Luis Cardoso – Chronik einer Überfahrt

  • Kaufen* bei

    Amazon
    Bücher.de
    Buch24.de

    * Werbe/Affiliate-Links


    Klappentext: Aufwachsen in Ost-Timor - das bedeutet: politische Wirren und Krieg im Kampf um die Unabhängigkeit des Landes. Suche nach kultureller Identität und nebenbei noch den ganz normalen schwierigen Übergang von der Kindheit zum Erwachsensein meistern. Die Verwerfungen in der Geschichte der Heimat treten wie ein Relief auf der eigenen Biographie hervor.
    Luis Cardoso beschreibt in seinem autobiographischen Roman auf sehr poetische und eindringliche Weise das Verschlungensein seiner eigenen Geschichte mit den ihn umgebenden Zuständen. Noch zur Zeit der portugiesischen Kolonialmacht zieht er mit seinem Vater, einem Krankenpfleger, von Ort zu Ort. In den Missionsschulen, auf die ihn sein Vater schickt, lernt er dann die wichtigen Köpfe des Unabhängigkeitskampfes kennen und nach der indonesischen Invasion 1975 begibt er sich ins Exil nach Portugal, wo er Forstwirtschaft studiert. Aus den unterschiedlichen Perspektiven des Kindes, des Jugendlichen und des Erwachsenen entsteht so ein lebendiges Bild Ost-Timors. Gleichzeitig liefert dieser poetische Roman in der Tradition des magischen Realismus die Chronik eines wachsenden politischen Bewußtseins, insbesondere während der Studienjahre Cardosos in Portugal, dem Land der ehemaligen Kolonialherren seiner Heimat.


    Zum Autor: Luis Cardoso, geb. 1958 in Cailaco, Ost-Timor. Er war Vertreter des Nationalen Widerstandsrats der Maubere, außerdem betätigte er sich als Erzähler von Geschichten aus Timor, Chronist der zeitung Forum Estudante und Lehrer für Tétum und Portugiesisch in der Fachausbildung für Timoresen. Chronik einer Überfahrt ist sein erster Roman.


    Meine Meinung: Vielleicht hätte etwas mehr „Roman“ und etwas weniger „autobiographisch“ dem Werk gut getan. Dem an sich guten und berechtigten Anliegen, einem größeren Publikum die neuere Geschichte Ost-Timors nahezubringen, erweist die Art der Umsetzung für meinen Geschmack einen Bärendienst. Es liest sich streckenweise eher wie ein Artikel in einem historisch-politischen Handbuch, also ziemlich trocken und wenig poetisch. Solche Szenen gibt es zwar auch, wenn Cardoso auf die magischen Elemente eingeht (z. B. die Hai-Ahnen oder die „umgekehrte Natur“), aber sie blitzen zwischendurch nur jeweils kurz auf und tragen leider nicht die gesamte Geschichte.


    Trotzdem läßt sich „Überfahrt“ im Kontext dieses Romans als sehr sinnvolle und vielseitige Metapher lesen. Da gibt es ganz reale Überfahrten in Schiffen, aber auch solche im übertragenen Sinn für den Erzähler (von der Kindheit zum Erwachsenenalter, vom „portugiesischen“ Studenten zum Ost-Timor-Aktivisten), für das Land (von der portugiesischen Kolonialzeit zum Freiheitskampf gegen Indonesien, aber auch von der katholischen Missionsprägung zur Popkultur), für Portugal (vom Salazarregime zur Nelkenrevolution). Das wird durchaus kunstvoll miteinander verflochten, manchmal aber so kunstvoll, daß ich nicht mehr sicher wußte, von wem die Rede war und wo ich mich gerade mit dem Autor befand. Von daher ist der Vergleich mit García Marquez, der des öfteren vorgenommen wird, nicht aus der Luft gegriffen, die Struktur der Chronik erinnert mich durchaus an dessen Werke, wenn auch die sprachliche Ebene noch um einiges hinter García Marquez zurückbleibt.


    3ratten :marypipeshalbeprivatmaus:

    Schönen Gruß,
    Aldawen