Francis Bebey - Das Regenkind

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  • Gelesen im Rahmen des „Wir-lesen-uns-rund-um-die-Welt“ Projektes: Kamerun


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    Inhalt


    Der kleine Mwana ist fünf Jahre alt als seine Mutter sehr krank wird. Von nun an wird er bei seiner Großmutter Iyo in einem kleinen Dorf aufgezogen. Er löchert die alte Heilerin den ganzen Tag mit Fragen: Wie alt ist der Regen? Gibt es Menschen, die nicht sterben müssen? Wann ist man erwachsen?
    Um ihn herum passieren im Dorf seltsame Dinge: Sein Onkel spielt Saxophon und ist dadurch ein Konkurrent seines anderen Onkels, der ein Grammophon besitzt.
    Ein neuer Lehrer kommt in das Dorf und der alte Lehrer wird verrückt.
    Als er ein bisschen älter ist, versucht eine Patientin seiner Oma, ihn zu verführen.
    Schließlich läuft er von zu Hause fort in die große Stadt zu seiner Tante Noelle.


    Über den Autor


    Francis Bebey – 1929 in Duala/Kamerun geboren – ist Schriftsteller und Liedermacher. Er war zehn Jahren lang Leiter der Kulturabteilung der UNESCO, bevor er freiberuflich arbeitete.


    Meine Meinung


    Mehr als ein „ganz nett“ kann ich über diesen Roman leider nicht sagen. Die Geschichte Mwanas hat mich nie richtig berührt, ich konnte eher seine Großmutter verstehen, wenn sie über seine vielen Fragen genervt die Augen verdrehte. Mittendrin ist ein ziemlich großer Sprung, gerade war Mwana noch sechs Jahre alt, plötzlich ist er acht, aber das wäre eigentlich immer noch kein Alter, in dem man von einer erwachsenen Frau verführt wird…
    Interessant geschrieben fand ich lediglich die Passagen, in denen das Verhältnis der schwarzen Bevölkerung zu den Weissen dargestellt wird und der Konflikt zwischen der eigenen Religion und dem Christentum.
    Ansonsten war mir das Ganze einfach ein bisschen zu kindlich. Bebey bekam für dieses Buch übrigens 1994 den Prix Saint-Exupéry.


    3ratten

  • Erzählbare Handlung gibt es in diesem Büchlein tatsächlich kaum mehr als WannaBe schon gesagt hat, was angesichts von nur rund 160 Seiten vielleicht auch nicht so erstaunlich ist. Und um eine solche Story ging es Bebey sicher auch nicht. Muana wächst im wesentlichen bei seiner Großmutter Iyo auf, die sich als Heilerin um Frauenleiden kümmert und auch ihre kranke Tochter, Muanas Mutter, pflegt. Die Familie lebt in Djedu, einem dörflichen Vorort von Duala, und das Leben ist dort eben auch noch nicht städtisch geprägt. Angesiedelt dürfte das ganze etwa in den 1930er Jahren sein, als ein Grammophon noch ein „Zauberkasten“ war, bei dem man sich die Fragen stellte, ob der Sänger wohl in dem Apparat oder der Schallplatte eingesperrt ist.


    Zwei Dinge sind es im wesentlichen, die diesem Roman ihren Reiz verleihen. Da ist zum einen Muana selbst, der seine Großmutter ständig mit Fragen löchert: Ist der Regen alt? Was ist die Zeit? Was ist eigentlich ein Kind? Die Antworten, die er bekommt, sind mal mehr, mal weniger ausführlich und sie lösen in ihm oft weitere Fragen und Überlegungen aus, die durchaus interessant sind und ihm – auch wenn er sie nicht alle sofort durchschaut – viele Hinweise fürs Leben geben. Hier setzt allerdings auch ein mögliches Problem an, das man mit diesem Roman haben kann: Muana kommt dadurch gleichermaßen altklug wie naiv daher – eine Mischung, die sich eben aus der Verarbeitung der Antworten auf seine Fragen ergibt, weil er sich auch manches mehr oder weniger treffend selbst zusammenreimt, und erzählt wird zwar mit sichtbaren Abstand zu dem Kind, das der Erzähler vor Jahrzehnten gewesen ist, aber mit einer dem Alter zur erzählten Zeit angelehnten Sprache, was vielleicht nicht die allerglücklichste Wahl ist.


