Connie Willis - Bellwether

Es gibt 7 Antworten in diesem Thema, welches 3.579 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Valentine.

  • Ich habe nicht die geringste Ahnung, warum dieses Buch mit einem Science Fiction Label versehen ist, also weigere ich mich auch es dort einzusortieren.


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    Bellwether (= Leithammel, Vorreiter) handelt von der jungen Trendforscherin Sandra Foster, die erforscht wie Moden funktioniert, warum etwas „in" oder „out“ ist, durch was ein „Modefimmel“ ausgelöst wird und ob man vielleicht irgendwie einen Trend vorausahnen oder sogar absichtlich kreieren kann.
    So lässt sie sich zum Beispiel von der Bibliothekarin die Vormerkungsliste zeigen und versucht neue Lesetrends zu erkennen. Eine wunderbare Szene ist, als sie in der Bücherei feststellt, dass Bücher, die ein Jahr von niemandem ausgeliehen wurden aussortiert und verramscht werden. Als Rettungsaktion beschließt sie ihre sämtlichen Lieblingsbücher und lesenwerten Klassiker auszuleihen und sie so vor dem Ramschtisch zu bewahren.


    Ähnlich wie in meinem Jahreshighlight „Passage“ von ihr, schildert die Autorin auch hier wieder einen aussichtslosen Kampf gegen äußere Umstände, die die Arbeit der Hauptfigur blockieren, hier in sinnlosen Managementsitzungen und 22seitigen Formularen für die Beantragung von Büromaterial beschrieben. Das ist zwar etwas übertrieben, dürfte aber jedem Mitarbeiter in einem Konzern oder einer Behörde doch irgendwie bekannt vorkommen. Während rings um Sandra alles ins Chaos versinkt, versucht sie mit immer neuen statistischen Methoden und Graphiken herauszufinden, warum so viele Frauen sich in den 20er Jahren plötzlich die Haare zu einem kurzen Bob schneiden ließen. Der Autorin gelingt es hervorragend die Idiotie des blinden Befolgens von Moden welcher Art auch immer hervorzuheben, deutlich zu machen, wie diktatorisch die Allgemeinheit manchmal dabei vorgeht und ihren Leser noch dazu wunderbar zu amüsieren.


    Mit nur knapp 240 Seiten eine Menge Spass für zwischendurch


    5ratten

  • He, das klingt ja richtig interessant.
    Ich muss gestehen, dass mir der Name Connie Willis bisher völlig unbekannt* war, aber laut Wikipedia ist sie immerhin eine viel bepreiste und hoch gepriesene SF-Autorin. Was wohl erklärt, weshalb auch dieses Buch als "SF" deklariert wird.
    Ich werde mir ihre Bücher mal genauer angucken; der Stockholmer SF-Buchladen hat einige ihrer Werke auf Lager.


    *Trotz mehrerer Buchvorstellungen hier im Forum. Wie konnte ich diese nur so völlig ignorieren? *kopfschüttel*

    Wir sind irre, also lesen wir!

  • *Trotz mehrerer Buchvorstellungen hier im Forum. Wie konnte ich diese nur so völlig ignorieren? *kopfschüttel*


    verstehe ich auch nicht :zwinker:


    mein Einstieg (vor über 10 Jahren) war: Doomsday-Book (Die Jahre des schwarzen Todes), für mich immer noch die beste Zeitreisegeschichte überhaupt.
    Von "Die Farben der Zeit" (=To Say Nothing of the Dog: Or How We Found the Bishop's Bird Stump at Last) war ich enttäuscht (falls du Jerome K. Jerome - "Drei Männer in einem Boot... ganz zu schweigen vom Hund." kennst und magst, ist es vielleicht toll....) und habe jahrelang nichts von ihr gelesen, bis ich vor kurzem wieder über sie gestolpert bin. Seitdem kaufe ich ein :breitgrins:

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  • Sandra Foster ist Trendforscherin bei HiTek, einem großen Konzern, der so ziemlich auf allen Gebieten tätig ist. Ihr Spezialgebiet ist die Untersuchung von plötzlich aufkommenden Modeerscheinungen, zur Zeit zerbricht sie sich insbesondere den Kopf darüber, was Frauen in den 20er Jahren dazu gebracht haben könnte, sich reihenweise die Haare kurz zu schneiden. Darüber hinaus ist sie genervt von der völlig unfähigen Firmenpostfrau Flip, den immer abstruser werdenden Bürokratieauswüchsen in der Firma (in Form von endlosen unverständlichen Formularen) und dem leeren Managementgeschwätz auf großen Firmenmeetings.


    Flips Schusseligkeit hat es Sandra zu verdanken, dass sie ein fehlgeleitetes Päckchen in der Biologieabteilung abliefern geht und dort auf Dr. Bennett O'Reilly trifft, der nach seinem Äußeren zu schließen in seinem ganzen Leben noch keinem Modetrend gefolgt ist, unter dessen uncooler Fassade sich aber ein interessanter Mensch verbirgt.


    Als er mit seinem aktuellen Forschungsprojekt wegen eines verschollenen Finanzierungsantrages in Schwierigkeiten gerät, ist es Sandra, die die rettende Idee hat und damit eine Ereigniskette auslöst, mit der wohl niemand gerechnet hätte.


    Auf den ersten Blick schwer zu sagen, worum es in dem schmalen Buch überhaupt geht, und wenn man es formuliert, klingt es nicht direkt nach dem Stoff, aus dem die Pageturner sind: der Alltag einer Trendforscherin, ein bisschen Bürochaos, ein bisschen Verliebtsein, Bürokratie, Chaostheorie und Management.


    Aber Connie Willis bastelt aus diesen Bausteinen eine herrliche Satire über bürokratische Katastrophen, diverse Mitarbeitertypen, moderne Unternehmensführung und insbesondere beknackte Trends, entlarvt die aufgeblasenen Reden von Managern als hohle Phrasendrescherei und (über)zeichnet die Figuren so, dass sie zwar etwas skurril angehaucht sind, aber trotzdem noch echt wirken. Sie schreibt flott, ironisch und amüsant, und die kleinen Absätze, die zu Beginn jedes Kapitels die hanebüchensten Trends der Vergangenheit schildern, tragen noch ihr Übriges dazu bei, dass man immer wieder etwas zu grinsen hat.


    4ratten


    Connie Willis war mir vor Literaturschock völlig unbekannt. Nach diesem tollen Buch möchte ich unbedingt mehr von ihr lesen.

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





    Einmal editiert, zuletzt von Valentine ()

  • Hallo ihr Lieben!


    Dieser kurze Thread verdient es wiederbelebt zu werden. Euren Meinungen kann ich mich nur anschließen. Bellwether war eine lustige und erstaunlich leichte Lektüre, die mir großen Spaß gemacht hat.


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    Inhalt:
    Sandra Foster studiert Trends, vor allem solche, die nach kürzester Zeit wieder aussterben. In der Firma HiTek geht sie dem Grund der Bob-Frisur in den 20er Jahren nach und entdeckt dabei zwar allerlei andere dämliche Trends, aber nicht, was die Kurzhaarfrisur bei Frauen so plötzlich ausgelöst hat.
    Als die absolut unübertrefflich inkompetente Assistentin Flip ihr auch noch ein Paket bringt, dass in eine andere Abteilung gehört, trifft sie auf Bennett O'Reilly, der erstaunlich immun gegen jeden erdentlichen Trend zu sein scheint...


    Meine Meinung:
    Ich habe mich völlig ahnungslos auf dieses Buch eingelassen, weil ich von Connie Willis zwar viel gehört, aber noch nichts gelesen hatte. Dass mich so eine lustige Geschichte erwartet, hätte ich nicht gedacht. Aber man lässt sich ja gerne positiv überraschen.
    Sie beschreibt auf köstliche Art und Weise nicht nur die wildesten Trends - Hula-Hoop und Kreuzworträtsel kann man sich ja denken, aber spitze Schuhe, die Madame Pompadour Frisuren und Seltshypnose sind doch sehr amüsant - sondern auch den Wahnsinn, in einer größeren Firma zu arbeiten. Ich musste durchgehend nicken bei den sinnlosen Teammeetings, dem Versuch, das Unternehmen in nichtssagende und lächerliche Akronyme zu verpacken und es so schwierig wie möglich zu gestalten, seine Arbeit zu tun.


    Das 50-seitige Formular zur Beantragung von Sponsionsgeldern oder das immerhin 20-seitige Formular für Büromaterial hätten schon gereicht. Mir hat aber vor allem gefallen, dass bestimmte Formulierungen - wie "Unternehmensstruktur stärken" - offenbar universell bei allen Managern gut ankommen. Ich kenne das aus eigener Erfahrung. :breitgrins:


    Connie Willis beschreibt also Sandras Versuch, Sinn in die Welt der Trends zu bringen und die Protagonistin sieht sich dabei nicht nur mit verrückten Barbies und viel zu vielen Kaffeesorten konfrontiert, sondern vor allem mit der chaotischen Assistentin Flip. So nervig dieses Mädchen auch ist, ich habe unheimlich gerne von ihr gelesen. Hätte ich sie im echten Leben getroffen, hätte ich ihr wohl schlicht eine auf die Nase gegeben. Was für ein Gör!


    Insgesamt bin ich überrascht vom frischen Stil und der unterhaltsamen Geschichte, die sich hier versteckt hält, und werde von Connie Willis sicher noch mehr lesen.


    4ratten


    Liebe Grüße,
    Wendy

    Jahresziel: 2/52<br />SLW 2018: 1/10<br />Mein Blog

  • Aaaaah, wie schön, dass es Dir auch so gut gefallen hat, Wendy!


    Das Buch war meine Einstiegsdroge für Connie Willis, die mich bisher noch nie enttäuscht hat.


    Ich konnte auch so viele Sinnlosigkeiten des Alltags in einer größeren Firma wiedererkennen, was den Spaß an der sowieso schon herrlichen Lektüre noch gesteigert hat.

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • Von Connie Willis habe ich zum Glück noch so einiges auf dem SUB. Ich habe mich vor allem über die fehlende Science Fiction gewundert - gestört hat das überhaupt nicht, es war wirklich ein tolles Buch. Ich habe halt (wieder mal) etwas ganz anderes erwartet.


    Als Einstiegsdroge kann ich dieses Buch auch empfehlen. Es macht auf jeden Fall große Lust auf mehr von Connie Willis.
    In dem Interview, das ich gehört habe, meinte sie ja, sie schreibe vor allem mit zwei Stimmen. Ihre eher komischen Werke (dieses hier und To Say Nothing of the Dog) und dann eher düstere Bücher (Doomsday Book, Passage, usw.). Bei mir subben welche aus beiden Kategorien.


    Was mich sehr gewundert hat war, dass ich von Bellwether keine deutsche Übersetzung gefunden habe. :confused: Das ist wirklich schade!

    Jahresziel: 2/52<br />SLW 2018: 1/10<br />Mein Blog

  • Ich glaube, von ihr ist leider sehr vieles nicht übersetzt worden. "Doomsday Book" gab es jahrelang auch nicht auf deutsch. Das ist übrigens wirklich genial und gar nicht mal unlustig, auch wenn das Grundthema ein eher ernstes ist.



    Ich habe mich vor allem über die fehlende Science Fiction gewundert - gestört hat das überhaupt nicht, es war wirklich ein tolles Buch. Ich habe halt (wieder mal) etwas ganz anderes erwartet.


    Das ging mir ähnlich, aber ich fand das, was ich am Ende vorfand, wesentlich toller als "normale" Science fiction, weil sie sich viel mehr auf gesellschaftliche als auf technische Aspekte konzentriert.

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    Leonard Cohen