Scott Lynch - Die Lügen des Locke Lamora (Gentlemen Bastards 1)

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  • (Originaltitel: The Lies of Locke Lamora)


    Inhalt:(von amazon.de)


    Locke Lamora ist ein Held. Nein, eigentlich ist er das nicht: Er ist ein Dieb, ein Lügner und ein Ganove, wenn auch mit guten Manieren. Mit seiner Bande bewegt er sich in den Kanälen und engen Gassen des Herzogtums Camorr, um die Nobilität um ihre Schätze zu erleichtern. Und darin ist Locke unschlagbar, denkt er zumindest. Bis ein weiterer Verbrecher in Camorr auftaucht. Locke muss handeln - und das Abenteuer seines Lebens beginnt...


    Meine Meinung: (zur englischen Ausgabe)


    Der erste Teil der Gentleman Bastard Sequence spielt in Camorr, einer Stadt, die man als eine Art Fantasy-Venedig beschreiben könnte, auch viele Namen und begriffe sind italienisch oder erinnern zumindest daran; Noble Viertel und heruntergekommene Gegenden, Kanäle, von Menschenhand errichtete Gebäude und solche aus dem so genannten Elderglass, dem Erbe ein eines Volkes, das lange vor den Menschen in Camorr lebte; bevölkert von Adligen, reichen Kaufleuten, einfachem Volk und natürlich von Diebesbanden, angeführt von Capa Barzavi, dessen Macht der des eigentlichen Herrschers, Duke Nicovante, in nichts nachsteht. Einer bestimmten Zeit lässt sich die Welt von Locke Lamora nur schlecht zuordnen, das typische Mittelalter-Setting ist es jedenfalls nicht. Magie kommt zwar zum Einsatz, aber nur relativ sparsam, Alchemie dagegen ist allgegenwärtig. Alles in allem ein lebendiges Setting mit einer sehr passenden Atmosphäre, das ich von Anfang an sehr ansprechend fand.


    Den Titel"helden“ Locke Lamora lernt der Leser zuerst als kleinen Jungen kennen. Als einen kleinen Jungen, der seinem Meister, dem so genannten „Thiefmaker“ einiges Kopfzerbrechen bereitet. Denn er stiehlt zu viel. Ist mit viel zu viel Spaß bei der Sache. Und hat dabei eine Neigung zu Methoden, die etwas zu kreativ sind, um kein unerwünschtes Aufsehen zu erregen. Also muss sein Meister ihn loswerden. Und da Tote keinen Profit bringen versucht er erst einmal, ihn an jemanden zu verkaufen, der möglicherweise Verwendung für die speziellen Talente des Jungen haben könnte...


    Der Größte Teil der Geschichte spielt jedoch einige Jahre später, als Locke und drei seiner Freunde und Kollegen schon erwachsen und dabei sind, den Coup ihres Lebend zu landen, als plötzlich Gerüchte über den so genannten Grey King auftauchen.


    Die einzelnen Kapitel des Buches sind meist in zwei Abschnitte aufgeteilt, von denen einer die aktuellen Ereignisse schildert und der zweite, kürzere, einen Rückblick auf die Ausbildung der kleinen Gentlemen Bastards gewährt, was immer wieder für eine nette Abwechslung und Auflockerung der Geschichte sorgt. Auch innerhalb eines Abschnitts bleibt der Autor nicht immer bei der chronologischen Reihenfolge der Geschehnisse, sondern setzt dem Leser schon mal ohne Vorwarnung eine bestimmt Situation vor die Nase, um dann erst im Nachhinein den Weg dorthin zu erzählen. – Klingt unübersichtlich, ist es aber nicht.


    Scott Lynchs Stil liest sich sehr flüssig und locker, teilweise ist die Sprache auch recht deftig, ich weiß nicht, ob ich in einem einzigen Fantasy Buch schon mal so häufig das Wort fuck gelesen habe. Aber das passt ja durchaus, schließlich hat man es hier mit gestandenen Ganoven zu tun und nicht mit netten, wohlerzogenen Musterknaben.


