Heimito von Doderer - Die Merowinger oder Die totale Familie

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    Ich muß zu meiner Schade gestehen, daß ich bis vor Kurzem Doderer gar nicht kannte, obwohl er wohl einer der bedeutendsten Schriftsteller Österreichs ist. Sein berühmtestes Werk ist "Die Strudlhofstiege". Bei der Doderer-Gesellschaft gibt es zu seinen Werken Leseproben und so kam ich auf den Merowinger.


    Schon der Anfang ist urkomisch. Man nimmt Teil an einer äußerst unorthodoxen Behandlung von Wutanfällen, bei der der Therapeut den Grad der Wut am Winkel zwischen den Füßen abließt. Der Behandlung von Wut, aber auch deren gezielter Anfachung, sind somit ein bedeutender Teil des Buches gewidmet. Hauptakteur ist aber Childerich III. Er sieht sich selbst als Nachfahre der Merowinger und sein Ziel ist es, die totale Familie zu erzeugen. Durch geschickte Heirat wird er sein eigener Vater, Großvater, Schwiegersohn und Schwiegervater. Das wie möchte ich hier nicht klären, daß macht Doderer viel besser. Um sein eigener Neffe zu werden, versucht er eine geeignete Adoption zu arrangieren. Nicht nur vereinigt er somit alle Personen einer Familie in sich selbst (La familie, c'est moi!), auch konzentriert es so das Vermögen seines Clans auf sich. Das führt zu Spannungen, die am Ende des Buches fulminant entladen werden.


    Es war wirklich ein Genuß, das Buch zu lesen. Doderer hat eine sehr eigenwillige Phantasie, die er gut formuliert vermitteln kann.


    Und noch eine Bemerkung: in Fußnoten verweist er an wenigen Stellen auf real existierende Bücher, um gewisse Aussagen zu untermauern (Grimmsches Wörterbuch, Handwörterbuch des Aberglaubens). Nur finden sich die Verweise dann nicht darin. Ich finde das einen interessanten Dreh, mit ausgedachten Verweisen aus realen Büchern zu arbeiten.


    Ich wurde sehr gut unterhalten und vergebe daher 5ratten

    "Es ist die Pflicht eines jeden, es auch auszusprechen, wenn er etwas als falsch erkennt." --- Stefan Heym, 2001