William Boyd - Ruhelos

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    Oxford, 1976. Ein brütend heißer Sommer liegt drückend über Europa, und Ruth Gilmartin sorgt sich um ihre Mutter, die nach einem kleinen Haushaltsunfall plötzlich darauf besteht, einen Rollstuhl zu benutzen und sich auch sonst merkwürdig verhält.


    Bei einem Besuch erhält sie von ihrer Mutter alte Aufzeichnungen und erfährt auf diese Weise, dass ihre Mutter gar nicht die Sally Gilmartin ist, als die sie sie ihr Leben lang gekannt hat, sondern eine gebürtige Russin namens Eva Delektorskaja, die im Zweiten Weltkrieg für eine britische Spionageorganisation gearbeitet hat.



    Dieses Buch erfordert viel Konzentration beim Lesen, doch es lohnt sich. Parallel wird die Geschichte von Ruth erzählt, die ihren kleinen Sohn, dessen Vater Deutscher ist, alleine großzieht, an ihrer Dissertation schreibt und nebenbei Englischunterricht für Ausländer hält, und die schier unglaubliche Lebensgeschichte ihrer Mutter, die, angeworben von dem charismatischen Lucas Romer, zunächst fachmännisch zur Spionin ausgebildet wurde, um dann in geheimer Mission in die USA zu reisen, wo es zu einer fatalen Kette von Ereignissen kam ...


    William Boyd bedient sich einer recht gewählten, aber nicht überladenen Sprache, erzählt von Manipulation und Berechnung, Liebe und Verrat, Politik und Kriegsführung, recht kompakt auf knapp 400 Seiten. Die eine oder andere Facette seiner Personen mag ein wenig überzeichnet sein, aber alles in allem ist sein Personal glaubwürdig und immer wieder für eine Überraschung gut.


    Und gerade die Thematik der Manipulation, der Psychologie und der Einflussnahme weniger Personen auf Entscheidungen, die das Schicksal der ganzen Welt lenken können, birgt viel Stoff zum Nachdenken und Diskutieren.


    Auf hohem Niveau Spionagethriller und Mutter-Tochter-Geschichte in einem - ein empfehlenswertes Buch.


    4ratten

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





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    Originaltitel: Restless


    Das Buch verfügt über zwei Erzählstränge, in dem einen erzählt Eva Delektorskaja von ihrem Leben als Spionin zu Beginn des 2. Weltkriegs und im zweiten Strang erleben wir mit, wie 1976 ihre erwachsene Tochter Ruth von dieser Vergangenheit erfährt und dieses neue Wissen in ihr sowieso schon sehr chaotisches Leben einfügen muss. Das ist vor allem schwierig, weil ihr das Verhalten ihrer Mutter zunächst reichlich merkwürdig und die Spionagevergangenheit recht unwahrscheinlich vorkommt, sie kann die Agentin Eva nicht mit der Hausfrau und Mutter Sally Gilmartin zusammenbringen.


    Eine Sache hat mich allerdings gleich zu Beginn gestört: Das Buch ist doch englisch, wie kann man den Sohn da Jochen nennen? Da nutzt auch ein deutscher Vater nichts, Jochen finde ich für ein Kind in englischsprachigem Umfeld einfach grauselig und war für mich die meiste Zeit reichlich irritierend.


    Ansonsten gefiel mir „Ruhelos“ jedoch sehr gut. Die Spionagegeschichte war spannend und dabei glaubwürdig, Boyd zeigt sehr schön die Arbeit einer Spionin, die nur ein kleines Licht ist, die ihre Arbeit normalerweise abseits von Pistolen und Gefahren macht und deren Erfolge nur selten unmittelbar überhaupt wahrnehmbar sind. Aus dieser Perspektive erlebt man Agenten selten. Die Jahre, in denen der Gegenwartsstrang des Romans spielt, sind als Erzählzeitraum auch eher ungewöhnlich, ich finde es interessant einen Einblick in die politische Welt dieser Zeit zu erlangen, wie er sich jemand relativ unbeteiligtem und apolitischen darstellt. Ansonsten spielen die wenigen Bücher, die absichtlich in diesem Zeitraum spielen (und nicht nur, weil z. B. der Roman auch schon aus dieser Zeit stammt), eher im direkten Umfeld der RAF oder ähnliches.


    Die Figur der Ruth war zwar nicht vollkommen sympathisch, aber dafür sehr gut charakterisiert. Sie interessiert sich nicht für die Vergangenheit, der sie umgebenden Menschen, es ist ihr egal, ob sie auf der Flucht oder auf der Jagd sind nach Gespenstern ihrer jeweiligen Vergangenheit, sei es die linke deutsche Studentenszene oder das persische Regime. Boyd lässt es ein wenig offen, ob man das positiv oder negativ sehen möchte. Er stellt es nicht so sehr als Gleichgültigkeit dar, zumindest teilweise ist es auch Toleranz und der Wunsch den anderen sein eigenes Leben leben zu lassen. Ruth wird von ihrer Mutter aus dieser Passivität gezogen, in dieser Geschichte muss sie Stellung beziehen. Sie fühlt sich dabei zu Recht von Eva/Sally manipuliert, erkennt aber schließlich, dass ihre Mutter sie trotzdem liebt und schätzt und nur meistens einfach nicht aus ihrer misstrauischen Spioninnenhaut kommt – stattdessen hat sie im Laufe des Buches auch Ruth den Frieden der Unschuld genommen.


    Es geht in „Ruhelos“ in erster Linie um Einflussnahme und Manipulation und die Darstellung dessen, wie die Figuren damit umgehen, macht einen guten Teil der Klasse dieses Buches aus. Ich habe mir bereits das nächste Buch des Autors besorgt, in der Erwartung wieder vollkommen in eine ungewöhnliche Geschichte vor realistischem Hintergrund abtauchen zu können.


    4ratten + :marypipeshalbeprivatmaus: