Michael Wallner, Zwischen den Gezeiten

  • Kaufen* bei

    Amazon
    Bücher.de
    Buch24.de

    * Werbe/Affiliate-Links


    Michael Wallner, Zwischen den Gezeiten
    (Luchterhand Verlag, Juni 2007)
    ISBN 978-3-630-87255-1
    253 Seiten, € 19.95 (HC)


    Zum Autor:


    Michael Wallner wurde 1958 in Graz geboren. Er hat als Schauspieler und Regisseur gearbeitet und lebt heute in Berlin. Er hat bereits mehrere Romane veröffentlich, sein 2006 zuletzt erschienener April in Paris wurde international gut aufgenommen.


    Inhalt (Klappentext):


    Norddeutschland 1948: In einem Lazarett der britischen Truppen lernt Inga, eine junge Deutsche, Alec Hayden kennen - einen Offizier, der zerbrechlich wirkt, aber eine geheimnisvolle Aura besitzt. Inga, von dem unnahbaren Mann mit dem fahlen Gesicht merkwürdig angezogen, begreift rasch, daß Hayden nur eine Leidenschaft kennt: er ist ein Spieler, besessen von den Karten.Doch diese Entdeckung schreckt sie keineswegs ab. Denn in der Tristesse der Nachkriegszeit träumt die lebenshungrige Inga von Abwechslung, Abenteuer und dem großen Glück. Was wäre, stellt sie sich vor, wenn sie selbst einmal das richtige Blatt in Händen halten und den großen Coup landen würde?
    Ohne nachzudenken, setzt Inga alles auf eine Karte - und droht alles zu verspielen: das wenige, was ihre Eltern noch besitzen, ebenso wie ihre Ehre und ihr Glück. In diesem Moment freilich erkennt Hayden, dass Inga ihm mehr bedeutet, als er sich eingestehen wollte. Und daß es für ihn im Leben noch Wichtigeres gibt als das Spiel...


    Meine Meinung:


    Wie schon bei April in Paris handelt es sich hierbei um einen literarischen und doch leichten Roman: Inga ist eine gut geglückte Person, die man sich mit all ihren Träumen und ihrer Abenteuerlust sehr gut in der deutschen Nachkriegsgesellschaft vorstellen kann. Auch Alec Hayden wirkt vorstellbar, ebenso wie ihr Kennenlernen und ihre Situation, die sich daraus entwickelt. Vorweg sollte ich sagen, dass ich dieses neue Buch nicht halb so kitschig empfunden habe wie April in Paris - noch weniger wurden historische Fakten gedeutelt oder passend für die Geschichte arrangiert...
    Im Gegenteil, alles scheint stimmig und realistisch, so daß ein gelungenes Portrait dieser schwierigen Zeit entstanden ist - auch wenn ich für meinen Teil wohl nicht mehr richtig warm werde mit dem Autoren. Wieder gibt es Passagen, die mich verdutzen oder sogar ärgern: wiederholt wird bei so manchen britischen Soldaten von "Negern" gesprochen, eine andere Stelle lautet: "Marianne sprach das Wort aus, als sei Hennings Familie ein unterentwickelter Negerstamm." Mag sein, diese Worte und Sätze sollen dem Leser den allgemeinen Zeitgeist damals zeigen - ich bin geneigt zu behaupten, daß der Leser sich dies auch ohne solche Ausdrücke vorstellen könnte. Schließlich weiß man auch die Protagonisten zu deuten...
    Nichtsdestotrotz ist die Geschichte eine sehr interessante: Spielsucht als auch die Verstrickungen der Kleinstadtbewohner während des 3. Reiches werden sehr anschaulich dargestellt, ebenso der Umgang mit den Schuldigen und Mitwissenden: Inga handelt diesbezüglich nicht anders als Millionen Deutsche in diesen Jahren - man arrangiert sich und verdrängt gekonnt.
    Dies ist übrigens ein Punkt, der im Klappentext nicht anklingt: Ingas Vater war früher Bahnhofsvorsteher und hat so manchen Zug gen Ausschwitz passieren lassen, zudem war er ein echter "Goldfasan" - was seine Tochter erst 1948 realisiert.


    Besonders geglückt ist vor allen Dingen eines: Wallners schnörkellose Sprache. Sie bringt es fertig, daß man in diese Zeit eintaucht, die Entbehrungen und den Lebenshunger dieser jungen Frau Inga nachfühlen kann, ja, es entstehen dabei sehr feine Bilder im Kopf.


    Fazit: Ein guter Roman um die Neuorientierung und die Vergangenheitsbewältigung innerhalb einer Familie wenige Jahre nach der Beendigung des II.Weltkrieges.


    3ratten


    Liebe Grüße
    dubh

    Liebe Grüße

    Tabea