Friedrich Schiller - Wilhelm Tell [Minileserunde]

Es gibt 9 Antworten in diesem Thema, welches 3.808 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von julhenne.

  • Hi!


    Hier ist ab sofort Platz für die spontane Minileserunde zu "Wilhelm Tell". Weitere Mitleser und Zaungäste sind natürlich willkommen...


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    Klappentext von amazon:
    TELL: Mach deine Rechnung mit dem Himmel, Vogt, / Fort mußt du, deine Uhr ist abgelaufen. Ich lebte still und harmlos - Das Geschoß / War auf des Waldes Tiere nur gerichtet, / Meine Gedanken waren rein von Mord - / Du hast aus meinem Frieden mich heraus / Geschreckt, in gärend Drachengift hast du / Die Milch der frommen Denkart mir verwandelt, / Zum Ungeheuren hast du mich gewöhnt - / Wer sich des Kindes Haupt zum Ziele setzte, / Der kann auch treffen in das Herz des Feinds.


    Teilnehmer:
    julhenne
    schokotimmi



    Ich wünsche viel Vergnügen! :smile:



    Alfa Romea

    Wer anderen folgt, wird nie zuerst ankommen.

  • Guten Abend,


    dann mach ich mal den Anfang. Ich habe die ersten beiden Szenen gelesen und bin sehr angetan von den Emotionen des Stückes. Die Mischung zwischen Naturbeschreibung in Verbindung mit der Bühnenbildidee kommt super rüber.
    Ich hab ein Bühnenstück sehr lange nicht gelesen, hoffe ich mache Dich mit meiner Euphorie da nicht zu verrückt. Ich freu mich ja schon riesig auf meinen Urlaub in der Schweiz im Februar... :breitgrins:


    Ich hatte ein bisschen in Wikipedia gesucht zu Person und Stück. Ich wußte zwar das Tell ein schweizer Nationalheld ist, aber dass es keine Originaldokumente gibt, die auf ihn verweisen, war mir neu. Ich dachte da steckt auch eine "wahre Person" dahinter.


    So, nun erstmal ein bisschen weiterlesen.


    Sonnige Grüße
    schokotimmi


    PS: Wie machen wir das mit Spoiler, sollen wir die benutzen oder braucht man die in einem klassischen Stück eher nicht?

    Einmal editiert, zuletzt von schokotimmi ()

  • Ich bin grade in die Lektüre eingestiegen und fühle mich wie auf Kur in der Schweiz :breitgrins:
    Zu den Spoilern: Ich meine, die brauchen wir nicht. Wir können ja einfach drüber schreiben, bis zu welcher Szene wir gelesen haben, dann weiß jeder Bescheid.


    So, ich werde jetzt weiter lesen und dann ausführlicher posten.



    :kaffee:

  • Guten Abend,


    da es gestern etwas stressig war komme ich erst jetzt zum Posten - ich habe die ersten beiden Aufzüge gelesen. Hier meine Details:
    1. Aufzug:
    Die Emotion des Stückes gefällt mir immer noch sehr gut, auch wenn es ja ein Bühnenstück ist, kann ich mich sehr gut in die echte Landschaft und Umgebung versetzten. Ich sehe die Almen und die Schweizer Bergdörfer direkt vor mir. Ich finde die einfache Zufriedenheit und die Naturverbundenheit die dargestellt wird richtig berührend. Obwohl ich auch finde es macht alles einen rechte lockeren Eindruck - die "Freiheitskämpfer" schienen ja ein sonniges Leben gehabt zu haben. Klingt jetzt vielleicht komisch, aber die Unterdrückung kommt für mich nicht 100% rüber, aber ich sollte das ganze wohl eher als Poesie & Ideal lesen und nicht als Realismus...
    Bei der Szene mit dem Hut musste ich lachen - einen Hut auf einem Stab, und den soll man dann grüßen, na klasse.
    2. Aufzug:
    Die erste Szene zeigt uns eine Generationenzwist - der junge, vitale Ritter, der nach Macht, Ruhm und Reichtum strebt gegen seinen greisen, weisen, zufriedenen Oheim, der sein Leben gelebt hat. Er will die Argumente des Alten nicht hören, will höher hinaus. Klingt jetzt vielleicht blöd, aber ist es nicht eine Entscheidung die jeder im Leben trifft? Was will man aus seinem Leben machen - Macht, Reichtum und Geld in der Ferne - oder eine Familie, Zufriedenheit und ein bescheideneres Leben. Also ich finde, dass ich diese Entscheidung für mich treffen musste und diese Szene hat das irgendwie ein bisschen widergespiegelt.
    Die 2. Szene, das geheime Treffen, die Leute, Debatte, Diskussionen und die Entscheidung. Eindrucksvoll, nur frag ich mich, wo war der Tell?


