Richard Wagner - Habseligkeiten

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    Richard Wagner ist 1952 im rumänischen Banat geboren. Wegen Arbeits – und Publikationsverbot reiste er 1987 nach Deutschland aus und lebt seitdem in Berlin.


    In seinem Roman „Habseligkeiten“ erzählt Wagner von Werner Zillich, der 1984 aus Rumänien ausgewandert ist und im Jahre 1999 noch einmal in sein Dorf im Banat zurückkehrt, um der Beerdigung seines Vaters beizuwohnen. Die Beerdigung ist schon vorüber, da setzt der Roman ein Werner Zillich begibt sich auf Heimreise. Nun bleibt seine Mutter allein zurück.


    Wie treffend, den Roman mit dem Dorffriedhof zu beginnen, denn fast alle sind tot und liegen unter der Erde. Werner Zillich fährt zurück nach Deutschland, erinnert sich dabei an die Geschichte seiner Vorfahren. Er lässt mehrere Generationen, begonnen mit seinen Urgroßeltern, Revue passieren. Diese Erinnerungen sind nicht chronologisch, sie kommen wie Assoziationen und am Ende des Romans wird man sich theoretisch eine Chronologie zusammensetzen können. Das ist aber nicht notwendig. Diese Ausschnitte kommen in verhältnismäßig kurzen Hauptsätzen, manchmal auch schmunzelnd, daher, und der Leser erfährt, wie die große Weltgeschichte ihr Leben meist indirekt beeinflusst hat. Wir erfahren auch von familiären Zwistigkeiten, die sich auf Vorurteile gründen, und politisch wird es eben auch noch. Wie denn auch nicht, zieht sich unsere Geschichte durch zwei Weltkriege, dem Kommunismus bis zur Diktatur Ceaucescus hin. Die Teile des Romans, die sich mit seinen Vorfahren beschäftigen, sind die schönsten des Romans. Den untergründigen Humor findet der Autor in den gegenwartsbezogenen Handlungssträngen leider nicht wieder.


    Richard Wagner will auch zeigen, was es heißt, ein Auswanderer zu sein. Ist der Banat die Heimat oder ist es Deutschland? Werner Zillich ist eben Auswanderer. Er lebt in Deutschland, ist mit einem Fuß aber noch in Rumänien zu Hause. Seine Frau Monika wollte unbedingt ausreisen, er nicht.


    In ein „Land der Träume“ wollen schon die Urgroßeltern Johann und Katharina. In Amerika das große Geld machen. Die Tochter Theresia muss im Dorf bleiben, und wird es den Eltern ihr Leben lang verübeln, dass sie Jahre lang alleingelassen worden ist. Johann und Katharina mussten vorzeitig wieder heimkehren. Er versuchte, mit Pferden ins Geschäft zu kommen, wurde aber von einem Zigeuner betrogen. Aus dem ersten Weltkrieg kam er mit krankem Gemüt zurück. Fünf Jahre später starb er. Katharina dachte:

    "Er ist Koch. Offizierskoch. Da kann ihm ja nicht viel passieren, denkt sie. Er ist es, und dann ist es er auch wieder nicht. Denn mit einemal ist der Kaiser tot, sein Begräbnis ist ein Zeitungsfoto, und jetzt schickt man auch die Köche an die Front."


    Solche Schicksale gab es viele. Und immer wieder Blicke in die Gegenwart. Werner Zillich ist schon über die Grenze nach Ungarn:


    „Die Landschaft ist wie im Banat, die Häuser auch, nur die Straßen sind besser, sie waren schon im Kommunismus besser. So ist das mit den Ungarn. Egal, was ihnen zustößt, sie richten es immer so ein, daß es etwas besser aussieht, als bei ihren Nachbarn. Das macht die Nachbarn rasend, die Rumänen, die Serben, die Slowaken. Egal. Wie sie es auch drehen und wenden, die Ungarn sind stets besser dran.“


    Hier liegt viel Spengstoff drin. Die Ungarn haben es andererseits nie verschmerzt, das Siebenbürgen zu Ungarn gehört, und die Donauschwaben sind natürlich keine Rumäner. Unter den verschiedenen Völkergruppen grassieren Vorurteile, man sollte, so redeten Zillichs Mutter und Großmutter, keinen Rumänen oder eine Rumänin heiraten, weil sie „unangenehme Eigenschaften und Lebensgewohnheiten“ führten.


    Karl, Werner Zillichs Vater, machte es seinem Sohn klar, wenn er nicht heiratet, werde die ganze Sippe aussterben, er sei für immer mutterseelenallein. Was für eine Verantwortung.
    Und jetzt pausiert er in Budapest, 1999 auf seiner Heimreise. Ich habe mir überlegt, warum R.Wagner dort seinen Protagonisten ins Protituiertenmilieu verfrachtet. Etwas schmuddelig wirkt die aufreizende Nacht mit den zwei Damen doch. Vielleicht soll hier wirklich ein Bezug zu trivialer Literatur hergestellt werden, denn seine Mutter las schon Triviales. Die halbe „Gartenlaube“ habe sie gelesen, Marlitt, von Eschtruth und Courths-Mahler, ja, Liebesgeschichten, ihrer Generation angemessen. Die Generation von Werner Zillich ist eben eine andere. Im gewissen Sinne wird sein Leben hier wirklich trivial, d.h. es vermittelt keinen bodenständigen Eindruck auf mich. Er ist eben ein Auswanderer.


    Fazit des Romans: Der Roman lohnt vor allem denjenigen Lesern, die sich für die Kultur, Mentalität, Geschichte der Donauschwaben interessieren, hier natürlich die Zeit in und zwischen den Weltkriegen und danach - bis zur Revolution 1989. Richard Wagner hat die Mentalität der Leute aus dem Dorf, und die Mentalität eines Auswanderers, Werner Zillich, authehtisch eingefangen. Wer Kontakte zu Auswanderern hat und zum Banat, die Probleme von Minderheiten in Rumänien kennt, der wird mir das bestätigen. Es ist anzunehmen, dass Richard Wagner in diesem Roman auch aus seiner Vergangenheit schöpft, zumal Werner Zillich wie auch der Autor des Romans im Jahre 1952 das Licht der Welt erblickt haben.


    Der Roman zeigt auch, wie unabdingbar ein gegenwartsbewussstes Leben ist. Mit einem Fuß in der Vergangenheit stecken bleiben hilft nicht weiter. Die Geschichte der Donauschwaben ist auch nur ein Ausschnitt der Historie und wird irgendwann nur noch in Büchern wie diesen zu erfahren sein. Der Mensch wie eine Raupe, manchmal muss sich alte Haut appellen.


    4ratten


    Liebe Grüße
    mombour


    Titel an Forumskonventionen angepasst, Grüße illy

    Einmal editiert, zuletzt von illy ()