[Nigeria] Chimamanda Ngozi Adichie – Die Hälfte der Sonne

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    Inhalt: Am Beispiel einer Gruppe von Igbo aus der (gehobenen) Mittelschicht erzählt Adichie die Geschichte des kurzlebigen Staates Biafra, die Ereignisse, die zu seiner Ausrufung führten, und seinen Untergang nach nur knapp vier Jahren, davon zweieinhalb Jahre Bürgerkrieg. Der Junge Ugwu kommt als Houseboy zu dem linksintellektuellen Universitätsdozenten Odenigbo in Nsukka. Dessen Freundin Olanna, bei weitem nicht so politisiert wie er, entstammt einer angesehenen und reichen Familie, im Gegensatz zu ihrer Zwillingsschwester Kainene hat sie aber für geschäftliche Dinge nur wenig Sinn. Es gibt einen regelmäßigen Kreis, der sich in Odenigbos Haus trifft, dazu gehört auch Kainenes weißer, britischer Freund Richard. An dieser Gruppe von Menschen hangelt sich die Geschichte entlang, ergänzt um weitere Familienangehörige. Da gibt es zunächst mal ganz normale persönliche Probleme der Untreue und Eifersucht, die für Beziehungsprobleme sorgen und von den Beteiligten mehr oder weniger gut und gründlich gelöst werden. Ein Putsch der Igbo (Schwerpunkt im Südosten Nigerias) gegen die nigerianische Regierung, gefolgt von einem Gegenputsch und Pogromen gegen die Igbo, die in anderen Landesteilen leben, erschüttert das insgesamt ruhige Leben nachhaltig. Vor allem der späterhin ausbrechende Krieg, in dem Biafra mangels äußerer Unterstützung von Beginn an keine Chance hatte, überdeckt vieles und schafft neue, aber sehr viel existentiellere Probleme des Überlebens. Die Propaganda des neuen Staates funktioniert gut, die Begeisterung für „die Sache“ ist selbst am Ende unter weiten Teilen der Bevölkerung noch groß. Die Kapitulation ist ein Schock und das Zurückfinden ins neue-alte Leben wird schwierig werden.



    Meine Meinung: Adichie gelingt hier eine bemerkenswerte Darstellung der Ereignisse rund um Biafra und den Bürgerkrieg. Das durch diesen hervorgerufene Elend ist deutlich spürbar und erschütternd – was dieses Buch mit manchen anderen nicht-verherrlichenden Kriegsdarstellungen teilt, denn auch hier ist nichts herrlich oder heroisch. Weil, oder vielleicht obwohl, nicht die Entscheidungsträger im Mittelpunkt stehen, sondern eine Gruppe von „normalen“ Menschen (wenn auch aus gehobener gesellschaftlicher Position und deshalb mit entsprechend viel zu verlieren), gelingt es Adichie, die Gründe für die Begeisterung zum neuen Staat und die Motivation, alles für diesen Staat zu tun, aufzuzeigen. Und obwohl ich manchmal über die Naivität der Sichtweise den Kopf geschüttelt habe, waren die Handlungen und Entscheidungen der Protagonisten absolut nachvollziehbar. Dafür wählt Adichie aber eine ungewöhnliche Erzählchronologie. Nachdem nämlich von Ugwus Ankunft im Haus bis in den Krieg hinein geschildert wird, blendet Adichie dann nochmal in die frühen Sechziger zurück und liefert die Erklärungen für einige Andeutungen im ersten Teil, um dann bis zum Kriegsende zu erzählen.


    Der Abstand von über 30 Jahren zu den Ereignissen erlaubt wohl auch die Aufnahme zweier besonderer Punkte. Zum einen nutzt Adichie die Erinnerungen, die viele Leute noch an die Bilder der Hungerkinder von Biafra haben. Ich selbst habe zwar keine bewußten daran, aber ich kann mich aus Kindheitstagen durchaus noch an die Verknüpfung des Begriffs „Biafra“ mit „Hunger“ und fast als Synonym für das „afrikanische Elend“ allgemein erinnern. Zum anderen nimmt sie implizit eine Bewertung der damaligen Haltung der westlichen Welt vor. Bedauerlicherweise muß ich feststellen, daß hier praktisch keine Fortschritte zu verzeichnen sind – in den Krisengebieten der Welt zählen ein toter Europäer oder Amerikaner immer noch mehr als die Einheimischen ...


    4ratten :marypipeshalbeprivatmaus:


    Schönen Gruß,
    Aldawen

    Einmal editiert, zuletzt von Aldawen ()

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    Originaltitel: Half of a Yellow Sun


    Biafra als Synonym für eine Hungersnot war mir ein Begriff, aber nicht sein Hintergrund. Dass das Buch hiervon handeln würde, war mir auch nicht klar, es beginnt zunächst in wohlsituierten, akademischen Verhältnissen. Der Titel bezieht sich auf die Flagge Biafras.


    Hier haben wir zwei Schwestern aus gutem Hause, die eine folgt dem Vater ins Geschäftsleben (und lernt einen Engländer kennen, der die historische Kultur der Igbo interessant findet und ein Buch schreiben will), die andere lebt mit einem Professor zusammen, der einen intellektuell-politischen Bekanntenkreis hat. In diesem Haushalt lebt auch Ugbu. Er kommt als Houseboy, doch seine Rolle ist nicht so klar definiert, der Professor will ihn bilden und er gehört irgendwann schon zur Familie. Während der erste Teil mehr von gesellschaftlich-familiären Problemen geprägt ist, Moderne trifft auf Tradition, wird in der zweiten Hälfte das Leben im Krieg und der Hunger zum Thema. Dank passender Verbindungen geht es den Protagonist*innen noch relativ gut, aber das Ausmaß, in dem selbst sie betroffen sind, zeigt trotzdem den ganzen Schrecken.


    Das Buch hat mir einen mir bis dahin unbekannten Teil afrikanischer (genauer gesagt nigerianischer) Geschichte nahe gebracht und auch wie egal das Geschehen dort eigentlich der „ersten Welt“ war (und immer noch ist).



    4ratten