Henry Fielding - Tom Jones

Es gibt 9 Antworten in diesem Thema, welches 3.462 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Saltanah.

  • Henry Fielding: Tom Jones. Aus dem Englischen übersetzt von Eike Schönfeld. Manesse Verlag. erstmals 1749 erschienen.


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    Tom Jones wächst als Findelkind beim Gutsherrn Allworthy auf, doch eines Tages reißt dem Ziehvater die Geduld und er wirft den jungen Tom hinaus. Auf seiner Reise durch Land und Stadt erlebt er nun allerlei abenteuerliche Geschichten, insbesondere lernt er die Gesellschaft der vorviktorianischen Zeit kennen. Und darunter sind einige skurrile Typen.


    Eine im Mittelpunkt stehende Geschichte ist die Liebe zu Sophia, die jedoch für ihn unerreichbar ist, da sie reich verheiratet werden soll. Außerdem werden viele unterschiedliche Menschen auf liebevolle Weise skizziert, dabei tritt aber auch immer wieder ihre Falschheit zu Tage. Tom Jones hingegen ist der "Gutmensch" schlechthin.


    Der Roman ist in 18 Bücher mit etwa jeweils 10 Seiten langen Unterkapiteln eingeteilt. Im ersten Kapitel jedes Buches richtet sich der Erzähler (man kann hier wohl annehmen, dass er mit dem Autor identisch ist) an den Leser und äußert sich über die Möglichkeiten, die ein Autor in einem Roman hat. Die Handlung wird also immer wieder unterbrochen und es wird einem bewusst gemacht, dass es sich "nur" um einen Roman handelt. Im ersten Buch vergleicht er die Aufgabe des Schriftstellers mit einem guten Koch, im letzten Buch sinniert er darüber, dass sein Werk das seiner schmähsüchtigen Zeitgenossen wohl überleben wird. Wie recht er behalten hat. Der Erzähler verliert während der gesamten spannend zu lesenden Geschichte nicht seinen Humor. Immer wieder weist er uns darauf hin, dass er dies nun nicht wissen kann und daher der Leser auf nähere Ausführungen verzichten muss oder dass sich der Leser nun seinen Teil denken soll. Es macht einfach Spaß ihn zu lesen, da man immer wieder schnell in die Handlung abtauchen kann. Auffällig auch die große Belesenheit des Autors der antiken Literatur. Immer wieder werden lateinische Zitate eingestreut (sie werden im Anhang übersetzt). Da bekommt man Lust auf Horaz. Auch Shakespeare wird immer wieder zitiert.


    Ludwig Harig hat den Roman als "Welttheater" charakterisiert. Ich würde sagen "Großes Welttheater", das Spaß macht. Wem kann ich diesen Roman empfehlen: Prinzipiell jedem, da er nicht schwer zu lesen ist. Einen Anhaltspunkt möchte ich geben: Wer beispielsweise Hugos "Die Elenden" mochte, wird auch Tom Jones lieben. Der viel früher erschienene Fielding benötigt jedoch nicht die Zufälle eines Hugos für seine Handlung, die Liebe zu den Figuren merkt man jedoch beiden Schriftstellern an.


    5ratten


    Gruß, Thomas

    Einmal editiert, zuletzt von Klassikfreund ()

  • Hallo Thomas,


    Deine Rezi hat mich auf den Geschmack gebracht. Als ich nun gerade bei Amazon nach einer Ausgabe von Tom Jones suchte, stellte ich fest,


    dass diese Ausgabe

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    1228 Seiten hat
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    nur 667 Seiten.


    Nun bin ich etwas ratlos, ob die zweite Ausgabe, die mir besser gefällt, eine radikal gekürzte ist. Ich möchte mir ungern das Buch zulegen und dann feststellen müssen, dass die Hälfte fehlt. Hast Du die Manesse-Ausgabe oder zufällig die mit dem grünen Cover und kannst mir sagen, ob es in der Originallänge ist? Manesse wäre mir natürlich am liebsten, ist aber leider zu teuer.


    Danke und Grüße
    Doris

  • Das untere ist vom Insel Verlag, oder? Die Bücher, die ich von dem Verlag in dieser Ausgabe habe, haben sehr sehr dünne Seiten, es muss also nicht unbedingt gekürzt sein.


    Ich habe den Tom Jones nach der Hälfte erstmal weggelegt, es konnte mich irgendwann nicht mehr so recht fesseln. Aber das mag wie so oft auch nur daran gelegen haben, dass mir zu der Zeit eigentlich der Sinn nach etwas anderem stand.

