John Updike: Ehepaare

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    Inhalt: Ein paar Familien auf dem Land, das sei der ideale Stoff für einen Roman, sagte Jane Austen - an das was John Updike aus diesem Stoff machte, dachte sie dabei wohl weniger ...
    1963 - 10 befreundete Ehepaare leben in der Kleinstadt Tarbox in der Nähe von Boston. "Die Frauen haben aufgehört Kinder zu bekommen, die Männer Karriere zu machen" und so bleibt ihnen viel Zeit für Partys, Treffen zum Basketball, gemeinsame Skiurlaube. Trotz der Vielzahl der Figuren stellt der Autor Piet Hannema heraus, der Bauunternehmer holländischer Abstammung ist mit Angela verheiratet, doch die beiden leben eher nebeneinander her, im Bett läuft wenig. Piet versucht sein Glück bei anderen (Ehe)frauen aus der Clique und hat es auch - auch Foxy, hochschwanger, die mit ihrem Mann neuzugezogen ist, hat es ihm angetan ...


    Meine Meinung: Wechselseitige Betrüge im Zeitalter der Pille, manchmal verliert man wirklich den Überblick wer denn hier mit wem was tut. Dabei zeichnet Updike aber ein präzises und schonungsloses Zeitgefühl nach, das uns heute schon ein bisschen fremd geworden ist. Wie Rabbit lässt sich auch Piet von seinen Trieben leiten und bleibt dabei doch in seinem Verhalten nachvollziehbar. Nebenbei flicht der Autor vieles ein: Zeitgeschichtliches (Kennedys Tod), aber auch Zeitloses (ungewollte Kinderlosigkeit, Arbeitslosigkeit, ein Ehepaar ist jüdisch, einer erkrankt schwer an Krebs, Abtreibung). Auch wenn ich nicht jede der fast 600 Seiten mit Begeisterung gelesen habe (manchmal hätte ich doch gerne genauer gewusst, warum der jetzt wieder mit jener was anfängt), so bin ich doch beeindruckt von Updikes Erzählkunst und seiner wunderbaren Sprache und wurde immer sehr gut unterhalten. Updike zeichnet interessante Personen und Konstellationen, packt Anspielung und Symbolik in seinen Text und gibt mir so immer wieder etwas zu entdecken - so mag ich Literatur!


    4ratten (und eine halbe)


    Katia

  • Hallo Katia,


    Danke für die schöne Rezension. ich habe diesen Roman auch sehr gerne gelesen. Tja, diese Seitensprünge, das machen sie mehr oder weniger aus Langerweile. Sie haben Familienwerte verloren (Kinderlosigkeit, Streitereien). Was nützt das schöne Haus, wenn Familie keinen Lebensinhalt mehr gibt. Die Thematik des Todes flechtet Updike auch in den Roman ein.
    Irgendwann sind auch bei mir mal die Rabbit-Romane an der Reihe.


    Liebe Grüße
    mombour


    PS: Ich denke, Updike kann ohne weiteres zur Weltliteratur gezählt werden

  • Die ersten 60-80 Seiten habe ich mich ganz schön gequält, weil ich die sehr langen Beschreibungen der Partys ermüdend fand. Vermutlich musste ich mich erst einmal in die Charaktere reinlesen, denn danach wollte ich das Buch gar nicht mehr aus der Hand legen. Im Ergebnis erliegen die Protagonisten ihrem langweiligen Leben trotz der (sexuellen) Ausbruchsversuche, der Rest an Dynamik versandet in den Konventionen der amerikanischen Gesellschaft (die schwierige Abtreibung als Beispiel).


    Ich habe vor Jahren die ersten vier Rabbit-Romane gelesen. Auch dort schaffte es die Hauptfigur nicht, sich endgültig aus den Konventionen zu lösen.


    In meinen Augen hat es Updike mit seinen Büchern geschafft, eine lesenswerte Beschreibung der amerikanischen Gesellschaft zu liefern.

  • irgendwo steht (sinngemäß) die Frauen hatten aufgehört Kinder zu kriegen und die Männer hatten aufgehört Karriere zu machen. .. und dann haben sie mit vereinten Kräften im Rahmen ihrer Möglichkeiten die aufkommende Langeweile todgeschlagen

  • Moin, Moin!


    Eine Stelle möchte ich bringen, die mir besonders gefallen hat, weil sie so drastisch illusionslos ist:


    Freddy fing an: "Andauernd kommen Leute zu mir, deren Zähne nicht mehr zu retten sind, mit Vereiterungen, die sie nicht mehr wahrhaben wollen und sich als Neuralgie erklärt haben. Die Schmerzen müssen grauenhaft gewesen sein. Monatelang sind sie damit herumgelaufen, außerstande, zu kauen oder nur die Kiefer zusammenzubeißen, weil sie sich unterbewußt dagegen sträubten, einen Zahn zu verlieren. Einen Zahn zu verlieren bedeutet Tod für die Leute; es ist ein klassisches Kastrationssymbol. Lieber einen Schwanz, der weh tut, als überhaupt keinen. Sie haben tödliche Angst vor mir, denn von mir könnten sie ja die Wahrheit erfahren. Wenn sie ihre Zahnprothesen eingesetzt kriegen, sage ich ihnen, daß sie besser aussehen als je zuvor, und sie fallen mir nahezu um den Hals, so sehr glauben sie es. Aber alles ist Bockmist. Nie wieder kriegt man sein altes Lächeln hin, wenn man die Zähne verloren hat. Ihr könnt euch ausrechnen, wieviel Süßholz da erst ein Krebsdoktor raspeln muß! Lieber Gott, in dem einen Jahr, als ich Medizin studierte, sind mir Skelette begegnet, die davon redeten, daß es immer mehr bergauf mit ihnen gehe. Ich habe Frauen gesehen, die keine Gesichter mehr hatten, aber sich die Haare aufdrehten. Die groteske Wahrheit ist, es gibt kein Bergauf, und niemand schert sich einen feuchten Dreck darum. Man wird geboren, um sich auf der Matratze vernaschen zu lassen, und dann zu sterben, und je früher, desto besser. Carol, du hast recht, wenn du sagst, was für eine ausgeklügelte Maschinerie wir sind, wenn wir geboren werden; das Dumme ist bloß, daß wir uns nur in einer Richtung bewegen: bergab." (John Updike: Ehepaar, S. 252)