Haruki Murakami - Wilde Schafsjagd

Es gibt 36 Antworten in diesem Thema, welches 11.671 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Saltanah.

  • Ich bin jetzt auch wieder in Deutschland und habe auch gestern Nacht noch angefangen zu lesen, bin aber noch nicht so weit gekommen. Bis jetzt gefällt mir das Buch ganz gut, vom ersten Kapitel war ich etwas enttäuscht, weil es so "normal" war. Der Anfang war doch etwas langweilig, die ganzen Frauengeschichten und so weiter. Jetzt wird es aber langsam spannend, ich bin im vierten Kapitel, beim Teil über den "Merkwürdigen Mann".
    Ich lese mal weiter, um euch einzuholen :winken:

    ~~better to be hated for who you are, than loved for who you&WCF_AMPERSAND're not~~<br /><br />www.literaturschaf.de

  • Die wunderbare Namensdiskussion habe ich jetzt auch gelesen. Herrlich! Obwohl die Frage, warum was einen Namen bekommt, natürlich nicht endgültig geklärt wird. Was mir dazu bei dem Satz "Stadtbusse haben ja keine Namen" einfiel, war: "Zum Glück befinden die sich nicht gerade in Stockholm". Da saß ich nämlich gerade im "Adam" drin :breitgrins: . Hier haben zwar die Stadtbusse ebenfalls keine Namen, die U-Bahnwagen allerdings schon. Die :vogelzeigen: , die Schweden!


    Aufgefallen bei der Namensdiskussion ist mir natürlich auch der letzte Satz:

    Zitat

    "But you already have a name."
    "Right you are," I said. "I nearly forgot."


    Hat der Ich-Erzähler sich selbst, seine eigene Identität so weit verloren, dass er seinen eigenen Namen vergessen hat? Und sind alle anderen Menschen ebenfalls so austauschbar (wie Schafe, im Gegensatz zu benamten Pferden), dass sie ebenfalls keine Namen brauchen? Oder ist ein Name, also eine Art Klassifizierung von außen für einen einzigartigen Menschen eigentlich nicht wichtig? Hat er seinen Namen nur deswegen fast vergessen, weil er ihm von anderen auferlegt wurde, während er sich von seinen Mitmenschen so weit gelöst hat, so sehr nur von sich selbst abhängt, dass er keine äußere Identifikation braucht?
    (Keine Ahnung, ob ihr mir hier folgen könnt. Das kann ich kaum selbst.)


    Jedenfalls taucht das Namensthema auch später immer wieder auf. So heißt es z. B. später, dass Berge lebendige Dinge sind, die je nach Situation ihre Erscheinung sehr ändern können. Haben sie - überlegte ich mir da - vielleicht deshalb alle Namen?
    Und noch später wird dann von der namenlosen gegend erzählt, deren Bewohner sich weigerten, ihr einen Namen zu geben. Wieso? Wollten sie weiterhin im nirgendwo leben, in einer nicht existierenden Stelle - wenn man nun davon ausgeht, das etwas nur dann richtig real wird, wenn es einen Namen hat?



    Noch mal zu dem japanischen/westlichen Hintergrund. Mir fiel im 7. Teil, "Enter the Sheep Professor" auf, dass ich mir das gegenüberliegende Bürohaus, das der Ich-Erzähler während des Wartens am Telefon beobachtet, völlig westlich vorstelle. Ich war dort in meinem Kopf viel eher in den USA als in Japan. Allerdings wird dieser Effekt bei mir auch dadurch verstärkt, dass ich das Buch ja auf englisch lese. Vielleicht würde ich das auf deutsch nicht so stark empfinden. Aber auch die Namenlosigkeit der handelnden Personen macht das Buch weniger japanisch. Durch japanische Namen würden sie "exotischer", fremder, eben japanischer wirken, während sie mir als "Chauffeur", "Portier", "Freundin" oder was auch immer, "normal" - sprich - westlich vorkommen. (Ich habe vor vielen Jahren mal ein us-amerikanisches Buch gelesen, in dem erst ganz am Ende erwähnt wurde, dass die Protagonisten alle Schwarze waren. Bis dahin hatte ich sie mir weiß vorgestellt, was in meinem Kopf eben die "Defaulteinstellung" für "gewöhnlicher Mensch" ist. Hier ist mir zwar theoretisch klar, dass die Personen alle Schlitzaugen und schwarze Haare haben, da das aber nicht extra erwähnt wird, verlieren sie diese Eigenschaften immer wieder, wenn ich es mir nicht extra bewusst mache.)

