Joseph Roth: Hiob

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  • Joseph Roth: Hiob dtv. 187 Seiten.


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    Aufmerksam bin ich auf dieses Buch durch den Literaturkritiker Ulrich Greiner geworden, der es für einen der besten Romane überhaupt hält. Auch hier im Forum gibt es eine Leserin, die gerade dieses Buch als bestes Buch aller Zeiten angegeben hat.


    Dieser Roman greift die biblische Geschichte von Hiob wieder auf und verlegt sie in die Neuzeit. Er erzählt von den Schicksalsschlägen, die das Familienoberhaupt Mendel Singer, mit seiner Familie erleben muss. Der Klappentext nimmt das Ende übrigens vorweg. Erzählt wird die Geschichte in einer Märchen- oder Legendenform, die einfach gehaltene Sprache und die durch sie erzeugte Stimmung bestimmen den Charakter des Buches. Mich hat das Buch über weite Strecken gelangweilt, die gewählte Sprache kommt mir für den 1930 veröffentlichten Roman zu künstlich daher. Die Bibel ist prägnanter und eine Adaption der Original-Geschichte, die in der Form (nicht dem Inhalt nach) zu nah am Bibeltext bleibt, erscheint mir überflüssig. Javier Marias greift auch immer wieder biblische Themen auf, setzt sie dann aber in modernerer Form um. Das fehlt mir hier.


    3ratten


    Schöne Grüße,
    Thomas

    Einmal editiert, zuletzt von Klassikfreund ()

  • Es ist schon länger her, das ich dieses Buch gelesen habe. Mir hat es sehr, sehr gut gefallen.


    Ich habe das Buch vor ca. einem Jahr gelesen, es ist mir aber doch noch sehr gegenwärtig.
    Ich hatte eigentlich nicht den Eindruck, dass es in Märchen- oder Legendenform geschrieben wäre. Ganz im Gegenteil. Ich muss aber auch betonen, dass ich biblische Themen verpackt in Literatur sehr gerne lese.


    Die Charaktere sind ganz wunderbar beschrieben.
    Mendel Singer verkörpert für mich das Zitat der Bibel „Die Gesetze sind für den Menschen da und nicht die Menschen für die Gesetze.“ (im Sinn, wie es nicht gemeint ist).
    Demütig, blind, fast naiv folgt und erfüllt er alle Glaubensgrundsätze und Dogmen, ohne darüber nachzudenken. Seine Entscheidung, den jüngsten Sohn zurückzulassen, das „Sich-einreden“, dass es ihm bei den Nachbarn gut geht, dass man ansonsten nichts für ihn tun könnte, wird genial beschrieben.


    Ein Buch, das jetzt immer noch eine Gänsehaut hervorruft, ein ganz wunderbares Buch!!


    5ratten

    :blume:&nbsp; Herzliche Grüße!&nbsp; :blume: <br />creative

  • Bei mir ist die Lektüre von Hiob auch schon eine Weile her. Zeitweise empfand ich die Geschichte schon sehr bedrückend, allerdings sind viele Geschichten von Juden bedrückend. Durch den engen Bezug zur biblischen Geschichte behält die Erzählung schon etwas gleichnishaftes. Allerdings kann man sie ruhig glauben - vielleicht außer dem "glücklichen" (?) Ende.
    Doch fand ich es gut erzählt, ich erinnere mich gern daran.
    Grüße, Hittl

    Die Ironie ist die Kaktuspflanze, die über dem Grab unserer toten Illusionen wuchert.

  • Dieses Buch ist eines meiner Lieblingsbücher! Jede Begebenheit und jede Stimmung habe ich vollends miterlebt und gefühlt. Das passiert mir nicht oft, dass ein Autor/In das schafft. Schon oft habe ich Abschiedszenen gelesen, aber eine, in diesem Roman beschriebene, hat mich noch tagelang beschäftigt. Ein wirklich schöner Roman, zwar bedrückend, aber mit Happy End.

  • Ich hatte eigentlich nicht den Eindruck, dass es in Märchen- oder Legendenform geschrieben wäre. Ganz im Gegenteil.


