Montesquieu - Persische Briefe

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    Montesquieu schreibt hier einen Briefroman von zwei Persiern, die nach Paris ziehen und ihren Freunden von den seltsamen Gewohnheiten des Volkes berichten. Die Briefe sind von Sarkasmus geprägt, der sich durch die beschriebenen Widersprüche ergibt, sie schreiben aber auch kopfschüttelnd oder vergleichend mit den muselmanischen Gepflogenheiten. Kein Thema wird hier ausgelassen. Leider beschränken sich die Briefe auf das Wesentliche, persönliche Details um das Buch aufzulockern (wie Diderots Jacques) sucht man vergebens und so wird es teilweise zur schweren Kost.


    Vom König, den selbständigen Frauen, der Mode, Kaffeehäuser, Theater, … wird gestaunt und manchmal auf eine nervend naive Weise wiedergegeben, obwohl die beiden Persier Gelehrte sein wollen.
    Über die Bischöfe: Wenn sie versammelt sind, machen sie, wie er (Papst) zu tun pflegt, Glaubensartikel. Sind sie aber allein, so ist es ihr Amt, die Erlaubnis zu erteilen, die Gesetze nicht zu befolgen.
    Über den König Louis XIV: Ich hab mich bemüht, seine Neigung genau zu erforschen, bin dabei aber auf soviel Widersprüche gestoßen, die ich nicht zusammenreimen kann. Sein Staatsminister ist kaum achtzehn, seine Mätresse hingegen achtzig Jahre alt. Seine Religion übt er eifrig aus, und trotzdem kann er diejenigen nicht leiden, die selbige mit allem Ernst ausüben wollen. Er vermeidet alles Getümmel der Stadt und lebt ganz zurückgezogen, dennoch beschäftigt er sich vom Morgen bis in die Nacht damit, andere von sich reden zu machen …


    Über Gesetze wird gesprochen wie dem Verbot des Selbstmordes, der mit Vierteilen bestraft wird. Somit sei man nicht einmal nach dem Tod frei.
    Der Geburtenrückgang ist ebenso ein Thema. Viele Landstriche seien bereits verlassen. Grund hierfür sei die Enthaltsamkeit der Priester, dem Zurechtschneiden der Eunuchen und vor Allem dem Elend. Überhaupt kamen mir viele Kapitel bzw Briefe sehr bekannt vor und ich mich somit schon auf die nächste Revolution vorbereiten müsste.


    Montequieus Briefroman war der erste einer langen Reihe von Nachahmern, die das Thema und das Genre weiterentwickelten – so gut von Befürwortern wie Aufklärungsgegnern.


    4ratten


    Gruß,
    dumbler

    Einmal editiert, zuletzt von fairy ()

  • Hi!


    Sollte ich auch endlich mal lesen ... :redface:


    Nebenbei, für die Suchfunktion: im Titel fehlt beim Autorennamen ein s: Montesquieu ... Kannst Du das noch nachtragen? Danke!


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen. (Karl Kraus)

  • Hallo dumbler,


    das 18. Jahrhundert ist ja so gar nicht meine Zeit und der Briefroman so gar nicht meine Form, vor allem nicht dann, wenn er aufklärerische Züge trägt (was nicht heißt, dass ich was gegen die Aufklärung habe, nur die Literatur dieser Zeit, mit der werde ich nicht recht warm). An Montesquieu bin ich nichtsdestoweniger nicht vorbeigekommen und habe zumindest hie und da mal den einen oder anderen Auszug gelesen.


    Eine ganz konkrete Frage: Ist es nicht auch in den Lettres persanes, wo Montesquieu diese komische Theorie vom Zusammenhang zwischen klimatischen Bedingungen und "Nationalcharakter" herstellt? ich laufe immer durch die Welt und erzähle das allen, kann mich aber offengestanden gar nicht mehr daran erinnern, ob das nicht ganz woanders herkommt (aus der Zeit muss es schon sein, aber da ich mich da so schlecht auskenne, verschwimmen die Informationen manchmal ein wenig).


    Herzlich und Dank: Bartlebooth.


  • Ist es nicht auch in den Lettres persanes, wo Montesquieu diese komische Theorie vom Zusammenhang zwischen klimatischen Bedingungen und "Nationalcharakter" herstellt?