    Wir sind irre, also lesen wir!

  • Hallo zusammen,


    ich bin jetzt gerade auf Seite 172, also bei Kapitel 7 angekommen. Da ich gleich weg muss möchte ich nur kurz ein paar Eindrücke, von dem was ich in den letzten 90 Minuten gelsen habe, aufschreiben.


    Also mir schwirrt gerade die ganze Zeit die Theorie durch den Kopf, dass der Ich -Erzähler total antriebslos ist und nur so vor sich hinlebt. Dadurch dass er jetzt aber das SChaf suchen muss, hat er einen Antrieb oder ein Ziel bekommen hat. Er wird ja eigentlich angstachtelt, sich jetzt endlich auf die Suche zu machen.


    Die Stelle mit dem Kater und dem Fahrer fand ich klasse.



    genial.


    Sorry das ist jetzt alles einbisschen zerhackt, ich hab aber keine Zeit mehr zuschreiben und das wollte ich jetzt noch los werden. Vll. kann ich gegen später nochmal reinschauen.


    Schönen Abend


    Grüße Gonzo

  • Ende 7. Teil:
    Der Schafprofessor erzählt, dass das Schaf

    Wir sind irre, also lesen wir!

  • Hallo!


    Angeregt durch Saltanah's Beitrag habe ich noch etwas über Namen nachgedacht. Menschen haben anscheinend einen Drang, Dinge zu identifizieren und zu klassifizieren um sie leichter auseinander halten zu können. Indem wir Sachen Namen geben, über wir auch eine gewisse Kontrolle über sie - wir bennen sie und dadurch werden sie uns weniger fremd. Warum der Ich-Erzähler seinen Namen quasi "vergisst" kann auch daran liegen, dass dieser fremdbestimmt ist. Manche Leute haben Probleme mit ihrem Namen und legen sich selbstgewählte Spitznamen zu (war zumindest bei mir früher so). Durch seine Namenslosigkeit wird seine Orientierungslosigkeit noch deutlicher. Aber Murakami verzichtet auf die Namen für Personen in seinem Buch. Es ist wirklich eigenartig, wir kennen die Figuren, wir kennen ihre Gefühle, aber nur weil wir ihre Namen nicht kennen, bleiben sie für uns irgendwie anonym. Macht der Name tatsächlich so viel aus oder bilde ich mir das jetzt alles nur ein?


    Ich finde es klasse, wie Murakami uns in eine Diskussion über kulturelle Hintergründe verwickelt hat. Es wird deutlich, dass wir uns endlich von der Sichtweise entfernen sollten, Kultur sei etwas Starres, Unveränderbares, Abgeschlossenes, quasi Verdinglichtes. Sie ist vielmehr ein dynamisches, veränderbares Phänomen, das von Menschen gemacht wird und nicht jahrhunderte lang starr und unveränderlich Menschen "unterjocht". Aber Du hast natürlich Recht PoeticShot, der Ich-Erzähler ist von der Geschichte Japans geprägt. Das soll man auch nicht leugnen, er lebt ja schließlich dort. Ich finde es auf jeden Fall schön, dass Murakami uns ein Bild von einem modernen Japan aufzeigt (auch wenn es nur ein Teilaspekt dieses Landes ist), fern von Klischees von Kimonos, Kirschblüte, Teezeremonien, Sushi usw.


    Zum Buch: ich bin gerade im letzten Drittel und hatte gerade das Vergüngen, den Schafmann kennen zu lernen. Höchst skurill, aber lustig. Ich möchte aber abwarten, bis ich das Buch ausgelesen habe, bevor ich genau sagen kann, was für mich das Schaf bedeutet. Einiges ist noch unklar.


