Tschingis Aitmatow – Dshamilja

Es gibt 8 Antworten in diesem Thema, welches 9.058 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Kiba.

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    Inhalt: In Kirgisistan 1943. Viele Männer sind im Krieg, die Frauen und Jugendlichen müssen die gesamte Last der landwirtschaftlichen Arbeit übernehmen. Das Leben ist noch geprägt von Sitten und Vorstellungen der nicht lange zurückliegenden Nomadenzeit. Danijar, ein junger Kriegsversehrter, der Erzähler Seït und dessen Schwägerin Dshamilja bekommen den Auftrag, Kornsäcke zur Bahnstation zu fahren, um die Truppen zu unterstützen. Dshamiljas Mann liegt irgendwo im Lazarett, in seinen Briefen gedenkt er immer nur im letzten Satz seiner Frau. So bleibt es vielleicht nicht aus, daß Dshamilja und Danijar sich ineinander verlieben und schließlich gemeinsam das Dorf verlassen.



    Meine Meinung: Eine unaufdringliche Liebesgeschichte, die – v. a. angesichts der Kürze der Erzählung – lange zur „Entstehung“ braucht. Für mich war auch diese (angehende) Liebesgeschichte zwischen Dshamilja und Danijar gar nicht das Entscheidende, daher stehe ich Louis Aragons Bewertung als „schönste Liebesgeschichte der Welt“ auch etwas zwiespältig gegenüber. Viel interessanter fand ich den Blick in eine – so heute auch nicht mehr existierende – Gesellschaft im Umbruch. Aitmatow hat es wunderbar verstanden, mit nur wenig Aufwand Bilder von der kirgisischen Landschaft, den Menschen und ihrem Tun heraufzubeschwören. Und auch wenn ich nicht sagen kann, daß der Geschichte etwas Wesentliches gefehlt hat, denn sie ist in sich sehr stimmig und stilistisch schön, so wäre es mir doch an manchen Stellen lieber gewesen, noch mehr über die Menschen zu erfahren. Andererseits wäre es dann ein sehr viel anderes Buch geworden, und es hätte vermutlich einiges von dem Zauber, den es jetzt verströmt, verloren.


    4ratten :marypipeshalbeprivatmaus:


    Schönen Gruß,
    Aldawen


    Tippfehler im Titel eliminiert. LG, Valentine

    Einmal editiert, zuletzt von Valentine ()

  • Ich habe Dschamilja gerade erst für unseren Lesekreis gelesen und es hat mir ausnehmend gut gefallen: ein Buch über das Leben, über die Liebe, über zu sich Finden. Einfach sehr berührend, sehr gut fand ich auch Ezählperspektive aus der Sicht eines Dritten.
    Und du hast recht, es hat etwas gedauert, bis sich die Geschichte entwickelt hat, doch dann hat sie mich sehr angesprochen. Eine Kunst, mit gar nicht so vielen Worten so viel auszudrücken.
    Von mir bekommt Dschamilja die Höchstnote im Lesekreis!
    liebe Grüße und allen einen schönen Wochenanfang!
    Austen

    Lesen ist Schokolade für die Seele!

  • Hach ja, da wird mir bei der Erinnerung ganz warm ums Herz.


    Ich fand die Liebesgeschichte auch nicht unbedingt so im Fordergrund stehend, hab aber direkt Landschaftsbilder und Menschen vor Augen.


    Mir hat es sehr gut gefallen und ich war hin und her gerissen, ob ich mir wünschen sollte, dass es noch ewige Seiten so weiter geht oder ob es nicht doch perfekt in der Kürze war. Sprachlich auf jeden Fall ein Genuß!


    4ratten

    Viele Grüsse,

    Weratundrina :verlegen:


    Help me, help me ~ Won't someone set me free? ~ There's no right side of the bed ~ With a body like mine and a mind like mine

    ~ IDLES ~


  • Ich mag Dshamilja auch sehr, habe es vor einigen Jahren das erste Mal gelesen und danach - was bei mir recht selten vorkommt - später noch zwei weitere Male. Die Geschichte ist ganz bezaubernd, und der Erzähler hat mir besonders gefallen. Die für mich eigentliche Liebesgeschichte ist auch nicht Danijars, sondern die des Erzählers.

