Hallo, falls noch jemand hier ist. Ich habe seit ein paar Tagen die Rezi geschrieben und ich habe noch ein kleines Problemchen mit dem Buch. Was ist denn nun der Grund für die jahrelange Funkstille zwischen den Schwestern. Bei der Beurteilung von Danae komme ich nicht klar. Dass sie sich zurückgesetzt fühlte als Kind ist klar. Dass sie sich geärgert hat, weil Mo zu ihr kam, auch klar. Aber Mo hat ihr sonst nichts getan und Danae ist im Gegensatz zu Suzanna gesund, hat eine Familie, hat beruflichen Erfolg. Bei allem was Geschwister trennt, man liebt sie doch trotzdem. Ist es ihr schlechtes Gewissen? Oder hat sie Angst, weil Mo ein so anderes Leben führt. Hat sie Angst, dass ihr Sohn Mo mehr lieben könnte als sie, dass Mo ihr wieder was wegschnappt? Aber sie ist doch klug, warum nicht eher eine Aussprache?
06 - Seite 467 bis Ende (ab Parabellum)
- Dani79
- Geschlossen
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Rhea:
Als die Mädchen noch bei der Mutter gelebt haben, wurde Danae von der Mutter besser behandelt als Mo, Mo dagegen erzählte davon, daß ihre Mutter sie schlagen würde, was Dani ihr nicht geglaubt hat. Wahrscheinlich dachte sie, Mo will sich nur wichtig machen und Dani war sicherlich noch zu jung, um die Warhheit zu erkennen. Dann, als sie bei dem Vater leben, wendet sich für Dani das Blatt: Mo wird nun bevorzugt, Dani wird eifersüchtig, dazu wird sie dann noch auf das Internat abgeschoben und die beiden Mädchen entfernen sich immer weiter voneinander, auch durch ihren Lebensstil. Als Dani dann doch plötzlich vom Vater wahrgenommen hat (hier überlege ich noch, was diese Wendung bei ihm ausgelöst hat: weil sie nun erwachsen, selbständig und erfolgreich ist und er sich nicht mehr um sie kümmern muß? Weil sie so ehrgeizig wie er selber ist, auch wenn sie eben nicht verwandt sind?). Und genau dann, als Dani daran glauben will, daß mit ihrem Vater nun doch noch alles gut wird, taucht plötzlich Mo in ihrem Leben auf (für sie steht Mo für ein Leben und vergangene Zeiten, die sie lieber vergessen will) und reibt ihr den Brief unter die Nase, der beweisen soll, daß Dani einen anderen genetischen Vater hat als Mo. Dani wittert wieder Neid und MIßgrunst bei ihrer Schwester, weil sich ihr Vater plötzlich um Dani bemüht und ist deswegen davon überzeugt, daß der Brief gefälscht ist. Sie will die Wahrheit sicherlich auch nicht wahrhaben. -
Ja, das alles mag im Teenageralter eine Rolle spielen, aber danach? Schließlich hat Dani ja Mo auch erzählt, dass der Vater der Mörder der Mutter ist und das eigentlich nur, um einen Keil zwischen Mo und den Vater zu bringen, denn geglaubt hat sie es nicht. Irgendwann muss doch aber Dani erwachsen geworden sein und da kann man doch einer kleinen Schwester nicht übel nehmen, wenn der Vater diese mehr geliebt hat. Irgendwann muss doch der Verstand einsetzen, oder?
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Rhea, jetzt wo Du es sagst: Stimmt, da fehlt irgendwie noch ein "besonderes Erlebnis"... :-\
Irgendwo wurde ja auch weiter vorne mal was angedeutet, daß da noch was war !?!
