Franz Kafka - Amerika

Es gibt 53 Antworten in diesem Thema, welches 16.311 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von hansol.

  • Hallo,


    Ich finde den Roman gar nicht so realitätsfremd. Gerade, wenn man den beschriebenen Arbeitsrhythmus nicht kennt und er neu für Karl ist, muss er ihm umso mechanischer vorkommen. Kafka brauchte nur ganz leicht übertreiben und manchmal vielleicht auch gar nicht, um den Effekt zu erzielen. Dann kommt schon mal ein Satz zustande wie "das Grüßen wurde abgeschafft".


    Das Kapitel Hotel Occidental mit den Beschreibungen der Arbeitsbedingungen umfasst kaum 30 Seiten.


    Zitat

    Die Szenen haben nicht nur Slapstick-Charakter (diese Optik wird letzlich auch durch viele Kommentare im Web geipmpft). Ich kann sie mir auch als graue und triste, deutlich reellere Szenen vorstellen. Lass' mal Aki Kaurismäki drehen oder Katharina Thalbach für's Theater Regie führen - die Bühne als riesige Mausefalle...


    Am Anfang des Romans sind mir auch Fellini und Kaurismäki durch den Kopf gegangen, doch schon beim 2. Kapitel stimmte für mich der Vergleich nicht mehr. Ich verstehe auch deine Anspielung nicht richtig, könntest du mir bitte genauer erklären, was du meinst? :confused:
    Ich weiss (noch) nicht welche Optik im Web vertreten wird, seit einer Zeit weigere ich mich, da während dem Lesen eines Buches zu recherchieren, weil es mehr verwirrt als sonst was. Ich habe die hier geschriebenen Kommentare auch nicht mehr nachgelesen, ich lasse mich dann doch zu sehr beeinflussen und das ist schlussendlich nur frustrant.
    Weshalb ist dir der Vergleich mit Chaplin so zuwider? Seine Filme über die Arbeiterklasse in den U.S.A. sind doch alles andere als lustig. Ich habe vereinzelte Slapstick-Elemente in Amerika ja nicht mit Stan Laurel & Oliver Hardy verglichen.


    Zitat

    Ein Ende habe ich übrigens schon vermisst, muss ich zugeben. Auch wenn es ein offenes Ende gewesen wäre, aber es hätte vom Autor gestammt mit einem bestimmten Zweck. Schade, dass dieses Buch nicht fertig wurde. Immerhin, es besteht die Möglichkeit, dass ein vollständiges Buch nochmal einen ganz bestimmten Dreh oder eine bestimmte Vervollständigung bekommen hätte.


    Das sehe ich auch anders als du. Mich hat dieses "Ende" nicht gestört. Es ist eben eine Tatsache, dass Kafka der Verschollene nie beendet hat, dass es ein unvollständiges Werk ist. Er hat es ja nicht mit Absicht so hinterlassen, er wollte es in dieser Form ja nicht veröffentlichen. Für mich ist es eher ein "Dokument". Als mein Großvater starb, hat meine Oma (die nicht lesen und nicht schreiben konnte) mir Tagebücher meines Großvaters gegeben, da war auch viel unvollständig. Da mein Opa vor allem mir viel bedeutete, waren diese Hefte nur für mich und meine Familie interessant, wäre er ein guter Schriftsteller, Maler oder Musiker gewesen, hätte die Welt sich dafür interessiert...


    liebe Grüsse
    dora

    Einmal editiert, zuletzt von dora ()


  • Das sehe ich auch anders als du. Mich hat dieses "Ende" nicht gestört. Es ist eben eine Tatsache, dass Kafka der Verschollene nie beendet hat, dass es ein unvollständiges Werk ist. Er hat es ja nicht mit Absicht so hinterlassen, er wollte es in dieser Form ja nicht veröffentlichen. Für mich ist es eher ein "Dokument".


    Zunächst mal eine Antwort darauf, den Rest muss ich neu tippen. Den hat's gerade zerlegt.


    Störend ist das fehlende Ende nicht, aber schade ist es schon. Mich hätte es wirklich interessiert, auch wenn es den Gesamteindruck vermutlich nicht auf 2 Ratten gehoben hätte. Interessant finde ich vor allem, dass die beiden Theorien zum geplanten Ende völlig entgegen gesetzt sind: Happy End mit Familie oder einsamer Tod.
    Ansonsten kann ich auch einfach nur zur Kenntnis nehmen, dass das Buch nie fertig wurde und dass ich einfach nur das lesen und für mich beurteilen kann, was da ist.