    So und nun was witziges zum Schluss, ein bisschen OT. Ich hab grad einen Teil von (nicht lachen) "Die Lümmel von der ersten Bank" geschaut und Peter Alexander hat da auch einen vermeintlichen Lehrer "Wilhelm Tell" aus der Schweiz gespielt. Ich musste schon vorher immer an diesen Film denken. War irgendwie witzig, Peter Alexander ist zwar Österreicher, aber irgendwie verbind ich Wilhelm Tell mit ihm.


    Liebe Grüße
    schokotimmi

  • 1. Aufzug:


    Ich fühle mich hier stark an andere romantisierte Ganoven erinnert wie zB den Schinderhannes oder auch Schillers "Räuber". Das meintest Du, Schokotimmi, ja auch schon so in etwa. Jedenfalls erscheint mir die Lage der Bevölkerung zwar schwer aber wird sie nicht wirklich dramatisch (im umgangssprachlichen Sinne) dargestellt. Ich denke da an Büchners "Woyzeck", der sich ja auch in einer scheren Lage befindet und aufbegehrt. Beim "Woyzeck" sprühen gewissermaßen die Funken vor lauter Emotionen und beim Lesen stockt einem der Atem. Bei Schiller gehts da gemäßigter und vergleichsweise seicht zu.
    Interessant fand ich bisher die Figur der Gertraud. Sie scheint mir eine wahre Power-Frau zu sein und hält einen sprachlich sehr ansprechenden und mitreißenden Dialog mit ihrem Mann. Bisher scheint sie mir ja die Drahtzieherin eines evtl. Aufstandes zu sein.
    Allgemein fällt mir Schillers Sprache hier immer wieder als ästhetisch sehr ansprechend auf. Das kann er halt, der Gute :breitgrins:
    Die Idee mit dem Hut fand ich auch sehr gut! Das ist mal ein Sinnbild für die Arroganz und Macht-/Selbstverliebtheit der Obrigkeit!
    Erstaunt war ich jedoch vom Zögern Tells als es um einen "Aufstand" gehen soll. In der ersten Szene noch ist er der wagemutige, alles riskierende Retter. Mal sehen wie diese Figur weiter ausgebaut wird.

  • Getrud ist wirklich eine tolle Persönlichkeit. Scheinbar ist sie in einer offenen und freien Familie aufgewachsen. Auch hier zeigt sich diese tolle Kombination zwischen Tradition und Freiheitsgedanken. Man bedenkt immer der ehrwürdigen Väter, wie sie Land und Freiheit geschätzt haben und will sich dies auch für die Zukunft bewahren.


    Ich habe heute Nacht noch ein bisschen über die Lage der Bevölkerung nachgedacht, es ist wirklich schwer für sie, denn sie sind Neid und Willkür ausgesetzt (ich denke an die Verblendung von Melchtals Vater oder die versuchte Schändung ganz zu Anfang). Eigentlich geht es ihnen gut, sie könnten ein "lockeres" zufiedenes Leben führen, denn Hungersnot plagt sie nicht. Ich denke auch das ist ein Grund für die wie du auch sagst "seichte" Art.


    Adventsgrüße
    schokotimmi

  • Hallo,


    ich habe nun auch den 3. Aufzug gelesen.


    Zu erst einmal bin ich etwas verwirrt. Ich hab zwar mehrfach hin und her gelesen, aber ich versteh grad irgendwie nicht wieso Berta mehr oder weniger auf der Seite der Freiheitskämpfer steht.War sie nicht bei der Feste, die zur Sicherung der Macht gebaut wird?
    Jedenfalls wieder eine starke Frau, wie sie Rudenz da auf ihre Seite zieht.


    Das wichtigste hier ist ja wohl die Szene mit dem Apfel. Schön fand ich wie eingangs Hedwigs Angst und ihre Ansichten dargestellt werden - ich glaube sie kennt ihren Tell. Nun Tell scheint viele gute Eigenschaften zu haben, Helfer in der Not, freiheitsliebend, ehrlich, familiär aber er scheint auch irgendwie naiv. Ich fand es berührend, wie er sich um seinen Sohn sorgt. Hat die "Ablenkung" gut genutzt und geschossen. Aber dass dann der Vogt fragt wofür der 2. Pfeil war und er auf sein Wort vertraut und ehrliche Antwort gibt, war doch sehr naiv. Schön dann sein Glaube an Gott und an seine Fähigkeiten. Bin sehr gespannt auf den Rest.


    Grüße
    schokotimmi

  • Ein paar generelle Gedanken zum Stück:


    Ich finde, man merkt dem Drama die Einflüsse der Romantik an. Die immer wieder kehrenden und recht ausführlichen Naturbeschreibungen lassen erkennen, dass Schiller seine Sturm und Drang Phase längst hinter sich gelassen hat und auch schon einen Schritt weiter ist als in der Weimarer Klassik. Sicher hat er sich seine Freiheitsliebe erhalten, dabei handelt es sich ja auch eher um eine allgemeine Einstellung, die für die Weimarer Klassik typisch geworden ist.