    Auch die Geschichte selbst liest sich in erster Linie sehr locker, ein spannendes, sehr unterhaltsames Diebes-Abenteuer, dass man von der Atmosphäre her vielleicht mit einem Mantel-und-Degen-Roman vergleichen könnte und bei dem auch der Humor nicht zu kurz kommt. Es macht Spaß, Locke und seine Kumpane zu begleiten, wenn sie mit ausgeklügelten Plänen Adeligen das Geld aus der Tasche ziehen und es macht ebensoviel Spaß, von ihren Eskapaden als Kinder und Jungendliche zu lesen.


    Genauso gibt es aber auch düstere und traurige Momente, gerade gegen Ende hellt sich die Stimmung nicht unbedingt auf, dafür wird es spannend. Auch die Gewalt ist in einigen Szenen nicht ohne, auch wenn die Schilderungen nicht unnötig detailreich sind. Capa Barzavi hat so seine Methoden, mit Untergebenen umzugehen, die keine befriedigenden Antworten geben wollen und selbst Locke möchte ich nicht zum Feind haben.


    Die fünf Gentlemen Bastards sind eventuell nicht unbedingt übermäßig außergewöhnliche Charaktere, aber sehr sympathisch und lebendig und nicht ohne ein paar Ecken und Kanten, so dass es, wie gesagt, Spaß macht, sie auf ihren „Unternehmungen“ zu begleiten und man schnell mit ihnen mitfiebert. Auch einige Nebencharaktere, haben mir gut gefallen.


    Ein bisschen gestört hat mich – Tja, was eigentlich? – Ich glaube, irgendetwas hat mich an der Geschichte um den Grey King nicht hundertprozentig überzeugt oder vielleicht war die Geschichte insgesamt ein ganz klein wenig zu locker? Ich kann es nicht wirklich logisch erklären, es ist mehr ein Gefühl, das das Buch für mich kein ganz glattes „sehr gut“ erreichen lässt.


    Insgesamt hat die Die Lügen des Locke Lamora ziemlich genau meinen Geschmack getroffen und mich bestens unterhalten. Ein schöner Fantasy-Schmöker mit einem gewissen Charme jenseits irgendwelcher Weltrettungsszenarien, genau das richtige für ein verregnetes Wochenende auf dem Sofa und für alle, die bei Fantasy-Büchern oder -Rollenspielen schon immer ein besonderes Faible für Diebe und ähnlich zwielichtige Gestalten hatten.


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    Einmal editiert, zuletzt von Liafu ()

  • Danke, Liafu! Damit hast Du mir einerseits etwas Luft verschafft, weil Ingroscha wenigstens schon mal eine Rezi hat, und andererseits meine Hoffnung bestätigt, mit dem Buch einen guten Griff getan zu haben. :smile: Zwielichtige Gestalten sowie Mantel-und-Degen-Atmosphäre – das muß eigentlich etwas für mich sein :breitgrins:


    Schönen Gruß,
    Aldawen


  • [...]für alle, die bei Fantasy-Büchern oder -Rollenspielen schon immer ein besonderes Faible für Diebe und ähnlich zwielichtige Gestalten hatten.



    Dann ist das Buch genau richtig für mich! :lachen:


    Vielen Dank für die schöne Rezi, das Buch ist gerade auf meinem Wunschzettel gelandet.
    Der zweite Teil heißt übrigens "Sturm über roten Wassern" und wird auf deutsch im Februar erscheinen. :smile:

    viele Grüße<br />Tirah

  • Was für eine tolle Rezi. Das Buch habe ich jedesmal, wenn ich in den Buchladen gehe, in der Hand, aber nächstes Mal finde ich wohl keine Ausrede mehr, es doch nicht zu kaufen. :zwinker:


    Nachtrag 24. August: Gekauft. :breitgrins:

    Jahresziel: 2/52<br />SLW 2018: 1/10<br />Mein Blog

    Einmal editiert, zuletzt von Wendy ()

  • Im Großen und Ganzen kann ich mich Liafu anschließen, es ist ein schöner, augenzwinkernder Schelmen- und Schurkenroman.