  • Hallo Phistomefel,


    von Insel sind sie beide. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es zwei verschiedene Verlage dieses Namens gibt.


    Wenn die Seiten dünner sind, steht aber nicht unbedingt das doppelte drauf :zwinker:, selbst wenn sie ein kleineres Schriftbild haben, und das eine Buch hat ja fast doppelt so viele Seiten wie das andere. Mittlerweile habe ich herausgefunden, dass Tom Jones in vielen Ausgaben meist aus zwei Bänden besteht, aber bei dem grünen Buch steht nicht explizit drauf, dass es sich um Band 1 oder 2 handelt. Wahrscheinlich wird es das beste sein, wenn ich die Buchhandlungen bei uns mal abklappere und sehe, welche Ausgaben dort stehen. Irgendeine wird es dann schon werden.


    Grüße
    Doris

  • Hallo Doris,
    Ich besitze auch eine 2bändige Ausgabe. 1200 Seiten halte ich für realistisch.


    Ich glaube sogar, auf dem unteren Einband "Zweiter Band" erkennen zu können, wenn ich die Augen zusammenkneife :zwinker:


    Gruß,
    dumbler

  • Dumbler hat recht. Die untere Ausgabe gibt es zudem nicht mehr neu. Man hat wohl nun beide Bände zusammengefasst.


    Ich habe übrigens die Manesse Ausgabe gelesen. 1600 Manesse-Seiten sind wohl ca. 1200 Insel-Seiten. Das kommt schon hin.


    Gruß, Thomas

  • @ dumbler
    Du hast ja die reinsten Adleraugen! Ich bin mit -12 Dioptrien wohl entschuldigt.


    Dann werde ich mich wohl mit der dicken Ausgabe anfreunden oder nochmal bei Ebay ein bisschen stöbern, denn dort habe ich inzwischen auch einige schöne Ausgaben entdeckt.


    Grüße
    Doris

  • Tom Jones wollte ich lesen, seit ich die historische Krimireihe von Bruce Alexander um den Richter John Fielding gelesen habe. Dank eines Bücher-aussortierenden-Englischlehrers in der Verwandtschaft ist die Penguin Pocket – Ausgabe in meine Hände gefallen und nun habe ich es tatsächlich geschafft. Zunächst einmal, empfehle ich das Buch in der Originalsprache nur geübteren Englischlesern, die kein Problem damit haben, dass der Autor hath statt has und durst statt dared schreibt, um nur einmal ein paar Beispiele zu nennen, und so viele thee und thou, hither und thither, hitherto und thitherto sind mir vermutlich in meinem ganzen bisherigen Leben noch nicht begegnet. Wenn man sich aber einmal an das archaische Vokabular gewöhnt hat, ist es nicht mehr allzu schwierig zu verstehen. Eine Ausnahme sind da die Passagen in wörtlicher Rede, da wird es teilweise schon etwas schwieriger von der Wortwahl bzw. Schreibweise her, dafür sind die Sätze dann weniger komplex, das gleicht sich also wieder aus.


    Der Autor beginnt jedes der 18 Bücher von „Tom Jones“ mit einem Kapitel, in dem er seine eigene Einstellung zu Literatur, Literaturkritik oder Ähnlichem darlegt. Sicherlich versteht man als heutiger Leser nicht sämtliche zeitgenössischen, aktuellen Anspielungen, aber einige generelle Wahrheiten über die Literatur und den Literaturbetrieb haben die Zeit überdauert und sind auch heute noch interessant zu lesen.


    Meine Kenntnisse der englischen Klassiker sind ansonsten so ca. 50 Jahre später rund um Jane Austen einzuordnen und gerade im Vergleich zwischen den beiden fällt die hier deutlich handfestere Sprache auf, wo der Körper durchaus noch zum Sprachvokabular gehört und handfeste Flüche keine Ausnahme sind. Auch das Bild der Geschlechterrollen und der Ehe kommen mir moderner vor, als in den eigentlich aktuelleren Roman von Austen. Eine Hochzeit muss zwar nicht in Liebe, aber zumindest in Sympathie begründet sein und die Zustimmung der Eltern auch zu nicht ganz so konventionellen Beziehungen ist durchaus möglich, solange der Unterhalt gesichert ist. Bei Austen kam es mir stets so vor, als ob nur die junge Generation eine romantische Ader besäße und den Eltern nur das Geld und nicht das Glück ihrer Kinder am Herzen läge. Bei Fielding strebt die Elterngeneration danach, dass Glück ihrer Kinder zu sichern (auch wenn die Eltern davon, wie heutige Eltern auch, manchmal andere Vorstellungen haben, als die Kinder selbst) und ist durchaus bereit auf Reichtum zu verzichten, solange das Auskommen gesichert ist. Die rein materiell eingestellten Personen werden überzeugt oder sind in ihrer Darstellung bereits vorher der Lächerlichkeit oder der Ablehnung des Lesers preisgegeben.


