Der Literaturschock-Fortsetzungsroman

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  • Das nächste Kapitel


    "Sind sie denn übergeschnappt?" Kriemhild dachte in einem endlosen Alptraum gefangen zu sein. Nachdem der Baron gegangen war, kam sie gerade dazu eine Tasse Tee zu trinken bevor die Frau Baronin bei ihr auftauchte. Und auch die wetterte nun schon geschlagene 42 Minuten. Ihr Mann sei nach Hause gekommen, habe ihrer Tochter einen Stapel Bücher in die Hand gedrückt und verlangt, das sie die so schnell wie möglich lese. Er wolle keine dumme Tochter mehr. Dann sei er zu ihr gekommen und habe verlangt, das sie endlich mal zu einem Bader gehe, der sich auf die Schönheit der Frauen verstehe. Und das sie in ihrer Scheune ein Fitnessstudio einrichten und da trainieren solle. Da sie eh dumm sei, wolle er wenigsten noch einen schönen Anblick genießen. "Wissen sie wie demütigend das ist? Bevor sie angefangen haben, sich einzumischen, war unser Leben ganz normal. Also hören sie auf damit!" Kriemhild grinste. "Ja, normal und stinklangweilig. Ist es wirklich dieses Leben, das sie sich als junges Mädchen erträumt haben?" "Das ist doch vollkommen irrelevant. Ich bin jetzt erwachsen und habe Verpflichtungen. Nicht mehr diese Jungmädchenträume. Ich begleite meinen Mann und repräsentiere ihn, wo es notwendig ist." "Achso, ihren Mann. Und sie, sind sie denn gar niemand mehr?" "Das ist Geschwätz! Eine Frau hat den ihr zugewiesenen Platz einzunehmen und ihrem Mann zu dienen." Kriemhild mußte schallend lachen. "Ihr Mann hat wohl doch Recht. Sie sollten den Bader in Betracht ziehen." Die Baronin schaute sie fragend an. Kriemhild versönlicher: "Sie sind doch noch gar nicht so alt. Schauen sie doch mal bei ihrer Tochter vorbei. Vielleicht finden sie da ein Buch das sie interessiert. Wenn sie wollen, können sie auch ab und zu zu mir zum Reden kommen. Sie müssen doch nicht in dieser Demutshaltung verharren. Überraschen sie den Baron! Zeigen sie ihm, das er nicht nur eine schönes Püppchen geheiratet hat!" Die Baronin ließ sich in den nächsten Sessel fallen. Kriemhild bot ihr eine Tasse Tee an. Sie redeten noch lange bis in die Nach hinein, bevor die Baronin nach Hause fuhr. Kriemhild schien eine neue Freundin gewonnen zu haben....

    "Es ist die Pflicht eines jeden, es auch auszusprechen, wenn er etwas als falsch erkennt." --- Stefan Heym, 2001

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  • Was guckst Du so? Ich bin nur die Putze und mach hier sauber. Hier muß dringend mal aufgeräumt werden.

    "Es ist die Pflicht eines jeden, es auch auszusprechen, wenn er etwas als falsch erkennt." --- Stefan Heym, 2001

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  • Extrablatt


    Die örtliche Gendarmerie meldet: In der gestrigen Nacht sind ein rothaariger Recke und ein Mann in Frauenkleidern in das hiesige Gefängnis eingedrungen und haben große Teile des Gefängnistraktes zerstört. Ziel dieses Vandalismus war die Befreiung des für seinen Bruder einsitzenden Geoorge Mac Geiwer. Am Tatort konnten eine Rolle Bindfaden aus Hanf, ein Rasierpinsel aus Wüstenspringmausschwanzspitzenborsten und drei Flaschen eines Haartonikums, deren Etiketten leider zerkratzt waren, sichergestellt werden.
    Die Gendarmerie bitte um die Mithilfe der Bevölkerung bei der Ergreifung des flüchtigen Geoorge Mac Geiwer und dessen Komplizen. Sachdienliche Hinweise nimmt jeder Gendarmerieposten mündlich, per Rauchzeichen, per Brieftaube und auch per Postschnecke entgegen. Im Erfolgsfalle winkt als Belohnung ein Ganztagesausflug mit dem Gendarmerieblasorchester "Zur Pfeife" an die schönsten Tatorte in der Umgebung.

