Alois Prinz - Lieber wütend als traurig

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  • Hallo!


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    Inhalt:


    Ulrike Marie Meinhof (1934-1976) war Bürgerstochter, renommierte Journalistin und Mitbegründerin der RAF - eine christliche Pazifistin, die schließlich die Welt mit Gewalt verändern wollte. Alois Prinz folgt ihren Lebensspuren, von der Kindheit im Dritten Reich bis zu ihrem Tod in Stammheim. Mit gebotener Distanz erzählt er ein Leben, in dem sich die Nachkriegsgeschichte der Bundesrepublik spiegelt und das zugleich fundamentale Fragen politischer Ethik aufwirft. Ein moralisches Urteil über den Menschen Ulrike Meinhof überlässt Prinz indes dem Leser.



    Teilnehmer:


    tina
    dora
    melu?


    Eine kurze Bitte: Damit das ein bisschen angenehmer zu lesen ist, postet erst, wenn ihr angefangen habt. Die Beiträge "Buch liegt bereit, ich fange heute Abend an" ziehen das ganze immer so sehr in die Länge.


    Interessant für Leserunden-Neulinge ist sicherlich die Leserunden-FAQ. Dort findet ihr auch Informationen z.B. zu Spoilern etc.


    Viel Spaß!

    [size=9px]&quot;I can believe anything, provided that it is quite incredible.&quot;<br />~&quot;The picture of Dorian Gray&quot;by Oscar Wilde~<br /><br />:leserin: <br />Henry Fielding - Tom Jones<br /><br />Tad Williams - The Dragonbone Chair<br /><br />Mark Twai

  • Hallo zusammen,


    schon der Prolog hat mich für Alois Prinz eingenommen.
    Sein sanftes Herangehen an Ulrike Meinhofs Kindheit und Jugend, die sorgfältige und expressive Wortwahl, die objektive Schilderung der Beobachtungen, eine gewisse Schüchternheit und sachte Selbstzweifel an der Methode der Nachforschung schließen auf Klugheit und Einfühlungsvermögen des Autors.


    dora

  • Hallo,


    ich habe bis jetzt den Prolog und das Kapitel I Vom Widerstand gelesen.
    Ich kann mich Dora nur anschließen. Auch die Zweifel von Alois Prinz Ulrike Meinhof in irgendeiner Weise zu glorifizieren, macht ihn für mich zu einem bemüht objektiven Beobachter, auch wenn das trotz alle dem nicht immer gelingen mag.


    Auch mir gefällt es gut, dass er mit Ulrikes Kindheit, bzw. sogar mit ihren Eltern anfängt. Ein Mensch ist nicht von Natur aus Böse. Was und wie ein Mensch wird, hat sehr oft nichts mit Erziehung oder Kindheit zu tun. Ulrikes Eltern schienen mir nicht unsympathisch und sie ein normales Kind.
    Ich musste mir während des Lesens meine Tochter anschauen und unweigerlich kam mir der Gedanke: "Könntest Du auch mal eine Terroristin werden? Könntest Du Menschen töten, könntest Du fanatisch werden?" Ich kann diese Frage nicht mit einem bestimmten Nein beantworten, auch meine Tochter (3 Jahre) ein absoluter Engel ist. Man kann versuchen seinem Kind vernünftige, ethisch vertretbare Ratschläge zu geben und Mord und Gewalt zu verurteilen, aber letztendlich ist ein Mensch im Laufe seines Lebens so vielen Einflüssen ausgesetzt, dass man darauf nicht wirklich einen Einfluss hat und das ist schon sehr erschreckend.


    Das Buch ist sehr interessant und ich werde jetzt noch ein wenig weiterlesen.


    Tina

  • Hallo,


    ich bin mittlerweile bei Kapitel XIII Kampf im Knast angelangt.
    Es ist fast nicht nachzuvollziehen, wie ein intelligenter Mensch wie Ulrike Meinhof, sich in solch einem Realitätsverlust verrennen kann.
    Es gab bis jetzt einige Dinge die mich haben den Kopf schütteln lassen:


    Das Ausbildungslager der El Fatah. :vogelzeigen: Das kamen mir Bader-Meinhof und Co. wie kleine Kinder auf dem Abenteuerspielplatz vor. Sorry, aber was anderes fällt mir dazu nicht9 ein. Ebenso die Einstellung zu Polizisten; das jeder Polizist ein Schwein ist, egal ob im Dienst oder privat. Wie krank ist denn das? Wenn wir keine Polizei und keine Gesetze hätten, dann hätten wir hier Anarchie. Andreas Bader hat wohl den größten Sprung in der Schüssel. Dieser Typ hatte ja noch nicht einmal politisch Motive oder erreichbare Ziele. Der wollte einfach nur Stunk. Wie ein verwöhntes Kind, dem langweilig ist und dem es Spaß macht andere zu schikanieren. Wenn das nicht gelingt, dann wird um sich gehauen.
    Was mir nicht in den Kopf geht; wie die Wandlung der Ulrike Meinhof eigentlich im Detail vor sich ging. Am Anfang des Buches, konnte ich sehr viel Gedanken von ihr nachvollziehen und sogar teilweise verstehen und mir hat immer ihre überlegte, aber auch sehr direkte Art gefallen und trotzdem stand sie fest hinter ihrem Pazifismus. Wie wird aus solch einem intelligenten Pazifist eine Terroristin? Das fand ich schade, dass dies bei dem Buch nicht mehr herauskam, aber ich glaube, dass die Recherchen so schon nicht sehr einfach waren.
    Geschockt hat mich, dass Ulrike einfach so ihre Kinder hinter sich ließ. Es ist ihr nicht leichtgefallen, aber sie hat sie trotzdem nach Sizilien geschickt mit völlig zugedröhnten Aufpassern. Mir taten Regina und Bettina so Leid.
    Wie paranoid diese ganze Bande war, sieht man ja daran, dass sie gar nicht mehr Ursache und Wirkung sehen. Warum handelt denn die Polizei so? Warum schießt sie? Sie schießt nicht auf Sonntagspaziergänger, sondern auf Menschen, die diesen Polizisten absoluten Hass und Verachtung entgegenbringen und die selbst bewaffnet sind. Muss man sich da wundern, dass die Polizei reagiert? Nein, genauso wie ich keinerlei Mitleid habe, wenn ein Geiselnehmer erschossen wird. Wenn man Geiseln nimmt, dann muss man damit rechnen, dass man erschossen wird. Das ist ein zu erwartendes Risiko.


    Ich finde dieses Buch ausgesprochen interessant. Mir tut Ulrike einfach nur Leid, weil sie ein so schönes Leben mir ihren Kindern hätte haben können. Sie hatte einen Beruf, ein schönes zu Hause und sehr viele Freunde, die sogar noch später hinter ihr stehen. Sie hat all die wertvollen Dinge des Lebens, Liebe, Freundschaft, Vertrauen und Humor weggeworfen.


    Ich habe das Gefühl, die RAF ist an einem Punkt angelangt, an dem sie merken, dass sich die Bundesrepublik nicht erpressen lässt. Um sich nicht einzugestehen, dass man mit Worten nichts erreicht, wird mit Gewalt das Scheitern des eigentlichen Unterfangen überspielt. Einfach verletzter Stolz. Kindisch, aber gefährlich da absolut Unzurechnungsfähig und Irre.


    Tina

  • Hallo Tina,
    ich bin leider noch nicht viel weitergekommen, habe fast die ganze Zeit gearbeitet, doch ab heute haben wir Osterferien, :smile: werde aber an diesem Wochenende weiterlesen und meine Eindrücke schildern.


    liebe Grüße
    dora

  • hallo,


    Am Anfang des Buches, konnte ich sehr viel Gedanken von ihr nachvollziehen und sogar teilweise verstehen und mir hat immer ihre überlegte, aber auch sehr direkte Art gefallen und trotzdem stand sie fest hinter ihrem Pazifismus. Wie wird aus solch einem intelligenten Pazifist eine Terroristin? Das fand ich schade, dass dies bei dem Buch nicht mehr herauskam, aber ich glaube, dass die Recherchen so schon nicht sehr einfach waren.


    Bin im VIII. Kapitel: Revolutionskasper


    Alois Prinz hat meine volle Bewunderung. So objektiv eine Biographie zu schreiben ist ein echtes Kunstwerk. In keiner Zeile wird er parteiisch, in keinem Satz kommentiert er Adenauers Deutschland, das er in meinen Augen klar, verständlich, interessant und offen beschreibt.
    Mir gelingt überhaupt keine Identifikation mit Meinhof, obwohl ich politisch (bis jetzt) mit ihr einverstanden bin.


