Jurij Rytcheu, Wenn die Wale fortziehen, München 1980, 106 Seiten, Verlag Simon&Mageira, mittlerweile nur noch von Ullstein erhältlich
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Ich habe es lange aufgeschoben, dieses Büchlein zu lesen. Es ist sehr schön aufgemacht und auf griffigem Papier gedruckt, aber der Klappentext hatte es mich immer wieder aus der Hand legen lassen. Dort wurde nämlich – ganz im Sinne der frühen achtziger Jahre – suggeriert, daß es sich bei diesem Werk um die Wiedergabe eines Ostsibirischen Mythos' handelt, der die Zerstörung der matriarchalen Harmonie durch den patriarchalen Sündenfall darstellt.
Als ich es dann schließlich aufschlug wurde ich auf das Angenehmste überrascht. Zwar wird ein Schöpfungsmythos der in Ostsibirien ansässigen Tschukoten erzählt, allerdings ohne jede feministische Mythenklitterung, wie sie zur Zeit der Veröffentlichung en vogue war.
Im Gegenteil: Rytcheu ist selbst Tschukote, ausgebildet in Leningrad und an den russischen Klassikern, erzählt die Sagen seiner Heimat mit einer gewissen romantischen Verklärung, die die Geschichten nur noch liebenswerter machen. Gewiß ist die Erzählung von Rytcheu auch für den Wissenschaftler interessant, aber sie hat auch einen eigenen literarischen Wert. Diesen gilt es lesend zu entdecken – und niemand lasse sich von Klappentexten abschrecken!