    Ich wünsche Euch noch einen schönen Tag!
    Liebe Grüße
    nikki

    Ich lese gerade:<br />Lion Feuchtwanger - Der jüdische Krieg

    Einmal editiert, zuletzt von nikki ()

  • Auch mir steht das Treffen mit dem Schafsmann direkt bevor. Ich werde das Buch wahrscheinlich heute noch beenden, fahre gleich aber über's Wochenende zu Freunden und werde erst sonntag abend oder montag im Netz sein und meinen Senf zum Ende dazugeben.


    Euch allen ein schönes Wochenende :winken: .

    Wir sind irre, also lesen wir!

  • Hi Stefanie,


    willkommen zurück! :)



    Ich lese mal weiter, um euch einzuholen :winken:


    Ich habe echt ein schlechtes Gewissen, dass ich schon wieder so schnell gelesen habe- schöner wäre ja irgendwie Kapitel für Kapitel gewesen, aber dazu war der Sog einfach zu stark. Na, immerhin habe ich mir diesmal Anstreichungen gemacht....


    Gruß
    PoeticShot

  • Hi Saltanah,



    Wenn du etwas zum Ende sagen möchtest, aber den noch nicht fertigen nichts genaueres veraten möchtest, kannst du ja die Spoilerfunktion benutzen:


    Danke! :) Aber ich denke, ich warte einfach, bis alle das Buch zu Ende gelesen haben. Bis dahin steckt ja offensichtlich jede Menge Diskussionsstoff in dem Buch!



    Und auch die Sprache ist mir zu wenig kunstvoll, zu mit umgangssprachlichen Floskeln beladen.


    Im Vergleich zu manch anderem Buch ist die Sprache schon ziemlich nah dran an der "Normalsprache". Bei mir ist es damit allerdings fast umgekehrt- ich finde es beeindruckend, wie Murakami es schafft, eine Geschichte auch sprachlich so nah an der Realität zu erzählen und gleichzeitig die fantastische Seite des Erzählten so selbstverständlich mit einzubetten. In Ausnahmefällen finde ich das aufdringlich: beispielsweise wenn sich Nägel geschnitten werden oder Ohren geputzt werden... :sauer: Das kam mich dann doch etwas sehr gewollt alltagsbezogen an.


    Andererseits entsteht mitten aus dieser Alltagssprache heraus manchmal ziemlich unmittelbar Poesie- es ist schwer, das sprachlich authentisch miteinander zu verknüpfen. Oft sind das ganz einfache Dinge, beispielsweise an den Kapitelenden, die sehr häufig einen folgerichtigen, zusammenfassenden, bewertenden Schlußstrich ziehen. Vgl. beispielsweise das Ende von Kapitel Fünf



    Gruß
    PoeticShot

  • Zur Namensdiskussion:



    Was mir dazu bei dem Satz "Stadtbusse haben ja keine Namen" einfiel, war: "Zum Glück befinden die sich nicht gerade in Stockholm". Da saß ich nämlich gerade im "Adam" drin :breitgrins: . Hier haben zwar die Stadtbusse ebenfalls keine Namen, die U-Bahnwagen allerdings schon. Die :vogelzeigen: , die Schweden!


    Herrlich. :breitgrins:



    Aufgefallen bei der Namensdiskussion ist mir natürlich auch der letzte Satz:


    Hat der Ich-Erzähler sich selbst, seine eigene Identität so weit verloren, dass er seinen eigenen Namen vergessen hat? Und sind alle anderen Menschen ebenfalls so austauschbar (wie Schafe, im Gegensatz zu benamten Pferden), dass sie ebenfalls keine Namen brauchen? Oder ist ein Name, also eine Art Klassifizierung von außen für einen einzigartigen Menschen eigentlich nicht wichtig? Hat er seinen Namen nur deswegen fast vergessen, weil er ihm von anderen auferlegt wurde, während er sich von seinen Mitmenschen so weit gelöst hat, so sehr nur von sich selbst abhängt, dass er keine äußere Identifikation braucht?
    (Keine Ahnung, ob ihr mir hier folgen könnt. Das kann ich kaum selbst.)


    Doch, doch. So ähnlich denke ich mir das auch. Es steckt eine gewiße Distanz, besser eine Beziehungslosigkeit darin, wenn man sich selbst und den Menschen seiner Umgebung keine Namen gibt. Wie ist da Verhältnis zwischen Ich und Du, wenn ich dem Du und mir selbst keinen Namen gebe. Der Held ist immerhin seltsam untätig, wenn er jemanden verliert. Er leidet offenbar darunter, erkennt auch, das das Verlassen werden etwas mit ihm selbst zu tun hat, aber er handelt nicht.


    So dachte ich bis zu Nikkis Beitrag:



    Aber Murakami verzichtet auf die Namen für Personen in seinem Buch. Es ist wirklich eigenartig, wir kennen die Figuren, wir kennen ihre Gefühle, aber nur weil wir ihre Namen nicht kennen, bleiben sie für uns irgendwie anonym. Macht der Name tatsächlich so viel aus oder bilde ich mir das jetzt alles nur ein?


    Tja. Ich habe mich mal selbst gefragt. Auch wenn ich keinen Namen für die Menschen aus dem Buch habe- so kenne ich sie doch und habe eine Assoziation, ein Bild von ihnen. Für mich wirken sie dadurch nicht weniger real. Vielleicht geht es unserem Helden ähnlich? Ob er nun sagt: "Ich musste an XY denken"... Oder: "Ich musste an meine Freundin denken"- macht das wirklich so einen Unterschied?


    Euch auch allen ein schönes Wochenende! :)


    Gruß
    PoeticShot

  • PoeticShot: Bei den Zehennägeln muss ich dir Recht geben, aber das Ohrenputzen fand ich genial. Die Ohren sind ja das Besondere an der Freundin; durch sie erhält sie ihre Eingebungen, durch sie kann sie einen ganzen Raum beherrschen und verwandelt sich von einem Durchschnittsmenschen in....keine Ahnung was eigentlich. Man könnte einerseits sagen, dass das Ohrenputzen eine Vorbereitung auf die Reise ist, so wie Indiana Jones (schlechter Vergleich, aber deutlich) sein Messer wetzen würde. Oder man könnte sich auch überlegen, dass die Ohrenpflege die Pflege dessen ist, was sie besonders macht, herausstechen lässt aus ihrer Anonymität.


    Gerade weil die Personen keine Namen haben, kann ich sie mir viel besser merken. Bei 'der Sekretär/der seltsame Mann' oder 'meine neue Freundin' oder 'der Portier' weiß ich sofort, wer gemeint ist und hab die Personen vor Augen. Bei Namen hab ich sowohl in Büchern, wie auch im wirklichen Leben große Probleme. Immer wenn ich gründlicher über Namen und Namensträger nachdenke, habe ich das Gefühl, dass die Namen nicht passen, dass sie etwas fremdes sind und es kommt mir dann immer seltsam vor, dass ich die Personen so nenne und den Namen gewöhnlich ausspreche, ohne mich daran zu stören. Namen entsprechen in den seltensten Fällen dem Wesen der Träger (im Gegensatz zu 'der Schafprofessor'). Auch wird durch die Namenslosigkeit der Personen die erste Assoziation, die man normalerweise bei dem und dem Klang hat ausgeschaltet. Man wird gezwungen, sich viel bewusster mit den Personen zu beschäftigen, ehe man einen ersten Eindruck von ihnen hat.