    Am Anfang war ich sehr genervt, da die Handlung ständig zwischen verschiedenen Zeiten hin- und herspringt. Der Autor hält die Spannung nicht durch den Wechsel zwischen verschiedenen Charakteren, sondern durch den Wechsel der Zeitebene. Das war besonders am Anfang extrem verwirrend.
    Gegen Ende hin wurde die Geschichte jedoch immer spannender und es tat mir leid, die lieb gewonnen Charaktere verlassen zu müssen. Besonders die Zwillinge hatten es mir angetan, sie haben mich sehr an die Weasley-Zwillinge aus den Romanen von Joanne K. Rowling erinnert.
    So schwer ich mich am Anfang auch getan habe, so sehr freue ich mich jetzt auf die Fortsetzung der Geschichte. :smile:

    viele Grüße<br />Tirah

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    Zu meinen liebsten Hauptfiguren in Fantasyromanen gehören Assassinen und Diebe, da war es ganz klar, dass „Die Lügen des Locke Lamora“ um den Gentleman-Dieb Locke und seine Bande ganz schnell auf meinen Wunschzettel wanderte. Als ich dann begonnen habe, die Geschichte zu lesen, war ich zunächst enttäuscht. Meiner Meinung nach leben gerade Diebesromane vom Charisma des Meisterdiebs und Locke erschien mir einfach zu blass und uncharismatisch. Wirklich schlecht waren die Geschichte und der Plan, den sie für ihren neuesten Raubzug ausarbeiteten, aber nicht, also habe ich in der Hoffnung auf Besserung weiter gelesen. Die Gentleman-Ganoven sind nach außen hin nur eine kleine Bande von Einbrechern, doch in Wirklichkeit erleichtern sie mit raffinierten Betrugsplänen die reichsten Bürger der Stadt um ihr Vermögen. Dass sie die Beute nicht ausgeben können, da sie damit ihre Tarnung aufgeben würden, stört sie nicht, es geht ihnen um den Nervenkitzel und einfach darum, das zu tun, was sie am besten können. Als ein Krieg um die Vorherrschaft über die Unterwelt der Stadt ausbricht und Locke und seine Freunde dann in der Mitte des Buches bis zum Hals in Schwierigkeiten stecken, gewinnt er endlich meine Sympathie und ich fieberte bei seinen weiteren Planungen mit.


    Wirkliche Magie ist in Lockes Welt fast zu teuer, um sie zu bezahlen und nimmt dadurch relativ wenig Platz ein, die Ganoven verlassen sich auf Kenntnisse und Vorgehensweisen, die größtenteils auch in unserer Welt Bestand hätten und einen riesigen Markt an alchemistischen (chemischen) Künsten und Gegenständen. Die eigentliche Geschichte ist immer wieder unterbrochen von Rückblicken auf die Ausbildung der Diebesbande und während ich das am Anfang noch interessant fand, störte es zum Ende hin eher, ich wollte schließlich wissen, wie es weitergeht und nichts darüber lesen, wie sich die Männer ihre Kenntnisse angeeignet haben.


    Dank einer starken zweiten Hälfte konnte Locke sich doch noch in mein Herz lügen und betrügen. Der zweite Band steht schon auf meinem Wunschzettel, ich bin gespannt welche Pläne der Autor Locke diesmal aushecken lässt.


    4ratten

  • Hallo,


    hier kommt meine nächste Rezi für den SUB-Wettbewerb:


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    Amazon:


    Life imitates art and art scams life in Lynch's debut, a picaresque fantasy that chronicles the career of Locke Lamora—orphan, thief and leader of the Gentlemen Bastards—from the time the Thiefmaker sells Locke to the faking Eyeless Priest up to Locke's latest con of the nobility of the land of Camorr. As in any good caper novel, the plot is littered with obvious and not-so-obvious obstacles, including the secret police of Camorr's legendary Spider and the mysterious assassinations of gang leaders by the newly arrived Gray King. Locke's resilience and wit give the book the tragicomic air of a traditional picaresque, rubbery ethics and all. The villain holds the best moral justification of any of the players.