    Hallo bartlebooth,
    Du meinst sicherlich, die Menschen im Süden seien träger als die aus dem Norden ... das habe ich auch irgendwo gelesen, vielleicht in einer Biografie desselben. In besagtem Buch jedoch fand ich nichts dergleichen.


    Gruß,
    dumbler

  • Nicht unbedingt nur träger, sondern einfach... anders, auch mehr zum Feiern aufgelegt und solche Dinge. Das ist ja eine Theorie, die sich bis heute als abgesunkenes Kulturgut gehalten hat, und ich habe auf derartige Äußerungen bisher immer mit dem Ruf "Montesquieuismus!" reagiert - und jetzt weiß ich gar nicht mehr, ob ich das noch guten Gewissens kann. Mist.


    Trotzdem danke: Bartlebooth.


    EDIT Nach ein bisschen Googelei kann ich sagen: Das stammt wohl eher von Herder aus den "Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit". "Herderianismus" klingt aber nicht so schön wie "Montesquieuismus". :traurig: ;)

    Einmal editiert, zuletzt von Bartlebooth ()

  • Natürlich werden Vergleiche gezogen zwischen dem türkischem bzw. persischem und den Westeuropäern. Diese sind jedoch meist religiöser Natur - und den Dingen, die sich dadurch ergeben. Wie zBsp die Ablehnung von Schweinefleisch, verhüllte Frauen, ...
    Im 17. Brief kann man dies nachlesen:
    Die Männer in Persien sind nicht so munter und lustig wie in Frankreich; bei ihnen bemerkt man keinen so freien Geist und keine solche vergnügte Miene, als ich hier in allen Ständen und Lebensarten antreffe.
    In der Türkei ist es noch viel schlimmer. Dort findet man ganze Geschlechter, in denen niemand, von dem Stammvater bis zu den späten Enkeln, seit dem Anfang der Monarchie eine lächelnde Gebärde gezeigt hat.


    Aber dass er die "klimatischen Bedingungen" als Grund angibt, kann ich nicht feststellen.
    Ich hoffe, ich konnte Dein Gewissen ein wenig aufmuntern :smile:


    Gruß,
    dumbler

  • Hallo,


    die Klimatheorie IST von Montesquieu und wird in den Persischen Briefen angedeutet. Ausgearbeitet hat er sie aber erst über 20 Jahre später in "L'esprit des lois". Im wesentlichen besagt die Klimatheorie, dass die Mentalität der Menschen durch ihr Land und dessen Klima geprägt wird. Das mag heute banal anmuten, war damals aber ein gänzlich neuer Gedanke. Und ich denke, dagegen kann man auch nichts einwenden. Montesquieu leitet daraus seinen Relativitätsgrundsatz ab, dass nämlich das, was für die einen gut sein mag, für die anderen wiederum verkehrt sein kann. Daher können Gesetze nicht von oben aufgezwungen werden, sondern müssen den Gegebenheiten des jeweiligen Landes und der Mentalität seiner Menschen angepasst werden.


    "Un de ses idées les plus exotiques, soulignée dans 'L'esprit des lois' et esquissée dans 'Les Lettres persanes' est la théorie des climats, selon laquelle le climat pourrait influencer substanciellement la nature de l'homme et de sa société. Il va jusqu'à affirmer que certains climats sont supérieurs à d'autres, le climat tempéré de France étant l'idéal. Il soutient que les peuples vivant dans les pays chauds ont tendance à s'énerver alors que ceux dans les pays du nord sont rigides. Montesquieu aurait pu être influencé par La Germanie de Tacite, un de ses auteurs favoris." (Wikipedia)


    Das schönste an den Persischen Briefen ist, dass Montesquieu sehr schön seigt, wie viel Diskrepanz doch zwischen Taten und Worten besteht. Rica und Usbek sind in Frankreich ganz aufgeklärt und liberal, doch im eigenen Land wird Usbek dann angesichts der Haremsrevolte selbst zum Despoten. Tja, aufgeklärt denken und aufgeklärt handeln sind eben zweierlei.


    Sehr schön ist auch die Geschichte der Troglodyten, die M.s Ideal der auf Tugend gebauten Republik entspricht. Und warum scheitert alles? Weil die Menschen meinen, sie müssten einen von ihnen zum König krönen ...