Richard Laymon - Die Insel / jugendgefährdend?

Hallo zusammen!

Zitat von melu

Längst nicht jeder, der so ein Kapitel liest, macht sich danach an irgendwas schuldig, aber wahrscheinlich wird jeder Schuldige so ein Kapitel mit besonderem Interesse lesen.

Nein. Ich erinnere mich noch gut an die Debatten, als in Skandinavien die Pornografie freigegeben wurde. Hie Fachleute, die behaupteten, nun würde die Zahl der Sexualverbrechen signifikant steigen. Da Fachleute, die behaupteten, nun könnten sich die potentiellen Täter ungefährlich im Kino oder zu Hause abreagieren. Von beiden Meinung höre ich heute nichts mehr. Tatsache ist: Es sind völlig andere Erlebnisebenen. Eine sexuelle Szene in einem Buch zu lesen ist etwas anderes als sie als Zeichnung ist etwas anderes als sie als Fotografie ist etwas anderes als sie als Film ist etwas anderes als sie in der Realität zu haben. Wenige sprechen auf alles zusammen gleich stark an. Von daher haben sich sowohl die These der Er- wie die der Abregung verflüchtigt.

Zitat von melu

[...] geht man aber von der Strömung aus, die sagt, Literatur soll bilden und das Gute im Menschen wecken, ist das natürlich untragbar.

Existiert - ausser in gewissen Freikirchen und bei gewissen Kardinälen - heute noch diese Meinung ernsthaft?

Grüsse

sandhofer

Hallo Sandhofer,

denkst du nicht, dass bei Menschen mit dementsprechender Veranlagung beim Lesen einer solchen Szene ein Gefühl des Bekannten entsteht, während Menschen ohne Prädisposition innerlich nur abgestoßen werden? (Oder aber sie sind wissenschaftlich interessiert, oder aber, und das wird die Mehrheit sein, unwillkürlich voyeuristisch-fasziniert und gleichzeitig abgestoßen?)
Überträgst du dann die Meinung, die du dir aufgrund der skandinavischen Entwicklung nach der Einführung von p.o.r.n.o.grafie gebildet hast, zum Beispiel auch komplett auf die Ballerspiel-Debatte? ("Spielen und Amok laufen sind zwei völlig verschiedene Ebenen, das eine wird auf keinen Fall durch das andere begünstigt"?)

Und: beim Schreiben des Absatzes mit der "erbaulichen", charakterbildenden Literatur dachte ich eigentlich eher noch an die Humanisten und Brecht, bin aber literaturgeschichtlich nicht sattelfest genug, um meinen Text wirklich damit garniert zu haben.
Des Weiteren hoffe ich durchaus, dass immer noch Bücher mit diesem Anspruch geschrieben werden - nicht UM den Menschen zu erziehen - aber durchaus, um ihm etwas für sein Leben mitzugeben, was der Autor (zb moralisch) für wichtig hält.
Findest du das so gruselig? Oder dachtest du eher an die "Literatur", die man hier und da in den Fußgängerzonen geschenkt bekommt? Mit klingenden Namen wie "So fand ich zu Jesus"?
lieben Gruß
melu

Zitat von melu

Hallo Sandhofer,

Hi!

Zitat von melu

denkst du nicht, dass bei Menschen mit dementsprechender Veranlagung beim Lesen einer solchen Szene ein Gefühl des Bekannten entsteht, während Menschen ohne Prädisposition innerlich nur abgestoßen werden?

Es wird sie nicht interessieren; es wird ziemlich sicher gar nicht in ihr Blickfeld geraten. Um ein Beispiel aus einer andern Ebene zu nehmen: Wer auf der Suche nach einem Fast-Food-Restaurant ist, wird blind an einem 5-Sterne-Restaurant im Burgund vorbeifahren. Weil ihn nur das gelbe, grosse M lockt.