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  • Zunächst mal eine Antwort darauf, den Rest muss ich neu tippen. Den hat's gerade zerlegt.


    Das war mir vorher auch passiert, als ich dir antwortete...der erste Teil war plötzlich einfach weg. :grmpf:
    liebe Grüsse :zwinker:
    dora

  • Hallo zusammen,


    die Meinungen sind ja geteilt :zwinker: Nachdem ich jetzt auch durch bin, schließe ich mich Dora an: die Lektüre hat mich bereichert. Kafkas Talent, durch relativ lakonische Schilderungen eindrückliche Stimmungen hervorzubringen, finde ich enorm. Dass er sich sehr kurz hält, lässt viel Platz für eigene Gedanken. Sobald ich mich darauf eingestellt hatte, dass hier keine Geschichte im eigentlichen Sinn erzählt wird, fand ich es sehr spannend, darüber nachzudenken, was hinter dem Text steht. Was man hineindeutet, ist selbstverständlich sehr subjektiv, aber das macht die Lektüre natürlich auch reizvoll.


    Etwas krankt das Ganze natürlich daran, dass der Roman nicht vollendet wurde. Dass Kafka Karl sterben lassen wollte, ist ja immerhin ein Hinweis, aber der Weg, den er bis dahin zurücklegt, hätte mich schon sehr interessiert. Zwischen Karl und Brunelda muss sich ja z.B. etwas getan haben; ihr Verhalten bei der „Auswanderung“ ist ja schon sehr unterschiedlich zu dem im „Asyl“. Spannend wäre sicher auch gewesen, was Karl vor der Bewerbung beim Naturtheater widerfährt und wie sein Leben dort weitergeht (dazu noch eine ganz konkrete Frage: wo ist der Engel Fanny eigentlich schon aufgetaucht? Ich habe geblättert, aber sie leider nicht gefunden).


    Zum Thema Entwicklung: ich finde schon, dass Karl eine Entwicklung durchläuft. Am Anfang hat er ja nur getan, was der Onkel ihm vorgeschlagen hat, für die Stelle im Hotel musste er ja auch selbst nicht viel tun und in die Dienstbotenstellung wurde er ja mehr oder weniger gezwungen. Beim Theater bewirbt er sich aber ganz eigenständig. Natürlich entspricht das nicht der klassischen story of initiation, an die ich mich noch dunkel aus dem Englischunterricht erinnere, aber es geht schon in die Richtung.


    Ein Gedanke noch zu den unterschiedlichen Einschätzungen: Bettina, Alfa, dass Euch „Amerika“ nicht gefallen hat, könnte evtl. auch daran liegen, dass es – nach meiner Einschätzung – ein schwieriger Anfang für Kafka ist. „Der Prozeß“ oder „Die Verwandlung“ sind imo geeigneter, weil sie geradliniger als „Amerika“ sind.


    Im Schwesterforum stand ja der Satz (warum ist der eigentlich verschwunden) „Ein Klassiker ist ein Buch, das nie aufhört zu sagen, was es sagen möchte“. Diese Voraussetzungen erfüllt Kafka in meinen Augen hervorragend. Was er sagen will, wird wohl immer offen bleiben, aber er hat uns noch etwas zu sagen. Was sich ja auch an dieser Diskussion hier zeigt: ist es nicht schön, dass wir uns über einen mehr als 80 Jahre alten Text noch die Köpfe zerbrechen können und nicht sagen, total veraltet und langweilig?


    In diesem Sinn ein Dankeschön an die Teilnehmer und Zaungäste dieser Leserunde und natürlich an Alfa für die Anregung.


    Liebe Grüße
    Manjula

  • Hallo,


    (dazu noch eine ganz konkrete Frage: wo ist der Engel Fanny eigentlich schon aufgetaucht? Ich habe geblättert, aber sie leider nicht gefunden).


    Ich meine dieser Engel taucht nicht vorher auf.


    dora

  • Ich meine dieser Engel taucht nicht vorher auf.