    [i]Wir brauchen aber die Bücher, die auf uns wirken wie ein Unglück, das uns sehr schmerzt, wie der Tod eines, den wir lieber hatten als uns, wie wenn wir in Wälder vorstoßen würden, von allen Mensche

  • Hallo,


    Wenn Louis Aragon von der schönsten Liebeserklärung der Welt spricht, spreche ich lieber von einer odenhaften Liebeserklärung an die kirgisische Heimat. Die Liebe eröffnet sich hier wirklich in den schönsten Gesang, den ein Mensch vollbringen kann. Wenn Danijar von der Liebe singt, ist er nicht nur von Dshamilja beseelt, sondern findet ebenso Einklang mit der Natur, mit der Weite Kirgisiens. Noch nie ist so schön gesungen worden.


    Liebe Grüße
    mombour

    Einmal editiert, zuletzt von mombour ()

  • Auch ich habe mich von dieser kurzen Erzählung von Aitmatow verzaubern lassen, allerdings habe ich sie weniger als Liebesgeschichte zwischen Dshamilja und Danijar gelesen. Viel eher war sie für mich eine Liebeserklärung Aitmatows an die kirgisische Landschaft und sein Volk. Die Beziehung der beiden Liebenden, die sich sehr zurückhaltend entwickelt, ist eingebettet in Beschreibungen des Alltags, den der Autor souverän in meinem Kopf zum Leben erweckt hat, obwohl mir diese Gesellschaft absolut fremd ist. Durch geschickt eingestreute Details und plakativ, aber nicht platt wirkende Nebenfiguren schafft Aitmatow auf wenigen Seiten ein stimmungsvolles Bild.


    Dazu kommt ein scharfer Blick auf die gesellschaftlichen Umbrüche und die Auswirkungen des Krieges, die auch in diesem abgelegenen Landstrich zu spüren sind. Die Bewohner des Dorfes stecken zwischen den Traditionen des Nomadenlebens und den Anforderungen des sozialistischen Kollektivs. Auch diese Zerrissenheit wird an Details deutlich: einerseits wird im Sommer die traditionelle Jurte im Hof aufgebaut, andererseits wird Danijar, der nicht ständig im Dorf gelebt hat, misstrauisch als Vagabundierender beäugt.


    4ratten


    Viele Grüße
    Breña

    "Natürlich kann man sein ohne zu lesen, ohne Bücher, aber ich nicht, ich nicht." J. L. Borges

  • Tschingis Aimatow - Dshamilja
    Übesetzer: Traugott König


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    Inhaltsangabe:


    Kirgisien 1943: Da die Männer im zweiten Weltkrieg kämpfen, müssen die Frauen und Kinder in der Kolchose deren Arbeit mit erledigen. Der 15-jährige Said ist schon Tage dauernde, schwere Arbeit gewohnt und er erledigt sie besonders gern zusammen mit Dshamilja, der Frau seines älteren Bruders, der an der Front kämpft. Said und Dshamilja sind beste Freunde und deshalb schweigt er, als er beobachtet, wie sich Dshamilja und der verwundete Kriegsheimkehrer Danijar ineinander verlieben ...


    Der erste Satz:


    Wieder einmal stehe ich vor dem kleinen Bild mit dem schlichten, schmalen Rahmen.


    Meine Meinung:


    Ob es nun - wie im Vorwort von Louis Aragon gesagt - "die schönste Liebesgeschichte der Welt" ist, mag ich nicht beurteilen. Aber sie ist in jedem Fall wunderschön.


    Die Beschreibungen in dieser Novelle sind sehr bildhaft - ich hatte beim Lesen die weite Steppe und die Berge Kirgisiens, die Leute im Dorf, die Jurten, die Pferde und das Vieh genau vor Augen, und das, obwohl Aimatow dafür nur wenig Worte braucht. Aber jedes Wort davon sitzt präzise, keines ist überflüssig und nichts fehlt.


    Besonders schön fand ich die Stellen, in denen Danijar seine Lieder singt. Ich war wirklich ergriffen. :herz:

    Zitat

    Es war ein Lied der Berge und Steppen, bald schwang es sich empor wie die kirgisischen Berge, bald dehnte es sich frei und weit wie die Kasachensteppe.


    Interessant, aber für mich zweitrangig, waren auch die eingestreuten Informationen über das Leben der (zwangsweise) sesshaften Nomaden, die trotz ihren Häusern jedes Jahr eine Jurte aufschlagen und deren Gesellschaftsform in der Kolchose einen neuen Weg nehmen muss.


    :tipp:


    Grüße von Annabas :winken:

  • Tschingis Aitmatow - Dshamilja

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    OT: Dshamilja
    OA: 1958
    124 Seiten:
    ISBN: 978-3518380796


    Inhalt:
    Es heißt, es sei die schönste Liebesgeschichte der Welt. Die verbotene Liebe zweier Menschen im Kirgisien zu Zeiten des zweiten Weltkrieges, wird in diesem Buch aus der Sicht eines 15jährigen Jungen geschildert.


    Eigene Meinung:
    Diese Erzählung hat zwar nicht viele Seiten, aber dennoch viel zu sagen. Es ist die Geschichte einer verbotenen Liebe und den falschen Moralvorstellungen der Bevölkerung des kleinen Weilers, in welchem diese Geschichte spielt. Diesem Buch liegt eine wahre Begebenheit zu Grunde, welche den Autor dazu animierte diese Erzählung zu schreiben.
    Anhand der detaillierten Beschreibungen von Land, Natur und den Menschen erkennt man, wie sehr der Autor seine Heimat liebt. Leider ist das jenen entgangen, welche ihn auf Grund dieses Buch verurteilten und beleidigten, nur weil es nicht den sowjetischen Idealen entsprach.
    Aitmatow lässt eine dichte Atmosphäre entstehen, welche die Seele des Landes und auch der Protagonisten beschreibt. Ich selbst war noch nie in diesem Land, aber während ich das Buch las, sah ich es vor mir und lernte es durch den wundervollen Schreibstil ein wenig kennen. Das Buch hat genau die richtige Länge, kein Wort zu viel, kein Satz zu wenig.
    Der Autor erschuf einen Rahmen und setzte seine Protagonisten mitten hinein. Die, trotz des Krieges, ruhige Atmosphäre passt zu dieser liebevoll beschriebenen, wachsenden Liebe der beiden Menschen, welche sich immer stärker zu einander hingezogen fühlen.
    Hier sieht man wieder, dass es keine detaillierten sexuellen Beschreibungen bedarf um eine Liebesgeschichte zu schreiben.


    Diese Erzählung gehört für mich eindeutig in die Kategorie „Schöne Bücher“.


    5ratten

  • Tschingis Aitmatow


    Dshamilja


    Kirgisien während des 2. Weltkrieges. Die Männer des Dorfes sind im Krieg. Die Ernte muss im brennend heißen August von den Frauen, Kindern, Greisen und Versehrten eingebracht und verfrachtet werden, damit die Armee Nachschub erhält. Alle arbeiten hart.


    Der Ich-Erzähler Seït ist noch beinahe ein Kind. Er ist Dshamiljas Schwager, der Bruder liegt im Lazarett. Dshamilja ist jung, fröhlich, gutausstehend. Sie vermisst ihren Mann, und sie vermisst die Zweisamkeit. Seït himmelt Dshamilja an, ohne sich dessen wirklich bewusst zu sein.


    Danijar kommt als junger Mann in den Ort zurück, den er als Waisenjunge verließ. Jetzt hat er eine Kriegsverletzung am Bein und wohl auch eine am Herzen. Er ist schweigsam, sondert sich ab. Und er verliebt sich heftig in Dshamilja.


    All das erfährt man aus Seïts Alltagsschilderungen, vieles wird nur gestreift, der Leser denkt sich den Rest. Dshamilja ist als Figur ein klein wenig anstrengend, Danijar ist natürlich ein toller männlicher Gegenpart. Dass Seït immer so nah dabei ist, nun ja, mag sein. Aber die Landschaft ist sehr liebevoll und eingängig beschrieben, das ist wirklich gelungen.


    3ratten :marypipeshalbeprivatmaus:

    Bücher sind Magie zum Mitnehmen.