Frank McCourt - Tag und Nacht und auch im Sommer

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    Inhalt:
    Ein Lehrer blickt zurück auf sein Berufsleben: Vom Hafenarbeiter zum Lehramtsanwärter, vom Englischlehrer an einer Berufsschule in den schlechteren Teilen New Yorks zum geliebten Lektor für Kreatives Schreiben an der High School mit dem besten Ruf der Stadt. Frank McCourt gewährt dem Leser einen Einblick in das Leben eines Mannes (sich selbst), der in Amerika geboren, in Irland aufgewachsen und in sein Geburtstland zurückgekehrt versucht, Fuß zu fassen, ein ganz normales Leben zu führen, Lehrer zu sein. Dabei erzählt er witzige Geschichten wie die von seinem ersten Tag als Lehrer, als er das Pausenbrot eines Schülers aufaß und richtig Ärger mit dem Rektor bekam, dramatische Passagen wie die seiner gescheiterten Dissertation oder Geschichten aus dem wahren Leben, Anektdoten einfach, die das Leben schreibt. Dreißig Jahre lang ist er Lehrer an verschiedenen High Schools in New York und erleidet Niederlagen vor den Schülern, den Rektoren, den Beamten, den Literaten, erfährt Anerkennung, heimliche und offizielle, verzweifelt an Schülern, Eltern, seinem Privatleben, und versucht immer einfach nur ein Mensch zu sein, der seiner Berufung nachgeht.


    Meine Meinung:
    Mit "Die Asche meiner Mutter" hat Frank McCourt die Messlatte bei mir sehr hoch angelegt. Schon der Nachfolger "Ein rundherum tolles Land" konnte dem Erstlingswerk m.M. nach nicht das Wasser reichen. Ähnlich ist es bei "Tag und Nacht und auch im Sommer". Zwar ist der Stil weiterhin grandios - lakonisch, eindeutig, flüssig. Er geizt nicht mit Worten, die der "normale" Mensch in seinem Repertoire hat. Seine Abneigung gegenüber gekünstelter Gelehrsamkeit kommt wunderbar zur Geltung. Er selbst sieht sich ja als angehender Universalgelehrter, der alles lernen will, was ihm zwischen die Finger (oder ins Bewusstsein) kommt, gibt aber immer wieder zu, dass er dazu eigentlich keine Lust hat. Er ist einer von uns, er ist kein Über-Mensch, der sich als Ideal-Lehrer sieht, und manchmal fragt er sich selbst, warum er das eigentlich alles tut und wie zum Teufel man eigentlich Respekt von den Jugendlichen und deren Eltern bekommt.
    Das alles macht das Buch lesenswert, die Sprache, der Inhalt, aber irgendetwas fehlt, als dass ich sagen könnte, hey, mal wieder ein Meisterwerk der Erzählkunst wie "Die Asche meiner Mutter". Die Geschichte plätschert eher so dahin, über einige Anekdoten kann man schmunzeln, bei anderen kam es mir eher so vor, als wolle er uns auf Teufel komm raus beweisen, dass er ein unbedeutender Mensch ist, der immer gegen alle kämpfen musste und nichts geschenkt bekam. Das mag ja auch so sein, aber eigentlich wissen wir das schon :zwinker:
    Also, ich finde: Nicht viel Neues bei Frank McCourt. Schade. Ein schönes Buch für zwischendurch, aber kein "grandioser Paukenschlag", wie es bei Amazon gesagt wird.


    Auf Englisch heißt das ganze ja "Teacher Man" und der geneigte deutsche Leser mag sich fragen, wie man denn auf so eine Titeländerung komme. Nun, "Tag und Nacht und auch im Sommer" ist einfach ein Zitat aus einem der ersten Kapitel des Buches. Klingt ja auch viel besser als "Lehrermann" :smile:


    Drei Ratten und eine halbe von mir, weil ich einfach diesem Stil verfallen bin...


    3ratten :marypipeshalbeprivatmaus:

  • Ist es nicht vorrangig die (für heutige BRD-Verhältnisse) extreme Dramatik in Kindheit und Jugend des Frank McCourt, die seinem Erstling die Wucht verleiht? In den beiden nächsten Büchern "normalisiert" sich sein Leben dagegen sukzessive und wird vielleicht auch dadurch weniger fesselnd.
    Ich selbst fand "Teacher Man" allerdings hinreißend und würde es gerne zur Pflichtlektüre angehender Pädagogen machen.
    Eine (mir kaum nachvollziehbare) Wertschätzung auch für schwierigste Schüler und trotz täglichen Verschleißes, als unabdingbare Voraussetzung für diesen Beruf, schien mir die implizite Botschaft dieses Teils seines Biographie zu sein.

  • Gerade habe ich dieses Buch innerhalb von knapp 2 Tagen verschlungen.


    Der Inhalt ist ja oben schon zusammengefaßt: es ist eine lockere Zusammenstellung von Geschichten und Anekdoten aus McCourts Leben, speziell aus seinem Lehrerdasein an 4 verschiedenen Schulen. Das Buch versteht sich (so fasse ich es auf) als Ergänzung zu "Die Asche meiner Mutter" und "Ein wunderbar tolles Land", die ich vor einiger Zeit beide gelesen habe. "Die Asche meiner Mutter" war sicher eindrucksvoller und spektakulärer, aber ich finde, "Tag und Nacht und auch im Sommer " kann auf seine Art durchaus mithalten. Ich bin beeindruckt davon, wie McCourt sein Alltagsleben, seinen Umgang mit den Schülern, seine Ratlosigkeit und seine Nöte, seine manchmal unkonventionellen Unterrichtsmethoden beschreibt. Auch wenn die Situation aussichtslos erscheint, bringt er immer noch Verständnis, Achtung und Interesse für seine Schüler auf. Davon könnten sich viele Lehrer eine Scheibe abschneiden.