    "Es ist die Pflicht eines jeden, es auch auszusprechen, wenn er etwas als falsch erkennt." --- Stefan Heym, 2001

  • Kapitel XVII


    Obwohl die Informationen der Gendarmerie überall verbreitet wurden und sogar Beamte in jedes Haus gingen und alle Bewohner ansprachen blieb die Suche ohne den erwarteten Erfolg. Es wurden nur zwei besoffene Schotten und ein Transvestit festgenommen, drei seit Jahren verloren geglaubte Katzen und ein Bundstift wiedergefunden, mehrere Friseurgeschäfte von der aufgebrachten Menge verwüstet und ein Gendarm bei seiner Informationsrunde aufgrund der Verwechslung mit einem Hausierer verprügelt. Außerdem kam es zu einem akuten Mangel an Postschnecken. Die als Ersatz aus Frankreich importierten Weinbergschnecken kamen leider nie in den Umlauf, da frankophone Postmitarbeiter sie vorher schon gegrillt hatten. Alles in allem eine Katastrophe!
    Kriemhild saß in ihrer Bibliothek und laß die neuesten Nachrichten. Die ganze Angelegenheit brachte sie auf eine Idee. Sie wollte die Geschichte aufschreiben und an Amazonius verkaufen. Sie setzte sich an ihren Schreibsekretär, nahm sich ein Blatt, eine frische Feder und ... starrte das weiße Blatt an....

    "Es ist die Pflicht eines jeden, es auch auszusprechen, wenn er etwas als falsch erkennt." --- Stefan Heym, 2001

  • Kapitel XVIII


    ....

    "Es ist die Pflicht eines jeden, es auch auszusprechen, wenn er etwas als falsch erkennt." --- Stefan Heym, 2001

  • Kapitel XIX


    ... weißes Blatt ...

    "Es ist die Pflicht eines jeden, es auch auszusprechen, wenn er etwas als falsch erkennt." --- Stefan Heym, 2001

  • Kapitel XX


    Kriemhild entschied sich, erst einmal einen Tee trinken zu gehen, bevor sie mit dieser anstrengende Arbeit weiter machen wollte.

    "Es ist die Pflicht eines jeden, es auch auszusprechen, wenn er etwas als falsch erkennt." --- Stefan Heym, 2001

  • Kapitel XXI


    Drei Tees, siebenundvierzig zerknüllte Blätter und fünf abgebrochene Federn später entschied sich Kriemhild, daß Schrifstellerhandwerk erst einmal einzustellen. Es war wohl doch nicht so einfach!
    Trotzdem fuhr sie zu Amazonius. Aber nicht, um ihm ihr Manuskript zu verkaufen, sondern um sich ein paar neue Bücher zu gönnen. Bei Amazonius stöbern und Bücherkaufen halfen ihr, sich zu entspannen. Danach fühlte sie sich immer richtig gut. Vielleicht klappte es dann mit dem Schriftstellern. Und ihr privater Tischler bekam wieder ein wenig Arbeit. Er durfte neue Bücherregale schreinern. Diesmal gab es sogar einen neuen Band des Lischofor. Endlich! Naja, Band. Es war eher ein Heftchen von sieben Seiten. Aber wenn man so lange auf die Fortsetzung warten mußte, war man sogar mit sowenig zufrieden.

