John Steinbeck - Tortilla Flat

Es gibt 1 Antwort in diesem Thema, welches 1.540 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Aldawen.

  • Hallo,


    eine Rezi zu


    John Steinbeck: "Tortilla Flat"


    Kaufen* bei

    Amazon
    Bücher.de
    Buch24.de

    * Werbe/Affiliate-Links

    Kaufen* bei

    Amazon
    Bücher.de
    Buch24.de

    * Werbe/Affiliate-Links


    John Steinbeck ließ sich in dem 1935 geschriebenen Roman von eigenen Erlebnissen inspirieren, die er als Gelegenheitsarbeiter in einer Zuckerfabrik mit mexikanischen Mitarbeitern erlebte. Steinbeck verlegt die Geschichte ins kaliforische Monterey, deren oberer Hügelbezirk „Tortilla Flat“ genannt wird. Dort leben Paisanos, Leute, mit einer „Mischung aus spanischem, mexikanischem und erlesenem kaukasischem Blut“. Der Roman handelt von Danny und seinen Freunden, einer Clique von Tagedieben, Habenichtsen, Landstreichern. Steinbeck zieht ausdrücklich eine Verbindung zu König Artus und seiner Tafelrunde.


    Danny kehrt aus dem ersten Weltkrieg heim und erbt von seinem Großvater zwei Häuser. Für Danny, der in seinem Leben noch nie etwas besessen hatte, ist das natürlich etwas besonderes und sein Freund Pilon mahnt die Gefahren materiellen Besitzes: Besitz verändere den Menschen. Vorhaben, sein Eigentum mit seinen Freunden zu teilen, wenn man etwas hat, verfliegen, wenn man wirklich Eigentum besitzt. Danny werde nun seine Freunde verlassen, den Branntwein nicht mehr teilen. Danny verspricht das Gegenteil und schwingt sich zum Wohltäter auf. Ein Vagabund nach dem anderen wird irgendwo aufgelesen und zieht in das Haus ein. Großartige Stärke beweist Danny, als ein Haus infolge von Leichtsinn abbrennt. Das verlockt Danny zu einer Überlegung über die Vergänglichkeit irdischen Besitzes.


    Auf den ersten Seiten des Buches ist schon klar, Steinbeck will nicht einfach eine Geschichte von Abenteurern erzählen, sondern er will den Lesern eine Botschaft vermitteln. Der Roman teilt sich in siebzehn einzelne Geschichten auf, manche könnten auch für sich alleine stehen, aber sie stellen letztlich doch ein Ganzes da. Die philosophischen Gedanken, die dem Roman sorgsam eingestreut sind, ohne das sie moralisierend wirken, machen den Roman lesenwert. Aber nicht nur das. Anstatt mit Moral sind die Abenteuer mit Humor gewürzt und einer manchmal seltsamen köstlichen Landstreicherlogik.


    Der Roman hat einen religiösen Touch. So ist es unübersehbar, dass der Pirat, einer von Dannys Freunden, wie Franz von Assisi mit Tieren redet, und eine Frau, die nicht mehr weiß, von welchen Männern sie ihre Kinder hat, war zeitweise überzeugt, sie brauche dazu keinen Liebhaber mehr. Was für ein schelmischer Wink zur Jungfrau Maria. Manche Geschichten sind sehr wundersam und wirken mystisch.


    Ganz bewusst gebe ich an dieser Stelle kaum Romaninhalt preis, weil ich der Meinung bin, damit einigen künftigen Leser um die Lesefreude zu bringen. Der Roman ist herzlich ironisch und ihr werdet bestimmt eure Freude an Steinbecks feinsinnigen Humor haben.


    Gestern erst sah ich im Fernsehen diese Halbleichen aus Beverly Hills, die sich mit Gesichtsoperationen jung halten wollen und dicke Klunker um den Hals tragen. Was für eine widerliche Welt und schön sahen diese Frauen nicht aus. Natürlich musste ich an die Clique von „Tortilla Flat“ denken, die solchen Mist nicht brauchen, auf Eigentum verzichten und trotzdem glücklich in den Tag hineinleben.


    Liebe Grüße
    mombour

    Einmal editiert, zuletzt von fairy ()

  • Ich kann mich Dir da in vielem einfach nur anschließen. Die Frage, welche Auswirkungen Besitz nicht nur auf materieller sondern auch auf - tja, was? psychologischer, mentaler, ... Ebene hat und das Zusammenleben von Menschen beeinflußt, ist schon interessant. Welche der so (vermeintlich) unverzichtbaren Besitztümer, die man so mit sich herumschleppt, sind es eigentlich wirklich und nicht nur Annehmlichkeit? Darüber habe ich nach dem Lesen noch einige Zeit nachgegrübelt.


    Bemerkenswert ist auch, daß Steinbeck seinen Protagonisten durchaus ein von ihnen sehr ernstgenommenes und verbindliches Wertgefüge gibt, auch wenn sich dieses in manchen moralischen Bewertungen von den landläufig akzeptierten unterscheidet. Ohne dieses Gerüst würde das Leben in Tortilla Flat aber auch nicht funktionieren können. Und natürlich ist es keineswegs Zufall, daß ausgerechnet der heilige Franziskus auch noch eine Opfergabe bekommt ... :smile:


    Aldawen