    Meine Meinung:


    Das Cover finde ich absolut genial (obwohl das von Band 2 auf englisch sogar noch besser ist!) und es gibt auch noch eine Karte von Camorr. Juhu...
    Schon mal gute Ausgangsbedingungen für ein Buch, das mich fast komplett überzeugen konnte.


    Am Anfang habe ich mich mit der Sprache ein bisschen schwer getan, aber das ist schnell vergangen, als ich mich daran gewöhnt hatte. Ich würde das Buch trotzdem nur etwas geübteren Englisch-Lesern empfehlen, weil auch viele umgangssprachliche Beleidigungen vorkommen, die man in der Schule wahrscheinlich nicht lernt. :breitgrins:
    Die Sprache hat mir dann, als ich drin war, sehr gut gefallen und durch die Beschreibungen konnte ich mir Camorr detailgetreu vorstellen. Camorr erinnert ein bisschen an Venedig und auch sonst gibt es einige italienische Elemente. Trotzdem ist die Welt absolut eigenständig mit vielen einfallsreichen Elementen und keine bloße Kopie. Ich denke, die Welt würde noch viel hergeben und ich hoffe sehr, dass Scott Lynch noch viele Bücher schreibt, die dort spielen.


    Die Charaktere waren leider nicht ganz so gut beschrieben, wie die Stadt, was etwas schade war. Allerdings kommen Locke und die anderen Gentlemen Bastards trotzdem gut rüber und ich konnte mich auch so mit ihnen identifizieren. Diebe haben bei mir immer einen besonderen Pluspunkt und diese hier sind auch noch sehr sympathisch.


    Der Autor erzählt fast durchgehend auf verschiedenen Zeitebenen, was vor allem in der ersten Hälfte die Spannung stark erhöht. Ich war dadurch keineswegs verwirrt, weil eigentlich immer klar ist, wann eine bestimmt Episode spielt. Mir hat es Spaß gemacht, die Puzzleteile so nach und nach zusammenzusetzen.
    Im zweiten Teil kommt diese Erzählweise seltener vor, aber die Handlung ist auch so spannend genug.


    Lockes Pläne, mit denen er den Reichen Geld aus der Tasche zieht, fand ich super, echt mal was ganz anderes. Da habe ich schon öfters seine spontane Improvisation und sein loses Mundwerk bewundert.


    Die phantastischen Elemente sind sehr gering gehalten, was meinem Spaß an den Gaunereien aber keinerlei Abbruch getan hat. Gewalt ist durchaus präsent, aber nicht übertrieben und auch nicht zu detailliert dargestellt.


    Insgesamt hat mir das Buch sehr gut gefallen, auch wenn mir die Charaktere etwas genauer beschrieben besser gefallen hätten. Es war sogar so spannend, dass ich die 700 Seiten in drei Tagen gelesen habe und mir Band 2 trotz Buchkaufverbot bestellt habe. :redface:


    LG, Mobi

  • Scott Lynch - "The Lies of Locke Lamora"


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    Hier, hier, noch ein Fan! :zwinker:
    Die vielen positiven Stimme waren schwer zu umgehen, und da es sich noch um einen Dieb handelt, der die Protagonistenrolle einnimmt, habe ich es dann spontan gekauft. Das Cover versprach noch mehr: Eine Mischung aus Ocean's Eleven und Robin Hood sollte der Roman sein!


    Feuer und Flamme habe ich mich natürlich sofort ins Abenteuer gestürzt. Eines sei vorweggenommen: So toll die Geschichte ist, mit Robin Hood hat sie wenig zu tun. Zwar nehmen die Gentlemen Bastards gerne und viel von den Reichen, den Armen geben sie es jedoch nicht.


    Die Erzählweise wechselt zwischen Schauplätzen und von Vergangenheit zur Gegenwart. Für mich war das nicht verwirrend, im Gegenteil, ich liebe diese Hin- und Her-, Vor- und Rückblenden. Wenn Verwirrung entstand, dann war die meist vom Autor intentiert und wurde nach wenigen Kapiteln in einem Aha-Erlebnis aufgelöst. Das Tempo ist durchgehend rasant, mit eingeschobenen Verschnaufpausen in der Vergangenheit.