    "Es ist die Pflicht eines jeden, es auch auszusprechen, wenn er etwas als falsch erkennt." --- Stefan Heym, 2001

  • Kapitel Zweiundzwanzig


    Der Rauch der Explosion hing noch schwer in der Luft. Earl kroch ächzend aus einer Ecke. "Ich habe doch gesagt, nur ganz wenig!", knurrte Kaarl ihn an. Plötzlich fing er laut an zu lachen. Earl starrte ihn irritiert an. "Hab ich einen Pobel an der Backe oder was?", fragte er gereizt. "Nicht ganz. Hier, guck selbst." Kaarl reichte ihm einen Handspiegel. Earl glaubte nicht was er da sah. Bart, Augenbrauen, Wimpern und sein Kopfhaar waren leuchtend rot! "Bleibt das jetzt immer so?", fragte er Kaarl entsetzt. "Klar! Und jetzt weißt Du auch, wie ich zu meinem roten Haar gekommen bin." Earl ließ sich einfach auf den Boden plumpsen. Sein Blick immer noch starr auf sein Spiegelbild gerichtet. "Du sagtest doch aber, es wäre ganz ungefährlich." "Ist es ja auch. Du lebst doch noch. Und außerdem sieh doch mal das Positive. Die Frauen stehen auf rothaarige Hünen." Kaarl unterdrückte ein Kichern. "OK, an dem Hünen mußt Du noch arbeiten. Und da habe ich auch gleich das Richtige für Dich. Du schnappst Dir die Glasballons mit unserer Tinktur und schleppst die raus zum Wagen." "Alleine?" "Na klar! Wer ist denn hier so spack, Du oder ich?" Kaarl setzte sich gemütlich in einen Sessel und griff nach seinem Pfeifchen. Earl murrte und versuchte den ersten der zwanzig 50-Liter-Ballons anzuheben. "Und sei bloß vorsichtig!", sagte Kaarl. "Das Zeug ist pures Gold wert. Mac Geiwers Haartonikum, Mac Geiwers Holzbeize und Mac Geiwers Suppenzusatz sind der Renner auf den Wochenmärkten." "Hä? Wir haben doch aber nur eine Tinktur gemischt." "Genau!" Kaarls Grinsen verschwand in einer dicken Rauchwolke. ...

    "Es ist die Pflicht eines jeden, es auch auszusprechen, wenn er etwas als falsch erkennt." --- Stefan Heym, 2001

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  • Kapitel 10111


    "Mensch, zieh den Kopf ein! Wegen Dir werden sie uns noch erwischen.", fuhr Kaarl Earl an. "Ich habe nicht behauptet, daß man diesen Dorftrotteln alles andrehen kann.", konterte Earl beleidigt. "Du hast doch den Hals nicht vollbekommen können und immer noch einen draufgesetzt. Bis der Typ auf die Bühne kam und den Beweis von Dir wollte, das es auch so funktioniert, wie Du behauptest." "Na und? Er ist doch weich gefallen. Die alte Vettel hätte ja nicht genau vor der Bühne stehen müssen. Und er wird schon wieder zu sich kommen. So viel hat er ja gar nicht von der Tinktur getrunken." "Psst! Ich glaube da vorne kommen sie." "Irrtum! Sie sind schon da!", knarzte es hinter Earl und Kaarl. Da stand ein baumlanger Kerl mit einer Heugabel und grinste sie böse an. "Meinen Bruder vergiften wollen. Das könnte Euch so passen. He, Leute! Hier sind die Schufte. Holt Stricke und Holz. Diese Teufelsbrut soll in der Hölle schmoren." Earl wurde plötzlich ganz weich in den Knien....

    "Es ist die Pflicht eines jeden, es auch auszusprechen, wenn er etwas als falsch erkennt." --- Stefan Heym, 2001

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  • Kapitel 24


    "Halt!" Die Köpfe aller Anwesenden drehten sich in die Richtung, aus der der Ruf kam. Dort standen zwei sehr alte Mütterchen. "Es gibt da ein Gesetz von unseren Vorvätern. Auf dieses wollen wir uns hier berufen. Es lautet, daß, wenn sich jemand findet, den Verurteilten zu freien, dieser freigelassen werden soll." Eine Stimme aus der Menge rief:" Und wer soll die beiden Galgenvögel freien. Ihr etwa?" Kaarl und Earl blickten von ihrem Holzstoß herab auf die beiden gebeugten, faltigen Greisinnen. Eines der Mütterchen murmelte ein zahnloses:"Klar doch, wir!", und warf Earl einen verliebten Blick zu. Kaarl wand sich derweil unter dem verzehrenden Blick der stargetrübten Augen der anderen. "Nun steckt doch endlich den Holzstoß an!" riefen Kaarl und Earl flehend wie aus einem Mund....