Ich hatte auch gedacht, daß es mit dem Abhauen mit 15 zu tun haben mußte aber falls da noch was war, haben wir es nicht erfahren. Oder iich habe es überlesen.Es wurde schon klar, daß Danae Moira als große Bürde sieht und froh war sie los zu sein (aber dann kam sie ihr ja doch hinterher, was Danae ja ganz schlimm fand)
Aber irgendwie ist mir jetzt nichts im Gedächtnis, was ansatzweise ihr Verhalten (speziell da auf der Familienfeier) rechtfertigen würde. -
Liebe Rhea,
doch, von uns sind noch einige da! Ich komme nur gerade erst von einem Familienfest zurück (nein, zum Glück keines von der Art, wie es im Buch beschrieben wird ;D). Deshalb hier nur ein kurzes Lebenszeichen. Aber heute Abend setze ich mich in aller Ruhe an die Antwort.
Bis dann und liebe Grüße
Nina -
Ja, das alles mag im Teenageralter eine Rolle spielen, aber danach? Schließlich hat Dani ja Mo auch erzählt, dass der Vater der Mörder der Mutter ist und das eigentlich nur, um einen Keil zwischen Mo und den Vater zu bringen, denn geglaubt hat sie es nicht. Irgendwann muss doch aber Dani erwachsen geworden sein und da kann man doch einer kleinen Schwester nicht übel nehmen, wenn der Vater diese mehr geliebt hat. Irgendwann muss doch der Verstand einsetzen, oder?Vielleicht hätte eine detaillierte Ausführung des Teenageralters den Rahmen der Geschichte schlicht und einfach gesprengt und wurde deshalb nur ansatzweise beschrieben. In erster Linie geht es ja um die Ereignisse, die zum Ist-Zusatand geführt haben. Die Versöhnung der beiden Schwestern ist ja eines der Hauptziele. und die führt über die Geschichte der beiden Elternteile und Suzana. Oder nicht?
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So, entschuldigt bitte die Verspätung, gestern kam doch noch einiges dazwischen und gerade bei diesem Thema ist es nicht mit ein paar kurzen Zeilen getan. Tatsächlich kann ich bezüglich der Entwicklung von Dani und Mo leider nicht so weit ausholen, wie ich gerne würde, denn das würde den Rahmen der Leserunde und des Beitrags sprengen. Und ich habe lange überlegt, wie ich zumindest andeuten kann, wie die Charakterzeichnung der beiden in dieser Hinsicht angelegt ist (also ohne ein zwölfseitiges Referat daraus zu machen). Ich versuche es mal in Stichworten (und entschuldigt, es wird trotzdem eine Bleiwüste).
Wie schon richtig vermutet wurde: Eine ausführliche Darstellung im Roman hätte zuviel Raum eingenommen und konnte nur angerissen werden. Und es ist nicht so, dass es das EINE punktuelle Ereignis gab. Wie es übrigens im Leben eher selten ist, dass ein isoliertes Ereignis ausreicht, um eine Geschwisterbeziehung so stark und nachhaltig zu zerrütten. Meist ist das, was man im Rückblick als „das Ereignis“ festmacht, nur der berühmte letzte Tropfen, der das Fass überlaufen lässt. Und von außen betrachtet sagt dann die Umgebung: „Was, wegen dieses einen Streits bei Oma Heddis Geburtstag so ein Bruch? Das ist doch übertrieben, da sollte man doch als Erwachsener drüberstehen.“ Tja, aber dieser eine Streit, dem vielleicht auch äußerlich der Bruch folgt, ist dann eben nur die kleine Spitze des Eisbergs. Es kommen meistens mehrere Faktoren zusammen, über Jahre, es geht hier um Atmosphären in Familien, um die Geschwisterfolge und den Umgang damit, um subtile gefühlte Verletzungen und um die Sicht auf die Welt, denn jeder nimmt die Welt ja bekanntlich durch seinen eigenen Filter wahr. Aussagen wie: „Man liebt seine Geschwister doch immer“ ist ebenfalls eine Sicht der Welt, die leider nicht für jeden stimmen muss. (Und hier könnte ich zwölf Seiten lang ausholen über Geschwisterverhältnisse in verschiedenen Zeiten und Kulturen. Wie wir Geschwisterverhältnisse bewerten und wie sie als „Norm“ im Idealfall gelebt werden sollen, ist auch beeinflusst von der jeweiligen Erwartung der Gesellschaft, und natürlich von der Familientradition.)
