Lorenzo Marini – Der Tulpenmaler

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    Inhaltsangabe aus dem Buch: „In Holland im 17. Jahrhundert kreuzen einander verschiedene Lebenswege. Der Maler Napilut (der Name ist ein Anagramm von Tulipan, die Tulpe) malt ausschließlich Tulpen. Sein Modell dafür ist Absentia. Seine Gemälde werden von allen bewundert. Vielleicht vor allem deswegen, weil sie ein Mysterium umgibt - die Bilder strömen einen verführerischen Duft aus. Alle denken, die Bilder würden nach Tulpen riechen. In Wirklichkeit riechen sie nach Liebe. Denn Napilut ist nach tiefer Liebe zu Absentia entbrannt. Zur selben Zeit schreibt Doktor Claudius sein großes Standardwerk zur Kategorisierung der Wolken. Und sein Freund Van der Kalm ist der langsamste Mensch der Welt und arbeitet an einem Projekt, die Zeit zu verlangsamen. Der Uhrmacher Van der Clock indessen bereitet die wichtigste Verabredung seines Lebens vor. Schließlich kommt noch der Venezianer Marco de Ros dazu, der sich auf das Malen von Rosen spezialisiert hat. Die Schicksale all dieser Menschen verbinden sich auf die wundersamste Weise. Die Geschichte spitzt sich zu, die Ereignisse überstürzen sich ...“


    Ich habe mich entschlossen, die Inhaltsangabe zu übernehmen, weil sie erstens zum Inhalt paßt und doch nicht zu viel verrät. Natürlich sind damit noch nicht alle Personen angeführt, denn da gibt es z. B. auch noch den Maler Van der Lens, der sich vor allem für den „Mikrokosmos“ interessiert und den Blumenbildern seiner Malerkollegen mit kleinen Insekten die gewünschte Natürlichkeit verleiht. Und Napiluts Assistentin. Und ...


    Meine Meinung: Ich habe eine Weile überlegt, ob ich es unter „Historische Romane“ einsortieren soll, zumal auch der Autor in seiner Danksagung davon spricht, daß es anspruchsvoll sei, einen historischen Roman zu schreiben. Ich habe mich letztlich dagegen entschieden, weil es gar nicht so sehr um die historische Epoche und konkrete Ereignisse geht, diese bilden nur einen Rahmen um die Gesamterzählung in Form von je drei Seiten am Anfang und am Ende.


    Trotz der durchaus absurden Beschäftigungen der Protagonisten ist das Thema eher zeitlos: (un-)erwiderte, verschmähte, verpaßte, mißbrauchte, ... Liebe. Das ist sicher nicht spektakulär, aber wie Marini seine Geschichte erzählt – das ist gelungen. Zum einen lebt das Buch durchaus von seinen skurrilen Charakteren, die alle ihre Namen natürlich nicht zufällig tragen. Zum anderen hat mich der Stil und Tonfall fasziniert. Im Rückentext wird eine Parallele zu Alessandro Bariccos „Seide“ gezogen. Das ist m. E. auch eher von der Sprache inspiriert und ich finde diesen Vergleich passend. Am liebsten würde ich das halbe Buch (mindestens!) zitieren. Es hat so viele schöne Stellen, daß ich mich gar nicht entscheiden kann, aber vielleicht wenigstens diese Aussage von Meister Napilut auf die Frage, ob Blumen atmen: Wenn du dich näherst, spürst du ihren Atem. Man nennt ihn Duft. (S. 40)


    Ein echtes Highlight in diesem Lesejahr bislang und eindeutig ein :tipp: für alle, die schöne Sprache mögen! Das Ende war zwar ein bißchen abrupt und ich hätte inhaltlich gerne etwas anderes gehabt, aber es war passend und führt daher keinesfalls zur Abwertung.


    5ratten


    Schönen Gruß,
    Aldawen

    Einmal editiert, zuletzt von Aldawen ()

  • Vielen Dank für Deine Rezi, das hört sich sehr vielversprechend an. Das Buch ist auf meiner Wunschliste gelandet :smile:

  • Im Rahmen der Schätze-Lesenacht (einzelne Kommentare und Zitate dort) habe ich den Roman nun noch einmal gelesen und an meiner Einschätzung ändert sich nichts grundlegendes, auch nicht die Bewertung.


    Ich war immer noch und wieder verzaubert von dem, wie Marini seine Geschichte erzählt. Nur wenig spürt man von der düsteren, calvinistischen Atmosphäre, und insbesondere die exzentrischen Wissenschaftler lassen oft auch schmunzeln. Marini schafft eine über weite Strecken fast schwerelos schwebende Erzählung, die am Ende allerdings sehr brutal „geerdet“ wird. Und dies läßt sich durchaus wörtlich wie übertragen verstehen, je nachdem, auf welche Figur man schaut. Der Venezianer de Ros, der nur Rosen malt und Napilut mit dessem kargen Stil und ausschließlich Tulpen als Sujet den Rang abläuft, war mir womöglich noch unsympathischer als beim ersten Lesen, vielleicht weil ich mich an sein häßliches Verhalten noch dunkel erinnerte.


    Was mir damals entweder weniger aufgefallen oder nicht so im Gedächtnis geblieben ist: der Erzähler tritt manches Mal aus dem Text heraus, indem er „wir im 17. Jahrhundert“ gegen „Ihr, Leser, im 21. Jahrhundert“ explizit so positioniert. Normalerweise mag ich dergleichen nicht besonders, aber hier nahm es nicht überhand und wurde teilweise auch geradezu charmant präsentiert, so daß ich darüber problemlos hinwegsehen konnte, es sogar passend fand.


    Schönen Gruß
    Aldawen

  • Ok, jetzt ist das Buch definitiv auf meine Wunschliste gewandert. Das klingt wirklich zu verlockend. Danke, Aldawen :winken:

    Rechtsextremismus ist wieder salonfähig gemacht worden, durch CDU/CSU und FDP.

  • Das scheint tatsächlich ein Schätzchen zu sein, das auf meiner Wunschliste nicht fehlen sollte.


    Danke für deine Leseeindrücke Aldawen!