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Der Literaturprofessor David Zimmer ist vom Schicksal hart geprüft: Bei einem Flugzeugabsturz kamen seine Frau und seine beiden Söhne ums Leben. Von heute auf morgen brach damit sein ganzes Leben in sich zusammen. Halt fand er schließlich in der Arbeit: Zum einen in der Übersetzung von Chateaubriands schwergewichtiger Autobiographie Mémoires d'outre-tombe, zum anderen aber in einer filmwissenschaftlichen Arbeit über den Stummfilstar Hector Mann, der in den 20er Jahren eine vielversprechende Karriere begann, dann aber auf einmal spurlos verschwand und schließlich für tot erklärt wurde.
Einige Monate nach Veröffentlichung dieses Buches erhält nun David Zimmer einen Brief von einer Frieda Spelling, angeblich die Ehefrau Manns. Dieser soll inzwischen in New Mexico auf einer Ranch leben und bittet David Zimmer zu ihm zu kommen. Er möchte mit ihm über seine Lebensgeschichte sprechen.
Zimmer verlangt daraufhin einen Beweis für die Echtheit des Briefes, als er jedoch nichts mehr von Frieda Spelling hört, vergisst er die Sache und widmet sich wieder ganz seinem Schmerz und Chateaubriand - bis eines Tages eine Unbekannte vor seiner Tür steht und ihn erst bittet, dann mit vorgehaltener Pistole zwingen will, ihn nach New Mexico zu begleiten. Nach einiger Aufregung und einer spontanen Liebesnacht entschließt sich Zimmer am Ende aus freien Stücken zum Mitkommen und erfährt aus dem Mund seiner Begleiterin auf dem Weg nach New Mexico, was mit Hector Mann seit seinem Verschwinden passiert ist und warum er seinerzeit überhaupt verschwand. In New Mexico angekommen nimmt allerdings ein Drama seinen Lauf, auf das niemand vorbereitet war.
Ich habe ein ziemlich zwiespältiges Verhältnis zu Paul Auster. Zum einen ist er jemand, der ohne Zweifel sehr unterhaltsam und gut zu schreiben versteht. Auch The Book of Illusions profitiert von dieser Fähigkeit. Selbst lange beschreibende Passagen der Filme Hector Manns haben mich überhaupt nicht gelangweilt. Auster gelingt es durch das Geheimnis, von dem das Verschwinden Manns umgeben ist, den Leser auch bei solchen Abschnitten gut bei der Stange zu halten. Man hofft stets im Detailreichtum der von Zimmer zusammengetragenen Fakten Hinweise auf den Grund für Hectors Verschwinden zu stoßen und wird damit gewissermaßen auch nicht enttäuscht.
Störend finde ich Austers unglaublichen Hang zur Hyperdramatik.Ich kenne kaum einen Schriftsteller, der in einen einzigen Text einen Flugzeugabsturz der ganzen Familie, eine hochdramatische und tragische Lebensgeschichte und ein noch hochdramatischeres und tragischeres Ende zusammenpacken würden (außer vielleicht John Irving, zu dem ich ja auch ein sehr gespaltenes Verhältnis habe, viel gespaltener noch als zu Paul Auster). Und ich finde, diejenigen, die das nicht tun, haben nicht ganz Unrecht. Austers Plot wirkt doch ein klein wenig überladen.
Auster behandelt aber mal wieder eines meiner erklärten Lieblingsthemen: die "Familie", das ich nur sehr selten originell behandelt finde. Durch die Figur David Zimmers scheint Auster nun zunächst eine sehr abgeschottete Haltung zu propagieren: Die Familie ist das allerwichtigste, ohne sie ist das Leben nichts wert; dann gibt es eine Szene, in der Zimmer auf eine Abendgesellschaft bei Kollegen eingeladen ist, wo er sich total danebenbenimmt. Schon hier wird klar, dass angebliches Kümmern und unendlicher Kummer häufig nichts weiter sind als purer Egoismus. Und auch das dramatische Ende des Buches zeigt die Schwierigkeit der Abschottung des familiären Bereichs gegenüber dem Rest des sozialen Gefüges. Die Ich-Perspektive führt dabei zu einer weitgehenden Kommentarlosigkeit in Bezug auf diese Problematik. Das finde ich aber nach ein bisschen Nachdenken gar nicht so verkehrt.
Alles in allem ein Buch, das mir die Neugier auf Auster wieder ein bisschen zurückgegeben hat. Den Titel The Book of Illusions finde ich dabei außerordentlich glücklich gewählt: Er bezieht sich ebenso auf die filmische Folie, die dem Roman unterliegt, als auch auf verschiedene inhaltliche Aspekte, vor allem auf die Wahrnehmung des eigenen Lebens.
Ich bin mir übrigens sicher, dass man aus dem Text noch mehr rausholen kann, wenn man den Chateaubriand kennt, der sowohl für Zimmer als auch für Mann eine bedeutende Rolle spielt.