[Senegal] Mariama Bâ – Der scharlachrote Gesang

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    Innentext: In einem Gymnasium in Dakar lernen sich der junge Ousman, der aus einer armen senegalesischen Familie stammt, und Mireille, die wohlbehütete Tochter eines französischen Diplomaten, kennen. Trotz ihrer unterschiedlichen Herkunft verlieben sich die beiden. Massiver Widerstand ihrer Familien kann ihre Gefühle nicht zerstören. Nach Abschluß ihres Studiums beschließen sie, zu heiraten und in Ousmans Heimat zu leben. Nicht nur Mireilles Eltern bringen kein Verständnis für die Wahl der Tochter auf, auch Ousmans Angehörige sind entsetzt darüber, daß er sich für eine weiße Frau entschieden hat, und Mireille bekommt die Ablehnung der Familie bald zu spüren. Trotz aller Bemühungen fällt es ihr schwer, sich an die afrikanischen Lebensart zu gewöhnen. Beeinflußt durch seine Erziehung und seine enge Familienbindung ist Ousman ebenfalls nicht in der Lage, sich seiner europäisch erzogenen Frau anzupassen. Der Versuch, eine Brücke zwischen den beiden so unterschiedlichen Kulturen zu schlagen, führt zu einer Katastrophe.
    In ihrem zweiten Roman schildert die senegalesische Autorin fesselnd und einfühlsam, wie schwierig die Verbindung zwischen Menschen unterschiedlicher Kulturen sein kann und welchen Konflikten die Partner ausgesetzt sind.


    Meine Meinung: Mariama Bâ geligt hier wirklich eine eindrucksvolle Schilderung eines Kulturzusammenpralls, der auch auf Fehlern beider Seiten, wenn auch unterschiedlichen Ausmaßes beruht. Die Geschichte beginnt Mitte der 1960er Jahre, also kurz nach der senegalesischen Unabhängigkeit 1960, wie sich aus späteren geschilderten Ereignissen schließen läßt. Mireilles Vater schickt sie nach Frankreich zurück, als er die Verbindung bemerkt, schließlich ist sie noch minderjährig. Sie bleibt mit Ousman aber in Briefkontakt, und kaum daß beide volljährig sind, reist Ousman nach Frankreich, um Mireille zu heiraten. Sie haben sich vier Jahre nicht gesehen und geben sich keine Zeit zu prüfen, ob sie tatsächlich (noch) zusammenpassen. Auf Mireilles Seite ist dabei ein reichliches Maß Trotz und Rebellion gegen die Eltern dabei – eine in dieser Hinsicht wohl typische Vertreterin der 68er-Generation. Sie weiß kaum etwas über Ousmans Familie, weil er selten darüber gesprochen hat, und über seine Kultur und seine Sozialisation weiß sie noch viel weniger. Da klar ist, daß sie sich nicht wie eine afrikanische Schwiegertochter benehmen wird, lehnt insbesondere Ousmans Mutter sie von vornherein ab, was Mireille die Eingewöhnung nicht gerade erleichtert.


    Auch wenn man ihr also Blauäugigkeit und Naivität vorwerfen muß, ist Ousman hier eigentlich der „Bösewicht“. Zunächst verlangt er von Mireille die Konvertierung zum Islam. Da sie nicht besonders religiös ist, spielt diese Forderung für sie keine entscheidende Rolle. Aber Ousman nimmt auch in anderen Dingen keine Rücksicht auf die Ansichten seiner Frau. So wird die erweiterte Familie großzügig unterstützt, seine Mutter kann den Teppich mit den durchgekauten Fasern ihrer Zahnreinigungsstöckchen verschmutzen, jedes Wochenende überfallen „Freunde“ von Ousman die Wohnung und erwarten eine ausgiebige Verpflegung usw. usf. Mireille versucht sich im Widerstand, muß sich aber von Ousman sagen lassen, daß sie ihn damit bei seinen Leuten unmöglich mache. Er gibt keinen Fingerbreit seiner traditionellen Ansichten und gesellschaftlichen Bindungen zu ihren Gunsten auf, erwartet von ihr aber eine völlige Anpassung und Akzeptanz aller seiner Prinzipien und Vorstellungen. Auch der gemeinsame Sohn ändert daran praktisch nichts.


    Genervt von seiner Frau, die er nicht verstehen kann oder will (weil es für ihn gleichfalls Zugeständnisse bedeuten würde), nimmt er sich eine afrikanische Geliebte, eine alte Jugendfreundin. Als diese ihm gleichfalls einen Sohn schenkt, wird nicht – wie beim ersten Sohn – eine bescheidene, unauffällige Taufzeremonie durchgeführt, sondern seine Mutter kann sich ihren Traum einer großen Feier nach alter Sitte erfüllen. Die junge Frau wird auch offiziell Ousmans Zweitfrau. Mireille erfährt davon nichts, muß nur mit der dauernden Abwesenheit ihres Mannes klarkommen. Ousman setzt auf ihre Isolation zur Wahrung seines „Geheimnisses“, sein bester Freund versucht vergeblich, ihm die Fehler seines Verhaltens deutlich zu machen. Ausgerechnet Ousmans Schwester, die sein Verhalten unmöglich findet, weiht Mireille mit einem anonymen Brief ein. Mireille spioniert Ousman daraufhin nach und die Bestätigung des Verdachts auf ganzer Linie löst letztlich eine Katastrophe aus.


    Dies ist umso bedauerlicher, als Ousman diesen Konflikt früh, vielleicht nicht in Gänze erkannt, aber zumindest erahnt hat. Das wird deutlich, als er Mireilles ersten Brief nach ihrer überraschenden Rückverfrachtung nach Frankreich liest, in dem Mireille verspricht, auf ihn zu warten, wenn er sie will. Er spürt, daß er „seine Gesellschaft“ würde verleugnen müssen und ihm eine Entscheidung zwischen der einen und der anderen Welt abverlangt werden würde. Er versucht letztlich, das für ihn Beste aus beiden Welten zu bekommen und hat damit am Ende zwei Menschen auf dem Gewissen. Die Erkenntnis seiner Fehler und der eigene Abscheu darüber kommt zu spät.


    Wie gesagt, Fehler werden auf beiden Seiten gemacht, die größeren wohl von Ousman. Wären sie vermeidbar gewesen? In Teilen sicher, aber nicht vollständig. Mariama Bâ läßt ihren Protagonisten nur wenig Spielräume. Zwar zeigt sie grundsätzlich andere Wege auf, wie bei einem Freund von Ousman, der seiner europäischen Frau zuliebe leichten Herzens mit seiner Familie bricht, aber nicht jeder kann und will soweit gehen. Aber wenigstens bemühen muß man sich, das ist für Bâ keine Frage, deshalb kommt Ousman hier auch – zu Recht – so schlecht weg. Dieses Buch hat einen starken Eindruck auf mich gemacht, vielleicht auch, weil ich in meinem persönlichen Umfeld Versuche solcher kulturkreisübergreifenden Beziehungen kenne. Die meisten sind gescheitert ...


    4ratten :marypipeshalbeprivatmaus:


    Schönen Gruß,
    Aldawen

    Einmal editiert, zuletzt von Aldawen ()

  • Schade, dass ich den Senegal schon "bereist" habe. Das hält mich aber nicht davon ab, auch dieses Buch auf meine Einkaufsliste zu stellen.

    Wir sind irre, also lesen wir!