    Letztes Drittel, ich komme! (Wilde Schafsjagd ist eindeutig mein neuer Lieblingsmurakami. :klatschen:)

    Seit die Mathematiker über die Relativitätstheorie hergefallen sind, verstehe ich sie selbst nicht mehr.<br />~ A. Einstein<br /><br />Man umgebe mich mit Luxus; auf das Notwendige kann ich verzichten. <br />~ Oscar Wilde

  • Hallo zusammen,


    so richtig begeistern kann mich Murakami nicht. Weder die Idee den Protagonisten keine Namen zu geben, noch die Gelassenheit des Ich-Erzählers in unglaublichen Situationen sind neu. Desweiteren kann ich kein Gefallen an Menschen finden, die sich ihre Nägel in einer Bar schneiden oder ihre Ohren bei Gesprächen, die vitale Entscheidungen verlangen, putzen. Hinter solchen Aktivitäten versteckte Botschaften, psychologische Deutungen oder "Was-will-der-Autor-uns-damit-sagen-Überlegungen" zu sehen, sorry, dafür ist mir die Geschichte doch zu flach.
    Der Roman ist nett, liest sich fließend, mehr nicht.



    Zwischendrin finde ich immer wieder Szenen, die mich begeistern, aber dazwischen ist mir das Buch zu - schwer dafür das passende Wort zu finden - zu "normal". Zu sehr einem reinen Unterhaltungsroman ähnelnd. Z. B. fühlte ich mich bei dem Gespräch mit dem "seltsamen Mann" in einen Thriller versetzt, was nicht meinen Erwartungen an das Buch entspricht.


    Ganz genau. Diese Szene kam mir extrem billig vor. Ich sah schon einen japanischen Clint Eastwood, nur die stahlblauen Augen sind hier nur ein bisschen blau...


    Ein paar interessante Wendungen, die hier schon genannt wurden, haben einen positiven Eindruck hinterlassen, doch sie genügen nicht um die stilistische Banalität abzutönen.


    Schauen wir mal, ob das ominöse Schaf mich zu begeistern weiß...


    liebe Grüße
    dora

    Einmal editiert, zuletzt von dora ()

  • Hallo!


    Das Buch ist nicht durchgehend gleich gut, das unterschreibe ich auch. Die Szenen mit Nägelschneiden und Ohrenputzen fand ich ziemlich fehl am Platze. Er verliert sich oft in Belanglosigkeiten. Dafür ist der Schluß - leider - zu kurz.


    @Dora, Dass der Aspekt der Namenslosigkeit nicht neu ist, ist wahr. Ich habe gerade wieder im Thread zu "Die Stadt der Blinden" (ein tolles Buch!) meine Erinnerungen wieder aufgefrischt, Saramagó benutzt da auch keine Namen. Und es ließen sich sicher eine Menge anderer Beispiele finden. Aber nicht zu allen Büchern paßt die Namenlosigkeit.


    PoeticShot und Nemo, Ich persönlich mag Namen, ich kann mir da auch ein viel besseres Bild von der Person machen. "Meine Freundin" kann irgendeine beliebige Frau sein, aber wenn es "meine Freundin XY" ist, dann habe ich in meiner Vorstellung auch ein genaueres Bild von ihr. Also für mich selbst macht es einen Unterschied.


    @Dora, ja, die Gelassenheit des Ich-Erzählers ist teilweise schon übertrieben gelassen. Ich habe es vermisst, dass er auszuckt, wütend wird,


    Ich habe das Buch gestern ausgelesen.


    Es lässt viel Raum für Interpretationen, aber ob das immer so gut ist...?


    Liebe Grüße
    nikki

    Ich lese gerade:<br />Lion Feuchtwanger - Der jüdische Krieg

    Einmal editiert, zuletzt von nikki ()

  • nikki: genau deswegen finde ich die Namenlosigkeit sehr gut. Wie du schon sagst: Meine Freundin, das kann jeder sein; meine Freundin Nabuko aber, da hat man schon ein gewisses Bild. Eben die erste Assoziation, die über den Namen läuft. Ohne Name wird das ausgeschaltet und man muss eben sehen, wer diese Freundin ist.
    Und ich habe es bereits vor langer, langer Zeit aufgegeben, irgendwelche Pointen bei Murakami zu suchen. :rollen:
    Aber über das Schaf kann man schön spekulieren. Freu mich schon, wenn alle fertig sind.
    @Dora: Ja, vielleicht interpretiere ich viel hinein, aber ich interpretiere furchtbar gerne, solange ich nicht in der Schule dazu gezwungen werde. Und bei dem Buch hat man einfach zu gute Gelegenheiten dafür, als dass ich es sein lassen könnte.