    Auffallend sind für mich auch die starken Frauenfiguren. Nach Getrud liest ja nun auch Berta ihrem Manne die Leviten in Punkto "Freiheitsstreben und Zupackermentalität". Das find ich super! Ich bin sonst gar nicht feministisch gepolt, aber hier begeistern mich diese Frauen. Sicher auch aus dem Grund, dass sie zu Schillers Zeit nicht so alltäglich waren wie heut. Heute wimmelt die zeitgenössische Literatur ja quasi von (vermeindlich) starken Frauen. Es wäre zu spekulieren, ob sich hier Schillers Lebenserfahrung niedergeschlagen hat. Das Stück ist ja an seinem Lebensende egschrieben worden, da hatte er schon allerlei Erfahrung mit den Frauen :zwinker:


    Gar perfide finde ich, dass Schillers "Weilhelm Tell" zu Beginn des dritten Reiches von den Nazis propagandistisch missbraucht wurde. Haben die das Stück je gelesen?! Da gehts doch die ganze Zeit ums freiheitssuchende Volk!!! Klar, es schließen sich die Einzelnen zu einem geeinten Schweizer Volk zusammen, aber bitte!


    Und zu guter Letzt zu ebenjenem Zusammenschlusse des geeinten Schweizer Volkes: Ich könnte mir gut vorstellen, dass sich hier der Zahn der Zeit wiederspiegelt, der immer deutlicher nach einem geeinten Deutschland verlangte. Schiller war ja mE auch ein Befürworter des Zusammenschlusses zum geeinten Deutschlands

  • Hallo,


    ich habe das Buch nun beendet und habe ein gemischtes Gefühl dabei. Also der 4. Aufzug hat mir auch wieder sehr gut gefallen - wie Tell entkommt und dann in der Enge auf Gessler wartet, das passt zusammen mit dem Rest.


    Der 5. Aufzug jedoch hat mir persönlich überhaupt nicht gefallen, das der Kaisermörder nochmal in Tells Hütte kommt und er ihn dann nach Italien schickt finde ich ein bisschen sehr übertrieben. Die einfache Aussage des Kaisermordes der sich in die Umstände des Aufstandes sehr gut gefügt hat, wenn man das so formulieren darf, hätte mir völlig ausgereicht. Der finde ich den Konflikt, der sich hier aufzeigt recht interessant. Wie Tell erklärt was seinen Mord besser macht als den des Kaisers Neffen - ist DAS wirklich überzeugend?!


    Die Idee mit dem geeinten Volk und der Sehnsucht Schillers dies auch für Dtl. zu erreichen finde ich wirklich gut, so hatte ich das gar nicht betrachtet.


    Alles in allem habe ich viel Spaß an der Lektüre gehabt - vllt. ergibt sich ja noch die eine oder andere Konversation dazu.


    Weihnachtliche Grüße
    schokotimmi

  • Hallo!


    Die Erklärung, warum Tells "Mord" so viel ehrenhafter war als der Mord am Kaiser, fand ich auch wenig nachvollziehbar für heutige Verhältnisse. Das kommt mir, als Leser aus 2007, konstruiert vor. Da wird jedoch der Zahn der Zeit seine Finger im Spiel gehabt haben. 1804 werden die Leser/Zuschauer des Stückes Tells Tat sicher selbstverständlich als ehrenhaft empfunden haben. Da spielen einfach die anderen Lebensumstände, eine (teils noch) andere Auffassung von Justiz und die Ideale der Zeit eine Rolle.


    Interessant war für mich ja die Apfelschusssage. Mir war überhaupt nicht bewusst, dass die nicht Schillers Ideen entsprang sondern Pendants in der Edda und auch orientalischen Mythologie hat. Die Edda steht bei mir im regal. Bei Gelegenheit werde ich das also mal nachlesen und anschauen, wie diese Sage dort umgesetzt ist.


    Im Großen und Ganzen fand ich das Stück jedoch sehr rund. Die Sprache ist für mich absolut beeindruckend und zeichnet auch dieses Schiller-Stück aus. Ich habe mich jedoch an einigen Stellen gefragt, wie der gute Mann sich das Bühnenbild vorgestellt hat. Da klettern ja ständig Menschen von irgendwelchen Bergen. Das sieht mir nach einem sehr aufwändigen Bühnenbild aus. Aber Schiller konnte sich das wohl erlauben :smile:


    Ich denke auch, dass sich im Nachhinein noch Gedanken zu dem Stück ergeben.


    Bis dahin frohe Weihnachten!