    Der zweite Punkt, der mir hier sogar noch besser gefallen hat als Muanas Fragen und das (fast) idyllische Familienleben, ist die Geschichte seines Erwachsen(er)-Werdens, die Bebey durch das Verhältnis zur Zeit charakterisiert. Das ist einfach sehr schön gemacht, und es kontrastiert auch wunderbar die europäische Sicht einer meßbaren, linearen Zeit mit dem zyklischen Empfinden der Dorfleute. Diese Umstellung setzt für Muana am Ende des Buches mit dem Besuch der Schule ein. Dieser ältere, von europäischer Erziehung geprägte Muana würde die früheren Fragen nicht mehr stellen (können) und wie wenig dieses neue Leben mit seinem vorherigen gemein hat, formuliert Bebey am Ende ganz deutlich:


    Unser Lehrer trägt eine Armbanduhr an seinem Handgelenk. Mehrmals am Tag schaut er darauf. Ich bin davon überzeugt, daß die Zeit nur aufgrund dieses kleinen Geräts vergeht. Unbekümmert der Fluten, die, in der Ewigkeit verankert, ihr mit ihrem Kommen und Gehen den Rhythmus einer langen, stets neuen Geschichte ohne Datum und Stundenplan geben. Die kleine Armbanduhr läßt uns in das Klassenzimmer eintreten und sagt uns, wann wir wieder hinausgehen sollen. Seitdem sie begonnen hat, auf diese Weise unser Leben zu ordnen, hat die Zeit, ohne irgend jemand zu fragen, einen wahren Aufschwung gemacht. Lachhaft und traurig zugleich. Selbst bei Sonnenschein unendlich viel weniger schön als einst. Auch weniger beruhigend als das unausschöpfliche Wasser des ruhigen Flusses. Und vor allem nun traurigerweise dieser völligen Sorglosigkeit beraubt, die die Kindheit in Djedu so glücklich machte.
    Seither, auch wenn es meiner guten Großmutter mit ihren uralten und wunderbar lächelnden Falten mißfällt, vergeht die Zeit ganz bestimmt. Der Unterricht beginnt morgens um acht Uhr. Man darf nicht »zu spät« kommen. Ich verstehe nicht ganz, was das bedeutet, und daran gewöhnen werde ich mich, glaube ich, nie.


    4ratten


    Schönen Gruß,
    Aldawen

    Einmal editiert, zuletzt von Aldawen ()

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    Der kleine Muana lebt bei seiner Iyo, seiner Großmutter in einem Dorf in Kamerun. Er erzählt in der Ich-Form von seinen Erlebnissen, den Vorkomnissen im Dorf und vor allem von den Gesprächen mit Iyo. Viel geschieht eigentlich nicht, und doch eine ganze Menge. Muana, zu Beginn des Buches vermutlich 4-5 Jahre alt, in den letzten Kapiteln 8, versucht, sie - und damit seine Welt - zu verstehen und fragt dazu immer wieder seine Iyo, die ihm manchmal verständlich, manchmal unverständlich und manchmal gar nicht antwortet.


    Dabei ist interessant zu merken, wie sich spezifisch afrikanische und allgemein menschliche Fragen vermischen, was den Zugang zum Buch sehr erleichtert. Parallellen zwischen den Geschehnissen im kamerunischen Dorf und meinem deutschen Heimatdorf - und noch mehr mit dem meiner Mutter, die eine Altersgenossin Bebeys ist - sind unübersehbar, und die Fragen, die ein neugieriges Kind bei dem Versuch, sich ein Bild von seiner Welt zu machen stellt, sind wohl in der ganzen Welt dieselben.
    Dies hat einen ziemlichen Charme, der allerdings manchmal eine Grenze überschritt und bei mir ein genervtes "Ach, wie süß"-Augenrollen hervorrief. Eine gewisse Ähnlichkeit zu Saint-Exupérys "Kleinem Prinzen" drängte sich mir dabei auf.


    Insgesamt habe ich das Buch gerne gelesen, muss aber ein wenig am Stil herummäkeln. Zum Teil liegt das an meiner Abneigung gegen kurze, unvollständige Sätze, die hier aber zum Glück nur am Anfang vermehrt auftraten. Zum anderen störte mich die Verwendung der Tempi. Weitgehend ist der Präsens als Erzählzeit gewählt, was zur Erzählperspektive aus den Blick des Jungen passt, aber einen doch sehr kindlichen Stil zur Folge hat, zu dem dann aber wiederum einzelne Formulierungen nicht passen. Ab und zu mischt sich auch der erwachsene Erzähler ein und kommentiert aus seiner Sicht die Geschehnisse. Das gibt einerseits eine notwendige Erweiterung der Perspektive, andererseits wird aber stilistisch nicht immer ganz deutlich, ob der alte Mann oder der kleine Junge sprechen.
    Was mich aber noch mehr störte, war die in diesen Passagen sich ändernde Erzählzeit, die auf eine sonderbare Art zwischen Imperfekt und Perfekt schwankte und mich immer wieder irritierte. Es mag sein, dass dies eine Eigenheit der französischen Sprache ist (dasselbe Phänomen bemerkte ich auch in einem anderen kürzlich gelesenen französischen Buch), gehört meiner Meinung nach in einer deutschen Übersetzung aber geändert.


    3ratten + :marypipeshalbeprivatmaus:

    Wir sind irre, also lesen wir!