    Teilweise schon legendär, oder sagen wir lieber religiös. Es geht um ein Wunder, das dem nicht wundergläubigen Mendel Singer passiert, nämlich um die Prophezeihung eines Rabbis, die dann auch eintrifft:


    Zitat von "Joseph Roth"

    Menuchim, Mendels Sohn, wird gesund werden. Seinesgleichen wird es nicht viele geben in Israel. Der Schmerz wird ihn weise machen, die Häßlichkeit gütig, die Bitterkeit milde und die Krankheit stark. Seine Augen werden weit sein und tief, seine Ohren hell und voll Wiederhall. Sein Mund wird schweigen, aber wenn er die Lippen auftun wird, werden sie gutes künden.


    Es geht eben auch um die innerliche Wandlung des orthodoxen Juden Mendel Singer, der streng nach seiner Religion lebt. Weil er soviel Leid erfährt, will er aber Gott "verbrennen", wird aber geläutert, als ihm das Wunder wiederfährt.


    Der Roman ist grundtief religiös, was vielleicht ein Jude selbst am besten erkennen kann. Menuchim erscheint seinen Vater wie ein Messias, wie einer, der von den Toten auferstanden ist.


    Der Roman erzählt auch vom Schicksal des jüdischen Volkes, das Leben in der Diaspora, bzw. auch von jüdischer Abtrünnigkeit. So habe ich mich gewundert, warum Jonas bei den Kosaken im Militär dient. Von einem Juden hätte ich das nie erwartet, denn die Kosaken waren seit langem antisemitisch und haben u.a. um 1900, also vor dem ersten Weltkrieg, Progrome an den jüdischen Volk verübt. Viele Juden sind damals schon aus dem polnisch-russischen Grenzgebiet geflohen (vgl. Henry W. Katz: "Die Fischmanns"). Seit Mitte des 17. Jahrhunderts wurden schon polnische Juden von griechisch-orthodoxen Kosaken umgebracht (historisches Stichwort: "ukrainisches Gemetzel" von 1648/49; vgl. auch Isaac Bashevis Singer: Jakob der Knecht). Jonas assimiliert sich mit den Kosaken. Aus dem Juden Schemarjah wurde in den USA der Geschäftsmann Sam. Mirjam, die Nymphomanin, die auch mit Kosaken zusammen ist und als ein Grund für Mendels Gang nach Amerika dient (dort kann sie es nicht mehr mit den Kosaken treiben), ihr sexuelles Verhalten also geht konträr jüdischer Moralvorstellungen. So muss man schließlich erkennen, das im "Hiob" doch einiges über die Zerissenheit der Juden in der Welt zu lesen ist. Und dann, ausgerechnet in der neuen Welt taucht Menuchim, dieser einzigartige Mensch, auf. Vielleicht wollte Joseph Roth mit dem auftauchen Menuchims den jüdischen Traum aufzeigen, dass die Juden selbst in der Diaspora noch ihre religiöse Heimat wiederentdecken können, wie eben Mendel Singer auch.


    Liebe Grüße
    mombour

    Einmal editiert, zuletzt von mombour ()

  • Was den Erzählstil angeht, muß ich Klassikfreund und mombour schon zustimmen, das legendenhaft-religiöse ist deutlich in Sprache und Rhythmus. Da es aber durchaus zum Thema paßt, hat mich das nicht weiter gestört. Eher hatte ich Bedenken, daß mich der Inhalt als solches vor Probleme stellen würde, wie dies bei religiös inspirierten Büchern gleich welchen Glaubens eigentlich immer der Fall ist. Das Gefühl stellte sich diesmal nicht unbedingt ein, ich hatte dafür aber immer Tevje, den Milchmann aus Anatevka vor Augen, was nur bedingt hilfreich war ... Das Ende war mir dann aber doch zu sehr auf den Heilsbringer zugeschnitten. In der Gesamtkonstruktion der Erzählung war dies zwar notwendig, um Mendel mit seinem Gott zu versöhnen, aber da macht sich meine Areligiösität dann wohl doch bemerkbar.


