwiespalt zerissen zu werden. Vielleicht ist es aber auch nur Zufall, daß Moshe in seinem Kloster Jean genannt wurde.


    Wenn ich überlege: 1990 habe ich ein absolut friedliches, oberflächliches Leben geführt. Gearbeitet, mich mit Freuden getroffen und Feten gefeiert und zur gleichen Zeit in einem kultivierten Land, daß unseren Lebensstandard hat, saßen Menschen auch in meinem Alter mit einer Gasmaske in ihrem Haus und mußten füchten zu sterben. Ich weiß auch nicht warum, aber ich habe mir damals keinerlei Gedanken darum gemacht.


    Tina

  • So, jetzt habe ich auch das erste Kapitel gelesen.



    Das Hin- und Herspringen zwischen den Zeiten empfinde ich auch als recht gelungen, aber die Sprache ist schrecklich! Ständig treten irgendwelche Parenthesen oder andere Einschübe auf, die sich stilistisch nicht in den Satzbau fügen und den Lesefluss somit erheblich beeinträchtigen. Es werden oft mehrere Hauptsätze aneinander gehängt und lediglich durch Kommata getrennt. Irgendwie habe ich allein deshalb schon nicht mehr allzu viel Lust, direkt weiterzulesen. Stört euch das nicht?



    Zu deiner These, oh Saltanah:


    Durchaus erschien es mir ähnlich; so heißt es beispielsweise auf Seite 20 schon "Es gibt kein Foto von Jean" oder auf Seite 26 "Ich war nicht sicher, ob es Jean tatsächlich gab". Wobei letzteres ja anklingen lässt, dass sie sich dessen jetzt sicher ist.
    Ich vermute, die Autorin will uns so bewusst in die Irre führen, und nehme eigentlich schon an, dass es Jean wirklich gibt. Vielleicht lassen sich ja noch mehr derartige Andeutungen finden ...

  • Es könnte aber auch bedeuten, daß sie sich schon damals unsicher war, ob Jean eine real existierende Person ist, aber es sagte meiner Meinung nach nichts darüber aus, ob diese Vermutung nun bestätigt wurde oder nicht.
    Also ich habe in sprachlicher Hinsicht keinerlei Stilbrüche entdeckt. Liegt wohl an meinem versäumten Germanistikstudium. :breitgrins: Kurzum, es stört mich in keinster Weise, da es mir noch nicht einmal aufgefallen ist. Somit kann ich ideses Buch völlig unbeschwert lesen und geniesen. Manchmal hat Unwissenheit einfach nicht abzustreitende Vorteile. :zwinker:


    Tina

  • Mhm, einfach mal weiterlesen (mache ich heute Abend, so ich dazukomme, auch); könnte ganz interessant werden. Aber sie wie von dir obig geschrieben erschiene mir die Lösung ein bisschen zu banal und simpel. Vielleicht ist es ja sogar ein Teil des Schlusses, aber dahinter muss auf jeden Fall noch mehr stecken.


    Ich habe auch (noch!) kein Germanistikstudium absolviert, aber zumindest mir fällt das schon auf den ersten beiden Seiten auf. Schon hier wird jeweils einmal etwas in derartigen - Strichlein - Geschriebenes eingefügt. Auf der zweiten Seite tritt zudem noch eine Klammer auf, deren Inhalt grammatisch nicht in seiner jetzigen Form einfach als Nebensatz eingefügt hätte werden können. Mag sein, dass das einfach ihr Stil ist, aber auf mich wirkt es unbeholfen. Aber mal schauen, vielleicht gewöhnt man sich ja noch daran.

  • Hallo ihr,


    ich stecke gerade im 3. Kapitel (S. 138) und allmählich erscheint es mir immer wahrscheinlicher, dass es Jean doch gibt. Lange war ich mir unsicher; auch wenn andere Menschen ihn wahrzunehmen schienen, konnte man die Szene auch so deuten, dass andere ihn nur in Moshes Phantasie sahen. Dann wird er allerdings von seinen Eltern besucht und es erscheint mir doch unwahrscheinlich, dass Moshe sich diesen Besuch ausgedacht haben sollte. Unmöglich ist es aber nicht.