Reine genetische Verwandtschaft generiert nicht automatisch Liebe (Auch wenn es das schöne Sprichwort mit Blut und Wasser gibt). Ich hatte einige Aha-Effekte bei Lesen des Buches „Warum Geschwister so verschieden sind“ (das Mo am Anfang mal zitiert). Die engen genetischen Verbindungen, die wir in derselben Abstammung sehen, sind aus wissenschaftlicher Sicht weit weniger stark als gedacht. Und man kann charakterlich sehr verschieden sein, manchmal so verschieden, dass man einander lebenslang fremd und nicht auf einer Wellenlänge ist. Kommt dann noch ein Elternhaus wie bei Dani und Mo dazu, Zerrüttungen, Gewalt und Traumata, können sich Geschwister für ihr Unglück auch gegenseitig verantwortlich machen (denn ein Kind richtet sich selten gegen die Eltern). Natürlich ist das nicht die Regel, und viele haben mit mit Geschwistern auch Glück, dass es einfach gut passt (Aarto hat es ganz gut erkannt: „Fremde können Freunde sein, bei Verwandten ist es Glückssache“).
Bezüglich Dani und Mo hat sehr vieles geschwelt. Ich fasse mal ganz holzschnittartig zusammen, was ich mit einer Psychologin und Fachliteratur zum Thema zusammengetragen habe:
Die Ehe von Danis Eltern war von Anfang an schwierig, ihre Mutter hütete das Geheimnis von Danis Herkunft, der Vater brauchte die deutsche Staatsbürgerschaft und hatte ja auch sein Geheimnis, das noch nicht ganz in trockenen Tüchern war. Da dürfte eine unterschwellige angespannte Atmosphäre geherrscht haben, die Dani sicher gespürt hat. Jedenfalls keine Unbefangenheit und glückliche junge Ehe. Dann kam Mo Jahre später, als die Ehe schon kurz vor dem Ende stand. Dann Scheidung. Und ab da ein Nomadenleben mit der Mutter, die heillos überfordert war und sich mit Jobs durchschlug. (Und diese Zeit fällt im Buch auf die Achtzigerjahre, aus heutiger Sicht kann man sich wahrscheinlich nicht mehr nachvollziehen, dass es damals noch ganz anders bewertet wurde, wenn eine Frau alleinerziehend war). Im Halbjahrestakt wurde die Stadt gewechselt, Streit um das Sorgerecht lag in der Luft, die Furcht, der Mutter weggenommen zu werden. Für Dani war Mos Geburt also das Ende ihrer Kindheit, ab da kam es Schlag auf Schlag, denn sie war plötzlich Ersatzmutter für die kleine Schwester, Babysitter etc. etc. Dafür war sie das Lieblingskind der Mutter, was aber in diesem Zusammenhang bedeutet, dass sie als emotionaler Partnerersatz und Unterstützerin herhalten musste und nicht selbst wirklich das Kind der Mutter sein durfte. Zu früh zu viel Verantwortung tragen musste (ohne sich als Kind dessen bewusst zu sein). Aus dieser Sicht wird aber vielleicht verständlich, warum sie zur Mutter hielt und Mo nicht glaubte, dass die "geliebte Mutter" zuschlug. Und in ihrer Kinderperspektive läutete Mos Ankunft auf dieser Welt diese ganzen Verschiebungen und Katastrophe ein. Sie sagt ja später, sie hatte sich oft gewünscht, dass Mo nicht da wäre. Dieser „Mechanismus“ von Danis Weltsicht wird sich später noch ein paarmal wiederholen. Sobald Mo auftaucht, passiert irgendeine Katastrophe für Dani. Sobald sie sich mühsam eine heile und zerbrechliche Welt gebaut hat, kommt Mo und funkt (aus Danis Sicht) rein.