    Seit die Mathematiker über die Relativitätstheorie hergefallen sind, verstehe ich sie selbst nicht mehr.<br />~ A. Einstein<br /><br />Man umgebe mich mit Luxus; auf das Notwendige kann ich verzichten. <br />~ Oscar Wilde


  • Aber nicht zu allen Büchern paßt die Namenlosigkeit.


    In diesem Buch passt sie eben nicht, sie ist sogar störend, weil sie meiner Meinung nach keinen Sinn ergibt.
    Bei Saramago stimmte sie.



    Je weiter ich lese um so genervter bin ich und nein, weder am Wort noch an der permanenten Wiederholung des Wortes
    Geschlechtsverkehr kann ich mich ergötzen.


    Doch meine Schmerz- und Toleranzgrenze wurde maßlos überschritten, als sie spontan und ach, so voraussehend das richtige Hotel auswählte und genau in diesem Hotel sie (sie +er) ihn vorfanden.
    Hellseherische Ohren? :rollen:


    Nachdem ich jetzt auch noch Nikkis Kommentar zum Schluss des Romans gelesen habe, habe ich entschlossen, mir die letzten 100 Seiten zu ersparen und meine Zeit sinnvoller zu verbringen, vielleicht mit Ohrenputzen, Nägel schneiden oder mit... :zwinker:


    liebe Grüße
    dora

    Einmal editiert, zuletzt von dora ()

  • Ich kann mich auch immer noch nicht so richtig für das Buch begeistern. Der Ich-Erzähler ist so gleichgültig und antriebslos und die Geschichte ist immer noch so "normal". Ich hatte etwas anderes erwartet. Fertiglesen werde ich das Buch aber trotzdem.


    Die Namenlosigkeit finde ich auch eher störend. Ich mag Namen und kann mir darunter etwas vorstellen, aber diese Austauschbarkeit gefällt mir nicht und macht es mir auch nicht möglich, einen "Bezug" zu den Figuren aufzubauen.

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  • Hallo!



    In diesem Buch passt sie eben nicht, sie ist sogar störend, weil sie meiner Meinung nach keinen Sinn ergibt.
    Bei Saramago stimmte sie.


    Genau. Du brichst das Buch ab? Lies vielleicht die letzten 10-15 Seiten, da hast Du so etwas wie eine Auflösung :zwinker:.


    Liebe Grüße
    nikki

    Ich lese gerade:<br />Lion Feuchtwanger - Der jüdische Krieg


  • Tanz mit dem Schafsmann ist die Fortsetzung. Genau genommen gibt es auch noch zwei (?) Vorgänger-Romane, in denen der Ich-Erzähler mitspielt, wenn ich das richtig im Kopf habe. Mindestens einen. Die sind aber (aus welchem Grund auch immer?) nicht ins Deutsche übersetzt.


    Die englische Wikipedia schreibt dazu:

    Zitat

    Pinball, 1973 is a novel published in 1980 by Japanese author Haruki Murakami. The second book in the "Trilogy of the Rat" series, it is preceded by Hear the Wind Sing (1979) and followed by A Wild Sheep Chase (1982),


    Es ist also die Figur der Ratte, die die Bücher zusammenhält. Leider sind die Bücher auf englisch vergriffen.



    Ab und zu stößt man allerdings auch mal auf richtiges Lokalkolorit: oder habt Ihr jemals etwas von "Regenschirm-Schließfächern" gehört?


    Die muss ich völlig überlesen haben oder sie heißen anders auf englisch. Weiß noch jemand, wo genau sie erwähnt wurden?



    Der einzige Name, an den ich mich konkret erinnern kann, ist der von Jay und der steht vollkommen außen vor (+ Jay ist auch nicht sein richtiger Name).


    Auf englisch ist Jay noch namenloser. Dort heißt er einfach "J".



    Der Ich-Erzähler ist zwar ziemlich orientierungslos, aber ist er wirklich unglücklich? Ich bin mir da nicht so sicher, denn er scheint mit seiner Orientierungslosigkeit und seiner Apathie fast zufrieden zu sein.