    Der Stil ist nicht gerade elegant, aber ich finde ihn zum Inhalt passend. Das ganze hat ja viel von einem Tagebuch, in dem die die Erzählerin von ihren Israelaufenthalten und Treffen mit Moshe berichtet. Da wäre ein sehr ausgefeilter Stil nicht ganz adäquat.


    Mich haben nur ein paar einzelne Ausdrücke gestört, wie z. B. auf S. 10 Vor dem Fenster pfiff ein Vogel Bulbul, bei dem ich den "Vogel" nicht in den Satz passend finde. "Pfiff ein Bulbul" wäre meinem Sprachgefühl nach besser; man sagt ja auch nicht "es sang ein Vogel Nachtigall". Falls die Autorin der Meinung ist, verdeutlichen zu müssen, dass ein Bulbul ein Vogel ist, hätte sie das besser anders lösen sollen. Ich halte es aber auch für möglich, dass es sich um regionale Sprachunterschiede handelt. In einem anderen Buch bin ich nämlich auch gerade auf den Ausdruck "ein Vogel xy" gestoßen.
    Auf S. 79 steht man ist eilig, was mir auch komisch erscheint. Entweder ich "habe es es eilig" oder ich "bin in Eile". Aber auch hier kann es sich auch um regionale Unterschiede handeln.

    Wir sind irre, also lesen wir!

  • Hallo,


    gestern habe ich also das erste Kapitel gelesen: die Geschichte gefällt mir bislang ziemlich gut! Besonders eben auch die unterschiedlichen Zeitebenen und die Heraushebung der bis jetzt wichtigen Hauptpersonen (von Sebastian, Batsheva, Jaron erfahren wir ja nur das nötigste).



    Es werden oft mehrere Hauptsätze aneinander gehängt und lediglich durch Kommata getrennt. Irgendwie habe ich allein deshalb schon nicht mehr allzu viel Lust, direkt weiterzulesen. Stört euch das nicht?


    Zugegebenermaßen hat mich das auch schon an ein paar Stellen genervt: es gibt Seiten, da wimmelt es nur so von Paranthesen und da hab ich mich auch gefragt, ob das unbedingt nötig ist. Irgendwie wirkt die Geschichte dadurch leicht holprig...


    Dazu kommen die Stellen, die Saltanah zitiert hat - z.B. die Stelle mit dem "Vogel Bulbul" (übrigens hier anzuschauen), die mir auch sofort ins Auge gestochen ist. Also von Katharina Hackers Schreibstil bin ich nicht ganz überzeugt, auch wenn das nun hart klingt.


    Zur Geschichte: auch ich dachte gestern abend während des ersten Kapitels, dass Jean und Moshe ein und dieselbe Person sein könnten und wenn ich jetzt Saltanahs Begründung dazu lese, ist es eigentlich total schlüssig. Allerdings habe ich bei Euren Beiträgen weitergelinst und da liest es sich dann doch anders... Mal schauen.


    Moshe finde ich sympathisch; er kümmert sich um die Studentin wie um seine Tochter, "spioniert" selbst Jaron in seinem alten Kibbuz aus... Wundern tu´ ich mich lediglich über seine häufigeren Ankündigungen, der Erzählerin Jeans Geschichte zu schenken, dann aber mit dem Erzählen nicht zu beginnen. Was hindert ihn innerlich? Oder warum schreibt Jean zum Todestag von Ruth, kommt aber nie vorher um sie kennenzulernen oder wenigstens zu ihrer Beerdigung? Also mir gefällt nach wie vor die Lösung Jean = Moshe... :zwinker:


    So, denn werde ich jetzt mal frühstücken und anschließend weiterlesen.


    Ich wünsche Euch einen schönen Sonntag!