Die Mutter kommt also um, und Danis Welt bricht wieder einmal zusammen. Beim Vater hat sie sofort wieder die Rolle der einzigen Bezugsperson für Mo (dabei müsste sie selbst aufgefangen und getröstet werden. Aber Dani hat längst einen harten Überlebensmechanismus entwickelt, sie funktioniert in der Schule etc. bestens weiter). Gleichzeitig bekommt sie für ihre Ersatzmutter-Rolle aber auch noch eine „Degradierung“, die sie nicht versteht. Bei der Mutter war sie wenigstens die Vertraute und das Lieblingskind. Jetzt verliert sie diesen Status auch noch … an die Kleine. (Und sie weiß nicht, warum). Jetzt richtet sich ihr Zorn gegen den Vater und auch gegen Mo, der Umgang zwischen den Schwestern wird problematischer, Dani stößt Mo (als Klotz am Bein) von sich, Mo dagegen klammert umso mehr.
Dann wird Dani auch noch verbannt (dafür, dass sie als Zwölfjährige den richtigen Verdacht hatte, gespürt hat, dass mit dem „Unfall“ etwas nicht stimmt, auch wenn sie es später als Jugendliche und Erwachsene wegrationalisiert.)
Im Internat dann die Überraschung für sie: Endlich Entastung, feste Strukturen, sie darf einfach Schülerin sein und wird umsorgt, darf Verantwortung abgeben, entwickelt sich, hat Zeit für Freundinnen und eigene Entwicklung. Und als Sahnehäubchen: Der Vater schmückt sich jetzt plötzlich gerne mit ihr im Restaurant (an anderer Stelle hatte ich ja schon erwähnt, dass bei seiner Charakterstruktur eine starke narzisstische Komponente mitspielt. Er genießt es nun, dass eine schöne junge Frau so um seine Zuneigung wirbt. Und vielleicht kann er sie ja als Juristin und Aushängschild für seine Firma gebrauchen, das würde zu seiner Persönlichkeitsstruktur, die Menschen kühl für eigene Zwecke zu benutzen, gut passen.)Für Dani scheint sich nun das Blatt gewendet zu haben – und dann, zack! – steht wieder Mo auf der Matte. Verletzt, verlassen, seit jeher hungrig nach Danis Akzeptanz und Zuneigung und inzwischen auch verbittert (denn aus Mos Sicht hat Dani sie ja im Stich gelassen, diesmal nicht an die schlagende Mutter verraten, sondern an Suzana. Mo fühlt sich also ganz real verraten und zurückgestoßen). Und ihre Enttäuschung entlädt sie in Wut und Rache und zerschlägt wieder mal Danis heile Welt, indem sie die Vaterfrage aufwirft.
Das ist also äußerlich gesehen „Das Ereignis“ (dem aber viel vorausging!), bei dem man sich fragen kann: „Echt jetzt? Und nur deshalb der ganze Bruch? Aber da waren sie doch noch Kinder und Teenies. Da sollte man doch drüberstehen oder es klären ...“
So einfach ist das aber leider nicht immer. (Und wenn es ginge, wären sehr viele Therapeuten schlagartig arbeitslos ;)) Denn oft ist es so (und hier gibt es viel psychologische Fachliteratur dazu), dass diese Programmierungen und Verletzungen aus der Kindheit sozusagen auf dem Status quo der Kindheit eingefroren bleiben. Man erlebt ja manchmal, dass sich Geschwister bis aufs Blut in Sachen Erbteil bekämpfen. Dabei geht es aber nicht um Papas Uhr an sich – es geht genau um solche alten Verletzungen, Bevorzugungen etc. Hier liefern sich dann Kinderseelen im Körper von Fünfzigjährigen den alten Kampf. Das meint Mo, als sie sagt: „Wir bleiben so lange in unseren Echos gefangen, bis wir aufhören zu rufen.“ Dieses Aufhören erfordert aber viel Verständnis und Bewusstheit, oft auch viel Arbeit mit einem Therapeuten.Dani jedenfalls hat nach diesem Supergau (dem letzten Tropfen) die Schotten dichtgemacht. Sie funktioniert wie immer perfekt weiter (Erfolg etc. etc.), aber in ihr ist immer das Gefühl, dass Mo ihr etwas Böses will und wie ein Damoklesschwert über ihr hängt, jederzeit bereit, ihr Schwierigkeiten zu machen. Dani hat das Gefühl, wegen Mo zu kurz gekommen zu sein, dieses festgefrorene Gefühl hat sie noch als Erwachsene. Und manchmal will sie sich bei Mo einfach rächen (die ja aus ihrer Sicht immer "durchkommt").
Aber ja, doch!, trotz allem gibt es zwischen den Schwestern durchaus Liebe und die Sehnsucht, einander einfach zu mögen. Nicht zu vergessen, dass Dani im Lauf des Buches immer noch auf ihre Art für Mo sorgt, sie raushaut, ihr das Ticket bezahlt. Sie haben einander sehr verletzt, aus unterschiedlichen Motiven, aber am Ende erkennen sie beide, dass sie zum Teil einen Stellvertreterkampf für ihre Eltern ausgetragen haben. Und das ist der erste Schritt, um das Erstarrte, „Eingefrorene“ antauen zu lassen, zulassen, dass etwas ins Fließen kommt (hier wieder das Wassermotiv im Roman). DANN können sie irgendwann als Erwachsene drüberstehen. Danae macht diesen Schritt durchaus, als sie Mo am Ende in ihre Sicherheitszone einlädt, ihr Zuhause, und dort ganz erwachsen fragen kann: "Bringst du irgendwann auch einmal gute Nachrichten?" Die Frage berührt die ganzen alten Erfahrungen mit Mo - und gleichzeitig schaut sie damit nach vorne, nimmt die Hoffnung und die Möglichkeit wahr, dass es anders sein wird. Mo muss zwar noch antworten "Heute nicht." Aber auch darin schwingt die Hoffnung mit: "Aber morgen und übermorgen, wenn wir das ganze Kapitel endlich abschleßen können, dann wird es anders sein."
So, das war jetzt ein laaaanger Ausflug in meine Werkstatt der Figurenentwicklung und Vorarbeit für einen Roman. Und Mos Sicht der Dinge führe ich jetzt nicht in aller Länge aus, ich glaube, das hatte im Buch genug Raum.
Liebe Grüße
Nina -
Vielen Dank für diese Ausführungen, Nina.
So etwas in diese Richtung habe ich vermutet und auch im Kommentar geschrieben. - Allein all diese vielen Ereignisse und psychologischen Betrachtungen könnten Stoff für ein anderes Buch abgeben.
Ich habe bereits Suzanas Schachtel früher einmal als 'Therapieschachtel' bezeichnet. Tatsächlich bedeutet jeder einzelne Teil des Inhalts ein Schlüssel zur Vergangenheitsbewältigung. Wunderschön kann man das während des Flugs zurück nach Deutschland zwischen Mo und Dani miterleben. Ich liebe dieseen Teil der Geschichte sehr; Denn die Geschichte der beiden Mädchen, später Erwachsenen, hat mich sehr berührt und ich habe wirklich während des Lesens mit ihnen mitgelitten. Ich empfand oftmals Ainos Verhalten gegenüber Mo fast gemein und bösartig, auch wenn Aino andererseits in vielen Teilen auch mein Mitgefühl hatte, weil ihr Schicksal ebenfalls nachvollziehbar war. Und doch gab genau Ainos Verhalten Mo den nötigen Stups, die verzweifelte Suche nach Familie und Geborgenheit loszulassen und erwachsen zu werden. Natürlich spielte Aarto dabei eine entscheidende Rolle.
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Wow, danke Nina für die ausführliche Antwort. Gerade auch die frühestens Jahre und ihren Einfluss hatte ich jetzt gar nicht mehr so stark auf dem Schirm.
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Ja, das alles mag im Teenageralter eine Rolle spielen, aber danach? Schließlich hat Dani ja Mo auch erzählt, dass der Vater der Mörder der Mutter ist und das eigentlich nur, um einen Keil zwischen Mo und den Vater zu bringen, denn geglaubt hat sie es nicht. Irgendwann muss doch aber Dani erwachsen geworden sein und da kann man doch einer kleinen Schwester nicht übel nehmen, wenn der Vater diese mehr geliebt hat. Irgendwann muss doch der Verstand einsetzen, oder?Liebe Rhea,
ich kann absolut nachvollziehen, dass man sich da als Leser wundert und den beiden beiden auch wünscht, dass der Verstand einsetzt und die alten Erfahrungen durch Vernunft überlagert werden.
In den allermeisten Familien ist es ja auch so, dass die Leute irgendwann mit etwas Distanz auf die Kindheitskämpfe schauen können (gerade dann, wenn sie selbst Familie haben und vieles aus Elternsicht auch besser verstehen). Vielen gelingt es, alten Groll zu begraben (wenn es denn welchen gab). Und es ist logisch, gut und richtig, dass wir heute und in unserer Gesellschaft darauf pochen, dass Geschwister einander nahe sein und zusammenhalten sollen. Ich glaube, in den meisten Familie ist das auch der Fall, man lernt, füreinander da zu sein und hat im Normalfall ja auch liebevolle Vorbilder in den älteren Generationen (fürsorgliche Tanten und Onkel, Cousins, Cousinen, Großeltern etc.).
Bei Dani und Mo war da einfach auch im Umfeld sehr viel im Argen. Und du hast völlig Recht mit deiner Beobachtung, dass sie einander ja doch auf eine Art lieben und diesem Gefühl können sie erst jetzt langsam Raum geben können.
Liebe Grüße!
Nina -
So etwas in diese Richtung habe ich vermutet und auch im Kommentar geschrieben. - Allein all diese vielen Ereignisse und psychologischen Betrachtungen könnten Stoff für ein anderes Buch abgeben.
Ja, das war wirklich viel Stoff und ich kann gut nachvollziehen, dass einiges da beim Lesen durch die Knappheit der Darstellung einfach unschlüssig erscheint. Ich hoffe, ich konnte ein bisschen Licht auf Danaes "Denke" werfen. Ich weiß, dass sie im Buch nicht sehr sympathisch rüberkommt. Beim Schreiben war sie mir allerdings sehr nah, weil ich ihre Ängste und ihre Haltlosigkeit sehr nachvollziehbar finde. Die Art, damit umzugehen, klar, ist grenzwertig, aber wenn man (was man als Autor ja muss) ein paar Seiten in den Mokassins seiner Figuren läuft, dann bekommt vieles auch eine emotionale (wenn auch traurige) Logik.
Ich glaube, Dani ist trotz allem eine Gute. Und, wie gesagt - in der Not ist sie wieder absolut für die "Kleine" da.Liebe Grüße!
Nina -
Ja, das war wirklich viel Stoff und ich kann gut nachvollziehen, dass einiges da beim Lesen durch die Knappheit der Darstellung einfach unschlüssig erscheint. Ich hoffe, ich konnte ein bisschen Licht auf Danaes "Denke" werfen. Ich weiß, dass sie im Buch nicht sehr sympathisch rüberkommt. Beim Schreiben war sie mir allerdings sehr nah, weil ich ihre Ängste und ihre Haltlosigkeit sehr nachvollziehbar finde. Die Art, damit umzugehen, klar, ist grenzwertig, aber wenn man (was man als Autor ja muss) ein paar Seiten in den Mokassins seiner Figuren läuft, dann bekommt vieles auch eine emotionale (wenn auch traurige) Logik.
Ich glaube, Dani ist trotz allem eine Gute. Und, wie gesagt - in der Not ist sie wieder absolut für die "Kleine" da.Liebe Grüße!
Nina
Ja, so sehe ich das eigentlich auch. Ich denke auch, dass sie mit ihrer Lebenserfahrung Leon schneller durchschaut hat. Schließlich kann man nur dann einen Mann verführen, wenn er das zuläßt.Als ich Deinen Beiträg las, musste ich an den Poesiealbumspruch meiner Stiefmutter denken:
Oh großer Geist, hilf mir, nie über einen anderen Menschen zu urteilen, bevor ich nicht zwei Wochen lang in seinen Mokassins gelaufen bin.
