M. John Harrison - Viriconium

Es gibt 3 Antworten in diesem Thema, welches 2.499 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Liafu.

  • (Ich bin mit dem Buch zwar noch nicht durch, poste aber trotzdem schon mal meinen Eindruck zum ersten Teil.)


    Der Sammelband Viriconium enthält die Romane The Pastel City, A Storm of Wings, In Viriconium, sowie die Kurzgeschichtensammlung Viriconium Nights. Die drei Romane sind in den 80er unter den Titeln Die Pastell-Stadt, Das Rauschen dunkler Schwingen und Die Götter der Pastell-Stadt auch auf Deutsch erschienen, mittlerweile aber nur noch gebraucht erhältlich.


    Im ersten der (mit ca. 100 Seiten ziemlich kurzen) Romane, The Pastel City, lernt der Leser die postapokalyptisch anmutende Welt Viriconiums kennen. Die Gesellschaft ist eigentlich nicht technisiert oder industrialisiert, bedient sich aber der Relikte einer früheren, technisch sehr viel weiterentwickelten, doch mittlerweile lange untergegangenen Zivilisation, genannt „Afternoon Cultures“. So benutz man Energiewaffen oder Fluggeräte, auch wenn man ihre Funktionsweise kaum versteht und sie erst recht nicht nachbauen kann. Magie dagegen gibt es keine, genauso wenig wie Elfen, Orks und die sonstigen üblichen Fantasy-Wesen. Auch die Welt, wie sie von den Afternoon Cultures zurückgelassen wurde, ist mehr oder weniger eine verseuchte Ruine mit den dazugehörigen, mehr oder weniger seltsamen oder verwüsteten Landschaften und Tieren. So ergibt sich eine ansprechend düstere Atmosphäre und eine ein wenig in Richtung Science Fiction gehende Welt.


    Die Geschichte dagegen ist, zumindest bis zu einem gewissen Grad, relativ fantasy-typisch. Nach dem Tod König Methvens folgt ihm seine Tochter Methvet auf den Thron. Doch es gibt noch eine zweite Anwärterin, Canna Moidart, die Tochter von König Methvens Bruder. Es kommt, wie es kommen muss: In Viriconium kämpfen Anhänger beider Parteien gegeneinander und Canna Moidart führt ihre Truppen gegen die Stadt. tegeus-Cromis und drei weitere Anhänger König Methvens, die ihre beste Zeit schon eine Weile hinter sich haben, machen sich auf, sich ihr entgegen zu stellen und Methvets Truppen zu unterstützen. Doch Moidart hat tief in den Relikten der Afternoon Cultures gegraben. Und unterwegs schließt sich Cromis ein mechanisch Vogel an, der eine Nachricht für in hat: Fürchte die geteit chemosit; Reise sofort zum Turm des Cellur...


    Es ist schwierig, den Inhalt einer so kurzen Geschichte wiederzugeben, ohne zu viel zu verraten. Jedenfalls ist das Grundgerüst der Handlung fantasy-typischer als ich erwartet hatte, was allerdings durch den SciFi-Einschlag wieder ein Stück weit ausgeglichen wird.


    Die Hauptfiguren, wie tegeus Cromis, der Jahrelang zurückgezogen gelebt hat und sich für einen besseren Poeten als Schwertkämpfer hält, oder Tomb der Zwerg*, der ein Faible für Afternoon Culture-Technologie hat und sich regelmäßig mit dem Soldaten und Schmuggler Grif in die Haare kriegt, sind nicht uninteressant, wenn auch nicht immer sympathisch, und angenehmerweise keine klischeehaften jugendlichen Weltretter.


    *(„Zwerg“ dürfte sich, soweit ich das bisher beurteilen kann, hier eher auf die Körpergröße, als auf das Fantasy-Volk beziehen, auch wenn er einige Eigenschaften desselben mitbringt.)


    Harrisons Stil ist eher, hm, knapp, seine Beschreibung sind ausreichend um sich ein Bild von der Welt Viriconiums zu machen, aber nicht ausschweifend.


    Insgesamt war dieser erste Teil anders als erwartet. Die Mischung aus Fantasy und SciFi ist ansprechend und bietet trotz der vom Grundkonzept her auf den ersten Blick nicht ungewöhnlichen Handlung eine angenehme Abwechslung. Allerdings waren es auch in erster Linie diese SciFi/Fantasy-Welt und die leicht düster-melancholische Stimmung, die für mich den Reiz der Geschichte ausmachen. Die Handlung an sich ist zwar sicher nicht uninteressant, aber so richtig mit den Charakteren mitfiebern konnte ich nicht. Dennoch hat The Pastel City es geschafft, meine Neugier auf die nächsten Teile zu wecken.


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  • Die Handlung von A Storm of Wings lässt sich nur schwer zusammen fassen, wenn man nicht zu viel verraten will.