    Liebe Grüße
    dubh

    Liebe Grüße

    Tabea

  • Bis Kapitel 4


    Moshe und die Erzählerin haben einige Parallelen in ihrem Leben. Beide suchen, bzw. haben ein zu Hause gesucht. Moshe weil er musste, um nicht zu sterben, die erzählerin, weil sie den richtigen Menschen sucht, welcher ihr zu Hause ist, denn nur dort kann man sich wohlfühlen. Beide schlüpfen zeitweise in andere Rollen um sich selbst zu schützen. Keiner der beiden ist je in seinem Leben wirklich angekommen. Wichtige Fragen werden entweder nicht gestellt oder unbeantwortet.
    Mir gefällt das Buch sehr gut und ich mag es gar nicht gerne aus der Hand legen. Die Erinnerugen für Moshe ist sehr mit seiner Kindheit in der Klosterschule verbunden.

  • Guten Morgen,


    ich habe das 2. Kapitel beendet und stecke nun auf Seite 99.
    Auch mir gefällt das Buch ausgesprochen gut - selbst die Sprache hat sich verändert und es kommen lange nicht mehr so viele Schachtelsätze zwischen Kommata und Klammern vor.
    Die Geschichte entwickelt sich auch ziemlich gut, nach wie vor gefällt mir das "Springen" zwischen den Zeitebenen am besten. Allmählich frage ich mich, ob der Titel die Beziehung zwischen der Erzählerin (hat sie eigentlich einen Namen?) und Moshe meint... Ich finde wie Tina, dass die beiden große Ähnlichkeiten aufweisen und habe öfter den Eindruck, dass Moshe die Erzählerin manchmal auf einen besseren Weg bringen will und damit seine eigenen Fehlentscheidungen wieder gut zu machen.


    Und dann Jean Marie. Auch in Kapitel 2 verstärkte sich bei mir das Gefühl, dass Moshe und Jean ein und dieselbe Person sind. Zum Beispiel in der Kapelle ganz zu Anfang in St. Croix: Der "echte" Jean leiht Moses seinen Namen... Ob dem eine Schulleiterin zustimmt? Und dann die Erklärung für den "echten" Jean, warum er schon während der Ferien ins Internat zurückgekehrt ist... Wäre das nicht auch für Moses eine gute Erklärung, vor allen Dingen auch dafür, dass ihn später keiner besucht oder abholen kommt? Jean tritt in dem Moment auf den Plan, als sich Moses einsam fühlt und von der Direktorin eine neue Identität verpasst bekommt: denn sie muss Moses a) generell schützen und b) ist das Internat streng katholisch, antisemitisch und pétainistisch (S. 86). Da würde ein Vater, Anhänger von Kollaborateur Henri Philippe Pétain, und eine sehr katholische Mutter als familiärer Hintergrund perfekt ins Bild passen...


    Liebe Grüße
    dubh

    Liebe Grüße

    Tabea


  • Allmählich frage ich mich, ob der Titel die Beziehung zwischen der Erzählerin (hat sie eigentlich einen Namen?) und Moshe meint...


    Eine mögliche Deutung. Auch ich glaube, dass Moshe sich in vielem in der Erzählerin (namenlos, glaube ich) wiedererkennt.
    Allerdings brachte mich das Titelbild - Kain erschlägt Abel - auf die Idee, dass der Titel sich auf eine Art "Bruderliebe" bezieht, und die einzigen "Brüder", die ich bisher im Buch entdecken konnte, sind Jean und Moses. Also ein Konflikt zwischen zwei Lebensmöglichkeiten einer Person, oder einer "Persönlichkeitsspaltung", die nur durch den Tod des einen Teils durch den anderen geheilt werden kann. Dabei gehe ich natürlich davon aus, dass die beiden eine Person sind, auch wenn es im 3. Kap. Zeichen dafür gibt, dass sie es nicht sind. Eine solche Lösung würde mich allerdings enttäuschen.

    Wir sind irre, also lesen wir!

  • Hi,


    ich habe wieder etwas weitergelesen und bin jetzt mit dem 5. Kapitel fertig.