    "Es ist die Pflicht eines jeden, es auch auszusprechen, wenn er etwas als falsch erkennt." --- Stefan Heym, 2001

  • Kapitel fÜNFUNDZWANZIG


    Alles Bitten und Betteln hatte nichts genützt. Earl und Kaarl wurden begleitet vom Grölen der Massen in die Kate der beiden Mütterlein geschoben. Earl fragte sich gerade, ob Nekrophilie gerontologische Grundkenntnisse voraussetzte. Und Kaarl überlegte, wieviel Whisky wohl nötig wäre, um aus Falten eine Pfirsichhaut zu machen.
    Ihre Augen gewöhnten sich langsam an das Dämmerlicht in der Kate. Zwei Gestalten schälten sich aus dem Dunkel und kamen langsam auf sie zu. Earl hielt es nicht länger aus und fiel auf die Knie:"Bitte, bitte! Ich bin doch noch sooo jung. Tut mir das nicht an." "Was, Du möchtest wieder auf den Scheiterhaufen?", fragte Kriemhild amüsiert. Für einen kurzen Moment spielte sie mit dem Gedanken und fand ihn gar nicht mal so übel. Aber Geoorge trat zu ihm und zerrte ihn auf die Füße. "Man kann Euch nicht alleine lassen, ohne das Ihr irgendwelchen Blödsinn anstellt. Zum Glück hatten die beiden alten Damen mehr Interesse an ein paar guten Suppenrezepten und weichem Klopapier als an Euch. Also laßt uns hier jetzt schnell verschwinden, bevor der Rest der Leute merkt, was hier vorgeht."...

    "Es ist die Pflicht eines jeden, es auch auszusprechen, wenn er etwas als falsch erkennt." --- Stefan Heym, 2001

  • Kapitel 26


    Zurück auf Schloß Wobblestone fand Kriemhild eine eigenartige Einladung in ihrer Post. Im nahegelegenen Dorf, in der dortigen Dorfschenke wollten sich am nächsten Samstag Enthusiasten der Literatur treffen. Zu flachen, runden, herzhaft belegten Teigscheiben und Wein aus fernen Ländern wolle man sich über Bücher unterhalten. Jeder Abonnent des Lischofor sei dazu eingeladen. Kriemhild überlegte. Sollte sie es wagen, den Abend mit ihr fremden Menschen an einem ihr unbekannten Ort zu verbringen. Was wenn das Essen grauenhaft und der Wein ungenießbar wären? Was wenn sie sich mit den anderen nicht unterhalten könnte und sie sich tödlich langweilen würde? Ach was! Kriemhild hatte keine Lust, das Wochenende im Schloß bei Earl zu verbringen. Sie sand die Anmeldungskarte zurück und wartete auf die Dinge, die da kommen würden...

    "Es ist die Pflicht eines jeden, es auch auszusprechen, wenn er etwas als falsch erkennt." --- Stefan Heym, 2001

  • Kapitel Sieben-mal-vier-minus-eins


    "Der hohe Rat gewährt Euch beiden einen Erlaß aller Eurer Vergehen, wenn Ihr es schafft, wieder nützliche und unbescholtene Mitglieder der Gesellschaft zu werden." Earl und Kaarl sahen Geoorge an, als ob er versucht hätte, ihnen Voltas Froschschenkel-Experiment und Platos Staatslehre gleichzeitig zu erklären. Geoorge spürte die Leere in ihren Blicken. "OK, nochmal gaaaaanz einfach, damit auch Ihr es versteht. Ihr müßt nicht ins Gefängnis..." Ein zufriedenes Grinsen bemächtigte sich sofort Earl und Kaarl. Geoorge konnte sie gerade noch aufhalten, da sie schon fast an der Tür waren:"Halt! Ihr müßt Euch schon alles anhören. Es gibt da eine Bedingung. Ihr müßt nicht ins Gefängnis, wenn Ihr ab jetzt fleißig arbeitet und nicht mehr durch die Gegend zieht." Earl und Kaarl grinsten nicht mehr. "Arbeiten?", kam es wie aus einem Mund. Dann fiel die Tür hinter den beiden ins Schloß. Geoorge hörte ihre Schritte sich sehr schnell entfernen. ...

    "Es ist die Pflicht eines jeden, es auch auszusprechen, wenn er etwas als falsch erkennt." --- Stefan Heym, 2001

  • Kapitel XXVIII


    Kriemhild summte leise vor sich hin und mußte an den Abend mit den Leseratten denken. Es war einfach toll gewesen. Sie hatten sich alle bei Amazonius getroffen und dort die neuesten Werke der Buchdruckerkunst in Augenschein genommen. Danach ging man gemeinsam in die Dorfschenke. Einige hatten ein paar Bücher aus ihrer Privatbibliothek mitgebracht, um diese mit den anderen zu tauschen. Man schwatzte, lachte, trank köstlichen roten Wein aus südlichen Ländern und aß diese komischen runden Teigscheiben. Die Zeit verging wie im Fluge. Zu schnell war der Abschied heran und man mußte 'Adieu!' sagen. Aber man versprach, sich wieder zu treffen.
    Das war nun schon ein paar Tage her. Kriemhild saß seit dem frühen morgen in ihrer Kutsche und war in Richtung Süden unterwegs. Eine der Edelfrauen aus dem Frankenreich hatte ihr von fremden Ländern und seltsamen Kulturen vorgeschwärmt. Und da sie, Kriemhild, noch nie aus Schloß Wobblestone herausgekommen war, hatte sie kurzentschlossen gepackt und sich auf den Weg gemacht...

    "Es ist die Pflicht eines jeden, es auch auszusprechen, wenn er etwas als falsch erkennt." --- Stefan Heym, 2001

  • Kapitel XXIX


    Es ist ein langer und beschwerlicher Weg mit der Kutsche. Ein sehr, sehr langer Weg. Und äußerst beschwerlich.

    "Es ist die Pflicht eines jeden, es auch auszusprechen, wenn er etwas als falsch erkennt." --- Stefan Heym, 2001

  • Kapitel XXX


    Kriemhild wurde von Tag zu Tag unruhiger. Sie mußte mit jemandem reden und über ihre Erlebnisse berichten. Kutscher und Diener schienen ihr aber ungeeignet als Gesprächspartner. Daher begann sie einen Brief zu schreiben.


    Lieber Geoorge!
    Ich bin nun schon lange Zeit unterwegs und entferne mich immer mehr von Schloß Wobblestone. Die Landschaft und auch die Leute werden mir immer fremder. Die Straße auf der wir fahren ist schnurgerade. Das Land ist flach bis zum Horizont. Ein trockener Wind treibt Staub vor sich her. Nur selten trifft man Menschen in dieser Gegend. Sie sind kleiner und dunkler als bei uns zu Hause. Ihre Sprache ist sehr lustig. Sie rollen das R und benutzen häufig ein kehliges Ch. Aber sie sind sehr freundlich zu Fremden.
    Gestern waren wir in einem kleinen Wirtshaus in der Nähe des einzigen Flusses in dieser Gegend. Wir sind sehr nett begrüßt worden. Das Zimmer war sehr klein und rustikal, aber für eine Nacht war das ausreichend. Die Tochter des Wirtes leistete mir beim Abendmahl Gesellschaft. Das Brot ist viel dunkler als wir es von zu Hause kennen. Sie nennen es Schwarzbrot. Dazu gab es Bohnen und Speck. Bei ein paar Gläsern Wein kam ich mit Magdalena ins Gespräch. Und Du wirst es kaum glauben. Sie war es, die Earl damals im Suff geheiratet hat. Wie klein doch die Welt ist! Wir hatten den ganzen Abend viel zu lachen. Heute morgen hatte ich ein wenig Probleme aufzustehen. Magdalena kann wirklich einen Stiefel vertragen.
    Nun ist es nicht mehr allzu weit bis an die Küste des Meeres. Nur noch wenige Tage, dann kann ich endlich im warmen Meer baden gehen. Ich freue mich schon riesig darauf.
    Liebe Grüße aus der Fremde sendet Ihnen Ihre Lady Kriemhild

