Edward Lewine – Der Tod und die Sonne. Ein Matador auf den Spuren seiner Väter

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    Rückentext: Eine wahre Geschichte. Francisco Rivera Ordóñez ist erst zehn Jahre alt, als sein Vater, ein bekannter und erfahrener Matador, von einem Stier getötet wird. Noch am selben Tag entschließt er sich, in die Fußstapfen seines Vaters zu treten. Achtzehn Jahre später sthet er vor der größten Prüfung seines Lebens: Er kämpft zum ersten Mal am Todestag seines Vaters in derselben Arena gegen Stiere derselben Zucht. Ganz Spanien schaut dabei auf ihn.
    Die Geschichte von Francisco Rivera Ordóñez gewährt außergewöhnlich spannende Einblicke in die geheimnisvolle Welt des spanischen Stierkampfs, eine alte Tradition, die in Menschen wie dem jungen Matador weiterlebt.



    Meine Meinung: Der Rückentext ist reißerischer als es das Buch verdient, denn was Lewine hier erzählt ist wirklich spannend, wenn auch auf einer anderen Ebene. Eine Saison lang, 2002, hat er Francisco Rivera Ordóñez, genannt Fran, von corrida zu corrida begleitet und mit vielen Menschen rund um den Stierkampf gesprochen. Fran kommt aus einer Stierkämpferfamilie. Nicht nur sein Vater war Matador, auch der Großvater und Urgroßvater mütterlicherseits. Daher ist die Berufswahl nicht so überraschend und auch nicht nur aus der Trotzreaktion zu erklären. Wäre dies das tragende Motiv des Berichts, er wäre ziemlich langweilig.


    Lewine versteht es, die Traditionen, Rituale und Abläufe der Stierkämpfe so darzustellen, daß Verständnis dafür geweckt wird. Natürlich ist der Kampf ein ungleicher, denn der Stier ist am Ende immer tot, und das muß man nicht goutieren. Aber wie Lewine erklärt, geht es hier eben auch nicht um einen Sport, um ein Kräftemessen gleichwertiger Gegner, sondern um eine Kunstform. Entscheidend ist nämlich nicht der Tod des Stieres, sondern v. a. die Arbeit des Matadors mit dem Tuch in den festgelegten Phasen davor. Die Verletzungen, die der Stier erfährt, dienen dazu, ihn zu ermüden und für die Arbeit mit der muleta gefügig zu machen. Da Stiere aber sehr lernfähige Tiere sind, würden sie sich in einem zweiten Kampf gar nicht mehr auf das Tuch einlassen, sondern direkt auf den Mann gehen, deshalb sterben sie auch am Ende. Nicht alle Stiere eignen sich gleichermaßen für eine solche Vorstellung und das kann auch für den Matador sehr unbefriedigend sein, weil er dem Publikum dann seine Kunst gar nicht recht vorführen kann.


    Lewine zieht ein Fazit, dem ich nicht hundertprozentig, aber doch in Teilen zustimmen kann:


    [quote author="S. 265 f."]Es ist leicht, den Stierkampf als Überbleibsel aus der wilden und unzivilisierten Geschichte der Menschheit abzutun. Doch gerade als blutiges Gemetzel verkörpert der Stierkampf die Essenz der Zivilisation, wenn wir unter Zivilisation die Unterwerfung der Natur durch den Menschen und die Ablösung der Gewalt durch Bräuche und Rituale als zentrales Prinzip menschlicher Interaktion verstehen. Eine Gesellschaft, die eine corrida veranstalten kann, ist eine zivilisierte Gesellschaft, eine, die die Natur bezähmt, die Grundbedürfnisse der Menschen befriedigt (und Unterhaltung gehört zu diesen Grundbedürfnissen) und die blutigen Instinkte der Bevölkerung in ein geordnetes Ritual gelenkt hat. Es gibt nichts Zivilisierteres als einen Stierkampf. Die Summe aller Ängste und sprachlosen Bedürfnisse der Menschen wird aufgehoben in einer streng geordneten und höchst kunstvollen Zeremonie. Ähnliche Darbietungen waren fester Bestandteil der Kultur des Römischen Reiches, eine der Kulturen, aus denen die westliche Zivilisation hervorgegangen ist. Warum sollte es uns überraschen, dass dieses Schauspiel die Jahrtausende überdauert hat, neben der römischen Architektur, der römischen Gesetzgebung, der römischen Sprache und der römischen Religion, dem Christentum?[/quote]


    Trotz dieses Buches habe ich nun nicht den Wunsch, mir einen solchen Stierkampf anzusehen, da ich solch blutigen „Vergnügungen“ einfach nichts abgewinnen kann, aber zumindest kann ich jetzt besser nachvollziehen, warum Stierkampf eine solche Faszination auf viele Menschen ausübt und welche traditionelle Rolle er in der Gesellschaft spielt, in der er verankert ist.


    4ratten


    Schönen Gruß,
    Aldawen