    Der Meinung bin ich auch.
    Fanny hängt in irgendeinem Teil der Geschichte fest, die nie geschrieben wurde.


    P.S. ich bin dora ja noch ein paar Antworten schuldig....

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  • Hi!


    Das meine ich auch. Das Auftauchen von Fanny hat mich auch kurz stutzen lassen. Da das Werk unvollendet ist, könnte ich mir vorstellen, dass Fanny vielleicht eine Figur aus dem Hotel ist, die Kafka bei einer Überarbeitung vorne gestrichen und hinten vergessen hat?


    :winken:


    Alfa Romea

    Wer anderen folgt, wird nie zuerst ankommen.

  • Das Kapitel Hotel Occidental mit den Beschreibungen der Arbeitsbedingungen umfasst kaum 30 Seiten.


    Ich dachte auch an die Beschreibungen der Straßen, die im Büro des Onkels, alles hat was rastloses und mechanisches.



    Am Anfang des Romans sind mir auch Fellini und Kaurismäki durch den Kopf gegangen, doch schon beim 2. Kapitel stimmte für mich der Vergleich nicht mehr. Ich verstehe auch deine Anspielung nicht richtig, könntest du mir bitte genauer erklären, was du meinst? :confused:


    In Sachen Regie wüsste ich sicher nicht den Richtigen, aber die beiden sind mir einfach eingefallen. Was die Mausefalle angeht: Ich bin spontan auf eine Idee für das Bühnenbild gekommen, denke nur mittlerweile, dass ein Mäuselaufrad wohl besser wäre. Das habe ich kommentarlos und ohne Erläuterungen damals spontan an mein Posting angehängt, deshalb wahrscheinlich Dein :confused:
    Fand ich ganz passend, weil jeder, der in der Maschinerie mitspielt, jeden Tag für dieses mechanische Amerika-Bild arbeitet und arbeitet und arbeitet. Selbst der Onkel, der sich einige Freiheiten leisten könnte, weil er keinen mehr über sich hat, reglementiert sich selbst - und das auch noch übertrieben stark.



    Zuwider ist mir der Vergleich nicht. Ich finde nur, andere Vergleiche würden auch passen. Zumal ich bisher Chaplin für mich persönlich auch immer in die Slapstick-Szene gesteckt habe. Vermutlich wegen der Abspielgeschwindigkeiten des Films. Vermutlich werde ich aber geschlagen, wenn ich Chaplin als Slapstick eintüte :wegrenn:

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  • Hallo zusammen!


    Zumal ich bisher Chaplin für mich persönlich auch immer in die Slapstick-Szene gesteckt habe.


    Hauen werde ich Dich deswegen nicht :smile: - aber seine Langspielfilme (allen voran Modern Times oder The Dictator) haben schon mehr Tiefgang ...


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen. (Karl Kraus)

  • Mir ist noch was aufgefallen. sandhofer erzählt in seinem Thread über Kurt Tucholsky, dass dieser Kafkas Die Strafkolonie und Der Prozess ungeheuer positiv bespricht, auch wenn er zugibt, dass er eigentlich nicht versteht, worum es geht.


    Auf meiner Ausgabe von "Amerika" (SZ Bibliothek) wird auf der Rückseite ebenfalls Tucholsky zitiert:
    Am schönsten an diesem Werk ist die tiefe Melancholie, die es durchzieht: Hier ist der ganz seltene Fall, dass einer das Leben nicht versteht und Recht hat.

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  • hallo habt ihr euch mal gefragt,warum der onkel vor allen die familienverhaeltnisse
    von rossmann breittritt----würde man nicht im leben den neffen an dieseite nehmen und mit ihm diskret
    das erörtern.warum dieses pro coram publico??
    2 glaubt ihr,dass pollunder pädophile neigung zu karl hegt--z.b arm um ihn legen etc.?
    warum will pollunder unbedingt,dass klara und karl zusammenkommen--was verspricht er sich davon??
    3 ich habe den eindruck-dass kafka als jude--auch die jüdische gesellschaft abbildet
    4 denkt ihr,dass der onkel-so etwas wie eine gottvaterfigur ist? wie der türsteher
    man bedenke jakob -eivater vieler generationen
    warum benennt sich der onkel um !in edward jacob--hies er doch vorher brey.....
    lieben gruss hansol