Lachender Fuchs, Sioux-Häuptling (angebl.)
Stand der bei dir auch im Poesie? -
Liebe Rhea,
nein, ein Poesiealbum hatte ich nicht als Schülerin, aber der Spruch kursierte zu meinen Schulzeiten, irgendwo habe ich ihn da wohl im Vorbeigehen aufgeschnappt. Ich finde, er hat eine schöne Botschaft - beim Schreiben rufe ich ihn mir jedenfalls immer mal wieder ins Gedächtnis, wenn es um schwierige Figuren geht.
Liebe Grüße
Nina -
Hach, ich merke mal wieder, wie sehr ich Leserunden mag. Vielen Dank, Nina, für die ausführlichen Hintergründe. Ich hatte zwar nicht unbedingt Probleme mir das zerrüttete Verhältnis von Dani und Mo vorzustellen, aber deine Erläuterungen bringen ganz viel Mehrwert. Ich habe letztens einige eher negative Rezensionen zum Buch gelesen und die hatten oft den Grund, dass sie die Personen "zu kaputt" fanden und deshalb beispielsweise Mo nicht sympathisch, sodass sie sich nicht mit ihr "anfreunden" konnten. (Das geht schon seit einiger Zeit rum, Bücher werden nur dann gut bewertet, wenn man sich die Figuren auch als Freunde vorstellen könnte... Verstehe ich nicht.) Diese Antwort könnte da vielleicht weiterhelfen, allerdings finde ich die Blogbeiträge gerade nicht mehr. Und dann bleibt immer noch die Frage, ob überhaupt Interesse besteht, wenn das Buch schon abgestempelt wurde...
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Und: liebte Mikael denn nun Aino, Matilda oder beide - ich möchte ja glauben, dass es Aino war, der seine eigentliche Begierde galt und dass sie dadurch einen Kreis des Begehrens bildeten: Aino begehrte Matilda, Matilda Mikael und Mikael Aino - so schließt es sich wieder oder so könnte es zumindest sein.
Ich sehe es ähnlich.
So erschließt sich mir auch der Titel des Buches, den ich nach wie vor sensationell gut gewählt finde.Das Ende war schon sehr traurig und ich hätte es mir ein kleines bisschen glanzvoller vorgestellt, aber so passt es auch.
Das Schwesternverhältnis hat sich ein bisschen gefestigt und zwar auf eine sehr reduzierte Art und Weise, die sich perfekt in die ganze Geschichte hineinfügte. Vor allem, da ja beide einiges vewinden mussten: Danae vor allem, dass ihr Vater ein anderer war (das war aber langfristig sicher eher eine angenehme Nachricht) und alle beide, dass der, der offiziell ihr Vater war, mit einem falschen Pass und der Approbation seines Cousins lebte.
Dass Mo und Dani nicht den gleichen Vater haben, habe ich ja schon ziemlich früh vermutet. Ich dachte jedoch eher an ein Kuckuckskind und war dann doch sehr überrascht. Aber so erklärt sich ja, weshalb Mo teilweise besser behandelt wurde - leider aber den schlechteren Vater hatte. Da weiß man am Ende gar nicht, handelt es sich hier um eine Liebesgeschichte oder einen Thriller.
Doch schon sehr viel Konstrukt. Eigentlich war Mos und Ainos Geschichte spannend zu lesen, für mich war aber zuviel in dieses Buch gepackt worden - es machte mir das Lesen etwas anstrengend, ich wusste nicht zu fokussieren. Das ist aber mein ganz persönliches Problemchen mit der Geschichte.Ich hätte mir am Ende ein Glossar gewünscht zu all den finnischen Begriffen, die im Buch vorkommen - so blieb alles ein bisschen unklar. Und dabei verstehe ich ein kleines Bisschen Finnisch, vom Estnischen her.