    Der Erzähler ist auf jeden Fall nicht glücklich. Allerdings vielleicht auch nicht wirklich unglücklich, denn das verlangt ja eine gewisse Aktivität, ein Fühlen. Er scheint mir alle Gefühlsregungen abgestellt zu haben und fast nur als leere Hülle zu existieren und gerade das wirkt auf mich so furchtbar traurig. Ein Mensch der lebt, aber doch nicht wirklich. Etwas durchbrochen wird sein Nicht-Leben nur durch seine Faszination für die Ohren des Modells.


    Andererseits entsteht mitten aus dieser Alltagssprache heraus manchmal ziemlich unmittelbar Poesie- es ist schwer, das sprachlich authentisch miteinander zu verknüpfen. Oft sind das ganz einfache Dinge, beispielsweise an den Kapitelenden, die sehr häufig einen folgerichtigen, zusammenfassenden, bewertenden Schlußstrich ziehen. Vgl. beispielsweise das Ende von Kapitel Fünf


    Da stimme ich dir voll und ganz zu. Die Stellen, an denen der Stil einen "Sprung" auf ein anderes Niveau macht, ohne sich großartig zu ändern, sind die Stellen, die mich besonders ansprechen, die mich richtiggehend begeistern. Leider sind sie für meinen Geschmack zu selten, um dem Buch wirklich einen anderen Charakter zu geben. Murakami zeigt an diesen Stellen, was er kann, aber leider wirkt der Rest des Buches gerade im Kontrast zu den poetischen Einsprengseln noch gewöhnlicher.



    Das Einzige was klar und deutlich ist, ist dass der Ich -Erzähler am Ende des Buches wieder am Anfang steht.


    Ich frage mich, ob sich für ihn am Ende des Buches nicht etwas geändert hat. Hoffnung macht mir der Satz
    (...) and I cried.
    Da kommen endlich mal Gefühle durch. (Wobei mir die Fortsetzung "I never cried so much in my life" nur platt vorkommt. Der erste Satz ging mir ins Herz, der zweite ärgerte mich.)
    Schließlich geht er dann los. Ein Tag ist beendet, aber er geht einem neuen entgegen und lässt ihn nicht nur auf sich zukommen. Auch das würde mir Hoffnung machen, wenn da nicht das "as if" wäre:
    I (...) got up, as if I had somewhere to go.
    Ich sehe für ihn zumindest eine Möglichkeit für ein anderes, intensiveres Leben. Er wurde aus seiner Starre gerissen, von seinem alten Leben ist nichts mehr übrig, er muss etwas tun. Es kann natürlich sein, dass er sich an der nächstbesten Stelle wieder einnistet und sein Nicht-Leben fortführt, aber immerhin endet der Roman mit den Worten I started to walk.



    In diesem Buch passt sie eben nicht


    Ich finde schon, dass die Namenlosigkeit zu dem Roman passt. Oder eher: sie passt zu dem Roman, den ich an einigen Stellen hinter diesem Roman durchschimmern sehe, zu dem Potential, das die Geschichte hatte, das meiner Meinung nach aber leider nicht erfüllt wird.



    Je weiter ich lese um so genervter bin ich und nein, weder am Wort noch an der permanenten Wiederholung des Wortes Geschlechtsverkehr kann ich mich ergötzen.


    So ähnlich ging es mir auch. Ich kann auch deine Entscheidung, das Buch abzubrechen, nachvollziehen. Zwar habe ich selbst es ganz gelesen, aber ich weiß nicht, ob es die Mühe wirklich wert war. Die einzelnen Goldkörner, die ich im Buch fand, waren zu wenige und gegen Ende fehlten sie ganz. Für mich war es ein Buch, das nicht hielt, was es versprach. Zwar könnte man lange über einzelne Aspekte nachdenken, nicht zuletzt über die Bedeutung von Namen und natürlich darüber, wofür das Schaf eigentlich steht, aber mir war die Diskrepanz interessanter Ideen zu einem oft banalen Text zu groß.

    Wir sind irre, also lesen wir!