John Steinbeck - Früchte des Zorns

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  • John Steinbeck - Früchte des Zorns

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    Tommy Joad hat die letzten vier Jahre im Gefängnis verbracht, weil er in Notwehr einen anderen Jungen mit einer Schaufel erschlagen hatte. Seine Zeit ist um und per Anhalter macht er sich in seinen vom Gefängnis zur Verfügung gestellten Schuhen und Kleidungsstücken auf den Weg nach Hause zur Farm seiner Leute. Das letzte Stück muss er zu Fuß weiter gehen. Auf seinem Weg trifft er Casy, den Prediger. Die beiden mochten sich immer schon, deshalb begleitet Casy Tommy zur Joad-Farm. Die Umgebung hat sich verändert, es gab lange keinen Regen mehr und viele der Baumwollfelder wirken vernachlässigt. Als Casy und Tom zur Farm kommen, ist diese leergeräumt und verlassen. Zufällig treibt sich der alte Knecht noch in der Gegend herum, dieser erzählt Tom und dem Prediger von den Ereignissen der letzten vier Jahre.


    Die Großgrundbesitzer haben die Felder aufgekauft, Traktoren erledigen jetzt die Arbeit, die früher eine ganze Familie ernährt hat. Weil die Farmer kein Auskommen mehr finden, machen sich alle auf den Weg nach Kalifornien, weil dort angeblich Pfirsichpflücker gesucht würden. Auch die Familie von Tom hat schon gepackt und die Farm verlassen. Sie sind schon zur Farm des Onkels weiter gezogen. Casy und Tom verbringen die Nacht auf der alleinstehenden Farm und machen sich nächsten Morgen auf zur Farm des Onkels. Natürlich ist die Freude groß, dass der älteste Sohn es noch rechtzeitig geschafft hat. Am nächsten Morgen brechen Toms Mutter, Toms Vater, Toms Bruder Noah, Toms Bruder Al, seine schwangere Schwester Rosasharn und ihr Verlobter, seine jüngsten Geschwister Winfield und Ruthie, Onkel John, der Prediger Casy und die beiden Großeltern mit einem Wagen auf von Oklahoma nach Kalifornien, das Land, das der Familie wie das gelobte Land vorkommt.


    Wie so viele Farmer aus Oklahoma und Arkansas dieser Tage, reisen auch sie auf der Route 66. Die Reise ist beschwerlich, der Weg ist lang. So muss die Familie im Laufe der Zeit auch eine Menge Rückschläge und Verluste hinnehmen. Die Geschichte ist spannend und endet genauso unbefriedigend und verzweifelt, wie die Gesamtsituation ist. John Steinbeck hat die Reise mit einem Treck selbst auf sich genommen, um die Tatsachen genau schildern zu können. Und das ist ihm auf eindrucksvolle Art und Weise gelungen.


    Man hat den Staub der Landstraße in den Haaren, übernachtet mit den Joads in den Auffanglagern auf dem Weg nach Kalifornien und hofft und bangt mit ihr. Die Suche nach Arbeit stellt sich als ziemlich aussichtlos heraus, weil nicht nur einige Farmer sich auf den Weg ins gelobte Land gemacht haben, sondern so ziemlich alle aus Arkansas und Oklahoma. Die Großgrundbesitzer drücken die Löhne und die Menschen hungern.


    Mit viel Atmosphäre hat Steinbeck die Situation – eigentlich ein Tatsachenbericht in Romanform – erfasst und beschrieben. Wäre die Geschichte dreißig Jahre später geschrieben worden, hätte man Steinbecks Stil wahrscheinlich zu dem des New Journalism gezählt. Kein Wunder, dass er für diese starke Geschichte, die man fast nicht mehr weglegen kann, den Pulitzer-Preis erhielt. Ein Must-Read!


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    Taschenbuch
    Verlag: Dtv (Januar 1985)
    Sprache: Deutsch
    ISBN-10: 3423104740


    5ratten

  • John Steinbeck, The Grapes of Wrath (EA 1939)


    Basierend auf den realen Ereignissen der Great Depression, welche im Amerika der 20er und 30er Jahre Hunderttausende mittellos machte und eine verzweifelte Migrationsbewegung in Gang setzte, schildert John Steinbeck dieses Ereignis am Beispiel einer dieser betroffenen Farmersfamilien – den Joads. Von ihrem Farmland vertrieben – The tenant system won’t work any more. One man on a tractor can take the place of twelve or fourteen families. –, machen sie sich auf den langen und verlustreichen Weg nach Kalifornien, um die dort versprochene Arbeit zu finden.