Ich hätte mir gewünscht, gar nicht soviel Finnisch zu lesen. Das hat meinen Lesefluss extrem gestört, zumal ich mir die ganzen Redewendungen und Ausdrücke eh nicht werde merken können. Man braucht es auch nicht, um die finnische Mentalität zu fassen.
Ich habe die finnischen Worte dann immer versucht auszublenden! -
Ich finde es so wie es ist tatsächlich am "schönsten"... denn was hätte da noch auf Aino gewartet ?
Ein Leben in der Familie, von der sie bevormundet und untergebuttert wird ?Irgendwie war es jetzt so, daß sie "ihre Aufgabe erledigt hat und in Ruhe gehen kann"... so wie das am Ende eines Lebens ja sein sollte. Also, nicht mit so einer Aufgabe wie Aino sie sich auferlegt hat
aber eben so mir dem Gefühl, wenn alles gesagt und getan ist.
Sie war ja auch schwer krank. Ich denke immer, man muss doch nicht bis zum bitteren Ende leiden, wenn der Körper nicht mehr will.
So konnte sie doch mehr oder weniger in Frieden gehen ... -
Hach, ich merke mal wieder, wie sehr ich Leserunden mag. Vielen Dank, Nina, für die ausführlichen Hintergründe. Ich hatte zwar nicht unbedingt Probleme mir das zerrüttete Verhältnis von Dani und Mo vorzustellen, aber deine Erläuterungen bringen ganz viel Mehrwert.Wie schön, danke für die Rückmeldung!
Ich habe letztens einige eher negative Rezensionen zum Buch gelesen und die hatten oft den Grund, dass sie die Personen "zu kaputt" fanden und deshalb beispielsweise Mo nicht sympathisch, sodass sie sich nicht mit ihr "anfreunden" konnten. (Das geht schon seit einiger Zeit rum, Bücher werden nur dann gut bewertet, wenn man sich die Figuren auch als Freunde vorstellen könnte... Verstehe ich nicht.)Ja, die "Freundschaftsskala" ist bei vielen Lesern wohl wirklich ein Kriterium. "So-wie-ich-Figuren" nehmen einen natürlich auch so schön mit in eine Welt der Vertrautheit, man findet sich wieder, empfindet sich auf einer Wellenlänge, weil sie das eigene Leben, die eigenen Gedanken, Probleme, Themen etc. besser spiegeln.
Die Fremden, sperrigen Figuren ziehen einen eher mit nach draußen, in Welten, Verhaltensweisen, Perspektiven, Lebensarten, Biografien etc., die Neuland und nicht immer schön sind. Man kann mit ihnen auf Expedition gehen, Neues entdecken und manchmal auch "das Fremde umarmen". Oder feststellen, dass man froh ist, wieder in die Sicherheit zurückschlüpfen und die Tür verriegeln zu können (das geht mir als Leserin manchmal so, wenn mich ein Autor zu tief in die Psyche eines Mörders mitnimmt).
Ich glaube, es muss in der Bücherwelt beide Arten von Figuren geben - die Freunde und die Fremdartigen, beide erfüllen ihre Funktion.
Und ja, ganz tief im Herzen leide ich natürlich immer ein bisschen mit meinen Figuren, wenn sie kein Foto kriegen. Aber - nun ja - im Leben und auch beim Lesen finden auch die zu kleinen, spröden, schüchternen und "kaputten" Tintenmenschen ihren Platz in manchen Herzen.
("Jedes Töpfchen findet sein Buch-Deckelchen ..." Autsch, ja, der war wirklich übel!) ;D
Liebe Grüße!
Nina -
Liebe Nina, ich glaube gerade weil Deine Figuren so interessant sind, liebe ich Deine Bücher. Außerdem gibt es viel mehr kaputte Menschen, als man denkt. Vieles ist Fassade. Wer würde denn das Kaputte bei den beiden Schwestern sehen, wenn er nicht in ihre Gedankenwelt eintauchen könnte? Wenn es jemand gesehen hätte, dann hätten sie doch eventuell auch Hilfe bekommen. Ich denke Deine Figuren sind ehrlicher und ich mag sie.
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Suse
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