    "Es ist die Pflicht eines jeden, es auch auszusprechen, wenn er etwas als falsch erkennt." --- Stefan Heym, 2001

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  • Kapitel 31


    Kriemhild bedauerte nun fast schon, diese Reise unternommen zu haben. Erst diese nie enden wollende lange Reise in der unbequemen Kutsche. Und dann diese Unterkunft, die sie nehmen mußte, da durch die Ritterreisetage alle Burgen ausgebucht waren. Die Besucher-Burg "An der Blauen Kante" war wirklich eine Zumutung! Ein Kämmerchen kleiner als das ihrer Zofe. Den Toilettenerker mußte sie mit allen anderen Gästen aus ihrem Burgflügel teilen. Auf warmes Wasser mußte man zwei Stunden warten. Und bis es im Zimmer ankam, war es oft schon wieder kalt. Am Ritterbuffet brauchte man wirklich eine Rüstung, um das Hauen und Stechen nach den besten Happen heil zu überstehen. Beste Happen? Hier gab es die Fauna aus den Tümpeln - Schnecken und Frösche. Die müssen doch spinnen! Sowas kann man doch unmöglich essen. Und von wegen Blick auf das Meer. Ha! Erstens hatte das Zimmer nur eine Schießscharte. Und zweitens konnte sie da hindurch nur eine paar olle Ruinen sehen. Wäre im Nachbargelaß nicht dieser große kräftige Ritter mit dem wallenden Haar eingezogen, sie hätte schon längst wieder den Heimweg angetreten...

    "Es ist die Pflicht eines jeden, es auch auszusprechen, wenn er etwas als falsch erkennt." --- Stefan Heym, 2001

  • Kapitel 32


    Kriemhild hatte diese Nacht miserabel geschlafen. Irgend ein Idiot hatte vor ihrer Schießscharte fast die ganze Nacht eine Laute gequält und herumgejault. Als sie mit dem Nachttopf warf, blieb dieser in der Schießscharte stecken und nur der Inhalt fand seinen Weg.
    Die Kammerzofe erzählte ihr dann am Morgen, das ein Ritter von Bohlen in der Nacht von den Gendarmen vor der Burg festgenommen worden war. Man erzählte sich, daß das nicht das erste Mal passiert ist. Nur diesmal roch er etwas streng und murmelte etwas von einem Hironimus Kadilak. Die Gendarmen haben versucht ihn zu finden, aber niemand in der Burg kennt diesen Ritter Kadilak. Nun suchten sie im ganzen Land nach ihm.
    Kriemhild war auf dem Weg zum Frühstück. Sie hatte erfahren, daß der Ritter aus dem Nebengelaß immer um diese Zeit frühstückte. Es sollte doch möglich sein, ihn auf sich aufmerksam zu machen...

    "Es ist die Pflicht eines jeden, es auch auszusprechen, wenn er etwas als falsch erkennt." --- Stefan Heym, 2001

  • Kapitel 33


    Frühstück mit einem Ritter? Nie wieder! Kriemhild war stinksauer auf diesen Typen. Aber sie mußte es sich auch selbst zuschreiben. Eine knackige Figur und süße Locken sind halt als Auswahlkriterien nicht sehr zuverlässig. Das hatte sie nun davon. Von oben bis unten vollgeschmiert wartete sie in ihrem Zimmer auf das heiße Wasser für ein Bad. Die Zofe hatte sie beauftragt, alles für die Abreise vorzubereiten. Nur schnell weg hier! Aber wer konnte auch damit rechen, daß der Typ früh um diese Zeit schon betrunken ist. Als er versuchte aufzustehen, um sie zu begrüßen, brachte er seinen Tisch aus dem Gleichgewicht. Sein ganzes opulentes Frühstück fiel ihr im wahrsten Sinne des Wortes in den Schoß. Nie wieder Ritter! ...

    "Es ist die Pflicht eines jeden, es auch auszusprechen, wenn er etwas als falsch erkennt." --- Stefan Heym, 2001