    Die Charaktere sind mir sofort ans Herz gewachsen. Quasi Liebe auf den ersten Blick mit dem verdreckten Waisenjungen, der so schlimme Dinge angestellt hat, und seinen Komplizen: Die vorwitzigen Sansa - Zwillinge, die anfangs verweichlichte Kampfmaschine Jean und später Bug, das leichtsinnige vorlaute Küken der Bastards. Gestört hat mich allerdings


    Die Umgebung ist stimmig gezeichnet, an Venedig hat es mich allerdings nicht erinnert. Erst im Nachhinein (beim Lesen der Rezis) wurde mir klar, dass es da Parallelen geben könnte. Camorr ist nicht überladen mit Fantasyelementen, d. h. man stolpert nicht auf jeder zweiten Seite über irgendeinen verqueren Ausdruck, irgendwelche seltsamen Kreaturen oder unmögliche Waffen. Magie exisitiert, ist allerdings unter absolutem Monopol gehalten, und deshalb nur für viel Geld käuflich.
    Friede - Freude - Eierkuchen darf man sich nicht erwarten, Camorr ist düster, brutal und erbarmungslos: Diebe, und seien es Kinder, werden ohne Gnade aufgeknüpft, mit scheinbaren Verrätern wird nicht zimperlich verfahren und Mord und Totschlag stehen an der Tagesordnung.


    Die Gentlemen Bastards bilden dazu einen schönen Kontrast, denn sie verlassen sich mehr auf Lug und Betrug denn auf ihre Waffen. Von Locke im Besonderen hat man den Eindruck, dass seine Fähigkeiten mit jeglichen Waffen nicht überragend sind.


    Und schließlich und endlich, ein riesengroßer Spoiler, den ich mir einfach von der Seele schreiben muss:


    Die Spannung ist teilweise beinahe unerträglich, die Wendungen kommen meist überraschend und wenig ist vorhersehbar. Alles in allem: Ein fantastischer Fantasy - Roman und ein absoluter :tipp:
    5ratten

    Auch ungelebtes Leben<br />geht zu Ende<br />- Erich Fried

  • Scott Lynch - The Lies of Locke Lamora


    Zum Inhalt: Locke Lamora ist einer der "Gentlemen Basterds", eine Diebebande die es im fiktiven Camorr vor allem auf die ganz großen Coups abgesehen hat. Ihr Ziel ist es, die reichen Adligen tüchtig von ihrem Geld zu erleichtern, vorzugsweise so, dass diese es gar nicht mal bemerken, bzw. zu spät merken. Dabei setzen sie auf langfristige Pläne, falsche Identitäten und viel Menschenkenntnis. Es geht ihnen mehr darum, ihres Diebestaten unbemerkt zu vollbringen, als daraus wirklichen Nutzen zu ziehen - das erbeutete Geld lagert weitgehend unangetastet im Verlies ihres Hauptquartiers. Auch der König der Diebe von Camorr ahnt nicht von den Ausmaßen ihrer Diebeszüge. Als jedoch ein Unbekannter die Macht in Camorrs Unterwelt an sich reißen will, gerät die Welt von Locke Lamora und seinen Getreuen gewaltig aus den Fugen....


    Meine Meinung: Kurz gesagt, für mich war es ein wundervoller Lesestoff. Spannend, gut zu lesen und vor allem auch untypische Fantasy, denn "gute Helden" und "böse Schurken" gibt es nicht direkt. Die Hauptfiguren, allen voran Locke Lamora, sind natürlich gewissermaßen die "Guten", aber letztendlich handelt es sich auch bei ihnen um einen Haufen Halunken. Sprachlich gesehen geht es generell eher unfein zu, was ich als sehr passend empfand, da das Buch nun mal in der Unterwelt spielt. Vergleiche mit Robin Hood (im Klappentext) sind nebenbei unangebracht, denn den Armen wird nichts gegeben.


    Besonders interessant sind die verschiedenen Zeitebenen, in denen das Buch spielt. Mehr oder weniger abwechselnd spielt die Handlung in der "aktuellen" Zeit und in der Vergangenheit. Wir erfahren sowohl von Locke Lamoras aktuellen Diebeszügen, als auch von seiner Kindheit als Waise und wie er zu dem wurde, der er heute ist. Diese Zeitsprünge waren auf den ersten paar Seiten zunächst ungewohnt, sobald man sich daran gewöhnt hat, erhöht es aber tierisch die Spannung - einerseits möchte man wissen, wie die Haupthandlung weitergeht, andererseits möchte man aber auch mehr über die Vergangenheit und die Hintergründe wissen. Dadurch konnte ich das Buch dann irgendwann gar nicht mehr aus der Hand legen.


    Camorr, die Stadt in der das Buch im Wesentlichen spielt - ist ein würdiger Hintergrund. Die wichtigsten Straßen sind die Kanäle - ähnlich Vendig also - die herausragenden Bauwerke sind aber die Türme und Brücken aus "Elderglass", einem merkwürdigen, glasartigen Material, dass von den ursprünglichen Erbauern der Stadt verwendet wurde und von den nun dort lebenden Menschen nicht hergestellt oder repariert werden kann. Insbesondere die "fünf Türme", wo auch der Herrscher der Stadt lebt, prägen das Bild der Stadt. Vor der Toren der Stadt liegt das Meer, das ziemlich Hai-verseucht ist. Abgesehen von den Kanälen fand ich die Stadt aber nicht besonderes italienisch, die Kämpfe mit den Haien ähneln eher Stierkämpfen in Spanien und das Essen mutet arabisch an.


    Ich bin gespannt auf das zweite Buch!


    5ratten

    :lesen: Naomi Novik - Uprooted

  • Ich habe mir das Buch auf Empfehlung eines Steven Erikson-Fans hin gekauft. Wie dieser Stoff jemandem zusagen kann, der Erikson-Bücher verschlingt, ist mir allerdings ein Rätsel. Bei Scott Lynch geht es eher seicht und locker-flockig zu, sowohl in der Sprache als auch in der Handlung. Locke und seine Freunde sind charmante Ganoven und spielen mit ihren Opfern nette Betrügerspielchen - glücklicherweise sind die Opfer durch die Bank ziemlich dämlich und stellen die Dreistigkeiten der Gentlemen nicht in Frage. Besonders sympathisch konnte ich die Bande anfangs nicht finden, erst als sich die Dinge dramatisch zuspitzten und Locke alle Register seines Könnens ziehen musste, konnte ich mich doch noch für ihn erwärmen und ihm die Daumen drücken, aus dem Schlamassel wieder heraus zu kommen. Allerdings hatte ich da schon die Hälfte des Buches gelesen.
    Viel Ähnlichkeit mit Venedig war in der Beschreibung der Stadt Camorr auch nicht zu erkennen: viel Wasser reicht nicht, um Parallelen herzustellen. Auch von malerischem Verfall keine Spur, eher Düsternis und Endzeitstimmung - Camorr ist kein angenehmer Ort, aber von den Schrecken der Welt, die Erikson entwirft, ziemlich weit entfernt.
    Trotzdem ist das Buch recht unterhaltsam und manchmal sogar zum Schmunzeln. Auf den Erikson-Fan vertrauend, hatte ich mir auch den zweiten Band zugelegt - eine Entscheidung, die ich nach der Lektüre des ersten Teils ein wenig bedaure.
    Die Lügen des Locke Lamora ist kein Highlight der Fantasy-Literatur, aber nette Unterhaltung für Zwischendurch.


    3ratten + :marypipeshalbeprivatmaus:

  • Die Gründe kann ich nicht benennen, aber anfangs kam ich nicht so leicht in das Buch hinein. Mir blieben die Figuren erst einmal fern und ich konnte mich nicht so gut auf die ganzen Beschreibungen der Umgebung einlassen. Auch störten mich die Rückblicke etwas im Lesefluss, was sonst normalerweise nicht der Fall ist. Ob dies am Buch oder einer Unkonzentriertheit meinerseits lag, kann ich nicht sagen, vermute aber fast, es lag an mir, denn nach etwa einem Viertel hat mich die Geschichte gepackt und auch die Figuren sind mir ans Herz gewachsen.