    Zitat aus dem Klappentext: "In der Schule, vor seinem strengsten Publikum, hat McCourt gelernt, daß man seine Zuhörer ernst nehmen muß, wenn man sie erreichen will. Hier hat er gelernt, sie mit der ihm eigenen Mischung aus Witz und Selbstironie, Offenheit und Lebensweisheit zu fesseln." (Zitatende). Und dieses Ernstnehmen der Schüler, diese Herzenswärme und Menschlichkeit und Optimismus, sind es, die dem Buch seinen Reiz geben. Zudem der Schreibstil von McCourt, der mir sehr gefällt.



    Das alles macht das Buch lesenswert, die Sprache, der Inhalt, aber irgendetwas fehlt, als dass ich sagen könnte, hey, mal wieder ein Meisterwerk der Erzählkunst wie "Die Asche meiner Mutter". Die Geschichte plätschert eher so dahin, ...


    Es stimmt, daß das Buch eigentlich nur so dahinplätschert. Aber genauso ist es nun mal im wirklichen Leben: es plätschert dahin, nichts Besonderes geschieht, man wartet auf den Knalleffekt,... und plötzlich ist es sang- und klanglos vorüber. Dies ist kein Buch, das der Weisheit letzten Schluß verbreiten will, aber aus dem man trotzdem viel mitnehmen kann: nämlich daß ein Leben auch dann noch lebenswert und erfüllt sein kann, wenn die großen Höhepunkte ausbleiben, und daß auch aus einem Anfang, der ganz und gar verkorkst scheint, noch etwas Gutes werden kann.


    Ich finde das Buch jedenfalls sehr gut und es wird für mich wohl eines der Highlights des Jahres werden! Deshalb bekommt es von mir fünf Leseratten:
    5ratten


    Viele Grüße
    Katja


    gantenbeinin:


    Ist es nicht vorrangig die (für heutige BRD-Verhältnisse) extreme Dramatik in Kindheit und Jugend des Frank McCourt, die seinem Erstling die Wucht verleiht?


    Das ist es sicher, aber nur zum Teil. Ich denke es ist auch der Schreibstil, also der Umgang mit dem dramatischen Stoff, der die traurige, düstere Kindheitsgeschichte so fesselnd und lesenswert macht.

    Freiheit ist immer Freiheit der Andersdenkenden (R. Luxemburg)

    Was A über B sagt, sagt mehr über A aus als über B.

    Einmal editiert, zuletzt von kaluma ()

  • Frank McCourt - Teacher Man


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    Tja, wie man sieht, ich habe das Buch im Original gelesen und ich bin auch ganz froh darüber. Ich könnte mir vorstellen, dass einige Eigenheiten in der deutschen Übersetzung doch verloren gehen, denn McCourt lässt seine Figuren mit dem passenden Dialekt "reden": Da gibt es Iren, gebildete und ungebildete Amis, schwarze und weisse Kids, Einwanderer verschiedener Herkunft und jeder redet wie ihm der Schnabel gewachsen ist.


    Doch zunächst zum Inhalt. Nachdem Frank McCourt in "Angelas Ashes" seine Kindheit in Irland schildert und in "Tis" von seinem neuem Leben in Amerika erzählt, wendet er sich nun seiner Lehrerlaufbahn eben dort zu. Er beschreibt wie er mit Ach und Krach seine Lehrerlizenz erhält, berichtet von seinen ersten - eher schwerfälligen Erfahrungen vor der Klasse und den unterschiedlichen Schulen mit sehr unterschiedlicher Schülerstruktur. Da gibt es die - hmm übersetzen wir es mal mit berufsbildende -Schule, wo es schwierig ist, die zukünftigen Klempner und Friseusen davon zu überzeugen, dass Grammatik einen Sinn hat, aber eben auch die Eliteschule, die auf Harvard und andere Eliteunis vorbereiten soll, wo selbstverstänlich völlig andere Maßstäbe gelten. McCourt schreibt von seinen Schwierigkeiten, seinen Problemfällen und natürlich auch von seinen Erfolgen, immer anhand von Episoden aus dem Schulalltag, die mich häufig zum Schmunzeln brachten.


    Besonders gefallen hat mir, dass er nicht versucht, sich als Übermenschen und Superlehrer darzustellen, sondern einfach beschreibt, wie er seinen Weg gefunden hat. Das macht das Buch sehr sympathisch. Ich bin zwar selbst kein Lehrer, muss aber an der Uni Studenten unterrichten und kann das ein oder andere einfach gut nachvollziehen ;) Lehrer haben wahrscheinlich ihre helle Freude an dem Buch, aber auch "Nicht-Lehrende" dürften sich häufig an ihre eigene Schulzeit erinnert fühlen - und können vielleicht auch die "andere Seite" dann besser verstehen. Der Schreibstil gefällt mir außerordentlich, das Buch ist flüssig zu lesen, niemals abgehoben, niemals platt. Auch wenn das Thema wenig spektakulär ist, habe ich mich keine Sekunde gelangweilt und konnte das Buch nur schwer aus der Hand legen.


    Dafür gibt es von mir 5ratten


    Wer Action liebt, sollte allerdings besser etwas anderes lesen ;)

    :lesen: Naomi Novik - Uprooted

  • Treffend rezensiert, Mäusedudler. Wie es aussieht, scheint es sich also durchaus zu lohnen, das Buch nochmals im Original zu lesen. Danke!!


    Gruß Katja

    Freiheit ist immer Freiheit der Andersdenkenden (R. Luxemburg)

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