Annie Proulx - Brokeback Mountain

Es gibt 10 Antworten in diesem Thema, welches 4.221 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Sille.

  • Ich hab tatsächlich keinen Thread hierzu gefunden, was mich zwar gewundert hat aber gut, dann gibt es den eben jetzt. :zwinker: Das hier ist eine meiner Rezis im Rahmen des SUB-Wettbewerbs 07.



    Annie Proulx - Brokeback Mountain


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    Rezension


    2006 kam „Brokeback Mountain“ unter der Regie von Ang Lee in die deutschen Kinos, oft abfällig als „schwuler Western“ bezeichnet. Genau das ist er nicht, es ist ein grandioser Film über eine unmögliche, nicht geduldete und tragische Liebe vor dem Hintergrund einer unheimlich schönen Landschaft. Ich war restlos begeistert und musste natürlich auch das Buch, das in Form einer Kurzgeschichte die Vorlage lieferte, haben. Viele negative Stimmen habe ich über das Buch gehört, der Stil sei unerträglich und die Geschichte über die verliebten Männer Jack und Ennis nur eine von vielen. Mit einiger Skepsis ging ich also an das Buch heran.


    Meine Ausgabe ist diejenige, die nach Veröffentlichung des Films herausgebracht wurde, inklusive Cover, das vom Motiv des Filmplakats geschmückt wird. Schon vorher war der Band unter dem treffenderen Titel „Weit draußen. Geschichten aus Wyoming“ veröffentlicht, aus Marketinggründen bei der Neuauflage dann aber in „Brokeback Mountain“ umgetauft.


    Insgesamt gibt es elf Geschichten und ein Nachwort der Autorin in dieser Ausgabe. Wie gesagt bildet die schwule Liebesgeschichte nur eine von ihnen, aber auch die anderen Erzählungen sind kraftvoll, tragisch und schön. Getragen wird jede einzelne von ihnen von der Landschaft Wyomings, die wunderschön und grausam zugleich ist: Die Winter sind hart mit bis zu minus vierzig Grad und zwingen halberfrorene Reiter zu Gräueltaten. Die Sommer sind unerträglich, bringen Dürre und Heuschreckenplagen mit sich und sind der Ruin vieler Rancher. Die Einsamkeit der Weite Wyomings treibt einige Figuren in den Wahnsinn, so wie die übergewichtige Ottaline, die hart auf der Ranch ihrer Eltern arbeitet und vor Einsamkeit fast verrückt wird, bis sie schließlich anfängt, mit einem verschrottenen Truck zu sprechen.


    Trotz der Härte der Landschaft treibt alle Figuren eine tiefe Liebe zu ihrer Heimat an. Sie alle kommen von Heimweh getrieben zurück dorthin, beispielsweise Diamond, der eine Collegekarriere vor sich hatte, aber lieber seine Gesundheit beim Rodeoreiten verliert. Die Menschen sind wie die Landschaft: raubeinig, einfach, hartgesotten und standhaft. Der Erzählstil passt sich dem an, ist lakonisch und romantisch zugleich. Besonders schön ist, wie sich die Erzählstimme der jeweiligen Person in den einzelnen Erzählungen anpasst und eine Palette von Individuen schön begleitet.


    Die Geschichte der jungen Männer, die am Brokeback Mountain einen Sommer lang Schafe hüten und vor der Liebe überrumpelt werden, ist die letzte im Band. Auch diese Erzählung hat mich nicht enttäuscht. Ganz im Gegensatz zu sonstigen Filmvorlagen wurde hier beim Film nicht gestrichen, sondern ergänzt, trotzdem sind sich Film und Erzählung sehr nahe.


    Normalerweise bin ich kein großer Fan von Erzählungen, aber diese Geschichten aus Wyoming haben so gut zusammengepasst und waren so toll erzählt, dass mir diese Sammlung ausgesprochen gut gefallen hat. Auch das Nachwort von Annie Proulx war sehr interessant. Darin beschreibt sie ihre großen Schwierigkeiten beim Schreiben der Erzählung „Brokeback Mountain“ und ihrer Angst vor einer Verfilmung des Stoffes sehr anschaulich.


    5ratten

    Einmal editiert, zuletzt von swank ()

  • Schöne Rezi, swank!
    Ich habe die Kurzgeschichte Brokeback Mountain damals noch eingeschoben, bevor ich den Film im Kino sah und war wirklich bewegt von der Geschichte, wobei ich finde, dass der Stil einfach wie die Faust aufs Auge zum Inhalt passt.
    Die anderen Geschichten habe ich noch nicht gelesen, aber ich könnte mir vorstellen, dass das auch der Grund dafür sein könnte, dass viele diese eine Geschichte nicht mögen. Denn du schreibst ja, dass sich die eine Kurzgeschichte praktisch in die anderen einfügt, vielleicht kommt es ganz anders rüber, wenn man alle hintereinander liest.