    Ich realisierte endlich die wirklich außergewöhnliche Stadt mit ihren Türmen und glasähnlichen Brücken und Bauten, den gefährlichen Kanälen, dem Hafen und den tiefen engen Gassen. Eine sehr passende Kulisse für dieses temporeiche Abenteuer mit spannenden Zweikämpfen in Mantel-Degen-Manier, aber auch List und Tücke, bei denen man sich allerdings auch auf brutale und blutige Szenen einstellen muss.


    Neben den Kämpfen gibt es wunderbare Schauspiele von Betrug und Überlistung. Die Gentleman-Ganoven sind ein eingespieltes Team, wenn es darum geht, den Adel auszutricksen und um ihr Vermögen zu erleichtern. Von seinen Freunden den Rücken freigehalten, bietet Locke schauspielerische Glanzleistungen in unterschiedlichen Verkleidungen mit Dialogen, die mich oft schmunzeln ließen.


    In eingestreuten Rückblicken erfährt man dann zwischendurch, wie die Gruppe zusammengekommen ist und wie die einzelnen zu ihren besonderen Fähigkeiten ausgebildet wurden. Nachdem es mich anfangs störte und ich mir gedachte hatte, man hätte daraus besser zwei separate Bücher gemacht, so fügte sich das später für mich immer passender in die Gesamthandlung ein.


    Magie ist auch vorhanden. Nicht nur in Form von Orangen, die durch alchemische Züchtungen schon gleich mit Likör getränkt sind, sondern besonders bösartig aus der Hand eines Soldmagiers, der für gute Bezahlung wirklich jede grausame Folterung anbietet und damit Locke und seinem Team das Leben schwer macht.


    Die Geschichte hat mich immer mehr mitgerissen und bot durch die sympathischen Gentleman-Charaktere, die mehr oder weniger bemitleidenswerten Diebesopfer und die feindlichen Gegenspieler ein paar aufregende Lesestunden. Allerdings sollte man sich wirklich auch auf ein paar grausame Szenen einstellen, denn der Autor schont seine Charaktere nicht wirklich.


    4ratten


    Den Folgeband Sturm über roten Wassern werde ich auf jeden Fall auch lesen. :titanic:


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  • Huhu!


    Auch ich bin dieses Jahr in den Genuss gekommen, mit Locke Lamora und den Gentlemen Bastards Bekannschaft zu machen.


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    Gefreut hatte ich mich ja schon lange auf das Buch, alleine weil das Cover so schön ist.


    Der Einstieg ins Buch fiel mir gar nicht so leicht. Die Geschichte beginnt etwas schleppend. Das ständige Hin und Her zwischen Gegenwart und Vergangenheit ist zwar gut strukturiert, nimmt der Geschichte am Anfang aber etwas von ihrem Schwung. Allerdings hatte mich Scott Lynch bereits auf der ersten Seite mit seinen großartigen Dialogen für sich gewonnen und ich wollte so schnell nicht wieder aufgeben. Dass geflucht und geschimpft wird wie verrückt, verleiht Carmorr - diesem venezianisch wirkenden Mekka für Diebe und Kriminelle - einen ganz besonderen Charme. :breitgrins:


    Lernt man Locke Lamora erst mal als kleinen Jungen kennen, kann man sich noch nicht allzu viel unter ihm vorstellen. Er war mir nicht mal sonderlich sympathisch. Doch sobald die Geschichte richtig Fahrt aufnimmt und Locke ein Gentleman Bastard wird, konnte ich das Buch nicht mehr zur Seite legen. Action, tolle Dialoge, geschickte Intrigen und ein Missgeschickt nach dem anderen sind sich auf den Fersen. Jedes Mal, wenn ich dachte, der Tiefpunkt sei erreicht, fällt der arme Locke noch tiefer in die Scheiße. :breitgrins:


    Die Auflösung am Ende war grandios, aber selbst kleine Szenen wie Lockes Unterfangen, krank zu spielen, sind gleichzeitig amüsant und mitreißend. Dieses Buch war mein absolutes Highlight 2010 und Teil 2 folgt alsbald.