    Obwohl sie ein hilfsbereiter und gutherziger Mensch gewesen zu sein scheint, kommt sie mir sehr kalt rüber. Vielleicht liegt dieser Eindruck aber auch an der Distanz, mit der Prinz diese Frau schildert.
    Erstaunt hat mich ihr tiefchristlicher Glaube, das hätte ich niemals vermutet.
    Ihre Ehe mit Röhl entspricht wiederum nicht ihrer religiöser Überzeugung.
    Jetzt gehe ich schnell weiterlesen...


    dora

  • Hallo,



    Warum handelt denn die Polizei so? Warum schießt sie? Sie schießt nicht auf Sonntagspaziergänger, sondern auf Menschen, die diesen Polizisten absoluten Hass und Verachtung entgegenbringen und die selbst bewaffnet sind. Muss man sich da wundern, dass die Polizei reagiert?


    Hm, ganz so harmlos und nett sehe ich die Rolle der Polizei aber nicht. Benno Ohnesorg war weder bewaffnet noch ein Terrorist. Und der Polizist, der ihn getötet hat, wurde freigesprochen...
    Extrem fragwürdig ist auch die Rolle des Berliner Verfassungsschutzes, wie konnten Menschen, die ja eigentlich auf der "richtigen" Seite standen die SDS-Aktivisten mit Molotow-Coctails und später mit Waffen und Sprengstoff versorgen?
    Solch eine Provokation entsetzt mich.


    Ein Fehler ist mir im Buch aufgefallen: Regis Debray hat nicht an der Seite Che Guevaras gekämpft.
    Er war hauptsächlich für die Logistik der Guerilla-Kämpfer verantwortlich, Che Guevara und Fidel Castro wollten ihm keine Waffe in die Hand geben, da sie ihm den richtigen Umgang mit Waffen nicht zutrauten.


    Ich bin jetzt im XI Kapitel: Der Sprung in ein anderes Leben
    Bis jetzt glaubte ich immer, Horst Mahler wäre nur Anwalt verschiedener RAF-Aktivisten gewesen, dass er eigentlich Mitbegründer der terroristischen Organisation war, wusste ich nicht. Dass er nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis zum rechtsextremen Rand wechselte, ist dann noch unbegreiflicher.


    Eine klare, politische Linie vermisse ich bei vielen Aktivisten um Ulrike Meinhof. Vielleicht kommt sie noch, doch außer Meinhof selbst, Rudi Dutschke, Herbert Marcuse und vielleicht noch ein, zwei anderen, scheint es sich oft um verrückte "Spaßvögel" zu handeln, Provokation um der Provokation willen...


    dora

  • Hallo Tina,


    habe das Buch zu Ende gelesen.


    Zitat

    Das Ausbildungslager der El Fatah. Vogelzeigen Das kamen mir Bader-Meinhof und Co. wie kleine Kinder auf dem Abenteuerspielplatz vor.


    Ich wusste auch nicht, ob ich da lachen oder nur den Kopf schütteln soll, andererseits frage ich mich hier, wieviel Wahrheit dahinter steckt, die Quelle für diesen Auszug ist Stefan Aust, dem ich in dieser Geschichte nicht vollkommene Objektivität zutraue. Andererseits würde dieses kindische Benehmen ganz gut zum Wesen von Baader passen.


    Zitat

    Was mir nicht in den Kopf geht; wie die Wandlung der Ulrike Meinhof eigentlich im Detail vor sich ging. Am Anfang des Buches, konnte ich sehr viel Gedanken von ihr nachvollziehen und sogar teilweise verstehen und mir hat immer ihre überlegte, aber auch sehr direkte Art gefallen und trotzdem stand sie fest hinter ihrem Pazifismus. Wie wird aus solch einem intelligenten Pazifist eine Terroristin? Das fand ich schade, dass dies bei dem Buch nicht mehr herauskam, aber ich glaube, dass die Recherchen so schon nicht sehr einfach waren.


    Das vermisste ich auch. wie ist aus einer engagierten Journalistin eine Mörderin geworden? Im Buch ging mir das plötzlich zu schnell. Prinz legt ja viel Wert darauf, Meinhof mit all ihren Gedanken und Ängsten, ihrer Wut und ihren Überzeugungen dem Leser bekannt zu machen und gerade bei dieser relevanten Frage überstürzen sich die Ereignisse, so als ob Prinz keine Lust mehr zu recherchieren hatte.


    Zitat

    Geschockt hat mich, dass Ulrike einfach so ihre Kinder hinter sich ließ. Es ist ihr nicht leichtgefallen, aber sie hat sie trotzdem nach Sizilien geschickt mit völlig zugedröhnten Aufpassern.


    Das war grauenhaft, dann noch ihr Plan die Kinder in ein Waisenlager in Jordanien zu stecken, das hat den Rest der Menschlichkeit, den ich zum Schluss in Ulrike noch sehen konnte, zerstört.


    liebe Grüsse
    dora