Ursula K. LeGuin - Die wilde Gabe

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    „Die wilde Gabe“ ist oberflächlich betrachtet ein ziemlich unspektakuläres Buch. Die vordergründige Geschichte ist eigentlich schnell erzählt. Der junge Orrec lebt im Hochland bei seinem Clan und wächst hinein in eine raue Welt in der man nie weiß, welchen Nachbar-Clans man trauen kann, welche hauptsächlich an ihren eigenen Vorteil denken und welche wirkliche Freunde sind.
    Hätten die über das Hochland verstreut lebenden Sippen nicht jeweils eine magische Fähigkeit, könnte man gar nicht von einem Fantasy-Buch sprechen. Aber auch hier gibt es nicht den typischen Fantasy-Magier, jede der Fähigkeiten hat eine gute und eine schlechte Seite. Orrecs Freundin Gyr beispielsweise kann mit Tieren sprechen, es gefällt ihr aber gar nicht, dass ihre Familie von ihr erwartet, dass sie diese Fähigkeit einsetzt um bei der Jagd zu helfen.
    Orrecs Vater beherrscht das Auflösen, er kann Lebewesen mit einem Blick töten und da sich die Fähigkeiten weiter vererben, erwartet er, dass auch Orrec diese ebenso mächtige wie schreckliche Begabung entwickelt.
    Und hier liegt meiner Meinung nach auch die Stärke des Buchs. Es geht nicht um epische Schlachten oder Reisen durch riesige Welten, dafür versteckt sich eine ganz reale Geschichte hinter der Fantasy-Fassade – eine Geschichte über das Erwachsen werden, den Umgang mit den eigenen Kräften und die, vielleicht überzogenen, Erwartungen der Eltern an ihre Kinder.
    Die Thematik richtet sich wohl eher an jungendliche Leser, mir hat das Buch trotzdem gut gefallen, die knapp 300 Seiten sind wie im Flug verstrichen.


    4ratten


    Gruß
    Seoman

  • "Die wilde Gabe" spielt auf einem Berghof in einer Gegend voller Clans, deren gegenseitige Freundschaften und Feindschaften teilweise seit Generationen bestehen. Das Gleichgewicht der Kräfte wird dadurch gewahrt, dass bestimmte "Gaben", psychische Kräfte, innerhalb des Clans vererbt werden, einige auf der weiblichen, andere auf der männlichen Linie. Beachtung erfährt in diesem Buch unter anderem die Gabe des Rufens, die Gyr, die weibliche Hauptfigur beherrscht, sie kann wilde Tiere zu sich rufen und das entsprechende Talent auch zur Ausbildung der eigenen Pferde oder Hunde nutzen. Orrec, die männliche Hauptfigur gehört zu einem Clan, der eine weitaus gefährliche Gabe sein Eigen nennt, sein Vater als mächtigstes Mitglied und Anführer ist in der Lage mit seinem Blick zu töten. In dem Buch wird die Jugend der beiden erzählt und wie sie erwachsen werden und ihre Gabe erwacht.


    Eigentlich passiert das ganze Buch über nicht viel und irgendwann stellt man ganz verwundert fest, dass man schon kurz vor dem Ende ist und tatsächlich noch nichts passiert ist. Man hat die ganze Zeit den Eindruck eine Einleitung zu lesen, aber wenn das Buch endet, ist man nicht fürchterlich enttäuscht, sondern hat sich trotzdem hervorragend unterhalten gefühlt. Ursula K. Le Guin halt ganz gewiss kein Buch für Actionfanatiker geschrieben. „Die wilde Gabe“ ist ein ruhiger Coming-of-Age-Roman, der an der Figur des Orrec zeigt, wie schwierig es ist erwachsen zu werden und wie sich ein Jugendlicher fühlt, wenn er das Gefühl hat, den Erwartungen der Eltern nicht zu entsprechen, sie aber trotzdem nicht enttäuschen will.


    4ratten

  • Meine Meinung:


    Es hat eine Weile gedauert, bis ich mit dem Buch richtig warm wurde. Das erste Drittel empfand ich als ziemlich langatmig und langweilig, mit seinen vielen Rückblende und alten Geschichten. Aber dann hat es mich doch in seinen Bann gezogen, langsam aber sicher.


    Orrecs Schicksal hat mich sehr berührt; seine innere Zerrissenheit und sein Rückzug von der Welt ist sehr überzeugend und tiefgründig dargestellt. Wie er sein Leben dennoch in die Hand nimmt, sich mit seiner wilden Gabe auseinander setzt und langsam erwachsen wird, das hat mir sehr gut gefallen.


    Ihm zur Seite stehen einige ebenfalls sehr interessante Nebenfiguren, die mir schnell ans Herz gewachsen sind. Dies gilt auch für die Tiere, die in ihren jeweiligen Persönlichkeiten sehr schön gezeichnet sind, was mir sehr viel Freude bereitet hat. Das Setting konnte ich mir bis zum Schluß nicht richtig vorstellen, mir kam es aber zeitweise wie ein alternatives Schottland vor.


    Ursula Le Guin hat ein großes Erzählvermögen, das ich erst auf den zweiten Blick zu schätzen gelernt habe. Der Roman hat nun schon einige Jährchen auf dem Buckel und ich musste mich an diesen bedächtigen Stil, der so anders ist als die tempo- und actionreiche Fantasy heutzutage, erst wieder gewöhnen. Dann konnte ich aber voll eintauchen und diesen ruhigen, aber keinesfalls belanglosen Fantasyroman voll genießen.


    4ratten

    :lesen: Kai Meyer - Die Bibliothek im Nebel