    Ich fand es interessant aus Jeans Leben zu hören. Ich komme zu dem Schluß, daß Jean keine fiktive Person ist, sondern wirklich ein eigenständiger Mensch. Die Beziehung zu Moshe ist schon ein wenig merkwürdig. Ich hatte ab und an den Eindruck, daß Jean in Moshe velriebt ist, was zum Beispiel auch ein Grund gewesen sein könnte, warum er nicht zu dessen Hochzeit kam. Mittlerwiele erscheint mir sein Leben im Orden eher wie eine Flucht um sich nicht mit Dingen auseinander zu setzten, die ihn verletzen. Ich hatte ab und an das Gefühl, daß das Klosterleben für ihn eine Art Alibi war oder auch eine Art Buße. Jean hat große Schuld auf sich geladen und ich denke damit käme keiner ohne weiteres klar, auch wenn er sich damals sehr wahrscheinlich nicht der Tragweite, des von ihm (ich gehe mal davon aus, unbeabsichtigten) begangenen Verrates an Moshe bewußt war. Mit so einer Schuld zu leben, muß die Hölle sein. Ich bin mir immer noch nicht so wirklich im klaren, ob Moshe weiß, was Jean angerichtet hat.
    Ich bin jetzt bald am Ende des Buches angelangt und nun begierig darauf zu erfahren wie die Geschichte endet. Die letzten Seiten werde ich jetzt in der horizontalen lesen und dannach in Reich der Träume verschwinden.


    Viele liebe Grüße Tina

  • Guten Morgen,


    mittlerweile habe ich das Buch beendet und ich muss sagen, dass es mir ausgezeichnet gefallen hat. Anfangs ziemlich skeptisch - vor allem wegen des etwas gewöhnungsbedürftigen Sprachstils - hat mir vor allem der Aufbau der Geschichte sehr gut gefallen. Und das Erzählte selbst natürlich auch: auch wenn ich vom vierten Kapitel an zunehmend erschütterter war. Jean hat große Schuld auf sich geladen und tut mir trotzdem unfassbar leid - konnte er als Kind überhaupt die Tragweite seines Handelns ermessen? Ich glaube, das sah noch nicht einmal Moshe so... Aber Jean kam von seinem Tun nicht mehr los und bestrafte sich letztlich sein komplettes Leben lang selbst. Fraglich bleibt für mich, ob nicht die Mitwissenden (die St. Croix-Direktorin oder der Abbé) mehr auf ein "Geständnis" Jeans und eine Aufarbeitung drängen hätten sollen.
    Eine Art Liebe bezieht sich also auf beide wichtige Beziehungen im Buch: Jean liebt Moshe und hat Angst durch das Eingestehen seiner Schuld Moshe verlieren zu können, Moshe liebt Jean, betrachtet diesen als seine zweite Hälfte, seinen "Rücken" und erkrankt an derselben "Krankheit" wie Jean... Und auch Sophie (endlich erfährt man den Namen der Erzählerin) und Moshe verbindet tiefe Freundschaft, wenn nicht sogar Liebe.
    Und Saltanah hatte die richtige Spur zu Jean: das Titelbild von Tizian! :klatschen:


    Lest Ihr noch? Mehr dann erst, wenn Ihr durch seid!


    Liebe Grüße
    dubh


    PS. Seit der Beendigung von Eine Art Liebe fällt es mir echt schwer ein neues Buch zu finden. Vielleicht versuche ich es einfach mit Katharina Hackers Debut Der Bademeister? Mal schauen.

    Liebe Grüße

    Tabea

  • Ach, da fällt mir ein, dass ich noch etwas schreiben, beziehungsweise zitieren, wollte. Und zwar eine der schönsten und ergreifendsten Stellen des Buches:


    "Ich wußte nicht, was Auschwitz ist", sagte Moshe, "aber für ein paar Augenblicke begriff ich doch, was nicht sein kann, weil es dafür keinen Ort gibt, weder im Denken noch im Empfinden und nicht in der Erinnerung. Sie sind nicht getötet worden wie Menschen, sind nicht als Menschen getötet worden. Zu einem Menschen, zu einem geliebten Menschen gehört sein Tod. Sein Tod ist Teil seines Lebens und damit auch deiner Liebe. [...]"
    (S. 170, TB-Ausgabe)


    Bis bald!
    dubh

    Liebe Grüße

    Tabea

  • Hallo,


    ich bin auch noch da, kam aber die letzte Zeit nicht zumschreiben, da ich einiges um die Ohren hatte. Arbeiten, Kind abholen und dann bin ich ins Fotolabor verschwunden. Als ich rauskam, war es jedesmal schon so spät, daß ich mich schnell in Richtung Bett begeben habe.
    Ich bin auch seit einigen Tagen mit dem Buch fertig. Mir fällt es schwer etwas dazu zu sagen. Es hat mir gefallen, aber bei der Begründung tue ich mich schwer. Es ist eine Geschichte über Freundschaft, Verrat, Liebe und immerwährende Schuld, auferlegt durch den Schuldigen selbst. Gut Jean war kein Kleinkind mehr, als er Moshes Namen Preisgab, aber dennoch ein Kind und er hatte wirklich nicht vorrausgesehen, welche Folgen sein "Verrat" haben könnten. Warum er es überhaupt gemacht hat? Es wurde ja mehrmals erwähnt, daß Jean kein gutes Verhältnis zu seinem Vater hatte. Vielleicht hoffte er unbewußt dadruch auf etwas Annerkennung seitens des Vaters. Auf jedenfall hat ersein lebenlang gebüßt für diesen Verrat, hat ein Leben gelebt, daß er eigentlich nicht wollte, bzw. hinter dem er mit seinem Herzen und seiner Seele nicht stand. Dann gegen Ende seines Lebens der Moment der Freiheit, der aber nicht lange währt. Eine sehr traurige Figur. Unglücklich, schuldig und allein bis zum Ende seiner Tage. Ein grausames Schicksal. Mit dem Verrat an Moshe ist auch er, was das Leben und seine Freuden angeht, gestorben. Das fand ich sehr bedrückend, denn Moshe selbst schien es ja irgendwann gewußt zu haben und schien ihm anscheinend vergeben zu haben.
    Alle verbindet eine Art Liebe, Jean mit Moshe, Moshe mit Sophie, Sophie mit Sebastian, wobei der wirklich nur am Rande auftaucht.
    Ich hatte während des Lesens den Eindruck, daß die Autorin , wie ihre Kollegin in der Geschichte, teilweise gar nicht wußte, wie die Geschichte enden wird und ob sie überhaupt ein Ende haben wird, also ein in sich abgeschlossenes. Das Ende fand ich dann auf einmal sehr abrupt, aber O.K.
    Ich bin gespannt wie es Euch ergeht, denn in all meinen Ausführungen war eigentlich keine wirklich Begründung, warum mir das Buch gefallen hat. Vielleicht ist es die einfachste, daß ich einfach die Geschichte gut fand. :zwinker:


    Tina

  • Guten Morgen zusammen!



    Mit dem Verrat an Moshe ist auch er, was das Leben und seine Freuden angeht, gestorben. Das fand ich sehr bedrückend, denn Moshe selbst schien es ja irgendwann gewußt zu haben und schien ihm anscheinend vergeben zu haben.


    Ich denke auch, dass Moshe Jean vergeben hätte, insofern man so etwas vergeben kann - hätte ihm Jean seine Schuld erzählt. Moshe hätte vermutlich dem Kind Jean verziehen, das vom Ausmaß seines Verrats keine Ahnung haben konnte. Was er ihm schlußendlich nicht vergeben konnte, ist vermutlich sein Ende.


    Zitat

    Ich bin gespannt wie es Euch ergeht, denn in all meinen Ausführungen war eigentlich keine wirklich Begründung, warum mir das Buch gefallen hat. Vielleicht ist es die einfachste, daß ich einfach die Geschichte gut fand. :zwinker:


    Ja, so ergeht es mir auch: eigentlich kann ich meine Meinung zum Buch nicht wirklich begründen, nur dadurch, dass mir die Geschichte und ihr Aufbau sehr gut gefällt!


    Liebe Grüße
    dubh

    Liebe Grüße

    Tabea

  • Hallo allerseits!


    Ich übe mich gerade im Extrem-Parallellesen und stecke daher noch am Ende des 4. Kapitels fest. Eure letzten Beiträge habe ich noch nicht gelesen, um nicht vorzeitig zu erfahren, wie sich das Rätsel um Jeans "Verrat" auflöst.
    Überhaupt hat mir das 4. Kapitel einige Rätsel aufgegeben; vor allem was das Motiv zu Moshes Auswanderung angeht, tappe ich im Dunkeln. Der Entschluss scheint ja für alle sehr überraschend zu kommen, auch für ihn selbst.


    Mehr, wenn ich das Buch beendet und eure Beiträge gelesen habe.

    Wir sind irre, also lesen wir!

  • So, ich habe das Buch gestern auch ausgelesen. Der Gesamteindruck ist zwiespältig; einerseits habe ich es wirklich gerne gelesen, gerade das Hin- und Herspringen zwischen den Zeiten war mMn hervorragend durchgeführt. Andererseits hatte ich leichte Probleme mit den Hauptpersonen Moshe und Jean. Durch den starken Verdacht, der im ersten Kapitel aufkam, es handele sich bei den beiden um nur eine Person, habe ich weite Strecken des Buches sozusagen unter falschen Voraussetzungen gelesen und die Figuren anders bewertet als es sonst der Fall gewesen wäre. Ich weiß immer noch nicht, ob Hacker dies so beabsichtigt hatte, oder ob es ein "Betriebsunfall" war.
    Jedenfalls finde ich es etwas schade, nicht mehr über Jean als Kind (in den frühen Szenen stand ja immer Moshe im Mittelpunkt) oder Moshe als erwachsenem - nicht dem alten - Mann zu erfahren. Über diesen Zeitraum erfahren wir ja in dem ganz großartigen 5. Kapitel mehr über Jean als ihn. Dieses Kapitel hat mich durch seine ungeheure Traurigkeit, die Jeans ganzes Leben durchdringt, sehr berührt. Der arme, der über seinen "Verrat" als Kind nie hinweggekommen ist, sich einerseits nach einem Geständnis sehnt, andererseits Angst hat, seinen einzigen Freund dadurch zu verlieren. Das war sehr eindringlich geschildert.
    So nahe kommen wir Moshe als Erwachsenem nicht. Zwar wird einiges über ihn erzählt - die Ehe mit Ruth, die Trennung etc. - aber diese Informationen kommen (zumindest in meiner Erinnerung) immer in Zusammenhang mit Jean, der darüber informiert wurde. Erst über den alten Moshe erfahren wir wieder näheres.
    Übrigens lässt mich diese Verschiebung des Erzählschwerpunktes doch wieder rätseln, ob es sich wirklich um zwei Personen handelt. Nur Sophies Interview des Polizisten, der Jeans Tod untersucht hat, bringt ja den wirklichen Beweis dafür, dass Moshe sich Jean nicht nur als Alter Ego, als alternative Zukunft, ausgedacht hat.


    Zwiespältig bin ich wie gesagt. Einerseits möchte ich viel mehr über die beiden erfahren, andererseits finde ich es hervorragend, dass deren Leben gerade nicht traditionell geschildert wird. Kein allwissender Erzähler beirchtet uns alle Einzelheiten und klärt alle Fragen, sondern wir erfahren ebenso bruchstückhaft von den beiden, wie Sofie allmählich mehr über Jean und Moshe erfährt.


    Insgesamt hat mir das Buch jedenfalls Apetit auf weitere Bücher von Hackers gemacht. Leserunde?

    Wir sind irre, also lesen wir!

    Einmal editiert, zuletzt von Saltanah ()


  • Insgesamt hat mir das Buch jedenfalls Apetit auf weitere Bücher von Hackers gemacht. Leserunde?


    Gerade, weil Katharina Hacker eine ungewöhnliche Schriftstellerin ist, die nicht nach einem gewöhnlichen 08/15 Schema schreibt, macht sie auch mich neugierig auf andere Bücher von ihr. Ich wäre dabei. Ich habe nur noch nicht nachgesehen, welche anderen Bücher es noch von ihr gibt.


    Viele Grüße Tina

  • Mit großem Interesse verfolge ich diesen Thread. Hacker scheint eine außergewöhnliche Schriftstellerin zu sein.


    Bei mir liegt "Die Habenichtse" auf dem SUB. Sollte es zu einer Leserunde kommen, wäre ich gerne mit dabei! :smile:

    :blume:&nbsp; Herzliche Grüße!&nbsp; :blume: <br />creative