Zitat von melu

Überträgst du dann die Meinung, die du dir aufgrund der skandinavischen Entwicklung nach der Einführung von p.o.r.n.o.grafie gebildet hast, zum Beispiel auch komplett auf die Ballerspiel-Debatte? ("Spielen und Amok laufen sind zwei völlig verschiedene Ebenen, das eine wird auf keinen Fall durch das andere begünstigt"?)

Ich habe diese Debatte bewusst nicht erwähnt. Das ist ein ganz anderes Paar Stiefel; und hier kenne ich mich nicht aus.

Zitat von melu

Und: beim Schreiben des Absatzes mit der "erbaulichen", charakterbildenden Literatur dachte ich eigentlich eher noch an die Humanisten und Brecht, [...]

Brecht, da hast Du recht - der (parteipolitisch organisierte) Kommunismus, das vergesse ich gern, seit es DDR und UdSSSR nicht mehr gibt, hat natürlich durchaus auch die Eigenschaften einer gut organisierten Kirche. Und hat seine eigenen Kardinäle.

Die Humanisten haben Werke geschrieben wie Das Narrenschiff oder Das Lob der Torheit, beides zwar pädagogisch gemeinte, aber auch ungeheuer zynisch-menschenverachtendes Werke. Nicht unbedingt, was ich "erbaulich" nennen würde. Scheint aber eher daran zu liegen, dass ich damit das Plüschsofa einer alten frömmlenden Jungfer assoziiere.

Zitat von melu

Oder dachtest du eher an die "Literatur", die man hier und da in den Fußgängerzonen geschenkt bekommt? Mit klingenden Namen wie "So fand ich zu Jesus"?

Um ehrlich zu sein: ja.

Grüsse

sandhofer

Zitat von nimue

[...] die Erektionen Ruperts in den unpassendsten Momenten [...]

Das Vorrecht der Jugend. Im Alter ändern die Vorzeichen ...

Jetzt aber zum Ernst der Sache:

Zitat von nimue

All' der harschen Kritik zum Trotz kann ich auch Positives über das Buch vermelden: Der Zwiespalt Ruperts - eigentlich ein sympathischer Junge, der nur aufgrund seiner feuchten Tagträume nervte - zeigt in so manchen Szenen die Abgründe auf, die in jedem von uns stecken. Auch das Ende ist dem Autor meiner Meinung nach sehr interessant gelungen und überzeugte mich durch die darin steckende Ironie des Schicksals.

Also zumindest theoretisch und im Zweifel für den Angeklagten kann davon ausgegangen werden, dass die beanstandeten Szenen nicht um ihrer selbst willen sondern für eine weiterführende Botschaft platziert wurden?

Zitat von sandhofer

Also zumindest theoretisch und im Zweifel für den Angeklagten kann davon ausgegangen werden, dass die beanstandeten Szenen nicht um ihrer selbst willen sondern für eine weiterführende Botschaft platziert wurden?

Darüber kann ich mir kein Urteil anmaßen - aber ich habe es durchaus so empfunden, dass der Autor sich dabei etwas gedacht haben mag. Konkret:

Achtung! Hier folgt ein Spoiler, der das Buch im Schnelldurchlauf (inklusive Ende) erzählt:

Das ist natürlich extrem gerafft und klingt noch banaler als es eigentlich ist. Die Umsetzung hätte wirklich besser sein können, aber nein, ich denke nicht, dass der Autor aus purer Lust an seinen eigenen feuchten Träumen geschrieben hat.

Liebe Grüße
nimue

Danke! Dann würde ich doch mal sagen: Im Zweifel für den Angeklagten ...

Zitat von Schnurz

Ruinenqueen: Du findest "Die Insel" ja schon abstoßend, dann rate ich dir gleich mal von "Rache" ab (auch von Richard Laymon)

Ich glaube kaum, dass Ruinenqueen da in Versuchung geraten wäre nach ihrem Insel-Erlebnis

@Nimue, Danke für deine Rezi.

Ich habe dieses Buch auch schon in der Hand gehabt.
Alleine schon wegen diesem Thread hier.
Um so besser, das du nun meine Neugier befriedigen konntest, da du es
ja hast leider lesen müssen.
(und nein, ich habe nicht für es gestimmt. )

Deine Rezi hat mir doch geholfen, mir ein einigermaßenes Bild des ganzen
zu machen und so kann ich mir das Lesen dieses Buches getrost ersparen.

Grüssle
Marion

@Nimue: Ich werde das Buch nicht lesen, ich habe daher den Spolier gelesen.

Jetzt kann ich mitreden und sagen ich kenne das Buch, weil ich weiß ja, wie es ausgeht.

Ich hoffe, dass du dieses Monat was besseres lesen kannst.

Katrin

Zitat von Jaqui

Jetzt kann ich mitreden und sagen ich kenne das Buch, weil ich weiß ja, wie es ausgeht.

Schön, dass ich euch beiden so selbstlos helfen konnte

Literaturschock - da werden Sie geholfen! (Passt doch auch vom sprachlichen Niwoh, oder? )

Aha ... und nun?

Dreier Gremium?
Zwölfer Gremium?

Kann mich jemand aufklären

Zitat von Ruinenqueen

Hallo ihr alle.....

Betreff: Medienprüfstelle

Das Buch sollte im so genannten"dreier Gremium" besprochen werden---wurde aber nicht.
Es ist jetzt auf der Warteliste für das "zwölfer Gremium" .
Terminlich können wir Juli/August damit rechnen.
Bleibe dran

Alles anzeigen

Zitat von Ruinenqueen

Sehr geehrter Herr XXXX, (Hat die Beschwerde vor mir eingereicht)

Warum hast du denn die Beschwerde nicht selbst eingereicht, wenn du so gegen das Buch wetterst?
Das meine ich jetzt nicht provozierend, die Frage ist wirklich ernst gemeint, die Gründe interessieren mich wirklich.

ZUm Buch selbst, so toll fand ich es auch nicht, aber in erster Linie wegen der doofen Story, dem miesen sprachliechen Niveau und dem nervigen Hauptcharakter.
Bei den genannten Szenen (Das Spiel) musste ich auch schlucken, aber das Bedürfnis, unsere Jugend vor diesem Buch zu schützen, kam bei mir nicht auf.
"Frauen in Käfigen = diskriminierend für alle Frauen", was soll man dazu noch sagen?

Eine neue Diskussion über Zensur möchte ich nicht vom Zaun brechen, aber es gibt auch andere Literatur, die Gewalt und (auch sexuelle) Brutalität detailliert darstellen, American Psycho, die Bücher von Sade, etc.
Aber scheinbar trifft auch hier zu "wo kein Kläger, da kein Richter".

Zitat

Der Verlag werde bei der Neuauflage die Feststellung des 12er Gremiums durch entsprechende Bearbeitungen und Kürzungen berücksichtigen.

Weniger Details bei der Vergewaltigung, dazu lasse ich mich ja noch überzeugen, das täte auch der Handlung keinen Abbruch.
Aber der Schluss?
Eigentlich braucht das Buch dann ja gar nicht mehr neu aufgelegt werden, denn ohne die Frauen in den Käfigen wäre dann ja die ganze Geschichte sinnlos. (Ist auch ernst gemeint!)

Zitat von Santanico

Eine neue Diskussion über Zensur möchte ich nicht vom Zaun brechen, aber es gibt auch andere Literatur, die Gewalt und (auch S.e.x.uelle) Brutalität detailliert darstellen, American Psycho, die Bücher von Sade, etc.
Aber scheinbar trifft auch hier zu "wo kein Kläger, da kein Richter".

American Psycho war indiziert....einige Jahre. Nur so zur Info.