    Das heißt, ich werde sie mir bald alle einmal vorknöpfen! :breitgrins:


    edit: Ach, was ich noch sagen wollte: Ich finde das Cover/Filmplakat wirklich genial. Wie sich die beiden abwenden, als würde irgendetwas zwischen ihnen stehen. :anbet:

    [size=9px]&quot;I can believe anything, provided that it is quite incredible.&quot;<br />~&quot;The picture of Dorian Gray&quot;by Oscar Wilde~<br /><br />:leserin: <br />Henry Fielding - Tom Jones<br /><br />Tad Williams - The Dragonbone Chair<br /><br />Mark Twai

    Einmal editiert, zuletzt von fairy ()

  • Wirklich tolle Rezi!
    Ich habe den Film gesehen und war danach noch tagelang "bewegt" und habe mir deshalb vom Buch einiges erwartet. Die Kurzgeschichten sind gewöhnungsbedürftig um das mal so zu sagen. Die Atmosphäre wird super beschrieben vor allem im Zusammenhang mit dem Nachwort. Mir haben die Kurzgeschichten aber gut gefallen und ich muss sagen, dass ich selten einen Film gesehen habe, der sich so gut und nahe ans Buch hält.


    lg, Frau 32


  • ich muss sagen, dass ich selten einen Film gesehen habe, der sich so gut und nahe ans Buch hält.


    Nicht umsonst gab es dafür ja letztes Jahr den Oscar :smile:
    (best adapted screenplay)

  • Irgendwie hast mir mit deiner Rezension richtig Lust gemacht die Geschichten zu Lesen.
    Brokeback Mountain finde ich als Film ja einfach wunderbar. Einer der wenigen Filme bei denen ich am Ende weinen musste.

  • Ende letzten Jahres habe ich diese Geschichten auch gelesen. Ich fand sie gut erzählt, denn Sprache und Stil paßten hervorragend zusammen. Schwerer habe ich mich mit den Charakteren und ihren Handlungen getan, das ist offensichtlich eine Seite Amerikas, mit deren Wertvorstellungen und Lebensumständen mich gar nichts verbindet und die ich deshalb auch nicht nachvollziehen kann. Dafür erklärt es mir aber manche Besonderheiten an einigen Amerikanern, jedenfalls soweit sie mir durch die Presse bekannt gemacht werden. Daher war es für mich eine durchaus interessante Lektüre mit einigen Abstrichen.


    Schönen Gruß,
    Aldawen


  • Einer der wenigen Filme bei denen ich am Ende weinen musste.


    Bei Filmen weine ich schon mal ab und zu - bei Büchern eher nicht - aber bei dieser Story habe ich sogar während dem Lesen geheult :winken:


    Kenavo

  • Nachdem mir „Hinterland“ schon so gut gefallen hat, habe ich nun auch „Brokeback Mountain“ gelesen. Den Film dazu hab ich übrigens nicht gesehen.
    Sagen wir es mal so: Ich kann den geänderten Titel von verlagsseite her verstehen, aber schade finde ich es trotzdem, gerade weil die jetzt titelgebende Geschichte meiner Meinung etwas anders ist als die anderen und sich damit nicht so richtig als sozusagen verbindende Gesamtüberschrift eignet.
    Mir gefällt der Schreibstil in diesen Geschichten unglaublich gut, er ist so lakonisch, scheinbar ungerührt und doch merkt man die Verbundenheit mit dem Land, mit der Natur und auch mit all den schrägen Leuten, die diese Gegend bevölkern. Ich empfinde die Atmosphäre als sehr beeindruckend, auch (oder gerade?) wenn ich bei einigen Geschichten nicht weiß, ob ich lachen oder weinen soll. Häufig fühle ich mich beim Lesen in eine frühere Zeit versetzt und schrecke dann erst durch irgendein Wort, einen modernen Begriff hoch und merke, dass sie vom „hier“ und „heute“ spricht. Der Lebensstil ist sicherlich ganz weit von meinem eigenen weg und trotzdem kann sie mich mit ihren Geschichten sehr berühren.
    „Brokeback Mountain“ hätte ich jetzt auch einzeln erwähnt, wenn es den Film nicht gegeben hätte, weil ich, wie gesagt, finde, dass die Geschichte sich etwas von den anderen absetzt. Hier geht es doch hauptsächlich um Liebe, um eine Beziehung zwischen zwei Menschen, während in den anderen Geschichten anderes dominiert: Natur, Leben, Überleben, der einzelne Mensch in dieser Landschaft, zwar auch Beziehungen, aber nicht so dominant.
    Und da ich persönlich Liebesgeschichten nicht so besonders gerne lese, hätte ich „Brokeback Mountain“ in dem Buch nicht vermisst, auch wenn es eine sehr anrührende und durch ihren Stil auch eine sehr beeindruckende Geschichte ist. Aber ehrlich gesagt mag ich die anderen lieber und ich kann es auch andersherum verstehen, dass manche Leser enttäuscht sind, die sich aufgrund des Films das Buch gekauft haben und dadurch womöglich eine andere Erwartungshaltung hatten.
    Ach ja, mein persönlicher Favorit: „Der Blutfuchs“ , wunderbarer schwarzer Humor :smile:
    Und mein Fazit: 4ratten