    Die Geschichte beginnt 80 Jahre nach den Geschehnissen von The Pastel City. Tegeus-Cromis ist schon seit 20 Jahren nicht mehr am Leben, doch andere alte Bekannte spielen auch diesmal wieder eine Rolle.


    Die Reborn, wiedererweckte angehörige der Afternoon Cultures, die schon am Ende des 1 Bands eine Rolle spielten, scheinen langsam aber sicher verrückt zu werden, können nicht mit ihrer neuen Situation zurecht kommen, und gleichzeitig gewinnt The Sign of the [acronym=Heuschrecke]Locust[/acronym], das anfangs an eine Art religiöse Sekte erinnert, immer größeren Einfluss auf die Menschen in Viriconium. In diese Situation wird nun Galen Hornwrack, ein mehr oder weniger zwielichtiger und heruntergekommener Bewohner der Low City, und so etwas wie der Hauptcharakter dieses Buches, hineingezogen, als er einer Abgesandten der Reborn begegnet und als einziger sieht, was sie überbringen sollte.


    Mir hat dieser Band deutlich besser gefallen, als der erste. Wie ich mir erhofft hatte, spielt die Stadt Viriconium selbst, mit ihrer Atmosphäre aus altem Glanz und Heruntergekommenheit diesmal eine größere Rolle und auch die Handlung kann man definitiv nicht mehr als Standard-Fantasy-Plot bezeichnen. Auch diesmal ist alles eher düster gehalten und so etwas wie strahlende Helden gibt es nicht.


    Ich bin mir nicht sicher, ob sich Harrisons Stil seit dem ersten Buch gesteigert hat, oder ich mich erst einlesen musste, jedenfalls gefällt er mir mittlerweile sehr gut und auch die Atmosphäre schien mir deutlich dichter. Allerdings verlangt die Kombination aus seiner Art zu schreiben, seinem Vokabular und natürlich der eher untypischen Handlung ein gewisses Maß an Konzentration und trotz der erwähnten dichten Atmosphäre bleibt eine gewisse Distanz zwischen dem Leser und den Charakteren und der Handlung, alles wirkt irgendwie faszinierend aber... abstrakt?

  • Den Viriconium-Sammelband habe ich jetzt auch endlich mal weitergelesen und bin jetzt mit "In Viriconim" durch. Und das ist wirklich ziemlich weit weg von Typischer Fantasy.


    "In Viriconium" spielt, wie der Titel bereits verrät nur in Viriconium, was mir sehr gut gefällt. Also fallen typische Reise durch die Fantasywelt zwecks Weltrettung schon mal weg. Statt dessen geht es, tja, das ist mal wieder schwer zu beschreiben, ohne zu viel zu verraten.


    Es geht um Viriconium, in dem eine seltsame Krankheit grassiert, die nicht nur die Menschen zu befallen scheint, die in Viriconium leben, sondern auch die Stadt selbst. Es geht um den Maler Ashlyme, aus der High City, die noch nicht von der Krankheit befallen ist und um die Künstlerin Audsley King aus der Low City, die schon angesteckt ist. Es geht um die Barley Brothers, die im ersten Moment wirken, wie zwei Verrückte und doch mehr sind als das und um den Zwerg Grand Cairo, der mit Katzen sprechen kann, und seine Geheimpolizei.


    Und nein, ich werde jetzt nicht versuchen, daraus eine zusammenhängende Schilderung der Handlung zu basteln, das würde sowieso nicht funktionieren bzw. ich würde dem Buch dabei nicht gerecht werden. Einen klaren, auf ein bestimmtes Ziel hinsteuernden Handlungsstrang gibt es eigentlich auch nicht, die Figuren befinden sich in der beschrieben Situation, versuchen ihrer Herr zu werden, ihre Schicksale verstricken sich miteinander.


    Die Geschichte lebt vor allen von der Atmosphäre, die Harrison erschafft, obwohl er gar nicht so detailliert beschreibt. Geheimnisvoll, bizarr, eine heruntergekommene Stadt, ein Haufen mehr oder weniger gescheiterter Künstler. Schreiben kann Harrison auf jeden Fall. Wobei mir sein Stil diesmal leichter zu lesen schien, als bei den beiden vorigen Bänden, aber ich kann nicht beurteilen, ob es am Stil liegt, oder ob ich mich eingelesen habe, oder ob vielleicht einfach mein Englisch besser geworden ist.


    Also, kurz und knapp: schwierig zu beschreiben, aber lesenswert

  • Auch die in diesem Sammelband enthaltenen Kurzgeschichten habe ich schon seit einiger Zeit gelesen und einige von ihnen gefielen mir mit am besten vom ganzen Buch, weil sie teilweise schon recht weit weg sind, vom üblichen Fantasy-Plot und mehr in Richtung "Alltagsleben in Viriconium" gingen. Nur die letzte, "A Young Man's Journey to Viriconium", fiel da etwas heraus, da sie nicht so recht zu meiner Vorstellung von Viriconium passen wollte.