Wole Soyinka – Die Ausleger

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    Klappentext: Nigeria in den sechziger Jahren, kurz nach Erlangung der Unabhängigkeit. Fünf Freunde – ein Journalist, ein Angestellter im Auswärtigen Amt, ein Maler, ein Ingenieur und ein Universitätslehrer –, alle etwa Mitte dreißig, versuchen, sich innerhalb der neuen nigerianischen Gesellschaft zu etablieren. Doch für gut geschulte, aber kritische Geister gibt es keinen Platz in der frisch geschaffenen Bourgoisie. Der Anblick von käuflichen Emporkömmlingen und biegsamen Konformisten treibt sie zwangsläufig zur Flucht in den Spott oder zur Verzweiflung.
    Wole Soyinkas kunstvoll-satirische Zustandsbeschreibung liefert das Stimmungsbild einer Gesellschaft nach dem mißlungenen Dekolonialisierungsversuch – sprachkräftig, geistreich und voller Humor.



    Meine Meinung: Hier frage ich mich mal wieder, ob der Klappentextschreiber das Buch wenigstens ansatzweise kannte, denn bis auf die Berufsbezeichnungen hat es nur wenig Ähnlichkeit mit dem, was ich gelesen habe. Zunächst einmal ist wichtig zu sagen, daß es keine durchgehende Handlung im Sinne eines erzählbaren Plots gibt und darum ging es Soyinka wohl auch gar nicht. Vielmehr kommt immer wieder die Frage nach dem Ob und Wie der Aneignung einer fremden Kultur durch. Diese kann auf recht unterschiedliche Arten erfolgen und manche davon verspottet Soyinka hier gründlich.


    Die fünf (in der Reihenfolge der o. g. Berufe: Sagoe, Egbo, Kalo, Sekoni und Bandele) haben alle eine gute Ausbildung im Ausland genossen und sind nach Nigeria zurückgekehrt, um dort ihre Position zu finden. Zwar sind sie grundsätzlich befreundet, aber natürlich kommt es auch immer wieder zu Spannungen. Dabei spielen zum einen die jeweiligen Lebensgeschichten eine Rolle, die Soyinka nur Stück für Stück enthüllt, zum anderen die aktuellen Umstände im gerade unabhängigen Nigeria und schließlich die Rolle von Religion und Yoruba-Mythologie und -Tradition im Leben der fünf und in der Gesellschaft, in der sie sich bewegen. Jeder der fünf steht in einem je eigenen Spannungsverhältnis zwischen diesen Einflüssen und reagiert entsprechend. Die Nebenpersonen sind eher archetypisch gezeichnet (der rassistische Weiße, die erotische schwarze Prostituierte, der seine Identität suchende Mulatte aus den USA, ...). Sagoe hat sich eine persönliche Philosophie zugelegt, mit der er die gängigen -ismen für sich verneint; er muß als der am meisten „verwestlichte“ in diesem Kreis gelten. Kalo arbeitet an einem großen Gemälde, in dem er alle seine Freunde und Bekannten als Yoruba-Gottheiten porträtiert. Sekoni ist nach einem abgelehten Kraftwerksprojekt zum Bildhauer mutiert. Bandele ist mir am wenigsten greifbar geblieben, er hat kein konkretes „Projekt“, mit dem er sich (und auch ich ihn) identifiziert. Egbo steht vor allem zwischen zwei Frauen, verkörpert aber das Gegenstück zu Sagoe, nämlich den „Traditionalisten“.


    Die ganze Konstruktion ist etwas sperrig, es erfordert einige Aufmerksamkeit, um den Überblick über die gerade geltende Zeit, die gerade aktiven Personen und die inneren Bezüge zu behalten. Und obwohl es sonst sprachlich abwechslungsreich und flüssig daherkommt, liest es sich deswegen nicht glatt herunter. Daran ändern auch eine ganze Reihe von Schmunzelpassagen nichts – etwa, wenn ein afrikanischer Professor und seine Frau eine Party geben und die komplette Dekoration aus kitschigem europäischem Plastikzeug besteht. Ein interessantes Buch, das ich sicher mindestens noch einmal lesen muß, um festzustellen, was mir diesmal alles daran entgangen ist.


    4ratten :marypipeshalbeprivatmaus:


    Schönen Gruß,
    Aldawen