    3ratten + :marypipeshalbeprivatmaus:


    Schönen Gruß,
    Aldawen

  • Joseph Roth, Hiob (EA 1930)


    Hiob erzählt von der Heimsuchung und Prüfung eines einfachen Mannes, welcher, gleich dem biblischen Hiob, schwere Schicksalsschläge erleiden muss. Es ist die bewegende Geschichte von Mendel Singer, einem frommen Juden, dessen Leben von Leid und Schmerz geprägt ist. Bei der Emigration in die USA muss er seinen behinderten Sohn zurücklassen, seine älteren Söhne sterben im Krieg, seine Frau vor Gram darüber und die Tochter wird in eine Anstalt eingewiesen.


    Mendel wird alles genommen. Er zerbricht nicht, doch er verflucht sein Los und wendet sich gegen Gott:


    Ich bin allein, und ich will allein sein. Alle Jahre habe ich Gott geliebt, und er hat mich gehaßt. Alle Jahre hab ich ihn gefürchtet, jetzt kann er nichts mehr machen. Alle Pfeile aus seinem Köcher haben mich schon getroffen. Er kann mich nur noch töten. Aber dazu ist er zu grausam. Ich werde leben, leben, leben.


    Joseph Roth hat die biblische Hiobsgeschichte in das 20. Jahrhundert verlegt. Sein Erzählton ist einfach, ruhig, einprägsam. In leisen, aber gehaltvollen Tönen berichtet Roth von Verlust, Einsamkeit, Ohnmacht, Zorn, Gnade. Ja, am Ende erfährt Mendel Singer schließlich auch Gnade, welche tatsächlich wie ein Wunder wirkt, nachdem ihm sein Leben lang nur Leid widerfahren ist. Und wie ich die Leiden Mendels miterlebt, mitgefühlt habe, so kann ich mich endlich auch für und mit ihm freuen.


    5ratten



    Lieben Gruß,
    bimo

  • Joseph Roth - Hiob


    OA: 1930
    195 Seiten

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    Inhalt:


    Mendel Singer lebt mit seiner Familie in einem Stetl in Russland. Sein Leben wird vom Pech verfolgt und trotzdem ist Mendel ein gläubiger Jude, der jeden Tag zu seinem Gott betet und Kinder in der jüdischen Religion unterrichtet. Eines Tages nach vielen, fast unerträglichen Schicksalsschlägen verliert Mendel endgültig seinen Glauben an Gott. Er verflucht ihn, wendet sich ab und lästert absichtlich seinen Glauben. Sein Glück ist, dass er viele wirklich gute Freunde hat, die ihn bei sich aufnehmen und ihn stützen, als er kurz davor ist sein Leben wegzuwerfen.



    Eigene Meinung:


    Dieses Buch berührte mich sehr. Es handelt von Glauben und Schicksal, von Neuanfängen, Schuldgefühlen, Trauer, Einsamkeit und dem Verlust von Heimat und Familie. Mendel erträgt viel, aber auch er hat seine Grenzen. Dieses Buch wirft viele Fragen auf. Man beginnt sich darüber Gedanken zu machen, wie viel man selbst ertragen könnte, ohne zu verzweifeln. Man fragt sich, ob es einen gerechten Gott gibt, warum gute Menschen manchmal so vom Schicksal gepeinigt und verfolgt werden, aber es zeigt auch, dass man niemals Wunder ausschließen darf, auch wenn man schon lange nicht mehr daran glaubt. Das Leben Mendels wird verwebt mit der Geschichte des biblischen Hiobs.
    Ich kann dieses Buch nur empfehlen.


    5ratten


    Tina
    veröffentlicht: 14-11-2010

  • Um die Schriften von Joseph Roth schleiche ich bereits seit einiger Zeit herum; irgendwann gebe ich mir einen Ruck, und dann werden mindestens die wichtigsten Bücher gelesen. Für die neuerliche Animation vielen Dank, tina.


    Die Einbettung in ein religilöses Thema stört mich auch als durchgefärbten Materialisten nicht. Für mich sind eben religiöse Mythen und Motive Spiegelungen von Lebensfragen, nicht umgekehrt.


  • Um die Schriften von Joseph Roth schleiche ich bereits seit einiger Zeit herum; irgendwann gebe ich mir einen Ruck, und dann werden mindestens die wichtigsten Bücher gelesen. Für die neuerliche Animation vielen Dank, tina.


    Na, aber gern geschehen.
    Ich mache gerne anderen die literarische Nase lang. :zwinker:


    Liebe Grüße Tina