    Schönen Gruß,
    Marmotte

  • Annie Proulx – Brokeback Mountain


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    Inhaltsangabe:


    Elf Kurzgeschichten über das Leben und die Menschen im ländlichen Wyoming.


    Den Geschichten vorangestelltes Zitat:


    "Mit der Realität konnten wir hier draußen noch nie viel anfangen."
    (Rancher aus Wyoming im Ruhestand)


    Meine Meinung zum Buch:


    Nach „Schiffsmeldungen“ und „Hinterland“ ist dies nun mein drittes Buch von Annie Proulx und darin der zweite Band mit Kurzgeschichten.


    Wieder hat mich Annie Proulx nüchterne, distanzierte und dennoch unglaublich präzise Sprache beeindruckt. Der Schreibstil passt sehr gut zu den Geschichten, die mir hier wesentlich bitterer, resignierter und beängstigender vorkommen als in „Hinterland“. Auch blitzt der schwarze Humor, der mir in „Hinterland“ so gefallen hat, weniger oft auf – aber wenn, dann ist diese Stelle großartig zu lesen. Mein Favorit ist die Kurzgeschichte mit dem Titel „55 Meilen bis zur Tankstelle“ – sie umfasst nur zwei Seiten und ist so was von schwarz, das konnte ich kaum glauben. :breitgrins:


    Sehr im Mittelpunkt (jedenfalls nach Cover und Klappentext) steht natürlich die verfilmte Geschichte „Brokeback Mountain“. Zusätzlich beschreibt die Autorin auch noch ihre Erlebnisse bei der Verfilmung, was ich mit großem Interesse gelesen habe; die beiden Abschnitte sind echte Highlights in der Sammlung. Ich hatte beim Lesen immer die Bilder aus dem Film vor Augen, was aber wunderbar zusammengepasst hat.


    Insgesamt gesehen fand ich aber die Sammlung in „Hinterland“ etwas besser und stringenter als diese hier, auch wenn „Brokeback Mountain“ die beste Kurzgeschichte von der Autorin ist, die ich bisher gelesen habe. Das nächste Buch von Annie Proulx „Das grüne Akkordeon“ ist auch schon bestellt.


    Ich gebe für diese Sammlung insgesamt gesehen 3ratten:marypipeshalbeprivatmaus:


    Viele Grüße von Annabas :winken:

  • Meine Meinung:
    Ein ganz anderes Amerika - ganz ohne den üblichen Kitsch, Konsum und Kommerz.
    Kein McDonalds, keine Highschool-Queen, kein FBI und CIA, kein Hollywood.
    Dafür Menschen, die man so schnell nicht vergißt, grandiose Landschaften, harte Lebensumstände.


    Ich kannte von Annie Proulx schon "Schiffsmeldungen" und "Mitten in Amerika", die ich beide sehr empfehlen kann. "Das grüne Akkordeon" steht auch schon im Regal und "Hinterland" habe ich kürzlich bei booklooker ergattert, weil es hier so gelobt wurde. DANKE, Annabas :winken:


    Fazit:
    Absolut beeindruckende Geschichten, atmosphärisch dicht und sprachlich excellent erzählt.
    Von mir gibt es 4ratten

    Lach, wenn´s zum Weinen nicht reicht.<br /><br />:lesen:

  • Ich liebe Annie Proux und ihre Art Amerika - das Land und die Bewohner, zu beschreiben :breitgrins:
    Ihre Charaktäre sind genial angelegt und das Land, das soe beschreibt, würde ich gern mal kennen lernen.
    Eigentlich mag ich keine Kurzgeschichten, weil ich gerade richtig schön in einer Geschichte drin bin - und schon ist sie zu Ende ... Das geht mir zu schnell.
    Aber dieses Buch habe ich trotzdem gern gelesen!

    Liebe Grüße, Sille