    Auf seinem blog habe ich übrigens gelesen, dass Scott Lynch schwer depressiv sein soll - ich hoffe nur, er schreibt trotzdem brav weiter. :verlegen:


    5ratten :tipp:


    Liebe Grüße,
    Wendy

    Jahresziel: 2/52<br />SLW 2018: 1/10<br />Mein Blog

    Einmal editiert, zuletzt von Wendy ()

  • ich hoffe nur, er schreibt trotzdem brav weiter. :verlegen:

    Der aktuelle Termin für The Republic of Thieves ist weiterhin Februar, während die deutsche Ausgabe auf Juni verschoben wurde... Hoffen wir das Beste.

  • Der aktuelle Termin für The Republic of Thieves ist weiterhin Februar, während die deutsche Ausgabe auf Juni verschoben wurde... Hoffen wir das Beste.


    Da hoffe ich mit!
    Wobei ich mit dem Kaufen natürlich warte, bis die Taschenbuchausgabe erscheint, die zu den ersten beiden Bänden passt. Das Stöbern hat mich allerdings gerade stutzig gemacht:
    Ich besitze diese beiden Ausgaben:

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    (The Lies of Locke Lamora) und

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    (Red Seas Under Red Skies)
    beide sind Reprints von Spectra.
    Ich hatte gedacht, dass die im Juni erscheinende Taschenbuchausgabe dazupassen müsste:

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    allerdings wird die von Orion verlegt.
    :confused:


    Im Grunde ist es egal, weil ich ohnehin auf eine billige englische TB Ausgabe warten werde, aber ich hätte halt gerne eine, die auch optisch und von der Größe her dazu passt! :rollen:

    Auch ungelebtes Leben<br />geht zu Ende<br />- Erich Fried

  • Der aktuelle Termin für The Republic of Thieves ist weiterhin Februar, während die deutsche Ausgabe auf Juni verschoben wurde... Hoffen wir das Beste.


    NEIN! :wand:


    Okay, wenn Februar fix steht, dann werde ich den 3. auf Englisch lesen - hab keine Geduld, um bis Juni zu warten!


    Yklamyley: Es gibt auch noch diese Version:


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    Tread lightly, love deeply and live joyfully, for we are stalked by time and shadows. (A. J. Dalton)

    Einmal editiert, zuletzt von Mara ()

  • Lynch hat ja weit im Voraus geplant, wie ein Besuch auf seiner Homepage zeigt:



    Wer die Serie mag, kann sich also auf 5 weitere Romane freuen.
    Ich persönlich bin ja in Band 1 nach 350 Seiten stecken geblieben. Nach einem furiosen Beginn zog es sich dann doch ziemlich. Aber irgendwann werde ich es sicher noch mal ganz lesen.

    Wir sind irre, also lesen wir!

  • Lynch hat ja weit im Voraus geplant, wie ein Besuch auf seiner Homepage zeigt:

    Ja, nur wird er seine psychischen Probleme, über die er auch in seinem Blog schreibt, wohl eher nicht in seine Planung einbezogen haben - daher die Sorge um die Fortsetzungen. Band drei wurde ja schon ewig verschoben. (Und dass er jetzt wirklich erscheint, glaube ich zu 100% auch erst, wenn amazon mir den Versand meldet.)

  • Nachdem ich ca. 10 Tage in dem Buch gelesen habe und mich regelrecht dazu zwingen musste, weiterzulesen, habe ich das Buch gestern auf Seite 476 abgebrochen. Ich kann mich der allgemeinen Begeisterung für Locke Lamora also nicht anschließen. Mir haben weder die Figuren, noch der Schreibstil noch die Handlung gefallen.
    Die Figuren: können einfach alles. Unglaubwürdig!
    Der Schreibstil: zu modern für einen Fantasyroman. So etwas kann passen, muss aber nicht. In diesem Fall passt es nicht.
    Die Handlung: nach über der Hälfte des Romans weiß ich immer noch nicht so recht, warum etwas passiert. War mir die ganze Zeit auch irgendwie total egal. Es hat sich einfach keine Spannung eingestellt.


    "Die Lügen des Locke Lamora" kommt in den Nie-wieder-lesen-Karton.


    ***
    Aeria