    Steinbeck hat in seinem Roman über das geschrieben, was er selbst gesehen und recherchiert hatte. Dementsprechend glaubhaft und realistisch erscheint dann auch die physisch wie psychisch aufzehrende Odyssee, welcher die Joad-Familie ausgesetzt ist – begleitet von Armut, Hunger, Verzweiflung, werden die Migranten mit der Angst und den Vorurteilen der ‚sesshaften‘ Bevölkerung konfrontiert, welche schließlich in einer Spirale aus Hass und Gewalt den Wehrlosen gegenüber mündet. Und obwohl die Handlung manchmal arg weinerlich wird, bleibt sie dennoch erschütternd natürlich in ihrer Beschreibung der wachsenden Hoffnungslosigkeit der Joads, den Fotzeleien Grampas, dem Hunger der Kinder, der Kaltherzigkeit der Großgrundbesitzer, welche durch ihre rücksichtslose Profitgier den Tod von Menschen in Kauf nehmen:


    The works of the roots of the vines, of the trees, must be destroyed to keep up the price […]. Carloads of oranges are dumped on the ground. […] And children dying of pellagra must die because a profit cannot be taken from an orange. And coroners must fill in the certificates – died of malnutrition – because the food must rot, must be forced to rot. [And] in the eyes of the hungry there is a growing wrath. In the souls of the people the grapes of wrath are filling and growing heavy, growing heavy for the vintage.


    Grapes of Wrath ist eine erschütternde Anklage gegen Armut, Vertreibung, Hass, Ausbeutung. Ein eindringliches Plädoyer für Menschlichkeit. Einer, wenn nicht DER Great American Novel.


    :tipp:

  • :tipp:


    Dem kann ich mich nur anschließen. Zumindest, wenn ich an die Begeisterung (was die Qualität des Romans angeht; der Inhalt ist ja ganz schön hart) zurückdenke, die das Buch bei mir als Jugendliche ausgelöst hatte. Damals hatte ich Steinbecks Werke im Bücherschrank meiner Eltern entdeckt und sie eines nach dem anderen verschlungen. "Früchte des Zorns" war eines der besten, meiner damaligen Meinung nach. Wie ich es heute auffassen würde, kann ich allerdings nicht sagen.

    Wir sind irre, also lesen wir!

  • Abschließend kann ich noch nichts dazu sagen, da ich gestern erst damit angefangen habe, aber wie ich es erwartet hatte, gefällt mir Steinbeck in seinen Schilderungen schon wieder sehr gut. Es zwar praktisch noch nichts passiert, außer daß Tommy in sein demoliertes und leerstehendes Elternhaus zurückgekehrt ist, auf dem Weg Reverend Casy und am Haus noch einen ehemaligen Nachbarn getroffen hat, man hat Kaninchen gegrillt, sich vor dem Aufpasser versteckt und ansonsten eine ruhige Nacht verbracht. Nicht wirklich viel für gut 70 Seiten und trotzdem bin ich ob der Bilder ganz hingerissen.


    Außerdem fiel mir beim Lesen dann auch noch etwas auf, denn der Name Tom Joad klang sehr vertraut, obwohl ich dieses Buch ganz sicher noch nie gelesen habe. Kurzer Blick durch meine CD-Sammlung mit anschließender Internet-Recherche bestätigte: Woody Guthrie hat sich davon zu einem Song inspirieren lassen, denn ich allerdings nur in einer Neuvertonung von Andy Irvine kenne. Für einen kleinen Eindruck hier mal die erste Strophe:


    Tom Joad got out of the old McAlester Pen;
    There he got his parole.
    After four long years on a man killing charge,
    Tom Joad come a-walkin' down the road, poor boy,
    Tom Joad come a-walkin' down the road.