    Eine wunderbare Geschichte, eine kritische Gesellschaftsbetrachtung und liebenswerte Figuren, ich hatte jedenfalls an der Geschichte um Sturz und Rückkehr des Tom Jones meinen Spaß und werde jetzt mal schauen, was Herr Fielding noch so geschrieben hat.


    4ratten + :marypipeshalbeprivatmaus:

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    Die Geschichte des Findelkindes Tom Jones, der als Säugling im Bette des Squire Allworthy gefunden und von ihm aufgezogen wurde, hatte ich vor circa 20 Jahren schon mal auf Deutsch gelesen und es mir später zwecks Re-Read auch auf englisch gekauft. Weshalb das englische Buch dann 12 Jahre (laut Kassenzettel) subben musste, ist mir ein Rätsel.


    Wieder hat mich Fielding durch seine wunderbar spöttischen Bemerkungen über Gott und die Welt bestens unterhalten. Die natürlich etwas altmodische Sprache sorgt dafür, dass es nicht ganz einfach zu lesen ist, und so empfehle auch ich die Lektüre im Original nur erfahrenen Englisch-LeserInnen, verleiht der Geschichte aber auch den entsprechenden Flair.


    Tom, der nach einer Intrige seines Pflegebruders von dem Squire verstoßen wird, reist durch England, erlebt Abenteuer und stößt ebenso wie seine Liebste, die Nachbarstochter Sophia Western, die vor einer unerwünschten Ehe aus ihrem Elternhaus flieht, auf verschiedenste Leute, die den beiden zeigen, wie es ihnen ergehen könnte, ob zum Guten oder zum Schlechten.
    Hier zeigt Fielding wie unterschiedlich Ehen verlaufen können, je nach Vorbedingungen. Überraschend ist dabei, wie viel Wert er auf die notwendigen Gefühle legt. Wenn er auch die Wichtigkeit von einer finanziellen Absicherung betont, so ist es für ihn doch die Gefühle für den/die EhepartnerIn wichtiger als eine besonders gute Partie zu machen. Darin stimmen ihm die jungen ProtagonistInnen zu, während die meisten der Elterngeneration anders prioritieren. Erstaunlich aber, in wie großem Ausmaß der Eltern-, und hier vor allem der Vaterwille ignoriert wird und sich doch nach eigenem Gutdünken verheiratet wird.


    Überrascht hat mich auch die sexuelle Freisprachigkeit dieses immerhin 250 Jahre alten Buches. Wenn die sexuellen Abenteuer des Titelhelden und anderer auch nicht grafisch geschildert werden, so bleibt doch kein Zweifel daran, was zwischen den Laken oder in den Büschen geschieht, und selbst das Wort "Vergewaltigung" wird benutzt.
    Natürlich ist es aber (leider) so, dass dabei Männern eine größere Freiheit gelassen wird als Frauen. Tom darf sich vor der Ehe ruhig die "Hörner abstoßen", von Sophia kann man das leider nicht sagen. Da zeigen sich die Grenzen der Zeit dann eben doch.


    So unterhaltsam Fielding auch in der eigentlichen Handlung schreibt, so haben mir doch die jeweils einführenden Kapitel der insgesamt 18 Bücher doch am besten gefallen, in denen er verschiedene Aspekte des Schreibens, Rezipierens und Kritisierens von Literatur diskutiert dabei nicht an Seitenhieben auf seine Zeitgenossen spart. Dies ist schon für unbedarfte Leser amüsant genug, dürfte aber mit entsprechendem Hintergrundwissen noch viel unterhaltsamer zu sein. Daher empfehle ich allen, sich eine mit Anmerkungen versehene Ausgabe anzuschaffen wie z. B. der oben verlinkten Penguin Classics-Ausgabe, die ich leider nicht gelesen habe.


    Wegen einiger Längen im Mittelteil vergebe ich
    4ratten

    Wir sind irre, also lesen wir!

  • Saltanah

    Hat den Titel des Themas von „Henry Fielding: Tom Jones“ zu „Henry Fielding - Tom Jones“ geändert.