    Sachen gibt's :breitgrins:

  • Obwohl (oder vielleicht auch weil?) ich vorher schon ungefähr wußte, was mich hier erwartet, hat es mich schnell und gründlich gepackt. Das mag zum Teil auch daran liegen, daß derartige Protestliteratur gegen Benachteiligung, Demütigung und Ausbeutung bei mir eine sozial-revolutionäre Ader anspricht. Allerdings gehört schon etwas mehr dazu als das passende Sujet, und Steinbeck schafft es mit seinen eindringlichen aber nicht aufdringlichen Bildern, das Elend greifbar zu machen. Das wäre schlecht zu ertragen, wenn es nicht ein positives Gegenstück gäbe, das sich in dem – zwar schwächer werdenden, aber doch noch funktionierenden – Familienzusammenhalt zeigt, wobei Familie hier ein sehr weiter Begriff ist und diese soziale Gemeinschaft auch leicht und schnell erweitert werden kann. Diese Solidarität hilft den Menschen über vieles hinweg, denn es ist zumindest gut, sich in einer Gruppe aufgehoben zu fühlen, wenn die materielle Not sich schon nicht beheben läßt. Daß dabei vor allem die Frauen zu den starken und die Gemeinschaft tragenden Figuren avancieren, ist sicher kein Zufall, denn wenn sie aufgeben, dann sind ja auch die Kinder verloren.


    Inwieweit die beschriebenen Mißstände hinsichtlich des Verrottenlassens oder gar Vergiftens von Lebensmitteln der Wahrheit entsprechen, kann ich nicht beurteilen, halte es aber angesichts der manchmal doch verqueren „Marktgesetze“ nicht für ausgeschlossen. Die jeweils sehr kurzen Kapiteleinschübe, in denen Steinbeck losgelöst von den Joads, aber immer mit Anknüpfung an ihre aktuellen Erlebnisse, die Mechanismen der Bereicherung an den Flüchtlingen, die Ablehnung durch die ansässige Bevölkerung und eben die Profitgier der Besitzenden auf Kosten ihrer verhungernden Landsleute und deren Mißhandlung in allgemeinerer Form darstellt und erklärt, erinnert mich in der geäußerten Kritik an die Werke von B. Traven, was nicht so erstaunlich ist, da sie etwa zur gleichen Zeit und unter dem Eindruck der gleichen oder zumindest ähnlicher Ereignisse entstanden.



    Und obwohl die Handlung manchmal arg weinerlich wird, bleibt sie dennoch erschütternd natürlich in ihrer Beschreibung der wachsenden Hoffnungslosigkeit der Joads, (...)


    Ja, das wird sie tatsächlich, aber angesichts dessen, was die Joads und ihre Leidensgenossen erleben, hätte es noch viel drastischer ausfallen können. Es war sicherlich auch für Steinbeck eine Gratwanderung: Wie rührselig muß man werden und wie weit darf man damit gehen, ohne zu übertreiben? Besonders, wenn man die eigene Wut über die Geschehnisse dabei im Zaum halten muß? Wenn man ein auch politisches, mindestens aber moralisches Anliegen damit verfolgt? Schwierig. Das ändert aber nichts daran, daß dies wirklich ein großartiger Roman ist, und ich mich außerdem inzwischen frage, warum sich noch kein deutscher Verlag einer vernünftigen Werkausgabe Steinbecks angenommen hat.


    5ratten


    Schönen Gruß
    Aldawen

  • Meine Meinung
    Vor der Lektüre hatte ich zwar schon von der "Großen Depression" gehört, aber welche Folgen sie für den Einzelnen hatte, wusste ich nicht. Das hat mir John Steinbecks Werk auf eindringliche Weise vor die Augen geführt.


    Ich konnte fast den Staub fühlen, der zum täglichen Begleiter der Joads wurde. Je weiter sie von ihrer alten Heimat weg waren, desto größer wurde ihre Hoffnung, aber auch die Verzweiflung. Immer wieder trafen sie auf Menschen, die wieder auf dem Weg nach Hause waren, weil Kalifornien eben doch nicht das gelobte Land war. Die Joads hörten ihre Geschichten und versuchten sich immer wieder, Mut zu machen. Aber je mehr sie hörten, desto weniger konnten sie selbst an einen guten Ausgang ihrer Reise glauben.


    Schreibt John Steinbeck am Anfang noch über den Einzelnen, sind es später oft "die Menschen", "die Joads" oder "die Reisenden" über die er schreibt. So wird aus dem Menschen das, was die Menschen im Westen in ihm sehen. Er ist nur noch ein Teil einer unendlichen Flut von billigen Arbeitern und kein Individuum mehr. Deshalb fällt es auch so leicht, ihn wie eine Sache zu behandeln und sich über seine Nöte oder gar Gefühle keine Gedanken mehr zu machen.
    5ratten

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.

  • Jetzt weiß ich auch endlich, wer Tom Joad ist, dessen Geist Bruce Springsteen besingt :pling:


    Steinbeck muss ich mir unbedingt einmal näher ansehen.

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen